Kapitel 5 – Transportdienstleistungen: Uber

Inhaltsverzeichnis

Mag. Matthias Balla

The application of the traditional test of employment – a test which evolved under an economic model very different from the new ‘sharing economy’ – to UBER’s business model creates significant challenges. Arguably, many of the factors in that test appear outmoded in this context. Other factors, which might arguably be reflective of the current economic realities (such as the proportion of revenues generated and shared by the respective parties, their relative bargaining power, and the range of alternatives available to each), are not expressly encompassed by the (traditional) test. It may be that the legislature or appellate courts may eventually refine or revise that test in the context of the new economy. It is conceivable that the legislature would enact rules particular to the new so-called ‘sharing economy.[1]Justice Chen in US District Court for the Northern Circuit of California 11.03.2015, C-13-3826 EMC – Douglas O’Connor et al vs UBER Technologies Inc et al – http://www.rstreet.org/wp-content/uploads/2015/03/UBER-summary-judgment.pdf (06.12.2016).

1. Wer bzw was ist UBER?

UBER wurde 2009 als Limousinenservice von Garrett Camp und Travis Kalanik in San Francisco gegründet und hatte 2013 einen Umsatz von 213 Millionen Dollar[2]Thorsten Schröder, Die UBER-Flieger, in Zeit Online vom 12.02.2014 (27.12.2016).. Der Wert des Unternehmens wird auf etwa 17 Miliarden US-Dollar geschätzt[3]Deutscher Taxi-u. Mietwagenverband E.V., Schwarzbuch UBER, http://www.bzp.org/Content/MELDUNGEN/2014/_doc/Schwarzbuch_UBER30042015.pdf (27.12.2016)., in einer aktuellen OECD-Studie gar auf 51 Milliarden US-Dollar[4]OECD, New Form of Work in the Digital Economy (2016) 7; verfügbar unter http://www.oecd-ilibrary.org/fr/science-and-technology/new-forms-of-work-in-the-digital-economy_5jlwnklt820x-en;jsessionid=25vou7x25df46.x-oecd-live-03 (06.12.2016).. Mittlerweile ist UBER weltweit an 502 Standorten vertreten.[5]www.UBER.com/cities/ (06.12.2016). Der Name rührt aus dem deutschen Wort „Über“ her, das eine bessere Version einer Sache bezeichnet wie zB Nietzsches „Übermensch“. Ursprünglich hieß das Unternehmen in Anlehnung daran auch UBERCab. Damit sollte schon im Namen die besondere Qualität des angebotenen Taxiservice (cab) ausgedrückt werden. Als 2011 eine Unterlassungsaufforderung hinsichtlich des Namens seitens der San Francisco Metro Transit Authority & the Public Utilities Commission of California erging, wurde der Name auf “UBER“ verkürzt.[6]http://www.rewindandcapture.com/why-is-it-called-UBER/ (07.12.2016).

Der Unternehmensgegenstand von UBER besteht nach eigener Auffassung darin, als Online-Plattform Fahrdienstleistungen zu vermitteln. UBER ist damit Ausdruck der Entwicklung der Wirtschaft von traditionellen „Pipeline-Märkten“ hin zu „Plattform-Märkten“[7]Simon Schumich, Sharing Economy – Die Ökonomie des Teilens aus Sicht der ArbeitnehmerInnen (2016), 27.. Die Vermittlung erfolgt online über Computer oder eine Smartphone-Applikation. KundInnen übermitteln einen konkreten Beförderungswunsch. UBER vermittelt einen/eine FahrerIn, wobei die Abgeltung der Fahrt online mittels einer Kreditkarte oder eines Online-Bezahlservice erfolgt[8]www.UBER.com/ride/ (04.08.2016); die Information wurde mittlerweile gelöscht..

1.1. Welche Formen von UBER gibt es weltweit?

UBER bietet unter unterschiedlichen Markennamen verschiedene Formen von Fahrtdienstleistungen an:

Unter UBERPop werden Fahrtdienstleistungen von Fahrern, die ihren Privat-PKW benützen, vermittelt. Unter UBERX bietet UBER die Fahrtdienstleistungen durch Vermittlung von Mietwagenunternehmen an. Bei UBERBlack handelt es sich um einen Limousinenservice. Weltweit werden in einzelnen Städten noch weitere Dienstleistungen wie UBERTaxi, UBERSUV angeboten. In den USA, Kanada und Australien bietet UBER unter der Marke UBEREats auch einen Essenslieferservice an[9]https://de.wikipedia.org/wiki/UBER_(Unternehmen) (27.12.2016)..

1.2. Welche Formen von UBER treten in Österreich auf?

In Österreich bietet UBER zurzeit UBERX, UBERblack und UBERVan an. UBER arbeitet in allen diesen Fahrtdienstleistungen mit Mietwagenunternehmen zusammen, an die UBER potenzielle KundInnen vermittelt. Seit Mitte Dezember 2016 bietet UBER in Wien auch UBEREats an.[10]Laufer, Fahrradboten: Essenszustellung unter prekären Verhältnissen, Der Standard vom 03.01.2017, http://derstandard.at/2000050035297/Fahrradboten-Essenszustellung-unter-prekaeren-Verhaeltnissen (23.01.2017). Seinen Unternehmenssitz hat UBER in Amsterdam.[11]Rechnung von UBER B.V., ausgestellt am 28.06.2016. Der folgende Beitrag beschränkt sich auf die Darstellung der UBER-Modelle, die die Personenbeförderung zum Inhalt haben.

2. Der Sachverhalt: Wie wird die Dienstleistung konkret abgewickelt?[12]Hinweis zu den Sachverhaltsquellen: Die Angaben zum Sachverhalt resultieren in weiten Teilen auf den Richtlinien, die UBER weltweit für seine FahrerInnen aufgestellt und auf seiner Homepage veröffentlicht hat. Es handelt sich dabei insbesondere um mehrere Versionen der „Driver Deactivation Policy“, aber auch um Datenschutzerklärungen für verschiedene Beteiligte und andere Informationstexte. Aus den umfangreichen Regeln lassen sich konkrete Rückschlüsse auf die interne Organisationsabwicklung der Dienstleistung und auf das Vertragsverhältnis zu den FahrerInnen ableiten. Mittlerweile hat UBER aber seine Hompage so umorganisiert, dass auf die zuvor genannten Informationen von außen stehenden Personen nun nicht mehr zugegriffen werden kann. Zwar konnten im Zuge der Recherche die Inhalte der maßgeblichen Quellen zum Zeitpunkt der Abfrage gesichert werden, allfällige Änderungen bzw Aktualisierungen können aber mangels Zugang nicht mehr berücksichtigt werden. Inwieweit diese Maßnahme mit der für UBER abschlägigen Entscheidung des englischen Employment Tribunal in der Rs Aslam ua vs UBER B.V. ua in Zusammenhang steht, kann nicht beurteilt werden.

Die Abwicklung der Transportdienstleistung wird in einem zumeist dreipersonalen Verhältnis abgewickelt. Die Plattform UBER kommuniziert online über das Internet mit den einzelnen FahrerInnen und KundInnen bzw kommunizieren diese bisweilen direkt miteinander. Die Kommunikation erfolgt dabei in der Regel über eine Applikation, die von UBER entwickelt wurde (in der Folge kurz: UBER-APP).

2.1. Fahrtabwicklung aus KundInnensicht

KundInnen laden die UBER-APP auf ihr Smartphone oder registrieren sich am Computer bei UBER.com[13]https://get.uber.com/sign-up/ (27.12.2016).. Im nächsten Schritt registrieren sie sich als NutzerInnen und geben die sie betreffenden Daten sowie eine gültige Kreditkarte oder einen Online-Bezahldienst bekannt und erteilen im Voraus UBER die Inkassovollmacht, alle zukünftig fälligen Fahrtentgelte automatisch einzuziehen.[14]www.UBER.com/legal/terms/at/ (27.12.2016). Sobald sie die APP starten, können KundInnen UBER durch Eingabe von Abhol- und Zielort einen Fahrtwunsch bekannt geben. UBER ermittelt auf Wunsch einen vorläufigen Fahrtpreis und – sofern die Bestellung aufgegeben wurde – den Vornamen eines Fahrers/einer Fahrerin, der/die bereit wäre, die Transportfahrt zu übernehmen, sowie Details zum Fahrzeug[15]https://www.uber.com/de-AT/ride/how-uber-works/ (27.12.2016).. Wird dann eine konkrete Bestellung aufgegeben, so wird auf dem Handydisplay angezeigt, wo auf der Karte sich der/die FahrerIn befindet und wann er/sie voraussichtlich am Abholort eintrifft.

Am Abholort angelangt, steigt der Kunde/die Kundin zu und die Transportfahrt wird abgewickelt. Am Zielort steigt der Kunde/die Kundin aus und UBER belastet automatisch die im Zuge der Registrierung angegebene Kreditkarte mit dem Fahrtpreis[16]https://www.uber.com/de-AT/ride/how-uber-works/ (27.12.2016). In der Folge erhält der Kunde/die Kundin ein E-Mail[17]Persönliche Erfahrung des Verfassers bei einer Fahrt am 05.07.2016., in welcher auf einer Karte die konkret zurückgelegte Fahrtroute veranschaulicht wird sowie das Datum und die Anfangs- bzw Endzeit der Fahrt. Neben der Angabe des Vornamens des Fahrers/der Fahrerin und dessen Foto werden die KundInnen aufgefordert, eine Bewertung des Fahrers/der Fahrerin auf einer Skala von 5 Sternen abzugeben.

Das E-Mail enthält außerdem einen Link, über welchen KundInnen die Rechnung herunterladen und ausdrucken können. Auf dieser Rechnung[18]Persönliche Erfahrung des Verfassers bei einer Fahrt am 05.07.2016., ausgestellt von UBER, scheint erstmals der konkrete vollständige Name des Farhers/der Fahrerein auf, der/die die Fahrt durchgeführt hat.

2.2. Fahrtabwicklung aus FahrerInnensicht

FahrerInnen erhalten von UBER ebenfalls eine Applikation zur Verfügung gestellt. Sobald sie bereit sind, einen Transportauftrag zu übernehmen, wird diese gestartet. Dann erhalten die FahrerInnen allfällige, in der Nähe des Standortes befindliche Angebote von KundInnen übermittelt.[19]https://www.uber.com/de-AT/drive/partner-app/ (27.12.2016). Bestätigen die FahrerInnen die Annahme eines dieser Angebote, so wird ihnen die Fahrtroute zu den jeweiligen KundInnen von UBER angegeben.[20]https://www.uber.com/de-AT/drive/partner-app/ (27.12.2016). Am Bestellort angekommen, steigen diese zu. Mit Bestätigung der Aufnahme der jeweiligen KundInnen erhalten die FahrerInnen von UBER die Route angegeben, die zum von den KundInnen bestellten Zielorten führt.[21]https://www.uber.com/de-AT/drive/partner-app/ (27.12.2016). Der/Die FahrerIn transportiert die KundInnen zum Bestimmungsort und bestätigt die Abwicklung der Transportfahrt. Nach Abschluss der Fahrt wird er/sie aufgefordert, auf einer Fünf-Sterne-Skala den Fahrgast zu bewerten und ein Feedback darüber zu geben, wie die Fahrt verlaufen ist. Laut Angaben von UBER soll dieses Zwei-Wege-System der Bewertung beide Beteiligen auf ihre Verantwortlichkeit für ihr eigenes Verhalten hinweisen[22]https://www.UBER.com/legal/deactivation-policy/us/ (11.08.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar. Employment Tribunal, 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, Rz 55..

3. Die Zulassung als UBER-FahrerIn

Um als FahrerIn für UBER zugelassen zu werden, ist es erforderlich, ein Verrechnungskonto einzurichten. Neben der Vorlage der Fahrberechtigung müssen FahrerInnen einer Überprüfung des Leumunds zustimmen, umfangreiche Informationen zum zu benützenden Fahrzeug (Nachweis über eine bestehende Versicherung und die Erfüllung der Zulassungskriterien) vorlegen.[23]https://www.UBER.com/legal/privacy/driversnon-us/de/ (05.07.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar. Employment Tribunal, 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, Rz 40 ff.

Außerdem müssen die FahrerInnen eine Datenschutzerklärung abgegeben, in der sie zustimmen, dass alle Daten zur Person und Fahrzeug von UBER erfasst werden. Hinzu tritt das Einverständnis der FahrerInnen, dass UBER Zugang zu den persönlichen Kontakten im Adressbuch auf dem für die APP zu benutzenden Handy erhält, um so „Interaktionen“ über die UBER-Serviceleistungen zu ermöglichen.[24]https://www.UBER.com/legal/privacy/driversnon-us/de/ (05.07.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar. UBER speichert sämtliche Standortinformationen des Smartphones sowie Geräteinformationen. UBER registriert nicht nur alle Transaktionsinformationen, die im Zusammenhang mit der Transportleistung stehen, sondern auch sämtliche Daten über getätigte Anrufe bzw SMS-Daten sowie Nutzungs- und Präferenzinformationen über die Interaktion der FahrerInnen mit der Plattform.[25]https://www.UBER.com/legal/privacy/driversnon-us/de/ (05.07.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar. Gemäß der abgegebenen FahrerInnen-Erklärung ist UBER nicht nur berechtigt, diese Daten zu registrieren, sondern kann sie auch in die USA und andere Länder transferieren und dort weiterverarbeiten. UBER kann diese Daten unter bestimmten Voraussetzungen auch an Dritte weitergeben.[26]https://www.UBER.com/legal/privacy/driversnon-us/de/ (05.07.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar.

4. Die UBER-FahrerInnen-Richtlinien

Alle UBER-FahrerInnen müssen sich Richtlinien[27]https://www.UBER.com/legal/deactivation-policy/us/ (11.08.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar. unterwerfen, die die generellen Voraussetzungen der Nutzung der APP und die konkreten Verhaltensanordnungen betreffend die Abwicklung der Fahrten reglementieren. Die Nichteinhaltung dieser Richtlinien ist mit einer vorübergehenden oder dauernden Deaktivierung des Zugangs zur APP sanktioniert.

Neben der Verpflichtung zu gesetzeskonformen Verhalten, dem Verbot von Alkohol und sonstigen Drogen und dem Waffenverbot unterliegen alle FahrerInnen einem sogenannten Qualitätsbewertungssystem. Dieses System orientiert sich an drei Kriterien: an der KundInnenbewertung, an der Stornierungsquote und an den Akzeptanzraten der FahrerInnen.

4.1. Die KundInnenbewertung

Wie bereits oben angeführt, bewerten sich FahrerInnen und KundInnen wechselseitig mithilfe eines Fünf-Sterne-Ratings. Um dauerhaft Fahrten vermittelt zu bekommen, dürfen FahrerInnen nicht unter eine bestimmte Durchschnittsbewertung fallen. Dieser Durchschnittswert ist je nach Region bzw Stadt unterschiedlich, da UBER davon ausgeht, dass es kulturelle Unterschiede im Bewertungsverhalten der KundInnen gibt. Abgestellt wird auf den Durchschnittswert der letzten 500 Fahrten bzw aller Fahrten, sofern bisher weniger als 500 Fahrten durchgeführt wurden. UBER möchte mit der Begrenzung auf die letzten 500 Fahrten den FahrerInnen die Möglichkeit einräumen, ihr Service im Laufe der Zeit zu verbessern.[28]https://www.UBER.com/legal/deactivation-policy/us/ (11.08.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar. Employment Tribunal 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, Rz 37 und 55.

4.2. Die Stornierungsquoten

Das zweite Kriterium der Qualitätsbewertung betrifft eine allfällige Stornierung durch FahrerInnen, nachdem eine Fahrtanfrage durch die KundInnen bereits angenommen wurde. Was die möglichen Ursachen für eine solche nachträgliche Stornierung durch die FahrerInnen sein könnten, kann nur vermutet werden. Möglicherweise wird den FahrerInnen das konkrete Fahrtziel der KundInnen erst angezeigt, nachdem sie den Auftrag bereits angenommen haben[29]Employment Tribunal 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, Rz 67.. UBER geht davon aus, dass sich wiederholte Stornierungen durch FahrerInnen negativ auf die Zuverlässigkeit des Systems auswirken und dass hochwertige FahrerInnen in der Regel eine Stornoquote von unter 5 von 100 Fahrten haben.[30]https://www.UBER.com/legal/deactivation-policy/us/ (11.08.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar.

4.3. Das Akzeptanz-Rating

Ab dem Moment, ab dem ein/eine FahrerIn die APP startet und sich somit als bereit meldet, erwartet UBER, dass er/sie die einlangenden Fahrtanfragen auch annimmt. Hohe Akzeptanzraten bei den angebotenen Fahrtanfragen sind für UBER ein wichtiger Teil eines „zuverlässigen, hoch qualitativen Services“. Wenn FahrerInnen es konsequent unterlassen, Reiseanträge zu akzeptieren, werden sie von UBER darauf hingewiesen, dass sie Gefahr laufen, ihren Zugang zu verlieren. Sollte sich ihre Akzeptanzrate nicht verbessern, müssen sie damit rechnen, dass ihre Zugangsberechtigung vorübergehend gesperrt wird[31]https://www.UBER.com/legal/deactivation-policy/us/ (11.08.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar. Employment Tribunal 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, Rz 51 f..

4.4. Die Sicherheitsbestimmungen

Jede Transportfahrt wird von UBER mittels GPS-Tracking überwacht. Dies erlaubt es auch Angehörigen von KundInnen, die Transportfahrt via Internet in Echtzeit mitzuverfolgen. Ein umfangreiches System des Pre-Screenings bei der Auswahl der FahrerInnen dient ebenfalls der KundInnensicherheit.[32]https://www.UBER.com/legal/deactivation-policy/us/ (11.08.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar.> Die konkreten Modalitäten der Aufnahme, Auswahl oder Einschulung der FahrerInnen lassen sich aus den Richtlinien nicht ablesen, es ist aber zu vermuten, dass UBER eine persönliche Kontaktaufnahme durchführt, um zu überprüfen, ob FahrerInnen und Fahrzeuge den vorgegebenen Richtlinien entsprechen.

4.5. Die Bestimmung des Fahrtpreises

Was das Transportentgelt betrifft, so erfolgt keine direkte Transaktion zwischen KundInnen und FahrerInnen. Die Verrechnung erfolgt via Kreditkarte oder eines sonstigen Bezahlsystems der KundInnen und wird von UBER abgewickelt. Den FahrerInnen ist es untersagt, die Bezahlung der Fahrt bar abzuwickeln. Auch die Festsetzung des Transporttarifs erfolgt nicht direkt zwischen FahrerInnen und KundInnen, sondern wird von UBER festgelegt. Das von den KundInnen zu entrichtende Entgelt für die Fahrt richtet sich nach der Distanz der Fahrtstrecke sowie der aktuellen Marktlage. Die Höhe des von UBER festgelegten Tarifs ist damit nicht fix, sondern ein variabler Preis. UBER hat dafür einen Algorithmus namens surge pricing entwickelt. Dieser beobachtet, wie viele Fahrten zu einer bestimmten Uhrzeit in einer bestimmten Gegend gebucht werden. Steigt die Nachfrage, steigt der Preis für die Fahrten, und dies bekommen die FahrerInnen mitgeteilt.[33]Strube, „Unused value is wasted value“ – Von der Sharing Economy zur Gig Economy, in Stary, Digitalisierung der Arbeit (2016) 52 (56). Die Preissteigerungen sollen mehr FahrerInnen motivieren, Fahrten durchzuführen. Dies kann, wie sich zu Silvester in den USA gezeigt hat, dazu führen, dass die Fahrten zum Zehnfachen des üblichen Fahrtpreises angeboten werden.[34]Strube, in Stary, Digitalisierung der Arbeit (2016) 57.

Gleichzeitig hat UBER sich in den Vertragsbedingungen auch vorbehalten, im Bedarfsfall die Tarife – auch unabhängig von der Nachfrage – nach eigenem Ermessen zu senken. So wurden im Oktober 2015 in Paris die Fahrtpreise von UBER um 25 % reduziert.[35]Strube, in Stary, Digitalisierung der Arbeit (2016) 57.

4.6. Das Entgelt für UBER

UBER ist für die Zurverfügungstellung der digitalen Infrastruktur am Umsatz mit einem prozentuellen Anteil zwischen 20 und 30 % beteiligt. Auch diese Umsatzbeteiligung ist nicht endgültig fixiert, sondern kann je nach Region auch einer gewissen Veränderung unterliegen. Dies insofern als die Beteiligung zu Beginn höher ist, jedoch, je mehr Fahrten abgewickelt werden, im Lauf der Zeit sinkt – als Anreiz für die FahrerInnen, möglichst viele Fahrten abzuwickeln. Aber auch die Umsatzbeteiligung kann von UBER im Bedarfsfall erhöht werden.[36]Strube, in Stary, Digitalisierung der Arbeit (2016) 57.

4.7. UBER-„Perks“

Neben den soeben in den Hauptpunkten dargestellten FahrerInnenrichtlinien hat UBER ein umfangreiches Angebot an sogenannten „Sozialleistungen“ etabliert, aus welchem „treue“ UBER-FahrerInnen wählen können. UBER bietet nicht nur kostenlos eine EC-Karte[37]https://www.UBER.com/drive/partner-app/ (04.08.2016); die Information wurde mittlerweile gelöscht. an, über die die Entgeltzahlungen abgewickelt werden, sondern vermittelt auch günstige Rabatte bei TelefonanbieterInnen und bietet auch eine UBER-Partner-Fuel-Card inklusive Kreditkartenfunktion an, mithilfe der die FahrerInnen vergünstigt tanken können. UBER offeriert außerdem den Zugang zu attraktiven Rabatten seiner PartnerInnen zur Fahrzeuginstandhaltung und bei Reifenkauf.[38]https://www.UBER.com/de/driving-perks/ (12.08.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar.

UBER kooperiert in den USA mit Krankenversicherungen, die für UBER maßgeschneiderte Angebote anbieten, bei denen auch die Angehörigen des Fahrers/der Fahrerin gleich mitversichert werden können. UBERs KooperationspartnerInnen bei KFZ-Versicherungen bieten spezielle Versicherungsangebote für „FahrerInnengemeinschaften“ an, wo mehrere UBER-FahrerInnen ein Fahrzeug abwechselnd nutzen.[39]https://www.UBER.com/de/driving-perks/ (12.08.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar.

Nicht zuletzt bietet UBER mithilfe seiner PartnerInnen auch einen vereinfachten Zugang zum kreditfinanzierten Autokauf an.[40]https://get.UBER.com/cl/financing/ (16.08.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar.

5. Die rechtliche Zuordnung der handelnden Personen

5.1. Wer sind die Vertragsparteien der Personenbeförderung?

UBER wickelt seine Dienstleistungen weltweit in zwei verschiedenen Formen ab. Es existieren einerseits Unternehmensmodelle, in denen UBER mit Beförderungsunternehmen (Mietwagenunternehmen) zusammenarbeitet (UBERX, UBERBlack und UBERVan), die die Fahrtaufträge mithilfe FahrerInnen abwickeln. Daneben arbeitet UBER im Modell UBERPop direkt mit privaten FahrerInnen zusammen, die die KundInnen mit ihrem eigenen PKW befördern.

Seitens UBER wird festgehalten, dass es sich bei dem Unternehmensgegenstand lediglich um eine via mobilem Internet verfügbare Vermittlung von Transportfahrten zwischen den FahrerInnen bzw den MietwagenunternehmerInnen, die ihre Fahrdienste anbieten, und den potenziellen KundInnen, die eine Transportfahrt benötigen[41]https://www.uber.com/legal/term/at (29.12.2016)., handelt.

5.2. Alternative Ansätze zum UBER´schen Erklärungsmodell

5.2.1. Drei VertragspartnerInnen – drei Verträge

Was den Beförderungsvertrag selbst betrifft, argumentiert UBER, nicht Vertragspartei zu sein[42]https://www.uber.com/legal/terms/at (27.12.2016).. Die FahrerInnen bzw Beförderungsunternehmen (in der Folge mit dem Begriff „Beförderer/Beförderinnen“ umschrieben) erbringen die Leistung für die KundInnen, mit denen sie im eigenen Namen einen Vertrag schließen. Im Zuge dessen erbringt auch UBER verschiedene Tätigkeiten; diese wurden von UBER vorweg mit den Beförderern/Beförderinnen vereinbart, sollen aber nur als Gehilfentätigkeiten für diese verstanden werden.

Im Rahmen dieser Betrachtung stehen zwei Rechtsverhältnisse im Fokus: der Kooperationsvertrag zwischen UBER und den Beförderern/Beförderinnen einerseits und der Transportvertrag zwischen den Beförderern/Beförderinnen und den KundInnen andererseits.

Aber diese Betrachtungsweise ist unvollständig. Sie lässt nämlich die Beziehung zwischen UBER und den KundInnen außer Betracht. Besteht nicht auch ein Vertragsverhältnis zwischen UBER und den KundInnen, zumindest als NutzerInnen der Applikation? In den Geschäftsbedingungen der APP hält UBER ausdrücklich fest, dass UBER den KundInnen lediglich die Nutzung einer Technologieplattform ermöglicht, mit der Beförderungsdienstleistungen organisiert und geplant werden.[43]AGB, 2. Dienstleistungen, https://www.UBER.com/legal/terms/at/ (27.12.2016).

Indem UBER die Technologieplattform steuert, tritt UBER meines Erachtens gegenüber den KundInnen als Organisator der Beförderungsdienstleistung auf. Was den konkreten Umfang der Dienstleistung betrifft, ergibt sich zunächst kein klares Bild. In den AGB beharrt UBER darauf, lediglich Vermittler zu sein und darüber hinaus keine eigenverantwortliche Dienstleistung zu erbringen[44]AGB, 2. Dienstleistungen, https://www.UBER.com/legal/terms/at/ (27.12.2016).. Betrachtet man jedoch die tatsächliche Abwicklung der laufenden Fahrtanfragen, so ergibt sich aus KundInnensicht ein anderes Bild:

Geben KundInnen Fahrtanfragen ein, werden nicht etwa als „Dritte“ deklarierte Personen sichtbar, sondern „UBER-FahrerInnen“, die sich in der Nähe des Abholortes befinden. UBER gibt KundInnen dann am Display die vorgeschlagene Fahrtroute, den Tarif sowie das vorläufig kalkulierte Entgelt bekannt, ohne darauf hinzuweisen, dass dabei das Angebot an eine dritte Person übermittelt wird. Auch bei der Entgegennahme der Akzepts der KundInnen, der Bekanntgabe der Beförderer/Beförderinnen oder der Übermittlung des abgebuchten Fahrtentgelts an die KundInnen deklariert sich UBER nicht als Gehilfe einer dritten Person. Nur wenn KundInnen dem im Abrechnungs-E-Mail enthaltenen Link folgen, erhalten sie auf dem ausgedruckten Abrechnungsbeleg den Hinweis, dass die Beförderung auf Namen und Rechnung einer dritten Person durchgeführt wurde.

All diese Tätigkeiten sind Leistungen, die weder intentional noch funktional aus dem typischen Zweck eines Vermittlungsvertrages resultieren, sondern gehen weit darüber hinaus. Durch die Fülle dieser Handlungen, die die konkrete Abwicklung der Fahrt betreffen, und die mangelnde Offenlegung als GehilfInnenentätigkeit setzt UBER meines Erachtens gegenüber den KundInnen ein Erklärungsverhalten, das für objektive BetrachterInnen den Beförderungsdienstleistungsvertrag von einem bloßen Vermittlungs- auf einen Abwicklungsvertrag hinaus erweitert.

Ich werde diese Argumentation in der Folge bei der Beurteilung des UBER‘schen Geschäftsmodells unter konsumentenschutzrechtlichen Gesichtspunkten durch Verweis auf vergleichbare Entscheidungen des OGH zum Themenkomplex Reisebürovermittler oder Reiseveranstalter noch weiter ergänzen.

Es liegt also neben dem Vertrag zwischen UBER und den Beförderern/Beförderinnen sowie dem Beförderungsvertrag zwischen Beförderern/Beförderinnen und KundInnen ein dritter Vertrag vor. Dieser besteht zwischen UBER und den KundInnen – ich bezeichne ihn als Beförderungsorganisationsvertrag.

Dieser Beförderungsorganisationsvertrag umfasst nicht nur Vermittlungstätigkeiten, sondern auch administrative Abwicklungstätigkeiten außerhalb der unmittelbaren Beförderung der Person, wie etwa die Vorauswahl von infrage kommenden Beförderern/Beförderinnen, die Übermittlung von Angebot und Annahme, die Festsetzung des Tarifs, die Berechnung der Fahrtroute bzw des Entgelts und schließlich die Abwicklung der Zahlungsmodalitäten.

Quelle: eigene Darstellung

In der Folge soll auf mögliche Einwände gegen diese Ansicht eingegangen werden:

5.2.1.1. Einwand: Kein Entgelt für UBER aus dem Beförderungsorganisationsvertrag

Dieser Umstand spricht nicht gegen das Vorliegen des Vertragsverhältnisses, da auch eine bloß einseitige Verpflichtung denkbar wäre. Hinzu kommt, dass UBER über die Beteiligung am Transportentgelt des Fahrers/der Fahrerin auch mit dem Beförderungsorganisationsvertrag eindeutig finanzielle Interessen verfolgt.

5.2.1.2. Einwand: Beförderung erfolgt im Namen der FahrerInnen bzw Beförderungsunternehmen

Dem ist entgegenzuhalten, dass der Beförderungsorganisationsvertrag Dienstleistungen enthalten kann, die der „Organisator“ UBER im eigenen Namen erbringt, sowie andere Verpflichtungen, die er bloß vermittelt. Der Umstand, dass in einem bestimmten Zeitraum der Abwicklung ein Beförderungsvertrag (FahrerIn) und ein Organisationsvertrag (UBER) parallel laufen, offenbart meines Erachtens keinen Widerspruch, der der Grundannahme entgegenstehen würde.

5.2.1.3. Einwand: UBER handelt nur im Auftrag

Gegen diesen Einwand lässt sich argumentieren, dass UBER seine Dienstleistungen zwar in den formalen Anschein einer Gehilfentätigkeit für die FahrerInnen bzw Beförderungsunternehmen kleidet, diese Aufträge aber nicht auf Anordnungen der FahrerInnen, sondern aus Vertragsbedingungen resultieren, die UBER selbst für die Zusammenarbeit mit den FahrerInnen aufgestellt hat und die daher indirekt auf Verfügungen von UBER zurückzuführen sind. Hinzu kommt, dass UBER gegenüber KundInnen nicht offenlegt, dass diese Tätigkeiten die vertraglichen Verpflichtungen einer dritten Person erfüllen.[45]Eine Ausnahme besteht bei der Ausfolgung des Rechnungsbelegs, siehe Abwicklung aus KundInnensicht, Fußnote 16.

5.2.1.4. Einwand: UBER erteilt keine Weisungen

Auch dieser Umstand ist nicht stichhaltig. Er ist lediglich dadurch begründet, dass sämtliche relevanten Umstände der Beförderungsleistung bereits vorweg in den Richtlinien des „Vermittlungsvertrags“ von UBER determiniert sind, sodass keinerlei Notwendigkeit für zusätzliche Weisungen UBERs mehr besteht.

Die Beförderer/Beförderinnen werden von UBER bzw der APP zum Abholort ihrer KundInnen geleitet, sie befördern die Person entsprechend der von UBER bzw der APP festgelegten Fahrtroute zum Zielort, für die Dienstleistung wird ein Tarif von UBER bestimmt und der Fahrtpreis entsprechend von UBER den KundInnen verrechnet. Für abweichende Modaltäten wie zB einer anderen Festlegung von Fahrtpreis, Tarifhöhe, Direktbezahlung besteht keinerlei Dispositionsmöglichkeit durch die FahrerInnen, wollen sie nicht in Konflikt mit den von UBER festgelegten Vertragsbedingungen geraten.

5.3. Handeln der FahrerInnen im eigenen Namen als Verschleierungsfunktion

Der Umstand, dass die Beförderer/Beförderinnen den Beförderungsvertrag im eigenen Namen abwickeln und als VertragspartnerInnen der KundInnen auftreten, soll meines Erachtens nur den Umstand verschleiern, dass – gemessen an den tatsächlichen Gestaltungsmöglichkeiten betreffend die Abwicklung des Transportauftrags – UBER sämtliche relevanten Entscheidungen trifft (Auswahl der KundInnen, Festlegung der Fahrtroute, Berechnung des Fahrtpreises, Verrechnung und Inkasso mit den KundInnen). Ob und in welcher Höhe sich ein wirtschaftlicher Erfolg realisiert, wird im überwiegenden Ausmaß durch UBER und nicht von dem Beförderer/der Befördererin bestimmt, trotz des Umstands, dass UBER formal sich lediglich als Gehilfe tarnt.

Nehmen die FahrerInnen die von UBER „vermittelten Verdienstmöglichkeiten“an, geht dies mit der Aufgabe nahezu sämtlicher Dispositionsmöglichkeiten über die vertragliche Gestaltung der „offerierten Fahrtanfrage“ für die Beförderer/Beförderinnen einher. Die Erwerbsmöglichkeit, die UBER den Beförderern/Beförderinnen vermittelt, ist von Uber so weit determiniert, dass hier nicht mehr die bloße Vermittlung einer dritten Person hinsichtlich einer Abschlussmöglichkeit vorliegt, sondern ein komplett ausgestalteter Fahrtauftrag.

Dem wahren wirtschaftlichen Gehalt[46]Zum Grundsatz des wahren wirtschaftlichen Gehalts siehe Kozak, LSD-BG (2016) § 2 RZ 1 ff. entsprechend, tritt UBER hier meines Erachtens nicht mehr als bloßer Vermittler, sondern als Auftraggeber auf.

5.4. Das versteckte Rechtsverhältnis Beförderungsorganisation

Vor dem Hintergrund des aus der digitalen UBER-APP den KundInnen offerierten Beförderungsorganisationsvertrags können die Beförderer/Beförderinnen meines Erachtens klarer funktional als GehilfInnen von UBER ausgemacht werden, auch wenn sie diese Tätigkeit dadurch ausüben, dass sie den Transportvertrag mit KundInnen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung schließen. Zugespitzt formuliert kann man festhalten, dass dort, wo UBER im Innenverhältnis sich als bloßer Gehilfe der Beförderer/Beförderinnen geriert, das Unternehmen in Bezug auf den Beförderungsorganisationsvertrag zu den KundInnen als sein eigener Subgehilfe fungiert.

Der Verdacht liegt nahe, dass durch die gewählte Vertragskonstruktion sämtliche materiellen Risiken, die mit der Vertragserfüllung einhergehen, bequemer auf die Beförderer/Beföderinnen verlagert werden können.

Mit dem Beförderungsorganisationsvertrag zu den KundInnen (einem Dienstleistungsvertrag, ähnlich einem Organisationsvertrag eines Reisebüros) offeriert UBER via APP, an jedem gewählten Standort innerhalb kürzester Zeit die Organisation der Abwicklung der spontanen Beförderungswünsche der KundInnen durchzuführen. Die Beförderer/Beförderinnen fungieren im Zuge der Abwicklung als GehilfInnen von UBER.

5.5. Das Verhältnis zwischen FahrerInnen und UBER

In Österreich erklärt UBER, nicht direkt mit den FahrerInnen selbst vertraglich verbunden zu sein, sondern durch Verträge mit Beförderungsunternehmen (Mietwagenunternehmen) die Fahrtanfragen abzuwickeln, die FahrerInnen als DienstnehmerInnen beschäftigen.[47]Berger, Uber: „Wollen das Taxi-Monopol brechen“, Kurier vom 04.04.2014, https://kurier.at/chronik/wien/uber-wollen-das-taxi-monopol-brechen/83.633.299/ (11.07.2016). Liegt zwischen FahrerInnen und Beförderungsunternehmen tatsächlich ein Beschäftigungsverhältnis vor, steht die ArbeitnehmerInneneigenschaft außer Streit.

Dabei stellt sich aufgrund der umfassenden organisatorischen Steuerung der Abwicklung der Beförderungsfahrten durch UBER die Frage, inwieweit hier nicht bereits Umstände vorliegen, die auf das Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung schließen lassen.

Bejaht man diesen Umstand, hat dies für UBER die rechtliche Folge, dass UBER als Beschäftiger iSd § 14 AÜG für die gesamten den überlassenen FahrerInnen für die Beschäftigung in seinem Betrieb zustehenden Entgeltansprüche und die entsprechenden DienstgeberInnen- und DienstnehmerInnenbeiträge zur Sozialversicherung als Bürge (§ 1355 ABGB) haftet.

Aber auch im Falle von UBERX, UBERBlack und UBERVan könnten die Vertragsverhältnisse zu den Beförderern/Beförderinnen zu hinterfragen sein, sofern die Transportfahrten von Ein-Personen-Unternehmen (EPU) abgewickelt werden.

Kommt man zum Ergebnis, dass es sich im Fall von UBERPop im Verhältnis FahrerIn und UBER um ein Dienstverhältnis handelt, dann wird wohl aufgrund des massiven Verhandlungsungleichgewichts zwischen beiden PartnerInnen und der organisatorischen Übermacht von UBER auch bei den Unternehmensmodellen UBERX, UBERBlack und UBERVan die Frage zu prüfen sein, ob nicht auch hier die behauptete unternehmerische Selbstständigkeit des Beförderungsunternehmens zu hinterfragen wäre.

Die Frage einer möglichen Scheinselbstständigkeit kann natürlich nicht generell beantwortet werden, sondern wird jeweils streng anhand der vorliegenden Umstände im Einzelfall geprüft werden müssen.

6. Welche gewerberechtlichen Vorschriften gelten für UBER und die PartnerInnenunternehmen in Österreich?

6.1. Problem der grenzüberschreitenden Dienstleistung

Ein Grundproblem, das mit sämtlichen Phänomenen der digitalisierten Arbeitswelt einhergeht, ist die territoriale Entgrenztheit der beteiligten Personen bzw die Überschreitung nationaler Grenzen betroffener Staaten. Die Europaniederlassung von UBER, UBER B.V., hat ihren Sitz in den Niederlanden (Amsterdam).[48]Gemäß dem Impressum ist dies UBER B.V., eine in den Niederlanden gegründete und im Handelsregister Amsterdam unter der Nummer 56317441 eingetragene, private Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Vijzelstraat 68, 1017 HL, Amsterdam, Niederlande; vgl https://www.UBER.com/de-AT/legal/terms/at/ (07.12.2016). Die angebotenen UBER-Fahrten werden allerdings in den jeweiligen Nationalstaaten, so auch in Österreich, abgewickelt.

Die Vermittlung der FahrerInnen scheint in der APP auf dem Handy der KundInnen in Österreich auf und auch die Fahrt wird in Österreich abgewickelt. Die Vermittlung und die Abwicklung der Dienstleistung werden von UBER und den beteiligten Unternehmen selbständig und in der Absicht erzielt, daraus einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Daher fällt die Dienstleistung in den Anwendungsbereich der österreichischen gewerberechtlichen Vorschriften.

6.2. Problem der verbundenen Tätigkeit

Fraglich ist, ob man beide Elemente als Teil einer verbundenen Tätigkeit (Gesamtleistung) bewertet. Dies hätte zur Folge, dass die gewerberechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Gesamtleistung von beiden Beteiligten erfüllt werden müssen. Betrachtet man die Vermittlung und die Abwicklung der Personenbeförderung aber als funktional selbständige Leistungen, dann sind auch die gewerberechtlichen Zugangsvoraussetzungen getrennt zu beurteilen, sodass jeder/jede Beteiligte jeweils nur die gewerberechtlichen Vorschriften betreffend die eigene Leistung erfüllen muss, um seine/ihre Dienstleistung in rechtlich zulässiger Form gewerbsmäßig anbieten zu können.

Grundsätzlich lassen sich entsprechend der österreichischen gewerberechtlichen Regelungen sowohl die Vermittlung als auch die Abwicklung der Personenbeförderung unter zwei getrennte Tatbestände subsummieren:

Die Vermittlung von Personenbeförderungen unterliegt § 126 GewO, der die Gewerbeberechtigung für Reisebüros regelt. Die Durchführung der Personenbeförderung selbst ist unter den Tatbestand des Gelegenheitsverkehrs-Gesetz (GelverkG)[49]Bundesgesetz über die nichtlinienmäßige gewerbsmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 – GelverkG), BGBl 112/1996 idF BGBl I 63/2014. zu subsummieren.

Handelt es sich bei der Personenbeförderung um Taxigewerbefahrten, dann ist die Vermittlung dieser Fahrten vom Tatbestand des Reisebürogewerbes ausgenommen. Es handelt sich bei der Vermittlung von Taxifahrten gemäß § 126 Abs 2 Z 4 GewO um kein reglementiertes, sondern um ein freies Gewerbe.

Wie bereits in Abschnitt „Der Sachverhalt: Wie wird die Dienstleistung konkret abgewickelt?“ dargelegt, beschränkt sich jedoch die Tätigkeit von UBER nicht auf eine reine Vermittlungstätigkeit, wie sie seit jeher von Taxitelefonzentralen ausgeübt wird, sondern greift weit in den Bereich der Abwicklung der Personenbeförderung ein, weshalb meines Erachtens die Tätigkeiten von UBER und der Beförderer/Beförderinnen nicht mehr als funktional abgetrennte Tätigkeitsbereiche angesehen werden können.

Dies bedeutet, dass sich die Fragen der gewerberechtlichen Zuordnung der Tätigkeit sowohl für UBER als auch für die kooperierenden FahrerInnen in gleicher Weise gemeinsam stellen.[50]AA Mahr/Dechant, Taxischeck Online-Fahrdienstvermittler, ÖJZ 2016, 398 ff.

6.3. Infrage kommende Regelungen

Die gewerberechtlichen Vorschiften für die Personenbeförderung sind in Österreich nicht nur durch Bundesgesetze geregelt, sondern auch in einer Vielzahl von Regelungen der einzelnen Bundesländer festgelegt. Der Einfachheit halber wird in den folgenden Prüfungsschritten bei der Anwendung länderspezifischer Regelungen ausschließlich auf die gesetzlichen Regelungen des Bundeslandes Wien abgestellt. Dies ist auch insofern zweckmäßig als UBER derzeit nur in Wien operiert.[51]https://www.UBER.com/de-AT/cities/ (07.12.2016).

6.3.1. Das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz

Die näheren Bestimmungen zur nichtlinienmäßigen Personenbeförderung werden in Österreich im Gelegenheitsverkehrs-Gesetz (GelverkG) geregelt. Dieses gilt als lex specialis zur Gewerbeordnung, deren Bestimmungen zur Anwendung kommen, insoweit dieses Gesetz keine besonderen Bestimmungen trifft (§ 1 Abs 2 GelverkG).

Bei der Personenbeförderung handelt es sich um ein reglementiertes Gewerbe. Das Gewerbe darf nur aufgrund einer ausgestellten Konzession ausgeübt werden. Für die über UBER angebotene Personenbeförderung mit PKW kommen zwei Tatbestände des GelverkG in Betracht:

  • das Mietwagengewerbe oder
  • das Taxigewerbe.

6.3.2. Gelten die Regeln des Mietwagengewerbes?

a. Spontaner oder geplanter Beförderungswunsch des Kunden/der Kundin

Gemäß der Judikatur des VwGH ist das Mietwagengewerbe dem Bedürfnis nach der Beförderung eines geschlossenen TeilnehmerInnenkreises aufgrund besonderer Aufträge zu dienen bestimmt und wird erfahrungsgemäß zur Durchführung von Fahrten auf längere Dauer mit entfernteren Fahrtzielen in Anspruch genommen. Hingegen liegt das Wesen des Taxigewerbes darin, dass PKW zur Durchführung meist kurzer Fahrten innerhalb eines enger umgrenzten Gebietes im Bedarfsfall bereitgehalten werden.[52]VwGH 26.03.1993, Ra 92/03/0113.

Daraus kann meines Erachtens abgeleitet werden, dass Mietwagenfahrten eher einem fix vorweg geplanten Reisewunsch der KundInnen entsprechen, während Taxifahrten einem eher spontanen kurzfristigen Beförderungswunsch über einen örtlich überschaubaren Bewegungsraum Rechnung tragen. Entsprechend dieser Wertung wären UBER-Fahrten nicht dem Mietwagengewerbe zuzurechnen.

b. Bestimmter Start- und Endpunkt der Beförderung

Eine weitere Abgrenzung besteht darin, dass der Gegenstand des Mietwagengewerbes ein Werkvertrag ist, bei dem für die Festlegung des Entgelts die Reichweite der Entfernung, über welche die Beförderungsleistung zu erbringen ist, maßgebend ist. Steht der Endpunkt der Reisebeförderung im Zeitpunkt der Auftragserteilung nicht fest, ist die Tätigkeit nicht unter den Tatbestand des Mietwagengewerbes, sondern des Taxigewerbes zu subsummieren.[53]VwGH 15.12.1993, Ra 93/03/0032; 26.04.1995, Ra 94/03/0289; 21.10.2014 Ra 2014/03/0003.

Da in unserem Fall KundInnen im Zuge der Fahrtanfrage (dh bereits vor Fahrtantritt) Start- und Endpunkt ihres Reisewunsches bekannt geben, spricht dieser Umstand dafür, dass UBER-Fahrten als Mietwagenfahrten anzusehen wären. Die Beförderung durch UBER trägt durch die jederzeitige Verfügbarkeit am Mobiltelefon zwar einerseits erkennbar einem spontanen Beförderungsbedürfnis der NutzerInnen der UBER-APP Rechnung, andererseits steht der Start- und Endpunkt der Reise bereits bei Erteilung des Fahrtauftrages fest. Aus der vorliegenden Judikatur des VwGH kann daher für unseren Fall kein Anhaltspunkt für eine eindeutige Zuordnung abgeleitet werden.

c. Bestimmtes oder bestimmbares Entgelt?

Die vom VwGH als unabdingbar notwendig erachtete Konkretisierung von Start- und Zielort bei Auftragserteilung beim Mietwagenvertrag erfüllt meines Erachtens aber nur dann ihren Zweck, wenn anhand ihrer Festlegung der gebührende Mietpreis ebenso fixiert wird. Im Sinne einer geplanten, auf längere Dauer mit entfernteren Fahrtzielen gerichteten Reisebewegung wird ein lediglich bestimmbarer Mietpreis regemäßig wohl nicht den Intentionen der WerkbestellerInnen (also der KundInnen) entsprechen.

Relevant ist dieser Umstand allerdings nur dann, wenn aus der Rechtsordnung abgeleitet werden kann, dass dieses Interesse (ein vorweg fixiertes Entgelt) auch rechtlich geschützt ist.

13 Abs 3 GelverkG verweist auf die Taxi-, Mietwagen- und Gästebetriebsordnungen, die durch den jeweiligen Landeshauptmann/die jeweilige Landeshauptfrau durch Verordnung zu erlassen sind. Die Wiener Taxi-, Mietwagen- und Gästewagenbetriebsordnung enthält in ihrem § 36 Regeln, die eine Verwechselbarkeit des Mietwagenfahrzeugs mit einem Taxi unterbinden sollen. Insbesondere ist die Verwendung von Messinstrumenten zur Preisbestimmung im Mietwagengewerbe ausdrücklich untersagt. Indem die Gesetzgebung dem/der jeweiligen GewerbeinhaberIn in der Betriebsordnung mithilfe des Verbots der entsprechenden Messinstrumente die nachträgliche Preisbestimmung untersagt, unterbindet sie eine sukzessive Entgeltbemessung. Sie trägt dadurch dem oben angeführten Interesse der KundInnen nach einem vorweg fixierten Entgelt Rechnung.

Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass eine flexible Entgeltregelung im Mietwagengewerbe nicht zulässig ist, denn sie würde den Einsatz von Messinstrumenten erforderlich machen, den die Gesetzgebung hierfür ausdrücklich untersagt.[54]Brauneis, Fahrdienstvermittler von Mietwagen – noch ist nicht alles gesagt, ÖJZ 2016, 750. Wenn daher im Zusammenhang mit dem Mietwagengewerbe von „besonderen Aufträgen (Bestellungen)“ gesprochen wird, können damit meines Erachtens nur Fahrtvereinbarungen gemeint sein, in denen der zu zahlende Fahrtpreis bereits vor Antritt der Fahrt feststeht.

Da jedoch der Fahrtpreis, den UBER im Auftrag der Beförderer/Beförderinnen abrechnet, sich erst im Zuge der Abwicklung der Fahrt, abhängig von der zurückgelegten Fahrtroute konkretisiert[55]Petropoulos, UBER and the economic impact of sharing economy platforms, Bruegel Blog vom 22.02.2016 http://bruegel.org/2016/02/UBER-and-the-economic-impact-of-sharing-economy-platforms/ (08.12.2016)., lässt sich die Dienstleistung, die UBER und die kooperierenden Beförderer/Beförderinnen anbieten, nicht unter den Tatbestand des Mietwagengewerbes subsummieren[56]AA Mahr/Dechant, Taxischreck Online-Fahrdienstvermittler, ÖJZ 2016, 398 ff..

Neben der Verpflichtung zu vorweg zu vereinbarenden Aufträgen bestehen noch eine Reihe weitere Verpflichtungen für MietwagenbetreiberInnen, wie etwa ein Verbot der spontanen Fahrgastaufnahme bzw ein Gebot zur Auftragserteilung in der Betriebstätte der MietwagenunternehmerInnen oder zur Rückkehrpflicht in die Betriebsstätte nach Ausführung des Fahrtauftrags.

6.3.3. Gelten die Regeln des Taxigewerbes?

Beim Taxigewerbe handelt es sich gemäß § 3 Z 3 GelverkG um die Personenbeförderung mit Personenkraftwagen, die zu jedermanns Gebrauch an öffentlichen Orten bereitgehalten werden oder durch Zuhilfenahme von Fernmeldeeinrichtungen angefordert werden.

Im Gegensatz zum Mietwagengewerbe steht beim Taxigewerbe der TeilnehmerInnenkreis, der die Personenbeförderung in Anspruch nimmt, nicht vorweg fest. Entsprechend der Definition in § 3 Z 3 GelverkG ist für das Taxigewerbe auch charakteristisch, dass die Personenkraftwagen auch durch Zuhilfenahme von Fernmeldeeinrichtungen angefordert werden können.

Was den Bestellvorgang betrifft, erklärt sich die aus heutiger Sicht veraltet erscheinende gesetzliche Umschreibung des Mediums, mithilfe dessen Fahrtbestellungen fernmündlich abgewickelt werden, aus dem vorherrschenden Stand der Technik zum Zeitpunkt der Formulierung der Gesetzesbestimmung. Wesentlich ist offenbar, dass die jeweiligen FahrtbestellerInnen eine Fahrtanfrage auch aus der Ferne abgeben können, was erforderlich macht, dass sich die FahrerInnen erst zum Aufenthaltsort der KundInnen begeben müssen, um die Fahrt abzuwickeln. Ob die Fahrtbestellung fernmündlich via Telefon oder fernschriftlich via Internet abgegeben wird, ist mE. nicht wesentlich.

Im Rahmen einer teleologischen Interpretation von § 3 Abs 1 Z 3 GelverkG lässt sich daher auch die digital vermittelte Dienstleistung von UBER unter den Tatbestand des Taxigewerbes subsummieren.

Im Ergebnis handelt es sich bei den von UBER und den kooperierenden FahrerInnen angebotenen Dienstleistungen meines Erachtens um Tätigkeiten des Taxigewerbes und nicht des Mietwagengewerbes, weil das gebührende Entgelt nicht vorweg fix vereinbart wird, sondern sich sukzessive anhand der zurückgelegten Fahrtstrecke bestimmt[57]Employment Tribunal 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, Rz 18. und weil die Fahrtbestellungen einem auch spontan entspringenden Reisebedürfnis entsprechend mittels digitaler Zusatzfunktionen von Fernmeldeeinrichtungen bei UBER bestellt werden.

Da es sich beim Taxigewerbe um ein konzessioniertes Gewerbe gemäß § 2 GelverkG handelt, darf das Gewerbe ohne Vorliegen einer solchen Konzession nicht betrieben werden. Sollte eine solche Konzession nicht vorliegen, müssten UBER und die kooperierenden FahrerInnen befürchten, dass ihnen die Abwicklung der Personenbeförderung jederzeit behördlich untersagt werden kann.

6.3.4. Konsequenzen der Taxigewerbe-Zugehörigkeit

a. Unzulässigkeit der gewerblichen Tätigkeit

Als reglementiertes Gewerbe ist die Erteilung einer Konzession gemäß § 5 GelverkG von mehreren besonderen Voraussetzungen wie der Zuverlässigkeit, der finanziellen Leistungsfähigkeit, der fachlichen Eignung und einer tatsächlichen und dauerhaften Niederlassung abhängig. Die kommissionelle Überprüfung der fachlichen Eignung und die Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit der jeweiligen AntragstellerInnen sind in einer eigenen Berufszugangsverordnung[58]Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr über den Zugang zum mit Kraftfahrzeugen betriebenen Personenbeförderungsgewerbe (Berufszugangsverordnung Kraftfahrlinien- und Gelegenheitsverkehr – BZP-VO), BGBl 889/1994 idF BGBl II 459/2010. zum GelverkG geregelt.

Ohne vorliegende Konzession ist die Ausübung des Taxigewerbes gemäß § 5 iVm § 339 GewO weder für UBER noch für die FahrerInnen zulässig, selbst für den Fall, dass die ausübende Person die besonderen Voraussetzungen des Gewerbes erfüllen würde.

Was die FahrerInnen als GewerbeinhaberInnen des Mietwagengewerbes betrifft, die unberechtigt das Taxigewerbe ausüben, kann die Gewerbebehörde[59]Dies ist für Wien das jeweils am Standort der gewerbetreibenden Person zuständige Magistratische Bezirksamt. gemäß §§ 345 und 360 GewO die Ausübung der inkriminierten Tätigkeit untersagen. Die Behörde kann außerdem gemäß § 366 GewO Verwaltungsstrafen verhängen. Den Umstand der rechtskräftigen verwaltungsstrafrechtlichen Verurteilung kann die Behörde in der Folge zum Anlass nehmen, die Gewerbeberechtigung für das Mietwagengewerbe zu entziehen. Besteht eine rechtskräftige Bestrafung wegen schwerwiegender Verstöße gegen die Vorschriften über die Personenbeförderung, liegt keine Zuverlässigkeit der betreffenden GewerbeinhaberInnen iSd § 5 Abs 3 GelverkG mehr vor. Diese Zuverlässigkeit stellt aber eine notwendige Voraussetzung auch für die Ausübung des Mietwagengewerbes dar und kann daher eine Entziehung der Konzession für das Mietwagengewerbe zur Folge haben.

b. Niederlassung in Österreich

Dieser Punkt betrifft UBER insofern, als gemäß § 6 GelverkG für die Erteilung einer Konzession bei juristischen Personen und Personengesellschaften des Handelsrechts erforderlich ist, dass sie ihren Sitz oder eine nicht nur vorübergehende Niederlassung in Österreich haben. Will UBER B.V. mit derzeitigem Sitz in den Niederlanden in Österreich eine Konzession erlangen, muss UBER in Österreich eine Niederlassung eröffnen. Zwar sieht die Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG eine Reihe von Erleichterungen für die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen vor. Die von UBER ausgeübte Tätigkeit des Taxigewerbes stellt aber eine Verkehrsdienstleistung dar und diese sind von der Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen (Art 2 Dienstleistungsrichtlinie).

Bei Zuwiderhandeln könnten die Verwaltungsbehörden gemäß § 366 Abs 1 Z 1 GewO Verwaltungsstrafen bis zu 3.600,- Euro verhängen und UBER sowie den kooperierenden FahrerInnen die Ausübung der gewerblichen Tätigkeit untersagen.

c. Besondere Verpflichtungen der Taxiunternehmen

Das Gewerbe des Taxiunternehmens kann infolge der dichten staatlichen Regulierung als Teil des öffentlichen Verkehrs qualifiziert werden. Die jeweiligen TaxibetreiberInnen können zu einem behördlich garantierten Preis ihre Dienstleistung anbieten, haben aber zahlreiche zusätzliche Verpflichtungen zu erfüllen, die aus der Gefährlichkeit des Straßenverkehrs und den erhöhten Sicherheitsanforderungen gegenüber der zu befördernden Person resultieren.

Dazu seien folgende zwei Verpflichtungen beispielhaft angeführt:

Damit ein auf das jeweilige Gemeindegebiet gleichmäßig verteiltes Angebot an Beförderungsmöglichkeiten aufrechterhalten werden kann, gilt für die GewerbeinhaberInnen gemäß den geltenden Betriebsordnungen[60]§ 24 Wiener Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen-Betriebsordnung; § 10 Abs 4 GelverkG. eine Beförderungspflicht. Gleichzeitig dürfen die Taxiunternehmen mit den von ihnen eingesetzten Fahrzeugen das öffentliche Parkraumangebot nicht belasten, sondern müssen verpflichtend nachweisen, dass sie für jedes eingesetzte Fahrzeug über einen privaten Abstellplatz verfügen.[61]§ 5 Abs 1 GelverkG.

d. Unzulässiger Einsatz nicht befähigter FahrerInnen

Im Rahmen der Ausübung des Taxigewerbes tritt hinzu, dass nicht nur die Gewerbeberechtigten eines Befähigungsnachweises bedürfen, sondern entsprechend der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr (VO des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr gemäß § 13 GelverkG) auch die eingesetzten FahrerInnen.[62]§ 2 ff Betriebsordnung für den nicht linienmäßigen Personenverkehr – BO 1994, BGBl Nr 951/1993 idF BGBl II Nr 165/1993. Sie müssen einen von der Behörde ausgestellten Ausweis vorweisen, der sie berechtigt, als TaxilenkerIn tätig zu sein. Auch für die Ausstellung dieses Papieres müssen die FahrerInnen unter anderem vor einer behördlichen Prüfungskommission entsprechende Fachkenntnisse wie etwa ausreichende Ortskenntnisse darlegen.

Verfügen die FahrerInnen über keine entsprechende TaxilenkerInnenberechtigung, kann die Gewerbebehörde gemäß § 345 Abs 5 GewO den Einsatz dieser Personen untersagen bzw gemäß § 15 Abs 1 Z 5 GelverkG iVm § 4 Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr 1994 Verwaltungsstrafen in der Höhe von jeweils bis zu 7.267,- Euro verhängen.

e. Unzulässigkeit des UBER-Preismodells gemäß der geltenden Taxitarifordnungen

Die weitreichendste Konsequenz, die UBER und die kooperierenden FahrerInnen betrifft, ist die Unzulässigkeit der flexiblen Preisbestimmung durch das von UBER entwickelte Surge-pricing-Modell (siehe dazu näher in Abschnitt „Die Bestimmung des Fahrtpreises“). Im Bereich des Taxigewerbes wird das Transportentgelt nämlich gemäß § 14 GelverkG in zahlreichen Bundeländern durch VO des/der jeweiligen Landeshauptmanns/Landeshauptfrau festgelegt, so auch in Wien durch den Wiener Taxitarif.[63]VO des Landeshauptmannes von Wien in Kraft seit 01.12.2012, ABl 2012/42.

Regelungszweck der Tarifordnungen ist es, einen einheitlichen Marktpreis innerhalb des Gewerbebereichs festzusetzen. Dieser liegt im Interesse der KundInnen, da er diese vor überhöhten Preisen schützt; auf der anderen Seite liegt er aber auch im Interesse der Verkehrsunternehmungen, da er die Markteintrittshürden aller MitbewerberInnen vereinheitlicht und diese vor BilligstbieterInnen schützt, welche versuchen, den Markt zu unterwandern. Die Tarifordnungen haben absolut zwingende Wirkung, dh Abweichungen sind nach oben und unten unzulässig.

Die Verrechnung von über der amtlichen Tarifordnung liegenden Entgelten durch UBER–KooperationspartnerInnen ist daher genauso rechtswidrig wie eine allfällige Unterbietung, da der Tarif amtlich fixiert ist. Die Rechtswidrigkeit der vertraglichen Entgeltbestimmung erstreckt sich meines Erachtens – geltungserhaltend interpretiert – auf den übersteigenden Differenzbetrag. KundInnen, denen ein überhöhtes Entgelt verrechnet wurde, könnten daher unter Hinweis auf den geltenden amtlichen Tarif den Beförderungsvertrag bekämpfen. Da die Vermeidung eines überhöht vereinbarten Entgelts unzweifelhaft vom Schutzzweck der behördlichen Verbotsnorm erfasst ist, ist der Beförderungsvertrag teilnichtig. Die KundInnen können infolge ungültiger Rechtsgrundlage – soweit das Entgelt die amtliche Tarifhöhe übersteigt – selbiges bereicherungsrechtlich rückfordern.

f. Das UBER-Preismodell in Hinblick auf die Bestimmungen des Kartellgesetz

Da UBER für alle kooperierenden Verkehrsunternehmen den Transporttarif festlegt, könnte man auch die Frage stellen, ob hier nicht ein kartellrechtswidriges Verhalten nach § 1 Abs 4 Kartellgesetz (KartG) im Sinne einer verbotenen Preisabsprache zwischen MarkteilnehmerInnen vorliegt. Dies würde aber bedingen, dass von den beteiligten Unternehmen ein Verhalten gesetzt wird, das den freien Wettbewerb über den angebotenen Preis verzerrt. Da aber der Taximarkt dadurch charakterisiert ist, dass von den Organen der staatlichen Verwaltung ein einheitlicher Marktpreis verordnet wird, ist ein Preiswettbewerb von vornherein ausgeschlossen. Es kann daher meines Erachtens mangels Wettbewerbsmöglichkeit keine Wettbewerbsverzerrung vorliegen. Das Preismodell von UBER ist also nicht tatbestandsmäßig im Sinne des KartG.

Anders wäre die rechtliche Situation zu beurteilen, würde die Personenbeförderung als Tätigkeit im Sinne des Mietwagengewerbes qualifiziert. In diesem Gewerbe besteht keine amtlich verordnete Preisregelung. Infolge dessen könnte unter Umständen eine verbotene Preisabsprache zwischen den einzelnen UBER-FahrerInnen im Sinne des Kartellgesetzes argumentiert werden, mit der Behauptung, die FahrerInnen würden ihre Preise durch die Unterwerfung unter den Preisalgorithmus von UBER kartellieren.

g. Unzulässigkeit der ausschließlich unbaren Abrechnung des Transportentgelts und der Unterlassung der Offenlegungspflichten

Abgesehen von den umfangreichen Betriebsvoraussetzungen hinsichtlich der technischen Anforderungen bzw den zwingenden Vorgaben hinsichtlich der optischen Kennzeichnung der Taxifahrzeuge, haben FahrerInnen gemäß § 28 der Wiener Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen-Betriebsordnung (WrTaxiBO)[64]VO des Landeshauptmannes von Wien LGBl 36/2000 idF LGBl 14/2007 und LGBl 36/2011. auch so viel Wechselgeld mit sich zu führen, dass auf einen 50-Euro-Schein herausgeben werden kann. Dies impliziert meines Erachtens die gewerberechtliche Verpflichtung, dass GewerbeinhaberInnen über die von ihm/ihr eingesetzten FahrerInnen Fahrgästen grundsätzlich die bare Abrechnung des Transportentgeltes zwingend zu ermöglichen haben.

h. Unzulässige Verwendung nicht geeichter Messgeräte

Unabhängig von der fehlenden Gewerbeberechtigung besteht das Problem, dass UBER bei der Messung der Fahrtroute ein Navigationssystem einsetzt, dessen ordnungsgemäße Funktion und Richtigkeit weder durch die KundInnen überprüft werden kann noch durch die Behörden geprüft wurde. Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 Maß- und Eichgesetz (MEG)[65]BGBl 152/1950 idF BGBl I 148/2015. handelt es sich bei dem Navigationssystem, das UBER gemeinsam mit den beteiligten Transportunternehmen einsetzt, zweifellos um ein „Messgerät zur Bestimmung der Länge (…)“. Mithilfe des Navigationssystems prüft UBER nämlich die Distanz der zurückgelegten Fahrtroute. An der Richtigkeit der Messung haben nicht zuletzt die KundInnen ein rechtlich geschütztes Interesse, weil sich daran maßgeblich die Höhe des Werkentgelts bestimmt, das ihnen in Rechnung gestellt wird. Sämtliche der dargestellten Elemente erfüllen den Tatbestand des § 8 Abs 3 Z 4 MEG, weshalb das Navigationssystem der Eichpflicht unterliegt.[66]AA Mahr/Dechant, ÖJZ 9/2016, 398 ff.

Diese Vorlage an die Eichämter zur Überprüfung ist gemäß § 15 Z 2 MEG alle zwei Jahre zu wiederholen (Nacheichpflicht).

7. Wettbewerbsrechtliche Gesichtspunkte

7.1. Die Wettbewerbspraktiken der mit UBER kooperierenden FahrerInnen

Die Missachtung des amtlichen Tarifes durch die FahrerInnen könnte bei einer Unterschreitung auch aus wettbewerbsrechtlicher Sicht als rechtswidrig anzusehen sein, da sie den Wettbewerb mit den regulären Taxiunternehmungen am Markt verzerrt. Durch Fahrtangebote zu günstigeren Konditionen könnten die mit UBER kooperierenden FahrerInnen sich ungerechtfertigte Vorteile im Sinne einer nicht unerheblichen Wettbewerbsbeeinflussung[67]OGH 15.09.2005, 4 Ob 113/05d. im KundInnenwettbewerb sichern und dadurch den Tatbestand der unlauteren Geschäftspraktik gemäß § 1 UWG erfüllen.[68]Siehe dazu ausführlich Brauneis, ÖJZ 2016, 752.

Vorausgesetzt, dass die Nichtbeachtung der Taxitarifordnung nicht durch die Argumentation einer vertretbaren Rechtsansicht gerechtfertigt werden kann[69]Näheres dazu Wiebe, Wettbewerbs- u Immaterialgüterrecht (2016)3 321 f ., könnten konkurrierende Taxiunternehmen unter Berufung auf die von ihnen zu tragenden Wettbewerbsnachteile gemäß § 14 iVm § 18 UWG gegen die FahrerInnen eine Klage auf Unterlassung der von der Tarifordnung abweichenden Entgeltbemessung einbringen.

7.2. Die Wettbewerbspraktiken UBERs

7.2.1. Bestimmung des Fahrtentgelts durch UBER

Unter der Annahme, dass die Tätigkeiten der beteiligten Beförderungsunternehmen als Tätigkeiten des Taxigewerbes iSd § 3 Abs 1 Z 3 GelverkG anzusehen sind, könnten potentielle MitbewerberInnen auch gegenüber UBER wegen Mitwirkung an der wettbewerbswidrigen Handlung[70]Zum Begriff des Störers allgemein Brauneis ÖJZ 2016, 752 mit Verweis auf OGH 13.09.1999, 4 Ob 155/99v. Ansprüche auf Unterlassung erheben – dies selbstverständlich vorausgesetzt, dass die Nichtbeachtung der Taxitarifordnung nicht durch die Argumentation einer vertretbaren Rechtsansicht gerechtfertigt werden kann.

7.2.2. Intransparente Darlegung des/der konkreten Fahrers/Fahrerin durch UBER

Wie aus dem oben dargestellten Sachverhalt hervorgeht, ergibt sich ein widersprüchliches Bild der von UBER erbrachten Dienstleistung. Einerseits tritt gegenüber den KundInnen immer nur UBER auf, andererseits argumentiert UBER in den Nutzungsvereinbarungen der APP, diese Fahrtdienstleistung lediglich zu vermitteln. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit es sich hier nicht möglicherweise um eine irreführende Geschäftspraktik von UBER und seinen kooperierenden FahrerInnen gemäß § 2 UWG handelt. Die Vermittlung erfolgt nämlich über eine von UBER betriebene APP am Handy der KundInnen bzw via Internet über die Homepage von UBER. Nach der Übermittlung von Abholort und Ziel der Fahrt wird den KundInnen ein/eine UBER-FahrerIn angeboten. Dieses Angebot erfolgt ohne Hinweis auf irgendein sonst an der Transaktion beteiligtes Unternehmen. Die KundInnen übermitteln auch die Annahme des Angebots an UBER selbst.

Alle relevanten Details der Personenbeförderung werden über UBER abgewickelt. UBER inkassiert das Entgelt und übermittelt auch die Abrechnung. Erst nach Ende der Fahrt und lediglich unter der Voraussetzung, dass der Kunde/die Kundin den konkreten Abrechnungsbeleg herunterlädt, erfährt er/sie den wahren Namen des konkreten Beförderungsunternehmens. Dieser Hinweis sowie die Information in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Nutzungsvereinbarung der UBER-APP sind die einzigen Anhaltspunkte, aus denen für KundInnen ersichtlich ist, dass UBER offenbar nicht Vertragspartner der Auftragsfahrt ist, sondern dass der Beförderungsvertrag offenbar mit einer dritten Person abgeschlossen wurde.

Diese beiden Hinweise vermögen meines Erachtens den weit überwiegenden Gesamteindruck nicht auszuschließen, weil blickfangartig herausgestellte Angaben stärker ins Gewicht fallen als im Kleingedruckten enthaltende, aufklärende Hinweise.[71]Siehe auch OGH 4 Ob 68/13y, ÖBl 2014, 7.

Einerseits erweckt UBER gegenüber den DurchschnittsverbraucherInnen den Eindruck, diese würden mit UBER als einem Transportunternehmen kontrahieren. UBER profitiert dadurch vom Vertrauen der KundInnen, die annehmen, immer mit dem gleichen Vertragspartner abzuschließen, und daher aus der Erfahrung vergangener Dienstleistungen irrigerweise vertrauensbildend annehmen, sie würden mit dem bereits vertrauten Unternehmen UBER einen weiteren Beförderungsvertrag schließen.

Andererseits profitiert das jeweils kooperierende Beförderungsunternehmen, das noch nie mit dem/der betreffenden Kunden/Kundin kontrahiert hat, in einer meines Erachtens unlauteren Weise vom Vertrauen des Kunden/der Kundin, das er/sie irrigerweise UBER entgegenbringt. Im Glauben, einen Fahrtauftrag an UBER gegeben zu haben, schließt der Kunde/die Kundin jedoch einen Beförderungsvertrag mit einer dritten Person, deren konkrete Identität sich ihm/ihr erst im Zuge der Rechnungslegung offenbart.

Meiner Meinung nach könnte dadurch der Tatbestand der irreführenden Geschäftspraktik gemäß § 2 UWG erfüllt sein, aus dem eine Handlung unlauteren Wettbewerbs abgeleitet werden kann. Liegen wettbewerbswidrige Handlungen vor, so können MitbewerberInnen und Verbände gemäß § 14 UWG Unterlassungsklagen gegen den Wettbewerbsverstoß erheben[72]Näheres dazu Wiebe, Wettbewerbs- u Immaterialgüterrecht (2016)3 321 f ..

8. KonsumentInnenschutzrechtliche Gesichtspunkte

8.1. Der internationale Sachverhalt

UBER bietet seine Dienstleistungen grenzüberschreitend KonsumentInnen bzw VerbraucherInnen an. Da die Beförderung der KonsumentInnen in Österreich abgewickelt wird, ist gem den Regelungen der EU-VO 593/2008 (Rom I-VO) zu prüfen, welchen nationalen Rechtsnormen die VerbraucherInnenverträge mit den KundInnen unterliegen.

Soweit es sich bei den KundInnen um VerbraucherInnen handelt, dh dass die Beförderung ihrer Person nicht ihren beruflichen oder gewerblichen Zwecken zugeordnet werden kann, kommt Art 6 Rom I-VO zur Anwendung. Dieser legt das Recht jenes Staates als maßgeblich fest, in dem der/die VerbraucherIn seinen/ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die von UBER abgeschlossenen Verträge fallen daher in den Anwendungsbereich des österreichischen Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetzes (FAGG)[73]Bundesgesetz über Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge (Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz – FAGG), BGBl I 33/2014 idF BGBl I 83/2015. bzw subsidiär in den des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG).

Eine von den Vertragsparteien allfällig getroffene abweichende Rechtswahl gemäß Artikel 3 Rom I-VO darf den Parteien nicht den Schutz entziehen, den die gemäß Art 6 Rom I-VO zur Anwendung kommende nationale Regelung gewährt. Dies bedeutet, dass auch im Fall einer abweichenden Rechtswahl in den AGB die österreichischen Regelungen zur Prüfung des Sachverhalts heranzuziehen sind.

8.2. Informationspflichten von UBER

Da der Vertrag in jedem Fall außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten UBERs abgeschlossen wird, kommen die Regelungen des Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetzes (FAGG) zur Anwendung, welche im Verhältnis zu den Regelungen des KSchG als Spezialnormen zu betrachten sind.

Orientiert man sich nun an dem von UBER vertretenen Standpunkt, lediglich Vermittler von Personenbeförderungsdienstleistungen zu sein, dann gelten für das Unternehmen auch die Informationspflichten gemäß § 4 Abs 1 Z 1 FAGG. Diese verpflichten den/die UnternehmerIn vor Abschluss der Vereinbarung, die VerbraucherInnen über die wesentlichen Eigenschaften der Dienstleistung zu informieren.

Wie unter Abschnitt „Wer sind die Vertragsparteien der Personenbeförderung?“ dargestellt, erfahren die KundInnen erst nach Abschluss der Beförderungsleistung aus der zur Verfügung gestellten Rechnung den Namen der DienstleisterInnen, mit denen der Vertrag nach der von UBER intendierten Konstruktion abgeschlossen wurde. Im Zeitpunkt des Abschlusses der Dienstleistung ist den KundInnen nur der Vorname und eine Telefonnummer der jeweiligen „UBER-FahrerInnen“ bekannt. Zu diesem Zeitpunkt ist also nicht bekannt, mit wem kontrahiert wird. Geht man vom Vorliegen eines bloßen Vermittlungsvertrags aus, dann stellt die Identität der Person, die als VertragspartnerIn „vermittelt“ wird, eine nicht unwichtige Information dar. Dies lässt sich auch aus § 4 Abs 2 Z 2 FAGG ablesen, der die Informationspflicht über die Person des Unternehmers/der Unternehmerin regelt. Stellt die Information über die Person des Unternehmers/der Unternehmerin im Vertrag mit den KonsumentInnen eine relevante Voraussetzung für die rechtskonforme Vertragsabwicklung dar, dann handelt es sich bei der Information über die Identität der zu vermittelnden Person unzweifelhaft ebenso um eine wesentliche Eigenschaft der Dienstleistung iSv § 4 Abs 1 Z 1 FAGG.

Die Verstöße gegen diese Informationspflicht sind gemäß § 19 Z 1 FAGG mit Verwaltungsstrafen bis zu 1.450,- Euro bedroht. Hinzutritt, dass die Verstöße mit Verbandsklage gemäß § 28a KSchG verfolgt werden können, wenn dadurch die allgemeinen Interessen der VerbraucherInnen beeinträchtigt werden.

Geht man allerdings davon aus, dass UBER über eine bloße Vermittlung hinaus schlüssig einen Beförderungsorganisationsvertrag mit den KundInnen abschließt, dann kommen UBER die Ausnahmebestimmungen in § 1 Abs 3 Z 1 FAGG (Spezialnorm) und § 5a Abs 2 Z 13 KschG (generelle Norm) zugute, die die Verträge über die Beförderung von Personen von den obgenannten Informationspflichten ausnehmen.

Wie bereits oben zum Sachverhalt dargestellt, erbringt UBER eine Vielzahl von über die bloße Vermittlungstätigkeit hinausgehenden Handlungen, weshalb meines Erachtens schlüssig ein Beförderungsorganisationsvertrag vorliegt.

Der Beförderungsorganisationsvertrag, den UBER anbietet, lässt sich unter die Tatbestände des KSchG nicht direkt subsummieren. Das KSchG enthält in den §§ 31b ff Regeln für vergleichbare Dienstleistungen, und zwar für ReiseveranstalterInnen.

Deren Dienstleistung ist allerdings nur dann tatbestandsmäßig, sofern sie mehrere Arten von Dienstleistungen kombiniert umfasst (§ 31b Abs 2 KSchG). Neben der Beförderung im Sinne der Reisetätigkeit und der Betreuung vor Ort im Sinne von Unterbringungsdienstleistungen kann auch die Organisation von FremdenführerInnendienstleistungen umfasst sein. Da UBER jedoch lediglich die Beförderung anbietet, erfüllt seine Dienstleistung nicht den Tatbestand des Reiseveranstalters/der Reiseveranstalterin.

8.3. VermittlerIn oder VeranstalterIn?

Die Dienstleistungen von ReiseveranstalterInnen enthalten in der Praxis jedoch bisweilen der Geschäftspraktik UBERs vergleichbare Konstruktionen, die darauf abzielen, zu verschleiern, ob das Reisebüro als bloßer Vermittler im Sinne eines Reisevermittlungsvertrags oder als Reiseorganisator als Schuldner der Leistungen auftritt. Der OGH[74]OGH 12.05.1982, 3 Ob 525/82. vertritt die Ansicht, dass bei der Frage, ob AnbieterInnen die Leistungen selbst schulden oder bloß infolge der Beschränkung auf die VermittlerInnenrolle für die Erlangung des Anspruchs Anderer haften, eine Beurteilung aus der Sicht eines/einer redlichen Erklärungsempfängers/Erklärungsempfängerin vorzunehmen ist.

Dabei ist von dem Auftritt der VertragspartnerInnen und somit von dem Gesamteindruck auszugehen.[75]Krejci in Rummel, ABGB4 (2000–2016) § 1166 Rz 55. Bemerkenswert ist auch, dass bei der Beantwortung der Frage, ob ein Reisebüro bloßer Vermittler oder Veranstalter ist, im Einzelfall (auch) auf die Prospektgestaltung Rücksicht genommen wird – auf die „VermittlerInnenklausel“ in den AGB kommt es gerade nicht an.[76]Krejci in Rummel, ABGB4 (2000–2016) § 31b KSchG Rz 7. Diese Wertung der Gerichte liefert im Fall UBER, wo meines Erachtens kraft Anscheins von einem Beförderungsorganisationsvertrag auszugehen ist (siehe Abschnitt „Die rechtliche Zuordnung der handelnden Personen“) verwertbare Argumente.

Ausgehend von dem Eindruck, den KundInnen von der UBER-APP vermittelt bekommen, stellt sich über nahezu die gesamte Kausalkette der sich in der Beförderungsorganisation vollziehenden Handlungen UBER als Dienstleister der Taxifahrt dar: vom Bestellvorgang über die Fahrtabwicklung bis zum Info-E-Mail über die getätigte Verrechnung der Fahrt. Dem steht lediglich entgegen, dass die KundInnen im Zuge der erstmaligen Installation der APP auf dem Handy aus den AGB und im Zuge des Abrufs des Ausdrucks des Rechnungsbelegs von UBER darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass UBER nicht der Beförderer der Taxifahrt ist.

Diese beiden Hinweise stehen in keiner direkten zeitlichen Nähe zum konkreten Abschluss des jeweiligen Beförderungsvertrages, weshalb aus der Sicht von redlichen ErklärungsempfängerInnen nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie von diesen regelmäßig wahrgenommen werden. Aus diesen Gründen ist daher meines Erachtens von einem Beförderungsorganisationsvertrag auszugehen.

Entstehen den KundInnen allfällige Nachteile aus der Taxifahrt, könnten sie der obigen Argumentation zufolge daher wählen, ob sie ihre Ansprüche gegenüber dem/der FahrerIn aus dem Beförderungsvertrag oder gegenüber UBER aus dem Beförderungsorganisationsvertrag heraus geltend machen.

9. UBER und die „UBER-FahrerInnen“ in Österreich – eine Prüfung aus arbeitsrechtlicher Sicht

9.1. Die Ausgangssituation:

Wie im Sachverhalt dargestellt, wickelt UBER in Österreich die Personenbeförderung unter den Labels UBERX, UBERBlack und UBERVan ab. UBER kooperiert hier nicht direkt mit Privatpersonen als FahrerInnen, sondern mit Mietwagenunternehmen. Die bei den Mietwagenunternehmen beschäftigen FahrerInnen führen die Personenbeförderung durch. In dieser Kooperationsvariante ist unbestritten, dass die beschäftigten FahrerInnen in einem Dienstverhältnis zu den jeweiligen Mietwagenunternehmen stehen.

Wie bereits angeführt, werden jedoch eine Vielzahl von Mietwagenunternehmen in Form von Ein-Personen-Unternehmen geführt. Bei solchen Unternehmen stellt sich meiner Meinung nach angesichts des massiven Verhandlungsungleichgewichts zwischen Auftraggeber UBER und den AuftragnehmerInnen die Frage, inwieweit die behauptete freie Unternehmenstätigkeit von einzelnen FahrerInnen unter der massiven Determination der Abwicklungsorganisation durch UBER nicht zu einer bloßen Scheinselbständigkeit verblasst und auch hier im Einzelfall möglicherweise Ansatzpunkte für ein verstecktes Dienstverhältnis vorliegen könnten.

9.2. Prüfungshypothese UBERPop in Österreich

In weiten Teilen der Welt wickelt UBER seine Dienstleistung nicht nur in Kooperation mit Mietwagenunternehmen ab, sondern bietet seine Dienste in direkter Kooperation mit Privatpersonen als FahrerInnen an. Angenommen, es gäbe UBERPop in Österreich, wie wäre das Vertragsverhältnis der FahrerInnen dann rechtlich zu beurteilen?

Aus der Sicht von UBER ergäbe sich keinerlei Unterschied. UBER würde sich wohl auf den Rechtsstandpunkt zurückziehen, das Unternehmen wäre lediglich eine digitale Vermittlungszentrale zwischen selbständigen FahrerInnen und KundInnen. Wie in anderen Ländern auch ginge dies mit einem Verlust jeglicher arbeitsrechtlicher Absicherung der FahrerInnen einher, sozialversichert wären sie allenfalls als Selbständige und müssten die Beiträge selbst tragen. Mit solchen Vorwürfen konfrontiert, rechtfertigt sich UBER üblicherweise, dass diese Risiken typischerweise mit jeder selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit einhergehen und deren Bewältigung im Verantwortungsbereich der jeweiligen FahrerInnen als unabhängige MarktteilnehmerInnen liegen.[77]Siehe Strube, in Stary, Digitalisierung der Arbeit (2016) 52.

Wie bereits angeführt, erachte ich den Verweis auf den bloßen Vermittlungsvertrag als ein Verschleierungsargument. Es soll lediglich davon ablenken, dass UBER sämtliche Aspekte der Dienstleistung kontrolliert – und damit nicht vermittelt, sondern konkrete Arbeitsaufträge anbietet. Die Vermittlung ist nicht Wesenselement des Vertragsverhältnisses, sondern der mit ihr einhergehende Auftrag, die Personenbeförderung entsprechend den Vorgaben von UBER abzuwickeln. Aus dem umfangreiche Gefüge an Vorgaben und Kontrollen, denen UBER-FahrerInnen unterworfen sind, und ihrer Funktion als GehilfInnen für UBER im Beförderungsorganisationsvertrag gegenüber den KundInnen, ist aus meiner Sicht schlüssig ein Schuldverhältnis abzulesen.

Besteht nun dieses Schuldverhältnis zwischen einer Einzelperson und einem Unternehmen, dann sind die Umstände der Dienstleistung einer schärferen rechtlichen Beurteilung zu unterwerfen, als wenn es sich um einen Austausch von Dienstleistungen zwischen Unternehmen handelt. Infolge des massiven Ungleichgewichts an Verhandlungsmacht zwischen den Beteiligten muss der Sachverhalt daraufhin geprüft werden, ob nicht Umstände vorliegen, die auf die Umgehung eines Dienstvertragsverhältnisses schließen lassen.

9.3. Das Problem der grenzüberschreitenden Dienstleistung aus arbeitsrechtlicher Sicht

9.3.1. Die Anwendbarkeit unionsrechtlicher Kollisionsnormen

Maßgeblicher Umstand unseres Sachverhaltes ist, dass eine Vertragsbeziehung zwischen zwei VertragspartnerInnen zu prüfen ist, die ihren Sitz bzw Aufenthalt in unterschiedlichen Staaten der EU (UBER B.V. in den Niederlanden und die UBER-FahrerInnen in Österreich) haben. Für eine Prüfung der möglichen ArbeitnehmerInneneigenschaft der UBER-FahrerInnen, muss daher zunächst geklärt werden, welche staatliche Rechtsordnung als Prüfungsmaßstab heranzuziehen ist. Für Dienstverhältnisse beantwortet diese Frage die Rom I-VO als Kollisionsnorm. Daher muss zunächst geprüft werden, ob UBER-FahrerInnen vom ArbeitnehmerInnen-Begriff der Rom I-VO erfasst sind.

9.3.2. Unionsrechtliche ArbeitnehmerInnen-Begriffe

Falsch wäre es, unmittelbar auf das Begriffsverständnis der betroffenen Mitgliedsstaaten (hier Österreich und die Niederlande) zurückzugreifen. Abgesehen vom Umstand, dass eine solche Bezugnahme wahrscheinlich zu keinem eindeutigen Ergebnis führen würde, wäre sie unzulässig.[78]Thüsing, Europäisches Arbeitsrecht2 (2011) Rz 12; Schiek, Europäisches Arbeitsrecht3 (2007) 215. Gemäß der Judikatur des EuGH sind die ArbeitnehmerInnen-Begriffe des Unionsrechts autonom auszulegen, es sei denn, es wird in den jeweiligen Regelungen explizit auf das Arbeitsrecht des betroffenen Mitgliedstaats verwiesen (sogenannte „Qualifikationsverweisung“).[79]Siehe zB Art 2 Abs 2 Entsende-Richtlinie 1996/71/EG. Dies ist bei der Rom-I VO nicht der Fall.[80]Junker, Einflüsse des europäischen Rechts auf die personelle Reichweite des Arbeitnehmerschutzes – der Arbeitnehmerbegriff des europäischen Gerichtshofs, EuZA 2016, 186. Siehe dazu ausführlich Beitrag „Crowdword mit Auslandsbezug“.

Bezogen auf den ArbeitnehmerInnenbegriff der Rom I-VO liegt noch keine Entscheidung des EUGH vor, der Gerichtshof hat jedoch in der Rs Freiherr von Büllesheim[81]EuGH 10.09.2015, C-47/14, ECLI:EU:C:2015:574. zur EUGVVO (Brüssel Ia-VO) festgehalten, dass Arbeitsverträge eine dauerhafte Beziehung begründen, durch die ArbeitnehmerInnen in den Betrieb ihrer ArbeitgeberInnen eingegliedert werden.[82]Siehe EuGH Spies von Büllesheim, Rz 39. In Bezug auf den autonomen Begriff des Arbeitsvertrages könne angenommen werden, dass dieser eine Abhängigkeit der ArbeitnehmerInnen von ihren ArbeitgeberInnen voraussetzt.[83]Siehe EuGH Spies von Büllesheim, Rz 40. Überdies besteht aus Sicht des EuGH das wesentliche Merkmal darin, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere Person nach deren Weisungen Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält.[84]Siehe EuGH Spies von Büllesheim, Rz 41.

Eine Prüfung der soeben dargestellten Kriterien führt für das Fallbeispiel UBER zu folgenden Ergebnissen:

a. Arbeitsleistung für eine andere Person

Geht man wie in Abschnitt „Die UBER-FahrerInnen-Richtlinien“ argumentiert von dem Vorliegen eines Beförderungsorganisationsvertrags aus, dann erbringen die FahrerInnen im Rahmen dieses Vertrags eine Dienstleistung, die im Sinne des Erreichens des gewünschten Reisezieles eine Verpflichtung erfüllt, zu der sich die andere Person, nämlich UBER, gegenüber den KundInnen verpflichtet hat. Sie erbringen damit eine Arbeitsleitung für UBER. Auch das Merkmal der Erbringung der Leistungen nach den Weisungen einer anderen Person ist meiner Meinung nach erfüllt.

Wie ebenfalls bereits ausgeführt, ist die Arbeitsleistung der FahrerInnen in allen relevanten Gesichtspunkten durch UBER determiniert – angefangen von den Zulassungskriterien für das zum Einsatz kommende Fahrzeug, zur Verwendung des Routensystems UBERs, der Festlegung der konkreten Fahrtrouten, der Entgelthöhe bis hin zu den Zahlungs- und Abrechnungsmodalitäten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass diese Weisungen dadurch vorweggenommen wurden, dass sie bereits ex ante in den Geschäftsbedingungen von UBER festgelegt wurden.[85]Ähnlich Prassl/Risak, UBER, Taskrabbit & Co: Platforms as Employers? Rethinking the Legal Analysis of Crowdwork, Comparative Labour Law & Policy Journal 2016, 618 (634).

b. Entgeltlichkeit des Vertragsverhältnisses

Das Merkmal eines entgeltlichen Vertragsverhältnisses ist in unserem Sachverhalt jedenfalls erfüllt. Der Umstand, dass die Bezahlung im Wege einer Beteiligung am Umsatz erfolgt, steht der Annahme eines Arbeitsverhältnisses nicht unbedingt entgegen. Dies hat der EuGH in einem anderen Fall, der Rs Agegate Ltd[86]EuGH 14.12.1989, C-3/87, Agegate, Slg 1989, 4459, Rz 36., festgehalten. Den allfälligen Einwand, dass entsprechend einer formalen Betrachtungsweise UBER am Erfolg der FahrerInnen und nicht diese am wirtschaftlichen Erfolg UBERs beteiligt sind, erachte ich in diesem Zusammenhang als nicht relevant. Wesentlich ist vielmehr, dass die betreffende Person für die von ihr ausgeübte Tätigkeit ein Entgelt erhält. Es ist ein bezeichnendes Kriterium der digitalen Dienstleistung, dass formalrechtliche Zuordnungskriterien keinen allein maßgeblichen Erkenntniswert mehr vermitteln. Relevant ist hier allein, dass die FahrerInnen ihre Tätigkeit abgegolten erhalten.

c. (Persönliche) Abhängigkeit der ArbeitnehmerInnen von den ArbeitgeberInnen

Betreffend die Abhängigkeit der FahrerInnen könnte eingewandt werden, dass sie ja nicht verpflichtet sind, die angebotenen Fahrtanfragen anzunehmen. Dies ist aber schon dahingehend zu relativieren, dass wie in Abschnitt „Das Akzeptanz-Rating“ angeführt, UBER-FahrerInnen, die es konsequent unterlassen, Reiseanträge zu akzeptieren, von UBER darauf hingewiesen werden, dass sie Gefahr laufen, ihren Zugang zu verlieren.

Die behauptete „Unabhängigkeit“ wird insbesondere in einer aktuellen Entscheidung des englischen Employment Tribunal in der Rs Aslam ua vs UBER B.V. ua[87]Employment Tribunal, 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, https://www.judiciary.gov.uk/wp-content/uploads/2016/10/aslam-and-farrar-v-UBER-reasons-20161028.pdf (07.12.2016). infrage gestellt, da nach dem dortigen Sachverhalt von den FahrerInnen eine Reaktion auf die ihnen angebotenen Fahrten bei aktivierter UBER-APP innerhalb einer bestimmten Zeit erwartet wird. Andererseits besteht nur dann eine Arbeitsmöglichkeit für die FahrerInnen, wenn ein entsprechender Bedarf gegeben ist. UBER ist nur verpflichtet, einlangende Fahrtanfragen zu vermitteln. Es besteht aber keine Erfolgshaftung für ausbleibende Fahrtanfragen, insoweit handelt es sich um eine bedarfsorientierte Erwerbstätigkeit des Fahrers/der Fahrerin.

In der Rs Levin hatte der EuGH erkannt, dass auch jemand ArbeitnehmerIn im Sinne des Arbeitsrechts sein kann, wenn er/sie keinen Anspruch auf Beschäftigung hat.[88]Schiek, Europäisches Arbeitsrecht3 (2007) 217. In diesem Sachverhalt bestand zwar einerseits kein Recht auf Beschäftigung, andererseits aber auch keine Verpflichtung für die ArbeitnehmerInnen einem „Abruf“ ihres Arbeitgebers/ihrer Arbeitgeberin nachzukommen.[89]EuGH 26.02.1992, C-357/89, Raulin, Slg 1992 I-01027. Diese Entscheidung belegt, dass der Umstand der Freiwilligkeit der Arbeitsleistung nicht dazu führen muss, die ArbeitnehmerInneneigenschaft im Sinne des Gemeinschaftsrechts zu verlieren. Die Abhängigkeit der ArbeitnehmerInnen muss also nicht unbedingt in einer bestehenden dauerhaften Verpflichtung bestehen, sondern kann auch aus anderen Umständen im Sinne einer funktionalen Unterordnung resultieren.

Die Umstände, die im vorliegenden Fall diese Abhängigkeit bewirken, liegen meines Erachtens einerseits in der umfassenden Kontrollunterworfenheit der FahrerInnen, sei es hinsichtlich der digitalen Überwachung der Fahrtroute des Fahrzeugs oder der Unterstellung unter das System der Qualitätskontrolle der KundInnenbewertung (dem Rating). Die KundInnen fungieren im letzteren Fall als QualitätskontrolleurInnen im Dienste von UBER.[90]Ähnlich Risak, What’s Law got to do with it – (Arbeits-)Rechtliche Aspekte plattformbasierten Arbeitens, kurswechsel 2016/2, 32 (33). Hier sind die FahrerInnen, von einem Bewertungssystem, das von UBER konzipiert, gesteuert und überwacht wird, von UBER abhängig. Ihr Rating entscheidet, in wieweit der/die FahrerIn von UBER auch zukünftig Aufträge erhält. Deshalb ist auch dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt.

d. Eingliederung in den Betrieb der ArbeitgeberInnen

Bei diesem Punkt werden die Umwälzungen der Arbeitsorganisation durch die digitale Technik am augenfälligsten. Aus dem Sachverhalt ist ersichtlich, dass UBER über miteinander via Internet korrespondierende Handys die Logistik eines gesamten Unternehmens steuert, soweit die FahrerInnen sich via Handy arbeitsbereit melden, einlangende Transportaufträge entgegennehmen, ihre Fahrzeuge entlang den vorgegebenen Fahrtrouten steuern und den Abschluss der Beförderung übermitteln. Meiner Meinung nach kann kein Zweifel daran bestehen, dass die FahrerInnen in den Betrieb von UBER eingegliedert sind, wenngleich sich diese Eingliederung „lediglich“ dadurch realisiert, dass sie eine APP auf einem Mobiltelefon in ihrem Fahrzeug in Betrieb nehmen und die Fahrtaufträge entsprechend den Richtlinien von UBER abwickeln.

e. Ergebnis

Aufgrund der oben dargestellten Anhaltspunkte aus dem Sachverhalt erfüllt das Rechtsverhältnis zwischen UBER und den FahrerInnen den Tatbestand eines Dienstverhältnisses iSd Gemeinschaftsrechts. Entsprechend der Kollisionsnorm in Art 10 Rom I-VO kommt daher mangels Rechtswahl der Parteien jenes Recht zur Anwendung, in welchem der/die ArbeitnehmerIn gewöhnlich die Arbeit verrichtet. Aber auch eine abweichende Rechtswahl ist gemäß Art 10 Rom I-VO nur soweit wirksam, als dadurch der Schutz für den betroffenen/die betroffene ArbeitnehmerIn nicht verschlechtert wird.

Da die Arbeitsverrichtung in Österreich erfolgt, fällt das Rechtsverhältnis in den Anwendungsbereich der österreichischen Schutznormen, sofern es deren Tatbestandvoraussetzungen erfüllt.

9.4. Prüfung des Vertragsverhältnisses gemäß den österreichischen Tatbeständen

9.4.1. Infrage kommende Vertragstypen

Wie bereits angeführt, ist das Vertragsverhältnis zwischen UBER und den FahrerInnen wesentlich durch die konkreten Vorgaben und Kontrollen von UBER geprägt. Wie bereits auf europarechtlicher Ebene gilt es nun auch auf innerstaatlicher Ebene entsprechend der von Gesetzgebung und Rechtsprechung festgelegten Wertungen zu beurteilen, ob dieses Schuldverhältnis als Werkvertrag gemäß § 1153 ABGB zwischen selbständigen MarktteilnehmerInnen oder als ein Dienstvertrag gemäß § 1151 ABGB zu beurteilen ist.

9.4.2. Die Tatbestandselemente des Dienstvertrags

Nach § 1151 ABGB entsteht ein Dienstvertrag, wenn sich jemand auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung für eine andere Person verpflichtet. Als ArbeitnehmerIn im arbeitsvertraglichen Sinn gilt derjenige/diejenige, der/die kraft rechtsgeschäftlichen Willens zur Arbeitsleistung für eine andere Person in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.[91]Radner in Mazal/Risak, Das Arbeitsrecht – System und Praxiskommentar (24. Lfg 2014) Kap I Rz 2.

a. Auf eine bestimmte Dauer angelegte Dienstleistung für eine andere Person

Problematisch könnte in diesem Zusammenhang sein, dass sich der das Schuldverhältnis tragende Umstand, der mit der Weiterleitung der Fahrtanfrage einhergehende Abwicklungsauftrag, in die Rechtsnatur eines Zielschuldverhältnisses hüllt. Meines Erachtens ist dieser Umstand allerdings zu relativieren, sobald diese Aufträge von den FahrerInnen wiederholt angenommen werden. Der Umstand, dass das Schuldverhältnis zwischen UBER und den FahrerInnen in Wahrheit auf eine dauerhafte Bindung ausgerichtet ist, lässt sich aber aus den von UBER festgelegten Richtlinien, wie in Abschnitt „Die UBER-FahrerInnen-Richtlinien“ dargelegt, deutlich ablesen.

UBER legt der KundInnenbewertung eine Durchschnittsbetrachtung bezogen auf die letzten 500 Fahrten zugrunde. UBER betrachtet diese Begrenzung auf die letzten 500 Fahrten als Entgegenkommen zugunsten der FahrerInnen, damit diese ihren Service „im Laufe der Zeit“ verbessern.[92]https://www.UBER.com/legal/deactivation-policy/us/ (11.08.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar. Daraus lässt sich ablesen, dass UBER in einer generalisierenden Betrachtungsweise von einem Vielfachen an wiederholten Fahrtabwicklungen durch die FahrerInnen ausgeht. Auch die Grundannahmen UBERs betreffend die zulässigen Stornoquoten von unter 5 bei 100 Fahrten[93]https://www.UBER.com/legal/deactivation-policy/us/ (11.08.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar. zeigen, dass das Schuldverhältnis regelmäßig durch eine nachhaltige Vertragsbeziehung mit dem/der jeweiligen FahrerIn geprägt ist.

In diesem Sinne hat auch ein englisches Employment Tribunal bereits entschieden, dass nicht jede einzelne Fahrt als punktuelles Vertragsverhältnis zu beurteilen ist, sondern der gesamte Zeitraum, wenn die UBER-APP aktiviert ist, als Arbeitsverhältnis zu bewerten ist.[94]Employment Tribunal, 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, Rz 100. Dies wird insbesondere auf das Geschäftsmodell von UBER zurückgeführt, das auf die Verfügbarkeit der FahrerInnen aufbaut[95]Zur Illustration wird in der Entscheidung (Rz 100) eine Zeile aus dem Gedicht von John Milton, On his blindness zitiert: „They also serve who only stand and wait.“ („Es dienen die, die nur da stehen und warten“; Übersetzung des Verfassers). und danach sogar seine Preise bestimmt.

Nehmen daher FahrerInnen entsprechend den dargelegten Grundannahmen wiederholt Fahrtaufträge an, dann liegt meiner Meinung nach schlüssig ein auf Dauer angelegtes Vertragsverhältnis vor.

b. Die persönliche Abhängigkeit

Gemäß Lehre[96]Krejci in Rummel, ABGB4 (2000–2016)§ 1151 Rz 37 ff; Rebhahn in ZellKomm2 (2011) § 1151 Rz 80 ff, jeweils mit zahlreichen Nachweisen. und Rsp[97]So zB zuletzt OGH 9 ObA 40/16x, ecolex 2016/400. lässt sich das Tatbestandsmerkmal der persönlichen Abhängigkeit aus mehreren Bestimmungselementen ablesen, wie Fremdbestimmung der Leistung, der persönlichen Dienstpflicht, der Weisungs- und Kontrollunterworfenheit, der disziplinären Verantwortlichkeit, der Arbeit mit den Betriebsmitteln des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin sowie der Eingliederung in die Betriebsorganisation.

ba. Persönliche Dienstpflicht und Fremdbestimmung der Leistung

Die persönliche Dienstpflicht geht schon aunmittelbar aus den Zulassungsvoraussetzungen für die UBER-FahrerInnen hervor.[98]Siehe im Abschnitt „Die Zulassung als UBER-FahrerIn“. Die Fremdbestimmung der Leistung zeigt sich darin, dass UBER die Kriterien festlegt, welche Fahrzeuge zum Transport zugelassen werden[99]Employment Tribunal 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, Rz 44., anordnet, welches Navigationssystem verwendet wird, sowie die Fahrtrouten definiert, den Tarif festlegt, den Fahrtpreis errechnet sowie die Abrechnung des Entgelts mit den KundInnen abwickelt.[100]So auch Employment Tribunal, 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, Rz 92. Damit ist das arbeitsbezogene Verhalten der FahrerInnen in einem solchen Maße determiniert, dass nur ein sehr geringer Spielraum für sie verbleibt. Deren Selbstbestimmung ist somit durch die Unterwerfung unter die Richtlinien zur Leistungserbringung so stark eingeschränkt, dass die Leistungserbringung im Wesentlichen fremdbestimmt erfolgt.

bb. Weisungs- und Kontrollunterworfenheit sowie disziplinäre Verantwortlichkeit

Haben die FahrerInnen die übermittelten Fahrtaufträge zu den von UBER vorgegebenen Bedingungen angenommen, können sie über die Art und Weise der Abwicklung der Dienstleistung nicht mehr disponieren. Die Fahrtroute wird durch die UBER-APP vorgegeben, die auch für die KundInnen im Laufe der Fahrt immer sichtbar ist. Das Verhalten gegenüber den KundInnen ist durch Richtlinien bis hin zur Art des Grußes und der Verabschiedung determiniert, ebenso wie der Zustand des Fahrzeuges. Abgesehen von der Fragwürdigkeit des Arguments, die FahrerInnen hätten im Zuge der Auftragsübernahme die Dispositionsmöglichkeiten über die konkreten Abwicklungsmodalitäten im Zuge der Auftragsübernahme an UBER „delegiert“, ändert dieser Umstand nichts an den im Abwicklungsverhältnis faktisch nicht mehr vorhandenen Einflussmöglichkeiten.

Der Umstand der faktischen Weisungsunterworfenheit im Sinne einer Unterwerfung unter die generellen Weisungen in Form von Richtlinien ist erfüllt, wie fragwürdig er auch immer zustande gekommen sein mag. Auch am Bestehen der Kontrollunterworfenheit besteht angesichts der Fülle an vorliegenden Kontrollmechanismen von UBER[101]Siehe im Abschnitt „Die Zulassung als UBER-FahrerIn“. meines Erachtens kein Zweifel. Dabei üben auch die KundInnen durch das Rating-System Kontrollfunktionen aus, diese sind in diesem Sinne auf sie ausgelagert. Überdies sind die FahrerInnen auch disziplinär verantwortlich, dh sie haben zum Teil massive Konsequenzen bei Nichteinhaltung der generellen Weisungen von UBER zu erwarten. Dieser Umstand ist aus dem bereits angeführten Kontrollsystem, in das die KundInnen eingebunden sind, ablesbar, ebenso wie aus den von UBER festgesetzten Rücktrittsquoten, die – wollen die FahrerInnen nicht eine Sperre durch UBER riskieren – nicht überschritten werden dürfen.

bc. Eingliederung in die Betriebsorganisation und Arbeit mit Betriebsmitteln des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin

Wie bereits im Zuge der europarechtlichen Prüfung zuvor angesprochen, wird die Abwicklung der Beförderungsdienstleistung der FahrerInnen durch UBER in allen wesentlichen Aspekten digital gesteuert. Die FahrerInnen sind in die Betriebsorganisation von UBER eingegliedert, obwohl sie für die KundInnenbeförderung eigene Betriebsmittel einsetzen.

Grundsätzlich wird in der Lehre der Einsatz von eigenen Betriebsmitteln als Indiz gegen das Vorliegen eines Dienstverhältnisses gewertet,[102]Krejci in Rummel, ABGB4 (2000–2016) § 1151 Rz 57. dies kann aber durch das Vorliegen anderer Kriterien entkräftet werden. Die Indizwirkung ist daher in dem hier zu untersuchenden Fall zu relativieren. Einer konventionellen Sichtweise entsprechend geht mit der Eigentümerschaft an den Betriebsmitteln regelmäßig auch die Entscheidungsgewalt über ihre Disposition einher. Diese Schlussfolgerung muss jedoch meines Erachtens in jeden Einzelfall hinterfragt werden.

Der Fall UBER zeigt deutlich, dass sachenrechtliche Befugnisse über Betriebsmittel keine Rolle mehr spielen, da UBER, was den Einsatz der Fahrzeuge betrifft, sowohl die Auswahl der Fahrzeuge kontrolliert als auch ihren Einsatz in jedem maßgeblichen Aspekt der Vertragsabwicklung steuert. Diese faktische Verfügungsmöglichkeit und nicht die sachenrechtliche Befugnis über die Betriebsmittel ist meiner Meinung nach maßgeblich, um beurteilen zu können, ob eine relative Selbständigkeit oder eine persönliche Abhängigkeit der FahrerInnen gegeben ist. Diese faktische Verfügungsmacht von UBER über die Fahrzeuge der FahrerInnen indiziert daher ebenfalls die persönliche Abhängigkeit der Betroffenen.

c. Vertragliche Bindung

Im Akzeptanzrating von UBER offenbart sich das massivste Indiz sowohl für die Annahme eines auf Dauer angelegten Schuldverhältnisses als auch für die Annahme, dass die UBER-FahrerInnen ihre Dienstleistung überwiegend und regelmäßig in persönlicher Abhängigkeit erbringen. Diese Abhängigkeit wird in der Folge noch näher beurteilt. Das Akzeptanzrating zeigt klar, dass UBER nicht nur mit einer wiederholt erbrachten Dienstleistung der FahrerInnen rechnet, sondern auch, dass UBER-FahrerInnen mit Sanktionen (Sperren) zu rechnen haben, wenn sie die „angebotenen“ Fahrtaufträge zu häufig ignorieren bzw ablehnen. Ein solches Akzeptanzrating ist einerseits auf eine dauerhafte Vertragsbeziehung ausgerichtet und kann gleichzeitig nur dort effizient funktionieren, wo eine persönliche Abhängigkeit der FahrerInnen besteht.

Es scheint, als solle dieses Rating FahrerInnen „motivieren“, auch dann Fahrtaufträge anzunehmen, wenn aufgrund des Surge-pricing-Modells die angebotenen, von UBER festgelegten Transporttarife nicht lukrativ genug sind, weil zu viele FahrerInnen potenziell für diese Fahrt infrage kommen. UBER sichert sich durch diese Maßnahme auch bei für die FahrerInnen ungünstigen niedrigen Fahrttarifen eine ausreichende Abnahmebereitschaft für einlangende Fahrtaufträge und somit eine schnelle Abwicklung der Fahraufträge für die KundInnen. Auf diesem Weg kann UBER auf Kosten seiner FahrerInnen durch niedrige Fahrttarife zusätzliche Marktanteile lukrieren.

d. Ergebnis

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass, sollte UBER in Österreich sein Geschäftsmodell auf die Vergabe der Fahrtaufträge an einzelne FahrerInnen umstellen, diese Personen als DienstnehmerInnen von UBER betrachtet werden können. Dies ist damit zu begründen, dass UBER sämtliche unternehmensrelevanten Vorgänge der Dienstleistung steuert und kontrolliert, sei es in eigener Person oder durch VertragspartnerInnen (KundInnen). Dieses umfangreiche Ordnungsgefüge begründet die persönliche Abhängigkeit und daher die DienstnehmerInneneigenschaft der FahrerInnen.[103]So auch Prassl/Risak, CLLPJ 2016, 18 ff.

Aber auch im Falle von UBERX, UBERBlack und UBERVan sowie UBERX, sind meines Erachtens schon jetzt die Vertragsverhältnisse dort zu hinterfragen, wo die Transportfahrten von EPU abgewickelt werden.

9.5. Grenzbereiche eines UBERPop-Dienstverhältnisses

9.5.1. Unterbrechung der Beschäftigung

Das Problem für die traditionelle Auffassung vom Dienstvertrag als ein Dauerschuldverhältnis besteht im Falle von UBER darin, dass UBER die auf Dauer ausgerichtete Vertragsbeziehung zu umgehen versucht, indem er den Anschein von losen, aufeinanderfolgen Zielschuldverhältnissen erweckt.

UBER möchte die in konventionellen Denksystemen stets auf Vertrag beruhende Bindung zwar nutzen, um möglichst effektiv die FahrerInnenressourcen der Nachfrage entsprechend zur Gewinnoptimierung zu lukrieren, allerdings ohne die damit klassisch einhergehenden Fremdinteressen der FahrerInnen wahren zu müssen. Es wird dabei daher zum Schein auf eine offenkundige, einem Dauerschuldverhältnis entsprechende Vertragsbindung verzichtet, dieselbe aber durch ein ausgeklügeltes System an außervertraglichen Abhängigkeitssystemen und seine umfassende Marktmacht am digitalen Markt der Dienstleistungen ersetzt, um nicht den Zugriff auf die FahrerInnen zu verlieren.

Der Nachteil besteht nicht nur darin, in diesem Sachverhalt ein Dienstverhältnis festzumachen, sondern auch im Sinne klassisch-rechtlicher Denkmuster zu extrahieren, wann nun das Dienstverhältnis beendet und wann lediglich die Dienstleistung sistiert ist (im Sinne von Arbeitsbereitschaft, Urlaub, Krankheit oder Dienstverhinderung).

In den Datenschutzerklärungen UBERs wird unter anderem auch auf zahlreiche Supportdienstleistungen zur Unterstützung der UBER-FahrerInnen bei der Abwicklung der Beförderungsleistungen hingewiesen.[104]https://www.UBER.com/legal/privacy/driversnon-us/de/ (05.07.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar. Dies indiziert, dass die Abwicklung der Fahrtdienstleistung durch die UBER-FahrerInnen wohl nicht ohne vorangehende – und begleitende – Schulungsmaßnahmen auskommt. Dennoch ist theoretisch annehmbar, dass ein/eine UBER-FahrerIn lediglich ein einziges Mal einen Fahrtauftrag annimmt und nach Abwicklung desselbigen jeden weiteren Kontakt zu UBER abbricht.

Meines Erachtens sind bereits im Rahmen der Abwicklung dieses einzigen Auftrags alle oben geprüften Dienstvertragsmerkmale verwirklicht. Analog zur Auflösung eines konventionellen Dienstverhältnisses in der Probezeit wird man auch in diesem Fall aus der lediglich kurzen Dauer des Vertragsverhältnisses nicht automatisch den Schluss ziehen können, es liege kein Beschäftigungsverhältnis vor. Entscheidend ist, dass das Vertragsverhältnis, wie oben dargelegt, auf Dauer, dh auf wiederholte, fortdauernde Beschäftigung ausgelegt ist.

Fraglich ist, wie der Sachverhalt zu beurteilen ist, wenn zwischen den Fahrtaufträgen Zeitfenster bestehen, in denen keine Dienstleistung erbracht wird. Geht man davon aus, dass das Ausbleiben der Dienstleistung die jeweilige Beschäftigung beendet, dann liegt in der nachfolgenden Wiederaufnahme eine wiederholte Beschäftigung vor. Die jeweilige Beendigung der dann als befristet anzusehenden Beschäftigung wäre allerdings unter dem Blickwinkel des EU-weit geltenden Verbots der wiederholten befristeten Beschäftigung zu beurteilen.

Risak[105]Risak, Crowdwork – Erste rechtliche Annäherungen an eine „neue“ Arbeitsform, ZAS 2015/3, 11 ff. und das Employment Tribunal in der Aslam-Entscheidung[106]Employment Tribunal 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, Rz 121 ff. tendieren dazu, unter den gegebenen Umständen von wiederholt befristeten Dienstverträgen auszugehen. Meines Erachtens lässt sich die Frage nicht generell beantworten. Die Freiheit, zukünftige Fahrtaufträge entgegenzunehmen oder davon Abstand zu nehmen, kann den FahrerInnen eine auf ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmte flexible Leistungserbringung ermöglichen. Aus diesem Blickwinkel kann diese Form der wiederholten Beschäftigung als im Interesse der FahrerInnen angesehen werden und läuft dann dem europarechtlichen Verbot des Missbrauchs von wiederholten Befristungen nicht zuwider.

Beruht die vorläufige Abstandnahme von der fortgesetzten Dienstleistung jedoch nicht auf selbstgewählter Lebensplanung, sondern ist durch Krankheit, Unfall oder Erholungsschutz (Urlaub) begründet, dann würde eine derartig strukturierte Beschäftigung den geschützten Interessen der FahrerInnen zuwiderlaufen.

Die Entscheidung, ob ein durchgehendes oder ein wiederholtes befristetes Dienstverhältnis vorliegt, kann meiner Meinung nach nur mit Blick auf den jeweiligen Einzelfall von den Gerichten beurteilt und entschieden werden.

Wie diese Beschäftigungsform generell zu behandeln ist, ist hingegen eine Frage, die nur von der Gesetzgebung beantwortet werden kann. Festzuhalten ist, dass diese Form der Beschäftigung ein generelles Erwerbsschutzdefizit in Hinblick auf die klassischen Risikofaktoren, die zum Arbeitsausfall führen, generiert, nämlich Krankheit, Unfall und Alter.

9.5.2. Abgeltung von „Stehzeiten“

Anders als beim tageweisen Aussetzen der Dienstleistung ist die Sachlage bei den Stehzeiten zwischen den Fahrtaufträgen im Zuge eines Arbeitstages, oder exakter zwischen dem Auf- und Abdrehen der UBER-APP zu beurteilen. Sind diese als Ruf- oder Arbeitsbereitschaftszeiten zu werten? Gemäß der OGH-Rsp[107]OGH 8 Ob A 321/01s, Arb 12.266. sind Rufbereitschaftszeiten zwar grundsätzlich abzugelten, werden aber nicht in die Arbeitszeit eingerechnet. Das Charakteristikum der Rufbereitschaft besteht darin, dass ArbeitnehmerInnen ihren Aufenthaltsort insoweit frei wählen können, als sie im Fall eines einlangenden Arbeitsauftrags nur in absehbarer Zeit in der Lage sein müssen, den Arbeitsort aufzusuchen.[108]OGH 8 ObA 90/05a, ARD 5707/3/2006; 9ObA 74/07h, ASoK 2007, 404. Oberflächlich betrachtet, könnte man im Fall von UBER-FahrerInnen zum Schluss kommen, hier lägen nur Rufbereitschaftszeiten zwischen den Fahrtaufträgen vor. Da FahrerInnen die einlangenden Fahrtanfragen auf dem Handy mitgeteilt bekommen, können sie sich ja ortsungebunden bewegen.

Der knappe Zeitrahmen von wenigen Minuten, der zwischen Fahrtanfrage von KundInnen und Eintreffen der FahrerInnen an deren Abholort liegt, wird es aber regelmäßig erfordern, dass sich die FahrerInnen während der Stehzeiten bereits im Fahrzeug befinden. Nur dann wird es ihnen möglich sein, rechtzeitig bei den KundInnen einzutreffen. Aus diesem Grund sind auch die Stehzeiten von UBER-FahrerInnen zwischen den Fahrtaufträgen einer Arbeitsperiode als Arbeitszeiten anzusehen.[109]So auch Employment Tribunal, 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, Rz 100.

9.6. Weitere rechtliche Folgen eines UBERPop-Dienstverhältnisses

9.6.1. Haftung für Betriebsmittel und Vermögensschäden der Fahrgäste

Eine Konsequenz aus dem festgestellten Beförderungsorganisationsvertrag zwischen den KundInnen und UBER ist, dass UBER für von den FahrerInnen allfällig verursachte Schäden nicht bloß gemäß § 1315 ABGB für einen Besorgungsgehilfen, sondern gemäß § 1313a ABGB für einen Erfüllungsgehilfen und somit wie für eigenes Verhalten haftet.

Aus dem festgestellten Dienstverhältnis zwischen UBER und den FahrerInnen folgt auch, dass UBER sich nur begrenzt an den FahrerInnen regressieren kann. Der Rückgriff auf die FahrerInnen infolge Schäden, die im Rahmen der Dienstleistung entstanden sind, unterliegt den Bestimmungen des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes (§ 1 DHG).[110]iese ist übrigens auch auf arbeitnehmerInnenähnliche Personen anzuwenden, sodass sogar im Falle einer Ablehnung der Qualifikation von EPU-FahrerInnen als ArbeitnehmerInnen den betroffenen Beförderern/Beförderinnen dessen Schutz zusteht. Beruht die schädigende Handlung der FahrerInnen auf einer entschuldbaren Fehlleistung, dann ist gemäß § 2 Abs 3 DHG ein Rückgriff auf die FahrerInnen zur Gänze ausgeschlossen. Begleicht jedoch in diesem Falle der/die FahrerIn den Schadenersatzanspruch des Kunden/der Kundin kann er/sie sich gemäß § 3 Abs 2 DHG zur Gänze an UBER regressieren.

Hinzukommt, dass UBER aus seiner Stellung als Dienstgeber der UBER-FahrerInnen für deren Eigenschäden an den zur Verfügung gestellten Kraftfahrzeugen, welche im Zuge der Beförderung auftreten, analog zu § 1014 ABGB eine verschuldensunabhängige Risikohaftung trifft.[111]Strasser in Rummel, ABGB3 (2000–2016) §§ 1014, 1015 Rz 10; Kerschner, Komm zu OGH 4 Ob 180/85, ZAS 1987, 86 = Jabornegg, DRdA 1988/6.

Die oben dargestellten Konsequenzen würden somit zu einer massiven Verschiebung der wirtschaftlichen Risiken betreffend die Gefahrtragung bzw die Haftung für die beschäftigten FahrerInnen und eingesetzten Betriebsmittel hin zu UBER führen, sollte sich UBER entscheiden, mit der Abwicklung der Beförderungsdienstleistung nicht Unternehmen, sondern Privatpersonen zu beauftragen.

9.6.2. Verbot kilometerabhängiger Entgeltbemessung

Nach Art 10 VO 561/2006/EG ist es Verkehrsunternehmungen untersagt, an die ihnen zur Verfügung gestellten FahrerInnen Entgelte in Abhängigkeit von der zurückgelegten Strecke zu bezahlen. Diese Vorschrift dient EU-weit zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr. Dieses Verbot hat auch Eingang in das österreichische Arbeitszeitgesetz (AZG) gefunden. § 15c AZG verbietet deshalb, die Höhe des Entgelts oder auch nur von Entgeltbestandteilen an der zurückgelegten Strecke zu orientieren.[112]Heilegger in Heilegger/Klein, AZG4 (2016) §§ 13–17c Rz 69. Während die Bestimmungen der VO 561/2006/EG gemäß Art 2 lediglich für die Personenbeförderung, die für die Beförderung von mehr als neun Personen (inklusive FahrerIn) bestimmt sind, gelten, geht der Anwendungsbereich des § 15c AZG darüber hinaus. Er erstreckt sich gemäß § 13a Abs 3 AZG auf das Lenken sonstiger Fahrzeuge und erstreckt sich damit auch auf alle von der VO 561/2006/EG nicht erfassten Beförderungen.[113]Heilegger in Heilegger/Klein, AZG4 §§ 13–17c Rz 9.

Davon ausgehend, dass sich das Preisfindungsmodell von UBER wesentlich auch an der zurückgelegten Fahrtstrecke bemisst, ist dessen Einsatz zur Bemessung des Entgeltanspruchs der FahrerInnen, die meines Erachtens als DienstnehmerInnen zu qualifizieren sind und damit dem AZG unterliegen, somit unzulässig.

9.6.3. Anwendbarkeit der kollektivvertragsrechtlichen Normen

Wie im Sachverhalt oben dargelegt, hat UBER keinen Sitz in Österreich. Infolge des hier vertretenen Vorliegens eines Dienstverhältnisses mit den FahrerInnen kommt daher § 7 AVRAG zur Anwendung. Beschäftigt ein Arbeitgeber ohne Sitz in Österreich ArbeitnehmerInnen mit gewöhnlichem Arbeitsort in Österreich, dann haben diese demnach Anspruch auf jenes Entgelt, welches vergleichbaren ArbeitnehmerInnen gebührt. Dieser Regel zufolge kommen jedenfalls aufgrund der taxigleichen Tätigkeit von UBER und seinen FahrerInnen jedenfalls die Entgeltbestimmungen des Kollektivvertrags betreffend das Taxigewerbe zur Anwendung. Geht man davon aus, dass aufgrund des hypothetischen Sachverhalts sich auch die Zurechnung der gewerberechtlichen Tätigkeit ändert, dann untersteht das Dienstverhältnis jedenfalls den Bestimmungen des Kollektivvertrages für das Taxigewerbe. Eine Missachtung der gewerberechtlichen Bestimmung kann dann an der Subsumtion des Beschäftigungsverhältnisses unter den Geltungsbereich des Kollektivvertrags nichts ändern.

Im Zuge der Überprüfung der Einhaltung der kollektivvertraglichen Entgeltbedingungen wird jedoch zu klären sein, welche Teile des Transportentgelts unter den arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff fallen und welche Teile als Aufwandsersatz für die Zurverfügungstellung des Kraftfahrzeuges gewidmet anzusehen sind. Diese Frage kann nur im Anlassfall im Wege der Vertragsauslegung von den Gerichten entschieden werden.

9.6.4. Sozialversicherungspflicht der FahrerInnen

a. Anwendungsbereich der nationalen Regelungen, Anmeldepflicht

Infolge des Umstands, dass UBER seinen Unternehmenssitz in Amsterdam hat, muss auch hier geprüft werden, welches nationale Recht zur Anwendung kommt. Die VO 883/04/EG zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit regelt (idF kurz KoordinierungsVO), wonach sich bestimmt, welche nationale Rechtsordnung zur Anwendung kommt.

Nach Art 11 Abs 3 KoordinierungsVO unterliegt eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats. Da die UBER-FahrerInnen entsprechend der hypothetischen Grundannahme ihre Tätigkeiten in Österreich ausüben, fällt das Beschäftigungsverhältnis in den Geltungsbereich des ASVG.

Gemäß § 33 Abs 1a ASVG[114]In Kraft mit 01.01.2017 aufgrund von § 689 Meldepflichtänderungsgesetz, BGBl I 2015/79. hat UBER daher vor Aufnahme der Beschäftigung dem zuständigen Sozialversicherungsträger die Eckdaten (Name, Versicherungsnummer, Geburtsdatum, Tag der Beschäftigungsaufnahme sowie ob Teil- oder Vollversicherung vorliegt) zu melden. Die restlichen Daten sind gem § 34 Abs 2 ASVG[115]In Kraft mit 01.01.2017 aufgrund von § 689 Meldepflichtänderungsgesetz, BGBl I 2015/79. im Zuge der jeweiligen monatlichen Beitragsgrundlagenmeldung (15. des Folgemonats der Beschäftigung) zu melden.

Unterschreitet das ausbezahlte Entgelt die monatliche Beitragsgrenze der geringfügigen Beschäftigung gemäß § 5 Abs 2 ASVG[116]In Kraft mit 01.01.2017 aufgrund von § 689 Meldepflichtänderungsgesetz, BGBl I 2015/79. dann besteht lediglich eine Unfallversicherungspflicht des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin und damit die Pflicht zur Entrichtung einer Abgabe, die zur Gänze von diesem/dieser zu tragen ist. Wird die Grenze überschritten, so unterliegt das Beschäftigungsverhältnis der Vollversicherung im Sinne einer Unfall-, Kranken-, Pensions- und Arbeitslosenversicherungspflicht. Genaueres zum Sozialversicherungsrecht siehe Beitrag „Sozialversicherung in der Gig-Economy“.

b. Fehlende zeitliche Ausrichtung des Beschäftigungsverhältnisses, Intransparenz der Entgeltregelung

Wie aus den dargestellten gesetzlichen Regelung ersichtlich, bestehen bei der Beurteilung der Reichweite des Sozialversicherungsschutzes und bei der Bestimmung der Sozialversicherungsbeiträge erhebliche Bewertungsprobleme. Zunächst steht infolge der „Freiwilligkeit“ der Annahme jedes einzelnen von UBER vermittelten Fahrtauftrags durch die FahrerInnen vorweg nicht fest, ob das Beschäftigungsverhältnis im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung bleibtm oder diese überschreitet, wodurch eine Vollversicherungspflicht entsteht.

Zusätzlich besteht infolge der Intransparenz der Pauschalabgeltung durch UBER das Problem, festzustellen, welche Teile des Transportentgelts der Dienstleistung gewidmet sind und daher unter den sozialversicherungsrechtlichen Entgeltbegriff gemäß § 49 ASVG fallen – und welche Entgeltbestandteile eine Aufwandsentschädigung für die Zurverfügungstellung des Fahrzeugs darstellen.

Eine Klärung dieser komplexen Abgrenzungsfragen wird im jeweiligen Anlassfall nur retrospektiv durch die Verwaltungsgerichte erfolgen können.

9.6.5. Kündigungsrecht der FahrerInnen betreffend Personalbewertungs- und Kontrollsystemsysteme von UBER

Die FahrerInnen stimmen im Rahmen Ihrer Zulassung als UBER-FahrerInnen dem Zugriff und der Verwertung ihrer persönlichen Daten im Rahmen der umfangreichen Kontroll- und Bewertungssysteme durch UBER regelmäßig zu. Zur Frage inwieweit dieses System die Menschenwürde verletzt und daher generell unzulässig ist oder die Menschenwürde lediglich berührt, siehe Beitrag „Datenschutz in der Gig-Economy“.

Selbst wenn diese die Menschenwürde lediglich berühren, haben die UBER-FahrerInnen gemäß § 10 AVRAG die Möglichkeit, ihre Zustimmung jederzeit und ohne Einhaltung einer Frist schriftlich zu kündigen. Diese Bestimmung stellt eine Umsetzung der europäischen Bildschirmarbeitsrichtlinie 90/270/EWG dar.[117]Reissner in ZellKomm2 (2011) § 10 AVRAG Rz 1. Diese soll gewährleisten, dass die Einführung der obgenannten Maßnahmen ohne Zustimmung der betroffenen ArbeitnehmerInnen unzulässig ist.

Während die BildschirmarbeitsRL 90/270/EWG selbst aber FahrerInnen ausnimmt, gilt § 10 AVRAG ohne Einschränkungen für all jene ArbeitnehmerInnen, in deren Betrieben kein Betriebsrat eingerichtet ist. Zusätzlich statuiert § 10 AVRAG ein Rücktrittsrecht für jeden/jede einzelnen/einzelne ArbeitnehmerIn. Nehmen die UBER-FahrerInnen dieses Kündigungsrecht wahr, könnte UBER unter Umständen sogar gerichtlich dazu angehalten werden, die Registrierung, Speicherung, Verarbeitung und Weitergabe der persönlichen Daten zukünftig zu unterlassen.

Würde UBER diese Kündigung zum Anlass nehmen, die Zusammenarbeit mit den jeweilig betroffenen FahrerInnen einzustellen, könnte diese Maßnahme gemäß § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG angefochten werden. [118]Siehe Wolligger in ZellKomm2 (2011) § 105 ArbVG Rz 126.

Aus diesem Grund wäre die Kündigung UBERs (Einstellung der Zusammenarbeit – Sperre vom Zugang zum UBER-System) als verpönte Motivkündigung zu betrachten und daher gerichtlich anfechtbar. Zur Frage der Betriebsorganisation und der betrieblichen Mitbestimmung allgemein siehe Beitrag „Betriebsrat und Mitbestimmung in der Plattform-Ökonomie“.

9.6.6. Verantwortlichkeit von UBER für die Einhaltung des AZG

Eine weitere wesentliche Konsequenz der Einordnung der FahrerInnen als ArbeitnehmerInnen für UBER bestünde darin, dass UBER für die Einhaltung der Ruhepausen gemäß § 15 AZG sowie für die Beachtung der Höchstgrenzen der Arbeitszeiten gemäß § 14a AZG und der Einsatzzeiten gemäß §16 AZG verantwortlich wäre.

9.6.7. Entgeltfortzahlung und Urlaub

Der Umstand des Bestehens eines Dienstverhältnisses würde UBER, wie jeden/jede ArbeitgeberIn dazu verpflichten, auch für Zeiträume, in denen die UBER-FahrerInnen an der Leistung ihrer Dienste verhindert sind, oder für Zeiten des Urlaubs das gemäß den gesetzlichen Bestimmungen gebührende Entgelt gemäß § 1155 ABGB, § 2 EFZG bzw § 6 UrlG fortzuzahlen. Geht man davon aus, dass sich die Beschäftigung der UBER-FahrerInnen im Rahmen von wiederholt befristeten Dienstverhältnissen vollzieht, ergeben sich für diese Entgeltfortzahlungsansprüche mangels (fortdauerndem) Bestand eines Dienstverhältnisses im Entstehungszeitpunkt des Anspruchs keinerlei Ansatzpunkte. Dieser Umstand offenbart damit aber auch das große Regelungsdefizit in der derzeitigen Rechtslage.

9.6.8. Zuständigkeit der Gerichte, Schiedsgerichtsbarkeit

Auch was die Zuständigkeit der Gerichte betrifft, muss infolge des grenzüberschreitenden Charakters des Dienstverhältnisses zunächst anhand der europarechtlichen Kollisionsnormen geprüft werden, in welchem Mitgliedsstaat der/die betroffene FahrerIn seine/ihre Klage einzubringen hat. Wie bereits angeführt, regelt die Abgrenzung der internationalen Zuständigkeit die EUGVVO (Brüssel 1a-VO). Für die Klagen gegen ArbeitgeberInnen enthält Art 21 eine ausschließliche Regelung.[119]Fuchs/Marhold, Europäisches Arbeits- und Sozialrecht4 (2014) 517. Neben dem Staat seines (Wohn-)Sitzes können ArbeitgeberInnen gemäß Art 21 Abs 1 lit b EuGVVO unter anderem auch vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem die ArbeitnehmerInnen gewöhnlich ihre Arbeit verrichten. Siehe dazu ausführlich Beitrag „Crowdwork mit Auslandsbezug“.

Dies bedeutet im Ergebnis, dass der Umstand, dass UBER zur Zeit lediglich einen Unternehmenssitz in Amsterdam hat, österreichische UBER-FahrerInnen nicht daran hindern würde, Klagen auf allfällig nicht erfüllte Ansprüche aus ihren Dienstverhältnissen bei den österreichischen Arbeits- und Sozialgerichten einzubringen.

10. UBER weltweit und die daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen

10.1. Weltweite Konflikte

Einen ersten Sieg haben UBER-FahrerInnen bereits in Großbritannien errungen, wo sie vor einem Employment Tribunal am 28. Oktober 2016 in der Rs Aslam ua vs UBER B.V.[120]Employment Tribunal 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, https://www.judiciary.gov.uk/wp-content/uploads/2016/10/aslam-and-farrar-v-UBER-reasons-20161028.pdf (07.12.2016). ihre Anerkennung als workers festgestellt bekamen und ihnen so ein Anspruch auf Mindestlohn und Urlaub zusteht.[121]https://www.ft.com/…/a0bb02b2-9d0a-11e6-a6e4-8b8e77dd083a (29.12.2016). Diese Gerichtsentscheidung wird massive Auswirkungen auf die Rechtsstellung der UBER-FahrerInnen in Großbritannien haben.

Bereits im April 2016 hatte in Kalifornien ein Gericht UBER zu 100 Millionen US-Dollar Ausgleichszahlungen an die beschäftigten UBER-FahrerInnen verurteilt.[122]http://www.zdnet.de/88267187/uber-entschaedigt-klagende-fahrer-mit-bis-zu-100-millionen-dollar/ (aberufen am 29.12.2016). In den USA waren allein 2015 über 50 Klagen bei Bundesgerichten anhängig, derzeit sind es etwa 70 Klagen.[123]Schöchli, Uber bangt um sein Erfolgsmodell, NZZ vom 31.08.2016, http://www.nzz.ch/wirtschaft/unternehmen/plattform-wirtschaft-uber-bangt-um-sein-erfolgsmodell-ld.113662 (29.12.2016).

Auch in Europa war der Markteintritt von UBER in mehreren Staaten konfliktreich.[124]Schöchli, Uber bangt um sein Erfolgsmodell, NZZ vom 31.08.2016, 9. In Frankreich wurden 2016 UBERPop-Manager von einem Gericht wegen illegaler Transportdienstleistungen zu Strafzahlung von 800.000 Euro verurteilt.[125]FAZ vom 09.06.2016, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/macht-im-internet/800-000-euro-uber-muss-in-frankreich-strafe-zahlen-14278176.html (03.01.2017). Auch in Deutschland, Spanien, Belgien und Ungarn wurden UBER-Dienste zum Teil gesperrt. Begründet wurde dies mit Verstoß gegen das Personenbeförderungsgesetz[126]Seibt, Uber verliert vor Gericht – und nun?, Spiegel Online vom 06.06.2016, http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/fahrdienst-uber-uberpop-bleibt-in-deutschland-verboten-a-1096768.html (03.01.2017). bzw mit unlauterem Wettbewerb[127]Gericht verbietet Uber in ganz Spanien, Spiegel Online vom 09.12.214 mit Verweis auf die Quelle, Bos/dpa/AP, http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/uber-gericht-verbietet-fahrdienstvermittler-in-ganz-spanien-a-1007527.html (03.01.2017); Uber darf in Italien keine Taxis mehr betreiben, Tagesanzeiger vom 26.05.2015, http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/Uber-darf-in-Italien-keine-Taxis-mehr-betreiben/story/23147781 (03.01.2017).. Im Juli 2016 erklärte ein Gericht in Dänemark UBER-Fahrtdienste ohne Lizenzen für illegal.[128]Urban, „Uber in Dänemark vor Gericht“,Taxitimes vom 22.11.2016, http://www.taxi-times.com/uber-in-daenemark-vor-gericht/ (03.01.2016).

Diese Beispiele veranschaulichen, dass das Geschäftsmodell von UBER zum Teil auf sehr erbitterten Widerstand stößt, wobei zwei Wege des Umgangs mit diesem gewählt werden: Einerseits wird der rechtliche Status der FahrerInnen als Selbständige bestritten, andererseits wird mit gewerberechtlichen Argumenten der Betrieb des Fahrdienstes in bestimmten Formen überhaupt verboten.

10.2. Analyse

Das Unternehmenskonzept UBER veranschaulicht, wie weit die internetbasierte Digitalisierung sämtlicher Steuerungsprozesse eine grenzüberschreitende Arbeitsorganisation ermöglicht. Ihr Verhältnis zu nationalen, gesetzlichen Regelungen und Institutionen zeigt, dass das Geschäftsmodell nicht auf eine schrittweise Veränderung, sondern auf disruptive Innovation des Marktes ausgerichtet ist.[129]Staab, Falsche Versprechen – Wachstum im digitalen Kapitalismus (2016) 32. Bestehende, entgegenstehende nationale Marktstrukturen und Institutionen sollen nicht verändert, sondern verdrängt werden. Dabei profitiert das grenzüberschreitende Unternehmenskonzept vom gegenwärtigen Verharren der politischen Institutionen und AkteurInnen in nationalen Strukturen.

Das Unternehmenskonzept als eine auf die Digitalisierung bauende Organisation von Arbeit ist jedoch universell ausgerichtet und es wird darauf abgezielt, dieses in möglichst vielen Staaten zu etablieren. Das Unternehmens- und Organisationskonzept konstruiert ein in sich geschlossenes Verarbeitungs- und Produktionssystem, dass eine solitäre, zentrale Überwachung sämtlicher relevanten Verarbeitungsabläufe von der Anmeldung in der APP über die Bestellung, FahrerInnenauswahl, Transportfahrt bis hin zur Abrechnung des Fahrtpreises durch UBER ermöglicht. Ohne die einzelnen Komponenten in die Unternehmensorganisation einzubinden, hat UBER damit eine möglichst weitgehende Kontrolle über alle Schritte der Organisation von Transportdienstleistungen.

UBER profitiert in seinem Wachstumsprozess von niedrigen Grenzkosten seines Produkts, nämlich der neuartigen, plattformbasierten Organisation von Transportdienstleistungen, die auf eine Vielzahl von vermeintlich selbständigen LeistungserbringerInnen aufbaut, die straff organisiert und in ihrer Leistungserbringung auch stark kontrolliert werden. Ab dem Zeitpunkt, in welchem die Entwicklungskosten des Geschäftsmodells refinanziert sind, kann UBER zu relativ niedrigen, weiteren Investitionskosten ein Vielfaches von potentiellen KundInnen und Arbeitskräften[130]Laut OECD, New Forms of Employment in the Digital Economy 16, arbeiten in den USA 160.000 FahrerInnen, in Großbritannien 25.000 FahrerInnen und in Frankreich 14.000 FahrerInnen für UBER. bündeln. Diese niedrigen Grenzkosten lassen eine Ausrichtung auf expansives Wachstum vermuten, um weitere Märkte zu erschließen, dies zu möglichst kompetitiven Preisen auf Kosten der traditionellen KonkurrentInnen und der eingesetzten FahrerInnen.

Sollten keine Gegenstrategien entwickelt werden, ist mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eine Marktdominanz von UBER in dem Wirtschaftsbereich erwartbar, der bislang vom traditionellen Taxigewerbe bedient wurde. Durch die grenzüberschreitende zentralisierte Steuerung von UBER würden weite Teile des bislang durch regionale politische Institutionen regulierten – und dadurch gesteuerten – teilöffentlichen Verkehrsinfrastrukturwesens vom Funktionieren labiler, transnationaler Netzwerke abhängig.

Was die ArbeitnehmerInneninteressen betrifft, ermöglicht es die internetbasierte, digitale Arbeitsorganisation einem Unternehmen zum ersten Mal in der geschichtlichen Entwicklung, Arbeitskräfte durch lückenlose Kontrolle in einem bis dato noch nicht dagewesenen Ausmaß zu bündeln, ohne ihnen dadurch gleichzeitig Räume zur Emanzipation bzw Organisation ihrer Eigeninteressen (wie bislang im Betrieb in Form einer Fabrik, eines Geschäftes oder eines Büros) zu eröffnen, vielmehr wird der Wettbewerb unter den Beschäftigten angestachelt, um eine Verschränkung ihrer gemeinsamen Interessen zu torpedieren.

Auf diesem Weg kann UBER weltweit mehrere 10.000 FahrerInnen[131]Vgl OECD, New Forms of Employment in the Digital Economy 16. an sich binden, die dafür notwendigen Kommunikationskanäle aber so steuern, dass diese nicht von den zahlenmäßig in der Übermacht befindlichen Arbeitskräften gleichzeitig zur wechselseitigen Interaktion und zur Stärkung ihrer Verhandlungsposition genutzt werden können.

10.3. Notwendige Strukturmaßnahmen

Für transnationale Unternehmenskonzepte müssen transnationale Regelungssysteme entwickelt werden, um eine Destabilisierung des Marktes und seiner TeilnehmerInnen sowie der nationalen politischen Institutionen und ihrer BürgerInnen zu verhindern. Die marktwirtschaftlichen Erscheinungsformen der digitalen Unternehmensplattformen müssen einer kritischen Analyse unterzogen werden in Hinblick auf die sich dadurch ergebenden ökonomischen und sozialen Risken für ArbeitnehmerInnen, KonsumentInnen, BürgerInnen, aber auch MitbewerberInnen am Markt.

Dazu müssen die wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen, die Unternehmenskonzepte befördern, kritisch hinterfragt, die tatsächlichen ökomischen Verteilungsprozesse sichtbar gemacht und rechtlich beurteilt werden. Auf die sich dabei eröffnenden rechtlichen Regelungsdefizite beim ArbeitnehmerInnenbegriff, bei den sozialen Sicherungssystemen der Krankheits-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung, bei der Modernisierung des Gewerbe- und Wettbewerbsrechts, bei der staatenübergreifenden Einbringlichmachung von ArbeitnehmerInnen-Ansprüchen müssen auch auf internationaler Ebene legistische Antworten formuliert und zwischen den staatlichen Gemeinschaften koordiniert werden.

Um die durch die digitale Organisation bewirkte Isolation und Vereinzelung der MitarbeiterInnen von Internetplattformen zu durchbrechen, bedarf es einer durch die öffentliche Hand geförderten Einrichtung betriebsextern organisierter, plattformbasierter Formen der betrieblichen Mitbestimmung für die beschäftigten ArbeitnehmerInnen.

Die hier nur im Ansatz skizzierten Maßnahmen bedürfen einer noch weitergehenden Schärfung, umfassenderen Beurteilung und Ergänzung um einer fortschreitenden weltweiten Segmentierung der Arbeitsmärkte und einer zunehmenden Prekarisierung der Gruppe der unselbständigen Erwerbstätigen entgegenzuwirken. Der Verlust geordneter Marktstrukturen als Basis für nachhaltige Erwerbsbedingungen für diese Gruppen, die in ihrer Gesamtheit die staatlichen Gemeinwesen finanzieren und tragen, wird nicht ohne Konsequenzen für deren zukünftigen Fortbestand bleiben. Es müssen nachhaltige Ordnungskonzepte erst noch entwickelt werden, aber sie müssen bald gefunden werden. Die Zeit drängt.

[1] Justice Chen in US District Court for the Northern Circuit of California 11.03.2015, C-13-3826 EMC – Douglas O’Connor et al vs UBER Technologies Inc et al – http://www.rstreet.org/wp-content/uploads/2015/03/UBER-summary-judgment.pdf (06.12.2016).

[2] Thorsten Schröder, Die UBER-Flieger, in Zeit Online vom 12.02.2014 (27.12.2016).

[3] Deutscher Taxi-u. Mietwagenverband E.V., Schwarzbuch UBER, http://www.bzp.org/Content/MELDUNGEN/2014/_doc/Schwarzbuch_UBER30042015.pdf (27.12.2016).

[4] OECD, New Form of Work in the Digital Economy (2016) 7; verfügbar unter http://www.oecd-ilibrary.org/fr/science-and-technology/new-forms-of-work-in-the-digital-economy_5jlwnklt820x-en;jsessionid=25vou7x25df46.x-oecd-live-03 (06.12.2016).

[5] www.UBER.com/cities/ (06.12.2016).

[6] http://www.rewindandcapture.com/why-is-it-called-UBER/ (07.12.2016).

[7] Simon Schumich, Sharing Economy – Die Ökonomie des Teilens aus Sicht der ArbeitnehmerInnen (2016), 27.

[8] www.UBER.com/ride/ (04.08.2016); die Information wurde mittlerweile gelöscht.

[9] https://de.wikipedia.org/wiki/UBER_(Unternehmen) (27.12.2016).

[10] Laufer, Fahrradboten: Essenszustellung unter prekären Verhältnissen, Der Standard vom 03.01.2017, http://derstandard.at/2000050035297/Fahrradboten-Essenszustellung-unter-prekaeren-Verhaeltnissen (23.01.2017).

[11] Rechnung von UBER B.V., ausgestellt am 28.06.2016.

[12] Hinweis zu den Sachverhaltsquellen: Die Angaben zum Sachverhalt resultieren in weiten Teilen auf den Richtlinien, die UBER weltweit für seine FahrerInnen aufgestellt und auf seiner Homepage veröffentlicht hat. Es handelt sich dabei insbesondere um mehrere Versionen der „Driver Deactivation Policy“, aber auch um Datenschutzerklärungen für verschiedene Beteiligte und andere Informationstexte. Aus den umfangreichen Regeln lassen sich konkrete Rückschlüsse auf die interne Organisationsabwicklung der Dienstleistung und auf das Vertragsverhältnis zu den FahrerInnen ableiten. Mittlerweile hat UBER aber seine Hompage so umorganisiert, dass auf die zuvor genannten Informationen von außen stehenden Personen nun nicht mehr zugegriffen werden kann. Zwar konnten im Zuge der Recherche die Inhalte der maßgeblichen Quellen zum Zeitpunkt der Abfrage gesichert werden, allfällige Änderungen bzw Aktualisierungen können aber mangels Zugang nicht mehr berücksichtigt werden. Inwieweit diese Maßnahme mit der für UBER abschlägigen Entscheidung des englischen Employment Tribunal in der Rs Aslam ua vs UBER B.V. ua in Zusammenhang steht, kann nicht beurteilt werden.

[13] https://get.uber.com/sign-up/ (27.12.2016).

[14] www.UBER.com/legal/terms/at/ (27.12.2016).

[15] https://www.uber.com/de-AT/ride/how-uber-works/ (27.12.2016).

[16] https://www.uber.com/de-AT/ride/how-uber-works/ (27.12.2016)

[17] Persönliche Erfahrung des Verfassers bei einer Fahrt am 05.07.2016.

[18] Persönliche Erfahrung des Verfassers bei einer Fahrt am 05.07.2016.

[19] https://www.uber.com/de-AT/drive/partner-app/ (27.12.2016).

[20] https://www.uber.com/de-AT/drive/partner-app/ (27.12.2016).

[21] https://www.uber.com/de-AT/drive/partner-app/ (27.12.2016).

[22] https://www.UBER.com/legal/deactivation-policy/us/ (11.08.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar. Employment Tribunal, 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, Rz 55.

[23] https://www.UBER.com/legal/privacy/driversnon-us/de/ (05.07.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar. Employment Tribunal, 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, Rz 40 ff.

[24] https://www.UBER.com/legal/privacy/driversnon-us/de/ (05.07.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar.

[25] https://www.UBER.com/legal/privacy/driversnon-us/de/ (05.07.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar.

[26] https://www.UBER.com/legal/privacy/driversnon-us/de/ (05.07.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar.

[27] https://www.UBER.com/legal/deactivation-policy/us/ (11.08.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar.

[28] https://www.UBER.com/legal/deactivation-policy/us/ (11.08.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar. Employment Tribunal 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, Rz 37 und 55.

[29] Employment Tribunal 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, Rz 67.

[30] https://www.UBER.com/legal/deactivation-policy/us/ (11.08.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar.

[31] https://www.UBER.com/legal/deactivation-policy/us/ (11.08.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar. Employment Tribunal 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, Rz 51 f.

[32] https://www.UBER.com/legal/deactivation-policy/us/ (11.08.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar.

[33] Strube, „Unused value is wasted value“ – Von der Sharing Economy zur Gig Economy, in Stary, Digitalisierung der Arbeit (2016) 52 (56).

[34] Strube, in Stary, Digitalisierung der Arbeit (2016) 57.

[35] Strube, in Stary, Digitalisierung der Arbeit (2016) 57.

[36] Strube, in Stary, Digitalisierung der Arbeit (2016) 57.

[37] https://www.UBER.com/drive/partner-app/ (04.08.2016); die Information wurde mittlerweile gelöscht.

[38] https://www.UBER.com/de/driving-perks/ (12.08.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar.

[39] https://www.UBER.com/de/driving-perks/ (12.08.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar.

[40] https://get.UBER.com/cl/financing/ (16.08.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar.

[41] https://www.uber.com/legal/term/at (29.12.2016).

[42] https://www.uber.com/legal/terms/at (27.12.2016).

[43]AGB, 2. Dienstleistungen, https://www.UBER.com/legal/terms/at/ (27.12.2016).

[44]AGB, 2. Dienstleistungen, https://www.UBER.com/legal/terms/at/ (27.12.2016).

[45] Eine Ausnahme besteht bei der Ausfolgung des Rechnungsbelegs, siehe Abwicklung aus KundInnensicht, Fußnote 16.

[46] Zum Grundsatz des wahren wirtschaftlichen Gehalts siehe Kozak, LSD-BG (2016) § 2 RZ 1 ff.

[47] Berger, Uber: „Wollen das Taxi-Monopol brechen“, Kurier vom 04.04.2014, https://kurier.at/chronik/wien/uber-wollen-das-taxi-monopol-brechen/83.633.299/ (11.07.2016).

[48] Gemäß dem Impressum ist dies UBER B.V., eine in den Niederlanden gegründete und im Handelsregister Amsterdam unter der Nummer 56317441 eingetragene, private Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Vijzelstraat 68, 1017 HL, Amsterdam, Niederlande; vgl https://www.UBER.com/de-AT/legal/terms/at/ (07.12.2016).

[49] Bundesgesetz über die nichtlinienmäßige gewerbsmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 – GelverkG), BGBl 112/1996 idF BGBl I 63/2014.

[50] AA Mahr/Dechant, Taxischeck Online-Fahrdienstvermittler, ÖJZ 2016, 398 ff.

[51] https://www.UBER.com/de-AT/cities/ (07.12.2016).

[52] VwGH 26.03.1993, Ra 92/03/0113.

[53] VwGH 15.12.1993, Ra 93/03/0032; 26.04.1995, Ra 94/03/0289; 21.10.2014 Ra 2014/03/0003.

[54] Brauneis, Fahrdienstvermittler von Mietwagen – noch ist nicht alles gesagt, ÖJZ 2016, 750.

[55] Petropoulos, UBER and the economic impact of sharing economy platforms, Bruegel Blog vom 22.02.2016 http://bruegel.org/2016/02/UBER-and-the-economic-impact-of-sharing-economy-platforms/ (08.12.2016).

[56] AA Mahr/Dechant, Taxischreck Online-Fahrdienstvermittler, ÖJZ 2016, 398 ff.

[57] Employment Tribunal 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, Rz 18.

[58] Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr über den Zugang zum mit Kraftfahrzeugen betriebenen Personenbeförderungsgewerbe (Berufszugangsverordnung Kraftfahrlinien- und Gelegenheitsverkehr – BZP-VO), BGBl 889/1994 idF BGBl II 459/2010.

[59] Dies ist für Wien das jeweils am Standort der gewerbetreibenden Person zuständige Magistratische Bezirksamt.

[60] § 24 Wiener Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen-Betriebsordnung; § 10 Abs 4 GelverkG.

[61] § 5 Abs 1 GelverkG.

[62] § 2 ff Betriebsordnung für den nicht linienmäßigen Personenverkehr – BO 1994, BGBl Nr 951/1993 idF BGBl II Nr 165/1993.

[63] VO des Landeshauptmannes von Wien in Kraft seit 01.12.2012, ABl 2012/42.

[64] VO des Landeshauptmannes von Wien LGBl 36/2000 idF LGBl 14/2007 und LGBl 36/2011.

[65] BGBl 152/1950 idF BGBl I 148/2015.

[66] AA Mahr/Dechant, ÖJZ 9/2016, 398 ff.

[67] OGH 15.09.2005, 4 Ob 113/05d.

[68] Siehe dazu ausführlich Brauneis, ÖJZ 2016, 752.

[69] Näheres dazu Wiebe, Wettbewerbs- u Immaterialgüterrecht (2016)3 321 f .

[70] Zum Begriff des Störers allgemein Brauneis ÖJZ 2016, 752 mit Verweis auf OGH 13.09.1999, 4 Ob 155/99v.

[71] Siehe auch OGH 4 Ob 68/13y, ÖBl 2014, 7.

[72] Näheres dazu Wiebe, Wettbewerbs- u Immaterialgüterrecht (2016)3 321 f .

[73] Bundesgesetz über Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge (Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz – FAGG), BGBl I 33/2014 idF BGBl I 83/2015.

[74] OGH 12.05.1982, 3 Ob 525/82.

[75] Krejci in Rummel, ABGB4 (2000–2016) § 1166 Rz 55.

[76] Krejci in Rummel, ABGB4 (2000–2016) § 31b KSchG Rz 7.

[77] Siehe Strube, in Stary, Digitalisierung der Arbeit (2016) 52.

[78] Thüsing, Europäisches Arbeitsrecht2 (2011) Rz 12; Schiek, Europäisches Arbeitsrecht3 (2007) 215.

[79] Siehe zB Art 2 Abs 2 Entsende-Richtlinie 1996/71/EG.

[80] Junker, Einflüsse des europäischen Rechts auf die personelle Reichweite des Arbeitnehmerschutzes – der Arbeitnehmerbegriff des europäischen Gerichtshofs, EuZA 2016, 186.

[81] EuGH 10.09.2015, C-47/14, ECLI:EU:C:2015:574.

[82] Siehe EuGH Spies von Büllesheim, Rz 39.

[83] Siehe EuGH Spies von Büllesheim, Rz 40.

[84] Siehe EuGH Spies von Büllesheim, Rz 41.

[85] Ähnlich Prassl/Risak, UBER, Taskrabbit & Co: Platforms as Employers? Rethinking the Legal Analysis of Crowdwork, Comparative Labour Law & Policy Journal 2016, 618 (634).

[86] EuGH 14.12.1989, C-3/87, Agegate, Slg 1989, 4459, Rz 36.

[87] Employment Tribunal, 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, https://www.judiciary.gov.uk/wp-content/uploads/2016/10/aslam-and-farrar-v-UBER-reasons-20161028.pdf (07.12.2016).

[88] Schiek, Europäisches Arbeitsrecht3 (2007) 217.

[89] EuGH 26.02.1992, C-357/89, Raulin, Slg 1992 I-01027.

[90] Ähnlich Risak, What’s Law got to do with it – (Arbeits-)Rechtliche Aspekte plattformbasierten Arbeitens, kurswechsel 2016/2, 32 (33).

[91] Radner in Mazal/Risak, Das Arbeitsrecht – System und Praxiskommentar (24. Lfg 2014) Kap I Rz 2.

[92] https://www.UBER.com/legal/deactivation-policy/us/ (11.08.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar.

[93] https://www.UBER.com/legal/deactivation-policy/us/ (11.08.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar.

[94] Employment Tribunal, 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, Rz 100.

[95] Zur Illustration wird in der Entscheidung (Rz 100) eine Zeile aus dem Gedicht von John Milton, On his blindness zitiert: „They also serve who only stand and wait.“ („Es dienen die, die nur da stehen und warten“; Übersetzung des Verfassers).

[96] Krejci in Rummel, ABGB4 (2000–2016)§ 1151 Rz 37 ff; Rebhahn in ZellKomm2 (2011) § 1151 Rz 80 ff, jeweils mit zahlreichen Nachweisen.

[97] So zB zuletzt OGH 9 ObA 40/16x, ecolex 2016/400.

[98] Siehe im Abschnitt „Die Zulassung als UBER-FahrerIn“.

[99] Employment Tribunal 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, Rz 44.

[100] So auch Employment Tribunal, 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, Rz 92.

[101] Siehe im Abschnitt „Die Zulassung als UBER-FahrerIn“.

[102] Krejci in Rummel, ABGB4 (2000–2016) § 1151 Rz 57.

[103] So auch Prassl/Risak, CLLPJ 2016, 18 ff.

[104] https://www.UBER.com/legal/privacy/driversnon-us/de/ (05.07.2016); der Link ist mittlerweile nicht mehr verfügbar.

[105] Risak, Crowdwork – Erste rechtliche Annäherungen an eine „neue“ Arbeitsform, ZAS 2015/3, 11 ff.

[106] Employment Tribunal 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, Rz 121 ff.

[107] OGH 8 Ob A 321/01s, Arb 12.266.

[108] OGH 8 ObA 90/05a, ARD 5707/3/2006; 9ObA 74/07h, ASoK 2007, 404.

[109] So auch Employment Tribunal, 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, Rz 100.

[110] Diese ist übrigens auch auf arbeitnehmerInnenähnliche Personen anzuwenden, sodass sogar im Falle einer Ablehnung der Qualifikation von EPU-FahrerInnen als ArbeitnehmerInnen den betroffenen Beförderern/Beförderinnen dessen Schutz zusteht.

[111] Strasser in Rummel, ABGB3 (2000–2016) §§ 1014, 1015 Rz 10; Kerschner, Komm zu OGH 4 Ob 180/85, ZAS 1987, 86 = Jabornegg, DRdA 1988/6.

[112] Heilegger in Heilegger/Klein, AZG4 (2016) §§ 13–17c Rz 69.

[113] Heilegger in Heilegger/Klein, AZG4 §§ 13–17c Rz 9.

[114] In Kraft mit 01.01.2017 aufgrund von § 689 Meldepflichtänderungsgesetz, BGBl I 2015/79.

[115] In Kraft mit 01.01.2017 aufgrund von § 689 Meldepflichtänderungsgesetz, BGBl I 2015/79.

[116] In Kraft mit 01.01.2017 aufgrund von § 689 Meldepflichtänderungsgesetz, BGBl I 2015/79.

[117] Reissner in ZellKomm2 (2011) § 10 AVRAG Rz 1.

[118] Siehe Wolligger in ZellKomm2 (2011) § 105 ArbVG Rz 126.

[119] Fuchs/Marhold, Europäisches Arbeits- und Sozialrecht4 (2014) 517.

[120] Employment Tribunal 28.10.2016, 2202550/2015, Aslam ua vs UBER B.V. ua, https://www.judiciary.gov.uk/wp-content/uploads/2016/10/aslam-and-farrar-v-UBER-reasons-20161028.pdf (07.12.2016).

[121] https://www.ft.com/…/a0bb02b2-9d0a-11e6-a6e4-8b8e77dd083a (29.12.2016).

[122] http://www.zdnet.de/88267187/uber-entschaedigt-klagende-fahrer-mit-bis-zu-100-millionen-dollar/ (aberufen am 29.12.2016).

[123]Schöchli, Uber bangt um sein Erfolgsmodell, NZZ vom 31.08.2016, http://www.nzz.ch/wirtschaft/unternehmen/plattform-wirtschaft-uber-bangt-um-sein-erfolgsmodell-ld.113662 (29.12.2016).

[124] Schöchli, Uber bangt um sein Erfolgsmodell, NZZ vom 31.08.2016, 9.

[125] FAZ vom 09.06.2016, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/macht-im-internet/800-000-euro-uber-muss-in-frankreich-strafe-zahlen-14278176.html (03.01.2017).

[126] Seibt, Uber verliert vor Gericht – und nun?, Spiegel Online vom 06.06.2016, http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/fahrdienst-uber-uberpop-bleibt-in-deutschland-verboten-a-1096768.html (03.01.2017).

[127] Gericht verbietet Uber in ganz Spanien, Spiegel Online vom 09.12.214 mit Verweis auf die Quelle, Bos/dpa/AP, http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/uber-gericht-verbietet-fahrdienstvermittler-in-ganz-spanien-a-1007527.html (03.01.2017); Uber darf in Italien keine Taxis mehr betreiben, Tagesanzeiger vom 26.05.2015, http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/Uber-darf-in-Italien-keine-Taxis-mehr-betreiben/story/23147781 (03.01.2017).

[128] Urban, „Uber in Dänemark vor Gericht“,Taxitimes vom 22.11.2016, http://www.taxi-times.com/uber-in-daenemark-vor-gericht/ (03.01.2016).

[129] Staab, Falsche Versprechen – Wachstum im digitalen Kapitalismus (2016) 32.

[130] Laut OECD, New Forms of Employment in the Digital Economy 16, arbeiten in den USA 160.000 FahrerInnen, in Großbritannien 25.000 FahrerInnen und in Frankreich 14.000 FahrerInnen für UBER.

[131] Vgl OECD, New Forms of Employment in the Digital Economy 16.

Kapitel 4 – Virtuelles Crowdwork: Clickworker

Inhaltsverzeichnis

Arbeitsrechtliche Qualifikation der Arbeit auf clickworker.de

Dr.in Doris Lutz

Virtuelles Crowdwork – die Arbeit auf einem PC über eine Plattform – nimmt auch in Österreich deutlich zu. Derzeit befindet sich diese Arbeitsform in einer rechtlichen Grauzone. Die CrowdworkerInnen erbringen ihre Arbeit anscheinend oder scheinbar selbständig, unverbindlich und völlig flexibel. Dies soll im Folgenden anhand der österreichischen zivil- und arbeitsrechtlichen Parameter untersucht werden.

In diesem Kapitel soll das Geschäftsmodell einer sogenannten Microtasking-Plattform dargestellt und hinsichtlich seiner rechtlichen Einordnung untersucht werden. Diese verspricht „die Gewinnung und Bearbeitung tausender von Daten in kürzester Zeit und hoher Qualität“: „Unsere Cloud-Plattform kombiniert mit unserer Workforce von mehr als 800.000 Clickworkern weltweit macht es möglich“[1]https://www.clickworker.de/ (07.10.2016). Diese Untersuchung soll einerseits anhand eines konkreten Einstiegs der Verfasserin als Clickworkerin sowie der Evaluierung von Kommentaren aus Bewertungsplattformen und andererseits anhand der Analyse der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für ClickworkerInnen[2]Es gibt auch Allgemeine Geschäftsbedingungen für KundInnen, die in diesem Beitrag aber außer Betracht bleiben. der Plattform geschehen.

Im Vordergrund stehen dabei die Bewertung der Vertragsbeziehungen und deren Einordnung in das österreichische Rechtssystem – insbesondere, ob es sich bei dieser Vertragskonstruktion um eine selbständige oder unselbständige Tätigkeit in Form eines oder mehrerer Arbeitsverträge handelt oder eine andere Vertragsform. Außerdem werden in einem weiteren Schritt die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für ClickworkerInnen (AGB) im Hinblick auf deren allfällige Sittenwidrigkeit untersucht.

Aus der Einordnung der Vertragsbeziehung ergeben sich in der Folge die betrachteten Themen Vertragsparteien, Registrierung, Qualitätskontrolle, Vertragsbeginn, -dauer und -beendigung, persönliche Abhängigkeit in Hinblick auf Arbeitsort, Arbeitsmittel und Arbeitszeit, (Mindest-)Entgelt sowie Risikotragung und Haftung(sprivilegierung).

1. Microtasking in der Gig-Economy

Beim externen Crowdsourcing wird mittels einer Crowdsourcing-Plattform eine zunächst beliebige Gruppe von Personen – die Crowd – angesteuert, die in unterschiedlicher Weise aufbereitete Aufgabenstellungen abarbeiten soll. Es besteht grundsätzlich zunächst weder ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Plattform-Unternehmen und CrowdworkerInnen noch zwischen KundInnen-Unternehmen und CrowdworkerInnen. Dabei kann zwischen virtuellem und analogem Crowdwork unterschieden werden, je nachdem, ob die Arbeit im Internet (und somit in der Regel auf dem Interface der Plattform) oder analog, dh physisch zB in der Wohnung des Kunden/der Kundin stattfindet. Vor allem beim virtuellen Crowdwork stellt sich für CrowdsourcerInnen die Frage, welche Art von Aufgaben an eine Crowd ausgelagert werden kann/soll. Dabei geht es um Prozesssteuerung, Kostenersparnis, Abdeckung von Kapazitätsschwankungen sowie Zerlegbarkeit und damit Eignung für die Abarbeitung im Rahmen eines internetmäßig vorgegebenen Prozesses. Aus der Praxis sind Aufgaben mit unterschiedlichem Komplexitätsgrad bekannt: einfache und komplexe Projekte sowie Makro- und Mikroaufgaben.[3]Felstiner, Working the Crowd – Employment and Labor Law in the Crowdsourcing Industry, in Berkeley Journal of Employment and Labor 31/2 (2011) 150.

In diesem Beitrag interessieren insbesondere die Mikroaufgaben bzw sogenannten „Microtasks“ oder „Microjobs“. Dabei handelt es sich in der Regel um einfache, repetitive Aufgaben, die gering entlohnt werden – meist im Cent- oder im ein bis zwei Euro-Bereich – und deren Abwicklung stark automatisiert bzw standardisiert ist (wie etwa die Beschriftung und Beschreibung von Bildern).

Die Zerlegung größerer Aufgaben in kleinere Teilaufgaben erinnert an die Prinzipien des Scientific Management des Taylorismus. Auch dort wird die Arbeitsproduktivität durch Standardisierung und Zerlegung komplexer Arbeitsvorgänge in kleinere Einzeltätigkeiten – und damit auch durch stärkere Arbeitsteilung – gesteigert.[4]Leimeister/Zogaj/Blohm, Crowdwork – digitale Wertschöpfung in der Wolke, in Benner, Crowdwork – zurück in die Zukunft? (2015) 21 f. Wenn diese Microtasks von weniger qualifizierten bzw schneller einschulbaren CrowdworkerInnen unter Umständen effektiver und effizienter bearbeitet werden als von ArbeitnehmerInnen eines Unternehmens, können so Produktivitätssteigerungen erzielt werden.

Je nach Ausgestaltung der Aufgabenaufbereitung wird mehr oder weniger Konkurrenz zwischen den CrowdworkerInnen intendiert. Teilweise werden die Aufgaben in Form eines Wettbewerbs allen CrowdworkerInnen zur Verfügung gestellt, wobei nicht klar ist, wer letztlich den versprochenen Preis je abgearbeiteter Aufgabe erhält. Diesfalls haben CrowdworkerInnen ein hohes Wettbewerbs– und auch Risikopotenzial in Kauf zu nehmen.

Andere Plattformen bieten die Aufgaben gezielt bestimmten CrowdworkerInnen an; sobald ein/eine CrowdworkerIn mit der Abarbeitung der Aufgabe beginnt, wird diese für die übrigen CrowdworkerInnen gesperrt. Die versprochene Entlohnung steht bei auftrags- und insbesondere zeitgemäßer Abwicklung der Aufgabe dem/der exklusiv arbeitenden CrowdworkerIn zu. Diese Form des Crowdsourcing hat ein geringeres Wettbewerbspotenzial und bietet so für CrowdworkerInnen weniger Risiko, keinen Lohn zu erhalten.

2. Die Crowdwork-Plattform www.clickworker.com

2.1. Die Auswahl der Plattform

Clickworker (www.clickworker.com) wurde von den virtuelles Crowdwork anbietenden Plattformen deshalb ausgewählt, weil das Unternehmen seinen Sitz im deutschsprachigen Raum und infolgedessen auch für deutschsprachige CrowdworkerInnen (in der Folge auch ClickworkerInnen genannt) den Vorteil der leichteren Verständlichkeit hat. Es ist anzunehmen, dass diese Plattform die meisten deutschsprachigen Beschäftigten hat und damit auch für Österreich eine bedeutende Rolle in diesem Feld spielt.

2.2. Die Organisation der Plattform

Das Unternehmen clickworker GmbH betreibt eine Internet-Plattform, auf der von KundInnen unterschiedliche „Lösungen“ für Aufgaben angeboten werden, die diese nicht innerhalb ihres Unternehmens bearbeiten können oder wollen. Diese Aufgaben werden für „ihre“ Crowd zur Abarbeitung aufbereitet und anschließend auf die Plattform gestellt. Dabei soll in zweierlei Richtung Geld fließen: Einerseits wird den CrowdworkerInnen ein Entgelt angeboten, sofern die Aufgaben auftragsgemäß abgearbeitet werden, andererseits wird von KundInnen ein zu vereinbarendes und an die Plattform zu entrichtendes Entgelt für die Auftragsabwicklung verlangt.

Nach Eigendarstellung der Plattform setzt diese nach dem Crowdsourcing-Prinzip auf das Know-how und die Leistung von 100.000 qualifizierten, bei clickworker registrierten ClickworkerInnen, um Projekte für Unternehmen schnell, flexibel und effizient umzusetzen. Seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 2005 bis zum Jahr 2016 stieg die Zahl der ClickworkerInnen auf über 800.000.[5]https://www.clickworker.de/ueber-uns/unsere-crowd-die-clickworker/ (10.11.2016).

Nach Daten einer Studie der Universität Herfordshire, FEPS, Ipsos Mori, UNI Europa und AK Wien verrichteten im Jahr 2015 in Österreich 5 % der Befragten wenigstens einmal pro Woche Arbeit auf Plattformen.[6]http://www.uni-europa.org/wp-content/uploads/2016/09/crowd_working_survey_Austria.pdf (28.09.2016). Wie viele davon bei clickworker arbeiten, ist nicht feststellbar. Es gibt lediglich eine Eigenangabe bei clickworker, dass 2015 25 % der damals 700.000, also rund 175.000 EuropäerInnen (exklusive Deutschland), in der Plattform arbeiten: „Geografisch verteilt sich unsere Crowd in etwa wie folgt: Ein Viertel unserer Clickworker kommt aus Deutschland, ein Viertel aus den USA, ein Viertel aus anderen europäischen Ländern und ein Viertel aus dem Rest der Welt (vorwiegend aus Kanada, Australien und den Ländern Südamerikas).“[7]Die Eurofound Studie, New forms of employment (2015) 113, stellt hingegen beim virtuellen Crowdwork ein Verhältnis von einem Drittel Deutscher, einem Drittel aus anderen EU-Staaten und einem Drittel aus der restlichen Welt fest. https://www.eurofound.europa.eu/de/publications/report/2015/working-conditions-labour-market/new-forms-of-employment (05.01.2017). „Mit der Vielfalt an Muttersprachen, Kenntnissen und Fähigkeiten unserer Clickworker können wir eine große Bandbreite an Aufgaben in zahlreichen Sprachen abdecken. “ [8]https://www.clickworker.de/ueber-uns/unsere-crowd-die-clickworker/ (05.01.2017).

Clickworker selbst stellt sein Geschäftsmodell folgendermaßen dar: „Clickworker akquiriert Aufträge von großen und mittleren Unternehmen, speziell aus den Bereichen Medien, Internet, e-Commerce Branchen- und Adressverzeichnissen. Größere Aufträge (> 100.000 €) werden in Mikroaufträge (< 1 €) zerteilt und von den Clickworkern abgearbeitet. Für diese Dienstleistung wird ein Betrag erhoben, von dem ein Teil als Honorar an die Clickworker geht. Standardisierte Aufträge in den Bereichen Texterstellung und Umfragen können vom Kunden selbst online über den Self-Service-Marktplatz eingestellt werden.“[9]https://www.clickworker.com/wp-content/uploads/2015/03/Onepager_clickworker_DE2015.pdf?_ga=1.62633196.1319045382.1430224248 (10.11.2016).

3. Das Arbeiten auf clickworker

3.1. Die VertragspartnerInnen

Im unteren Bereich der Homepage befindet sich das Impressum, worin als für die Homepage verantwortliches Unternehmen die clickworker GmbH, Hatzper Straße 34, 45149 Essen, genannt ist. Ebenfalls ganz unten unter dem Stichwort „Team“ findet man (Stand 10.11.2016) die Geschäftsführung, Managing Director Christian Rosenich und Director of Sales Georg Kresin[10]https://www.clickworker.de/ueber-uns/team/ (10.11.2016). Diesen beiden Personen ist die Verantwortung für die Inhalte der Plattform als Geschäftsführer der GmbH zuzuordnen.

Bei den CrowdworkerInnen können folgende drei Gruppen unterschieden werden:

  • Personen, die auch andere Einkommensquellen haben und durch Clickwork nur etwas „dazuverdienen“ (Dazuverdienst),
  • Personen, für die Crowdwork die einzige/wesentliche Einkommensquelle darstellt (in der Regel gut Qualifizierte, für die Crowdwork eine Übergangslösung darstellt und schlechter Qualifizierte, für die es eine dauerhafte Alternative zu Arbeitslosigkeit darstellt),
  • Personen, die vom regulären Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, zB wegen einer Behinderung oder sozialer Ausgrenzung (Integration). [11]Vgl Risak, Crowdwork, ZAS 2015, 13.

Dieser Einteilung bedarf es vor allem für die rechtliche Deutung der Schutzwürdigkeit der Personengruppen, da diese möglicherweise in unterschiedlichem Ausmaß vorhanden ist, wie noch zu untersuchen sein wird.

Beim plattformbasierten Arbeiten können zwei Konstruktionen unterschieden werden, je nachdem, ob die Plattform oder der/die AuftraggeberIn des jeweiligen Microjobs VertragspartnerIn für die CrowdworkerInnen ist. Bei Gesamtdienstleistungsplattformen ist ausschließlich die Plattform Vertragspartnerin. AuftraggeberInnen bleiben im Hintergrund und sind für die CrowdworkerInnen nicht erkennbar. Vermittlungsplattformen stellen hingegen lediglich die technischen Rahmenbedingungen zur Verfügung, um AuftraggeberInnen und CrowdworkerInnen ein Vertragsverhältnis zu ermöglichen.[12]Warter, Crowdwork (2016) 111 ff.

Je nach Gestaltung ist den jeweiligen Plattformen mehr (Gesamtdienstleistungsplattformen) oder weniger (Vermittlungsplattformen) Verantwortung dafür zuzurechnen, was auf der Plattform abgewickelt wird, und entsprechend mehr oder weniger Steuerung der Arbeitsprozesse wird von der Plattform vorgegeben. Im ersten Fall ist Vertragspartnerin der ClickworkerInnen die Plattform, im zweiten ist es in der Regel der Kunde/die Kundin, wobei in dieser Konstruktion fraglich ist, inwieweit auch der Plattform Teilverantwortlichkeiten zurechenbar sind, da sie den Prozess der Abarbeitung der Aufgaben zumindest teilweise steuert.

Inhalt des Vertrages sind die auf die Plattform gestellten Tätigkeiten, die auf der Homepage in folgende zwei Modelle eingeteilt werden: „1) Die zur Verfügung stehenden Microjobs entstehen aus den Projekten unserer KundInnen, die wir in einzelne, in sich abgeschlossene Microjobs zerlegen und unseren Clickworkern zur Bearbeitung bereitstellen. 2) Des Weiteren stellen einige KundInnen kleinere Texterstellungs-Jobs oder Umfragen selbständig über unseren Self-Service-Marktplatz ein. Auch diese Jobs stehen den Clickworkern online zur Bearbeitung zur Verfügung.“

Im ersten Modell, in dem clickworker die Aufgaben in Microjobs zerlegt und diese den ClickworkerInnen zur Bearbeitung bereitstellt, kann jedenfalls davon ausgegangen werden, dass es sich um eine Vertragsbeziehung zwischen der Plattform selbst und den jeweiligen ClickworkerInnen handelt. Dies ist nach dem Wortlaut auch so intendiert: Die KundInnen, für die diese Microjobs letztlich bearbeitet werden, bleiben für die ClickworkerInnen unbekannt. Auch die Wahl des Begriffes „Kunden“ kann als Indiz dafür genommen werden, dass die Plattformbetreiberin keine direkte Beziehung zwischen Crowd und KundInnen wünscht.

Diese Interpretation wird von den AGB[13]https://Workplace.clickworker.com/de/agreements/10123?_ga=1.96124508.1319045382.1430224248 (17.10.2016). in § 1.1 gestützt, in welchen klargestellt wird, dass diese „für alle Vertragsbeziehungen zwischen clickworker und den Clickworkern gelten.“ Eine Einschränkung dahingehend, dass auch KundInnen Vertragsbeziehungen zu ClickworkerInnen entfalten könnten, wurden nicht gefunden.

Aber auch im zweiten Modell, in dem kleinere Texterstellungsjobs und Umfragen von KundInnen selbständig in den Self-Service-Marktplatz eingestellt werden können, übernimmt die Plattform nach ihrer Diktion zwar nur eine Vermittlungsrolle, allerdings bleiben wesentliche Funktionen der Vertragsbeziehung im Einflussbereich der Plattform. Clickworker rekrutiert die Crowd und gestaltet die Arbeitsumgebung, schaltet die Aufgaben nur für jene ClickworkerInnen frei, die sich für die entsprechenden Aufgaben eignen – dh sie entscheidet über ihr eigenes Qualifikations- und Bewertungssystem, wer an der Bearbeitung der Microjobs teilnehmen kann – und sie wickelt letztlich auch die Bezahlung ab. Die KundInnen treten allenfalls in einer anonymisierten Form, wie zB „eine Telekommunikationsfirma“ in den Aufgaben in Erscheinung. Aus diesem Grund ist meines Erachtens bei clickworker davon auszugehen, dass die zu beurteilende Vertragsbeziehung zwischen der Plattform und dem/der jeweiligen ClickworkerIn zustande kommt.[14]Vgl zu dieser Einordnung auch Warter, Crowdwork 82 ff.

Dieser Schluss wird von den AGB weiter unterstützt: Nach § 1 AGB treten ClickworkerInnen mit dem/der AuftraggeberIn überhaupt nicht in Kontakt.

Somit bleibt als Ergebnis festzuhalten, dass bei beiden Arten von Tätigkeiten, die auf clickworker angeboten werden, als Vertragspartnerin für die ClickworkerInnen lediglich die Plattform infrage kommt, da die KundInnen für die ClickworkerInnen – außer als Überschrift und anonymisiert bei der Beschreibung der jeweiligen Aufgabe – überhaupt nicht in Erscheinung tritt.

3.2. Der Vertrag

Clickworker beschreibt „seine Crowd“ folgendermaßen: „Unsere internationale Crowd besteht zurzeit aus über 800.000 Clickworkern. Clickworker sind Internetnutzer, die sich bei uns registrieren, um auf unserer Online-Plattform kleine Jobs (Microjobs) auf Honorarbasis zu bearbeiten. Die Clickworker bearbeiten die Jobs unabhängig und zeitlich flexibel von ihren eigenen Computern aus[15]https://www.clickworker.de/ueber-uns/unsere-crowd-die-clickworker/ (05.01.2017). (Hervorhebungen von der Verfasserin). Mit dieser Beschreibung wird von clickworker als Plattformbetreiberin die Sicht dargelegt, dass das Geschäftsmodell wohl ein privatrechtliches sein soll, bei dem ClickworkerInnen einen Werkvertrag angeboten bekommen.

Die AGB von clickworker für den/die AuftraggeberIn und die ClickworkerInnen sind auf der Einstiegsseite nicht ganz einfach zugänglich. Sie sind nur entweder über die Clickworker-FAQs[16]https://www.clickworker.de/faq/ (11.10.2016). (Frequently Asked Questions) im unteren Bereich der Startseite der Homepage zu erreichen. Unter der Frage, ob man die AGB auch vor der Registrierung einsehen kann, findet sich ein Link auf diese, oder man wählt den Weg der Registrierung und „stolpert“ dort gewissermaßen über die Aufforderung, die AGB zu akzeptieren, falls man weiter zu den Aufträgen vordringen will.

§ 1.1 AGB regelt die Vertragsbeziehung zwischen der Plattform und den ClickworkerInnen mit den Worten, dass „die clickworker GmbH (im Folgenden ‚clickworker‘) auf ihren Webseiten einen Bereich ‚Workplace‘ betreibt, auf dem angemeldete Teilnehmer (die ‚Clickworker‘) clickworker verschiedene Leistungen anbieten können.“

Damit überhaupt Aufgaben angeboten werden, ist eine Registrierung notwendig sowie die einmalige Einrichtung eines BenutzerInnenkontos und dessen Freischaltung durch clickworker (§ 2.1 AGB). Ein Rechtsanspruch auf eine Freischaltung des BenutzerInnenkontos besteht allerdings nicht.

In § 1.2 AGB findet sich ein Passus, dass individuelle Absprachen zwischen clickworker und den ClickworkerInnen in jedem Fall Vorrang vor diesen AGB haben. Für den Inhalt derartiger Absprachen ist ein schriftlicher Vertrag bzw die schriftliche Bestätigung von clickworker maßgeblich. Diese Bestimmung erweckt den Eindruck, dass ClickworkerInnen die Möglichkeit haben, von den AGB abzugehen. Wie dies in der Praxis aussehen könnte, erhellte sich bei der Recherche auf der Plattform nicht, da man zuerst die Akzeptanz der AGB anklicken muss, um überhaupt einsehen zu können, welche Aufträge bereitgestellt werden. Möglicherweise können etablierte ClickworkerInnen im Verlaufe ihrer Karriere auf der Plattform Forderungen auf Abänderung der AGB gegenüber clickworker geltend machen – realistisch erscheint das freilich nicht.

Eine weitere Klausel in § 1.3 AGB lautet, dass clickworker mit einer sechswöchigen Vorankündigungsfrist berechtigt sei, die AGB einseitig zu ändern. Von der Änderung wird der/die ClickworkerIn per E-Mail informiert. Wenn er/sie nicht innerhalb von sechs Wochen ab Bekanntgabe widerspricht, wird die AGB-Änderung Gegenstand des zwischen dem/der ClickworkerIn und der Plattform bestehenden Vertragsverhältnisses. Wenn ClickworkerInnen widersprechen, haben beide Seiten das Recht, das Vertragsverhältnis zu beenden.

§ 3 AGB ist mit „Angebote der Clickworker/Nutzung des Workplaces“ überschrieben. In § 3.1 AGB wird mit der Formulierung „clickworker stellt auf dem Workplace Projekte mit hierfür geltenden Konditionen vor (lediglich als eine ‚Einladung zum Angebot‘ – invitatio ad offerendum)“ dreifach unterstrichen, wie die Plattformbetreiberin ihren Part sehen will, nämlich als reine Einladung zum Angebot. Angebote der ClickworkerInnen müssen von clickworker nicht angenommen werden und im darauf folgenden Satz wird nochmals verdeutlicht, dass das Angebot von clickworker („die Einstellung von Projektbeschreibungen in den Workplace“) gegenüber den ClickworkerInnen nicht verbindlich sei.

Wovon es abhängt, ob man solche Einladungen zum Angebot erhält oder nicht, wird nicht offengelegt. Es ist also nicht vergleichbar mit einem Arbeitsverhältnis, bei dem zur Beendigung des Vertrages die Kündigung ausgesprochen wird, sondern es werden unter Umständen schlicht keine Aufgaben mehr auf das persönliche BenutzerInnenkonto gestellt. Der Grund für eine derartige Auftragsflaute wird dem/der ClickworkerIn nicht mitgeteilt.

Gemäß § 3.1 können ClickworkerInnen ein Angebot zur Abarbeitung der in ihrem BenutzerInnenkonto veröffentlichter Projekte zu den dortigen Konditionen stellen, allerdings nur zu diesen Projekten und nur zu den dortigen Konditionen.

§ 3.2 AGB schließt (theoretisch) einen Erfüllungsanspruch von clickworker gegenüber den ClickworkerInnen, dass diese ein Projekt gemäß den vorgegebenen Konditionen abarbeiten müssen, aus. Umgekehrt – und das wird in der Praxis wohl öfter vorkommen – wird hier auch die verpflichtende Abnahme der Leistung der ClickworkerInnen ausgeschlossen, sofern diese nicht den Konditionen entspricht; dies wird insbesondere bei Zeitüberschreitung der Fall sein.

Der erste Teil dieser AGB-Klausel, der offensichtlich die Freiwilligkeit der Leistungserbringung durch die ClickworkerInnen unterstreichen soll, kann meines Erachtens praktisch nicht nachvollzogen werden. Nach meinen Beobachtungen scheint es so, dass ClickworkerInnen, die von der Freiwilligkeit der Leistungserbringung ernsthaft Gebrauch machen und sehr sporadisch in der Plattform „vorbeischauen“, ob für sie etwas Interessantes dabei ist, in der Regel bald keine weiteren Aufträge mehr zugeteilt bekommen. Dies ist damit erklärbar, dass sie so – ohne die Qualität der Verfügbarkeit gerade für das schnellere Abarbeiten von Aufträgen als es mit eigenen, direkt angestellten MitarbeiterInnen des KundInnen-Unternehmens möglich ist – weder für die KundInnen noch die Plattform selbst als ClickworkerInnen interessant sind. Welche Aufträge in das persönliche Konto gestellt werden und welche insgesamt auf der Plattform zur Verfügung stehen, ist für Außenstehende nicht sichtbar.

Interessant sind die inneren Widersprüche in den §§ 3.1 und 3.3 AGB: Gemäß § 3.1 AGB stellt clickworker auf „dem Workplace Projekte mit hierfür geltenden Konditionen vor (lediglich als eine ‚Einladung zum Angebot‘ – invitatio ad offerendum). Nach der Freischaltung ihres Benutzerkontos können sich die Clickworker die Projekte ansehen, die ihrem Qualifikationsprofil entsprechen. Die Clickworker können clickworker zu diesen Projekten ihrerseits ein Angebot zur Abarbeitung des Projektes zu den Konditionen unterbreiten, die in der Projektbeschreibung angegeben sind. clickworker ist nicht verpflichtet, solche Angebote anzunehmen. Die Einstellung von Projektbeschreibungen in den Workplace stellt daher kein verbindliches Angebot von clickworker dar.“ Nach § 3.3 AGB erfolgt die Auftragserteilung durch clickworker „ausschließlich gegenüber dem Clickworker, der das entsprechende Angebot abgegeben“ hat. „Die Weitergabe des Projektes und die Bearbeitung durch Dritte sind ausdrücklich untersagt, soweit dies nicht in der Projektbeschreibung ausdrücklich erlaubt wird“.

Weitere Macht-Ungleichgewichte sind hinsichtlich eines Mangels an Transparenz, Einfluss auf die Vertrags- und Arbeitsbedingungen und bei Abänderung derselben sowie bei den Elementen der persönlichen Abhängigkeit wie Arbeitszeit, – mittel und -ort zu erkennen.

Es gibt kaum Transparenz bei der Beurteilung, warum ein Benutzerkonto entweder freigeschalten wird oder eben nicht. Auch wenn auf Freischaltung kein Anspruch besteht, wird dadurch für Personen, die ihre Arbeitskraft vermarkten wollen/müssen (für die daher Zeit Geld wert ist), eine Situation geschaffen, in der viel von dieser wertvollen Zeit vertan werden kann, wenn jedes Mal der „Workplace“ (also der virtuelle Arbeitsplatz) aufgesucht werden muss, um zu sehen, ob Aufgaben im Angebot sind.

Auch wenn das Aufsuchen des Arbeitsplatzes nicht bedeutet, dass eine physische Bewegung an einen bestimmten Ort vonnöten ist, gibt es sehr wohl etwa eine örtliche Bindung an Räume, in denen guter Internetzugang existiert sowie einen gewissen Zeit- und Konzentrationsaufwand, um an den virtuellen Arbeitsplatz zu gelangen.

ClickworkerInnen haben darüber hinaus keinerlei Einfluss auf die Konditionen, unter denen die Arbeit erbracht werden muss. Sie können sich nicht vertreten lassen und aufgrund der mangelnden Transparenz haben ClickworkerInnen keinerlei Kontrolle darüber, ob die Bewertung der Einhaltung der Konditionen korrekt erfolgt.[17]Wenn der Korrektor weniger von der Materie weiß als du selber, bist du verloren – und Korrektoren werden nicht besonders geprüft, ich habe einen meiner Texte selber zur Korrektur gekriegt und die von anderen Leuten, in den ersten zehn Tagen, nachdem ich mich bei Clickworker angemeldet habe. Und natürlich könnten Korrektoren, die selber Aufträge suchen, die Konkurrenz auf diese Weise rauskicken wollen.“ Kommentar von malocher am 29.06.10, http://www.urbia.de/archiv/forum/th-2684130/clickworker-com-hat-jemand-erfahrung.html (10.11.2016).

Das Ungleichgewicht bei Änderungen der Vertragsbeziehung – einerseits die Absprachenotwendigkeit, wenn ClickworkerInnen Vertragsänderungen erreichen möchten, die schriftlich festzuhalten sind, und andererseits die einseitige Abänderungsmöglichkeit seitens clickworker, bei der sechsmonatiges Schweigen als Zustimmung gewertet wird – sowie die faktische Unmöglichkeit der ClickworkerInnen, sich gegen die Nichtzuteilung von Aufträgen zu wehren, sind meines Erachtens deutliche Indizien dafür, dass hier ein gewisses strukturelles Machtgefälle zwischen clickworker und ClickworkerInnen besteht.

Insgesamt allerdings sollen die AGB offensichtlich nahelegen, dass der Vertrag als ein zivilrechtlicher zwischen gleichberechtigten MarktteilnehmerInnen geschlossen wird. Zur Anwendung kämen dann die allgemeinen schuldrechtlichen Regelungen des ABGB, dem eher eine Ordnungs- als eine Schutzfunktion für schwächere VertragspartnerInnen innewohnt. Die darin enthaltenen Regelungen greifen für Personen, die ihre Arbeitskraft vermarkten müssen, zu kurz, was ursprünglich die Grundlage für die Herausbildung des Arbeitsrechts war. Dieses enthält im Gegensatz vielfältige Bestimmungen, die ArbeitnehmerInnen die Arbeitskraft erhalten und bestimmte Risiken ihres Lebens abfedern sollen. Für die Unterscheidung der Vertragstypologien Arbeitsvertrag – freier Dienstvertrag – Werkvertrag sind juristische Kriterien herausgearbeitet worden, die den Arbeitsvertrag charakterisieren. Dazu gehört vor allem die persönliche Abhängigkeit der ArbeitnehmerInnen von ihren ArbeitgeberInnen, die sich unter anderem am Weisungsrecht zu Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenem Verhalten ablesen lässt.[18]Rebhahn in ZellKomm, rdb, § 1151 ABGB Rz 99 (06.01.2017). Erkennbar ist eine solche Einbindung zB daran, dass ArbeitnehmerInnen einem Zeitmanagement des Betriebes unterworfen sind, sowie dass sie die Arbeitsmittel gestellt erhalten und ihre Arbeit am Betriebsstandort oder einem vom/von der ArbeitgeberIn vorgegebenen Ort erbringen müssen.

Für die Zeiterfassung läuft bei Aufträgen, die nicht ausschließlich der Überprüfung der Eignung der CrowdworkerInnen dienen sollen, in der oberen Leiste eine digitale „Sanduhr“, dh es wird dargestellt, wieviel Zeit noch übrigbleibt, um das ebenfalls in der Leiste ersichtliche Honorar (häufig im Cent-Bereich) zu lukrieren. Wenn die Zeitvorgabe überschritten wird, gilt die Aufgabe als nicht erfüllt und der/die jeweilige ClickworkerIn erhält dafür kein Entgelt.

Quelle: Screenshot von clickworker im August 2016

Verbleibende Zeit für Auftragsbearbeitung und Entgelthöhe

Sie brauchen nur einen PC“ ist die das Arbeitsmittel betreffende Darstellung im Informationsvideo[19]https://www.youtube.com/watch?v=ckbQYVHdCZ0 (18.10.2016). für die ClickworkerInnen. Die Ausstattung mit einem PC ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für ein Arbeiten auf clickworker. Wenn man die für die jeweiligen Aufträge angegebenen Fristen einhalten will, ist ein schnell arbeitender PC ebenso vonnöten wie ein belastbarer Internetanschluss. „Stürzt“ eine begonnene Auftragsbearbeitung wegen Netzwerkproblemen oder Ähnlichem ab, wird die Auftragsbearbeitung abgebrochen. Da der Microjob somit nicht fertig bearbeitet und abgeliefert werden kann, steht auch keine Bezahlung zu, obwohl gearbeitet wurde.

Auch die Plattform mit der Arbeitsoberfläche und dem ihr immanenten Workflow ist ein wesentliches Betriebsmittel für die Abarbeitung der Aufgaben. Dabei haben ClickworkerInnen – wenn überhaupt – nur einen äußerst geringen Gestaltungsspielraum.

Der PC selbst dürfte in diesem Zusammenhang eine eher untergeordnete Bedeutung spielen. Er stellt das virtuelle Mobilitätserfordernis dar – vergleichbar dem Auto, das für AußendienstmitarbeiterInnen vorausgesetzt wird und als solches keinen Zweifel am Vorliegen eines Arbeitsvertrages generiert.

Hinsichtlich des Arbeitsortes ist folgendes anzumerken[20]In den 1990er-Jahren war der Hype um die Telearbeit von ähnlichen Fragestellungen auf Seiten der ArbeitnehemerInnen begleitet, wie dies jetzt wieder der Fall ist, in einer Zeit, in der es eine deutlich über 90-%-Ausstattung mit mobilen Endgeräten gibt und sich auch die Techniken der Übertragung beschleunigt und verändert haben. Auch damals ging es um die Frage, wer welche Verantwortung übernehmen muss, wenn von zu Hause aus gearbeitet wird und welche rechtlichen Regelungen anwendbar sind. Da das Heimarbeitsgesetz vorwiegend für ArbeiterInnen konzipiert war, tat sich vor allem für Angestelltentätigkeit eine (scheinbare) Lücke für dieses Segment auf. Sozialpartnerergebnis von Verhandlungen diesbezüglich war die Einigung darauf, dass es ohnehin sozial und gesundheitlich problematisch sei, wenn Arbeit nur von zu Hause aus erledigt wird, weshalb jene Unternehmen, für die Arbeit von zu Hause aus interessant war, ihre ArbeitnehmerInnen mit den nötigen Arbeitsmitteln ausstatteten und im Wesentlichen die Geltung der Gesetze, die für Angestellte einzuhalten sind, auch für diese ArbeitnehmerInnen anwandten („alternierende Teleheimarbeit“). Aktuell ist die Auseinandersetzung mit der arbeitsrechtlichen Einstufung der Arbeit von zu Hause aus von Risak, Home-Office I – Arbeitsrecht, ZAS 2016/36, 204, und Brodil, Home-Office II – Haftung bei entgrenzter Arbeit, ZAS 2016/37, 209.: Ein Argument, das die Werkvertragsidee stützen soll, besagt, dass man die Aufträge überall abarbeiten kann – das stimmt jedoch nur begrenzt. Der bereits genannte Aspekt, dass der Internetzugang stabil sein muss, schränkt mögliche Arbeitsorte in der Realität weitgehend ein. Weiters kann man sich die Aufgaben nicht auf den eigenen PC herunterladen und orts- sowie zeitunabhängig bearbeiten, sondern die Arbeit muss (ist sie erst einmal begonnen worden) auch innerhalb der vorgegebenen Zeitspanne beendet werden – und zwar auf dem Interface.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass der PC wohl nur ein untergeordnetes Betriebsmittel darstellt. Wesentlich für die Einordnung des Vertrages erscheint vielmehr die Gebundenheit an Vorgaben der Plattform hinsichtlich Zeitvorgaben, Interface- und Internetanbindung. Aber es gibt noch weitere Indizien dafür, dass es sich bei Clickwork eher um eine abhängige Form des Arbeitens handelt.

3.3. Die Registrierung

Das Registrieren auf der Homepage bedeutet bei clickworker, dass – um überhaupt zu Aufträgen zu kommen – die AGB anzuerkennen sind. Nimmt man diesen Vorgang im juristischen Sinn ernst, ist zunächst erheblich Zeit aufzuwenden, um sich mit den AGB auseinanderzusetzen, ohne noch in Erfahrung bringen zu können, ob die Aufträge, die hinter der Registrierung warten (oder auch nicht), diesen Zeitaufwand überhaupt lohnen. Anders als in der realen Welt beim Bewerbungsvorgang für eine Stelle, sieht man nicht den Gesichtsausdruck der dort Beschäftigten, der KundInnen, bekommt außer der Navigation durch die Homepage keinen Eindruck vom Unternehmen als Ganzes.

Je nachdem, welcher Weg auf der Startseite gewählt wurde (prospektive Kund/Kundin oder ClickworkerIn), werden unterschiedliche Informationen zur weiteren Registrierung angeboten.

Die KundInnen erhalten zunächst Überblick über mögliche von clickworker angebotene „Lösungen“, dh Dienstleistungen: Text (zB wird zum Bild eines Hockers eine Produktbeschreibung verlangt), Web-Recherche (zB Verifizierung von Adressen), Kategorisierung & Tagging (zB passende Stichwörter zu Fotos eingeben), Umfragen (zB Gewinnung von Marktdaten als Entscheidungsgrundlage), Produktdatenpflege (zB hinsichtlich Basis-Produktinformationen wie Farbe, Gewicht, Maßen, Artikelnummern oder Anreicherung der Produkte mit Detailinformationen hinsichtlich Wartung, Nährstoffzusammensetzung etc) und Mobile Crowdsourcing (zB Rückmeldungen von Personen, die Point-of-Sales-Kampagnen vor Ort fotografieren, bewerten und analysieren). Diese „Lösungen“ stellen die Grundlage für die den ClickworkerInnen auf ihren „Workplaces[21]Vgl § 1 AGB.“ (Arbeitsplätzen) zur Verfügung gestellten Aufgaben dar.

ClickworkerInnen werden mit folgenden Slogans ermuntert, sich zu registrieren: Als ClickworkerInnen werde selbstbestimmt und zeitlich vollkommen flexibel gearbeitet, es gebe keine versteckten Kosten oder Gebühren, einzig ein Computer mit Internetanbindung sei Voraussetzung, für das Microjobing sei keine formale Qualifikation erforderlich, eine monatliche Auszahlung ab 10,- Euro Guthaben würde nicht verfallen (dass überhaupt erst ab einem erarbeiteten Guthaben von 10,- Euro ausbezahlt wird, bleibt an dieser Stelle unerwähnt) und die Sicherheit der ClickworkerInnen-Daten werde ernstgenommen, diese würden nicht an Dritte weitergegeben.

In den FAQ ist unter der Frage, ob bei der Registrierung Namen und Adresse richtig angegeben werden müssen, unmissverständlich klargelegt, dass dies erforderlich sei. Konten mit fehlenden oder fehlerhaften Angaben würden geschlossen werden und gegebenenfalls können Nachweise zu Identität und Wohnsitz gefordert werden. Im Falle bewusst falscher Angaben kann das Konto gesperrt, ClickworkerInnen von der Plattform ausgeschlossen und erarbeitetes Geld nicht ausbezahlt werden. Die Begründung lautet: „Da wir nur an diejenige Person auszahlen dürfen, die sich bei uns registriert hat“[22]Es stellt sich die Frage, wer in diesem Zusammenhang die ermächtigende Instanz ist (arg: „auszahlen dürfen“)..

Bei der Eröffnung eines Paypal-Kontos für den Fall, dass ClickworkerInnen ihr Girokonto nicht bekanntgeben wollen, sind weitere AGB zu lesen und zu verarbeiten.[23]Ob Junkmails von „Paypal Invo@KundInnenservice.de“ einige Tage nach der Registrierung in der Mailbox, die dazu auffordern, einen Link anzuklicken, um weiteren Betrug zu verhindern, dem Zufall geschuldet sind, bleibt im Dunkeln. Ebenso bleibt im Dunkeln, welchen Zweck sie verfolgen: Phishing, Trojaner oÄ.

Dann werden umfangreiche Angaben über Sprachkenntnisse und Hobbies verlangt. Nach Abschluss all dieser Angaben, sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu akzeptieren. Wer die AGB in diesem Stadium der Registrierung lesen will, läuft Gefahr, dass der Anmeldeprozess unterbrochen wird.[24]In diesem Zusammenhang ist auch die Problematik der Sprachenunkenntnis beim Vertragsschluss und der AGB-Kontrolle relevant. Zur Problematik, dass bei globalem Angebot und nur deutsch und englisch verfassten AGB nicht gewährleistet werden kann, dass ClickworkerInnen die juristischen Feinheiten verstehen, wenn ihre Muttersprache zB Französisch ist, siehe Temming, Verstehen Sie Deutsch? Sprachenunkenntnis beim Vertragsschluss und bei der AGB-Kontrolle, GPR 2016, 38, 1/2016, 38. Der/Die geschulte Internetplattform-NutzerIn wird also vor der Registrierung die Plattform nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen absuchen und kann bei den FAQ fündig werden.

Ist die Angabe der verlangten Daten abgeschlossen, erhalten die CrowdworkerInnen ein E-Mail mit Link zugeschickt, der Zugang zu den ersten Aufträgen auf dem Interface verschafft. Ob allerdings eine Freischaltung erfolgt oder nicht und ob und welche Aufgaben zugeteilt werden, ist bis dahin nicht ersichtlich.

3.4. Aufgaben für ClickworkerInnen/Lösungen für KundInnen

Die ersten Aufträge sind wohl Checks, inwieweit es den neuen CrowdworkerInnen ernst ist, die Bedingungen der Plattform zu akzeptieren. In weiterer Folge besteht die Möglichkeit, sich für unterschiedliche Arten von Aufträgen zu qualifizieren: Es sind zB Texte zu Fotos zu erstellen, Produkte zu beschreiben, Web-Recherchen zur Richtigkeit von Adressangaben vorzunehmen, Produktdaten für Web-Shops einzugeben oder zu ergänzen usw.

Ein Selbsttest einer Registrierung und der Arbeit auf clickworker bietet folgenden Eindruck: Die konkrete erste angebotene Aufgabe ist die Teilnahme an einer Umfrage, was von einem „Clickworker werben KundInnen“-Programm gehalten werde. Abhängig von der Antwort kann die Umfrage vorzeitig beendet werden und man erhält, wenn man von einer solchen Aktion nichts hält, für die Antwort 0,01 €.

Eine nächste Aufgabe wäre die Teilnahme an einem Survey über emotionalen Ausdruck gewesen, bei der man sich mittels Webcam hätte filmen lassen müssen – selbstverständlich „unter Einhaltung des Datenschutzes“. Je Auftrag wären 0,40 Euro zu lukrieren gewesen.

Ein drittes Angebot lautete schließlich, neue ClickworkerInnen zu akquirieren. Es sollen Personen gefunden werden, die zumindest 10,- Euro auf clickworker ins Verdienen bringen; dann steht ein Entgelt von 5,- Euro zu.[25]Ein derartiges Video ist auf der clickworker-Homepage unter https://www.youtube.com/watch?v=3nyaCTM0gBM&feature=youtu.be (28.09.2016) einzusehen.

In den FAQ heißt es zwar auf die Frage hin, ob das Überspringen von Aufträgen negative Auswirkungen für ClickworkerInnen habe, dass dem nicht so sei, solange weitere Aufträge zur Verfügung stehen. Allerdings werde beim Überspringen sichergestellt, dass erst einmal diese einzelnen (übersprungenen) Aufträge nicht wieder angeboten werden, zumindest nicht in den nächsten paar Minuten. Dadurch könne es passieren, wenn nur wenige Aufträge zur Verfügung stünden, dass unter Umständen gar keine Aufträge mehr angeboten würden.[26]Normalerweise hat bei einem großen Projekt mit vielen Einzelaufträgen das Überspringen keinen für Sie wahrnehmbaren Nachteil, solange Sie noch weitere Aufträge zur Verfügung haben. Allerdings wird beim Überspringen sichergestellt, dass Sie erst einmal diesen einzelnen Auftrag nicht wieder angeboten bekommen, zumindest nicht in den nächsten paar Minuten. Dadurch kann es passieren, dass Sie, wenn Sie nur wenige Aufträge zur Verfügung haben, gar keine Aufträge mehr angeboten bekommenhttps://www.clickworker.de/faq/ (10.11.2016)

Bei einem neuerlichen Einloggen besteht dann die Möglichkeit, sich bei einer Umfrage „Kommunikation mit Mobilfunk-KundInnenservice“ zu beteiligen. Diese Aufgabe dient der Überprüfung, ob ClickworkerInnen imstande sind, einen Aufgabentext genau zu lesen. Es geht nämlich nur sekundär um die Ideenkreation, die im Text als Aufgabe gestellt wird, sondern in erster Linie um das Erfassen eines Codes, der dann in ein bestimmtes Feld einzutragen ist.

Es ist zwar sehr ansprechend, dass die Begrüßung mittels „Hallo“ und Nennung des Vor- und Zunamens erfolgt sowie dass zu sehen ist, dass ca 850.000 ClickworkerInnen bei clickworker registriert und gerade etwa 10.000–20.000 aktiv sind, aber wenn keine Aufträge bereitgestellt werden, wird viel Zeit darauf verwendet, sich einzuloggen und nachzusehen, ob Aufträge geladen werden; Zeit, die letztlich unbezahlt bleibt. Je häufiger dieser Vorgang zu wiederholen ist, desto eingeschränkter die Freiheit, über die eigene Zeit zu disponieren, desto abhängiger werden ClickworkerInnen von der Plattform.

Clickworker stellt das selbst folgendermaßen dar: „ClickworkerInnen erledigen Arbeiten, die der Computer nicht übernehmen kann, für die die Programmierung zu teuer ist oder das vorhandene Personal für eine schnelle Umsetzung nicht ausreicht. Dies ist besonders der Fall, wenn flexibel und in unregelmäßigen Zeitabständen große Mengen unstrukturierter Daten wie Texte, Produktdaten, Bilder oder Videos erstellt, bearbeitet, digitalisiert, übersetzt, klassifiziert oder recherchiert werden müssen.“[27]https://www.clickworker.com/wp-content/uploads/2015/03/Onepager_clickworker_DE2015.pdf?_ga=1.130225743.1319045382.1430224248 unter der Überschrift „Aufgaben“( 10.11.2016).

Als Lösung für KundInnen stellt clickworker in Aussicht, dass mithilfe seiner Crowdsourcing-Plattform ein mit diesen Herausforderungen konfrontiertes Unternehmen von dem Know-how und der Leistung mehrerer tausend seiner ClickworkerInnen profitieren und die Arbeiten schneller und günstiger erledigen lassen kann, als es mit eigenen Mitteln möglich wäre. Zudem könne die Plattform flexibel, nur bei Bedarf, genutzt werden, das Unternehmen selbst habe einen sehr geringen administrativen Aufwand und bekomme qualitativ hochwertige, qualitätsgeprüfte Arbeiten im gewünschten Format.[28]Ebenda unter der Überschrift „Lösungen“.

3.5. „Qualifizierung“ = Test von Qualifikationen

Interessantere Aufgaben sind an sogenannte „Qualifizierungen“ geknüpft, die ebenfalls unter Zeitvorgaben zu absolvieren sind. Da der Test aber im Interface der Plattform abgenommen wird, ist anzunehmen, dass auch der Zeitfaktor eine Rolle bei der Bewertung des Testergebnisses spielt.

Will man sich zB als „AutorIn deutscher Texte“ qualifizieren, besteht das „Training“[29]https://www.clickworker.de/ueber-uns/unsere-crowd-die-clickworker/ (05.01.2017). aus Lückentexten, Multiple-Choice-Fragen zu Rechtschreibung und Zeichensetzung und einem Probetext zu einem vorgegebenen Thema von 150–250 Wörtern. Nach den ersten beiden Teilen wird mitgeteilt, ob eine Zulassung zum dritten Teil erfolgt.

Einstiegstest

Quelle: Screenshot von clickworker im August 2016

Ein Trainingseffekt kann im Ausfüllen von Lückentexten nicht erkannt werden.

Test-Mittelteil – Bewertung

Quelle: Screenshot von clickworker im August 2016

Ein 77-%-Erfolg ist „nicht ausreichend“, um weitere Teile der „Qualifizierung“ angeboten zu bekommen.

Im zweiten Teil werden Komma-, Bindestrich- Groß-, bzw Kleinschreib-Regeln mittels Multiple-Choice-System abgefragt. Es kann zB bei vier Sätzen jeweils mehrere richtige geben. Selbst wenn der oder die richtigen Sätze gewählt wurden, führt ein falscher Satz zu einem „nicht ausreichend“. Bei einer Erfolgsquote von 77 % bekommt man den dritten Teil der „Qualifizierung“ nicht mehr angeboten. Ganz abgesehen davon, dass auch die KorrektorInnen der deutschen Sprache nicht immer mächtig zu sein scheinen (siehe das „weiter zu machen“ in der folgenden Abbildung, das eigentlich „weiterzumachen[30]http://www.duden.de/rechtschreibung/weitermachen (18.10.2016). zu schreiben wäre oder das „Hallo Name“ auf der Begrüßungsseite, dem das Komma fehlt, nur um Beispiele zu nennen).

Bei Rückkehr zur Auftragsliste, gibt es dort keinen Auftrag.

Bei neuerlicher Abfrage des Qualifizierungsergebnisses ergibt sich in der Folge eine interessante Diskrepanz. Plötzlich wurden aus den erreichten 77 % Erfolgsprozentsatz nur mehr 30 %.

Endgültige Bewertung

Quelle: Screenshot von clickworker im August 2016

Aus 77 % werden 30 %

Clickworker stellt den Testvorgang folgendermaßen dar:

„Um die Qualität der Arbeitsergebnisse für unsere KundInnen sicherzustellen, ist es wichtig, dass die Clickworker, die die Jobs bearbeiten, für diese entsprechend qualifiziert sind. Aus diesem Grund müssen die Clickworker sich in einem ersten Schritt bei uns registrieren und entsprechende Angaben zu ihren Fähigkeiten, Kenntnissen und Interessen hinterlegen.

Im zweiten Schritt absolvieren die Clickworker Online-Tests/Trainings, die ihre Eignung für die jeweiligen Aufgabenarten absichern. Alle zur Verfügung stehenden Jobs werden dann jeweils ausschließlich den hierfür qualifizierten Clickworkern zur Bearbeitung freigeschaltet. Die anhaltende Qualifizierung der Clickworker wird durch die kontinuierliche Bewertung der Arbeitsergebnisse sowie weiterführende Tests/Trainings gewährleistet.“ [31]https://www.clickworker.de/ueber-uns/unsere-crowd-die-clickworker/ (10.11.2016).

Qualifizierung der ClickworkerInnen

Quelle: Screenshot von clickworker im August 2016

Bei der sogenannten Qualifizierung handelt es sich um Tests und Bewertungen der Leistung,
um entsprechend der Bewertung KundInnenenaufträge auf die jeweiligen
BenutzerInnenkonten zuteilen zu können.

KundInnen gegenüber wird die Qualitätssicherung dahingehend präzisiert, dass auf der Plattform nach speziellen Qualitätsmanagement-Prinzipien wie zB der statistischen Prozesskontrolle, Audits und Peer-Reviews sowie einer permanenten Bewertung aller Arbeitsergebnisse gearbeitet wird. Für jede Aufgabe werden die ClickworkerInnen nach individuellen Fähigkeiten ausgesucht, die durch Trainings und Tests nachgewiesen und anschließend kontinuierlich bewertet werden. Folgende Maßnahmen sollen zu Spitzenleistungen führen:

  • Training der ClickworkerInnen
  • Kontinuierliches Rating
  • Jobvergabe nach Fähigkeiten
  • Stichproben
  • Injected Testing[32]In den FAQ wird injected testing unter der Frage „Ich wurde von der Qualitätssicherung aus einem Projekt ausgeschlossen. Warum?“ folgendermaßen beschrieben: „Bei einigen Projekten verwenden wir eingestreute Testfragen, um die Qualität Ihrer Antworten zu prüfen. Beantworten Sie zu viele dieser Testfragen falsch, erfolgt ein automatischer Ausschluss vom Projekt. Diese Testfragen wurden vorher von uns selbst bearbeitet, sodass wir bereits wissen, welche die korrekten Antworten sind. Wir verwenden nur solche Fragen als Testfragen, bei denen die gesuchten Antworten eindeutig zu finden sind.“
  • 4-Augen-Prinzip
  • Peer-Review
  • Mehrheitsentscheid
  • Komplexes Workflow-Management
  • Plagiatsprüfung aller Texte
  • Qualitätskontrolle (Texte werden von KorrektorInnen überprüft)[33]https://www.clickworker.de/so-funktionierts/ (10.11.2016).

Beispiel: AutorInnen-Test

Quelle: Screenshot von clickworker im August 2016

Mittels Multiple-Choice-Verfahren wird getestet, ob der Duden internalisiert ist und zB „Rad zu fahren“ richtig geschrieben wird.

Zusammenfassend können die zahlreichen Tests von Qualifikationen als ein herausstechendes Element des Arbeitens auf der Plattform clickworker angesehen werden. Dabei handelt es sich um Multiple-Choice-Tests, die zB Rechtschreibkompetenz abprüfen, um sich als AutorIn in deutscher Sprache oder Fremdsprachen für Texterstellungen oder Übersetzungen zu qualifizieren.

Die Tests sind standardisiert und jede Prüfsequenz wird mit der Rückmeldung des Ergebnisses, der Fehler und der Erklärungen, warum die Sequenz als falsch gewertet wurde, beantwortet. Nicht transparent ist die Umrechnung der Sequenzergebnisse in Prozentzahlen und ebenso wenig, ab welcher Prozentzahl ein Ausschluss für den weiteren Testteil erfolgt und der Test ist jedenfalls nicht wiederholbar.

3.6. Das Entgelt

In der „Arbeitshistorie“ ist ersichtlich, dass eine Negativantwort bei der Umfrage: Was halten Sie von einem „Clickworker werben KundInnen?“-Programm[34]Sensibilisiert durch Ausschluss aus der „Qualifizierung zum deutschen Autor“ – eigentlich „…zur deutschen Autorin“ – könnte man die Frage stellen, wofür das Fragezeichen nach „KundInnen“ steht und wo der Bindestrich geblieben ist. 0,01 Euro einbringt. Die Umfrage „Ideen-Wettbewerb“, bei der ideale Angebote zur sozialen Vernetzung an einer Universität entwickelt werden sollen, gleichzeitig aber geprüft wird, ob die Aufgabenstellung richtig gelesen wurde, nämlich dass ein Bestätigungscode im Text herauszufinden und an vorgegebener Stelle einzutragen ist, bringt 0,20 Euro ins Verdienen.

  • 4 AGB regelt die „Verwaltung des Benutzerkontos“ und enthält die Regelungen zur Vergütung angebotener Leistungen. Gemäß dessen Z 1 erhalten ClickworkerInnen, sofern das Resultat der jeweiligen Projektbeschreibung entspricht und fristgerecht abgeliefert wurde, die in der Projektbeschreibung angebotene Vergütung auf das BenutzerInnenkonto – zunächst vorläufig – und nach erfolgter Abnahme durch clickworker endgültig gutgeschrieben. Das heißt, dass während der Zeit der Überprüfung der Qualität der Aufgabe der versprochene Betrag auf dem Benutzerkonto ausgewiesen ist und im Falle eines negativen Prüfergebnisses später auch wieder „verschwinden“ kann.

3.7. Gewährleistung und Rücktritt

Gemäß § 2.2 AGB sind ClickworkerInnen dafür verantwortlich, ihre angegebenen Daten aktuell zu halten. „Kann clickworker auf Grund einer unterbliebenen erforderlichen Datenänderung nicht mit dem Clickworker in Kontakt treten, ist clickworker hierfür nicht verantwortlich.“ Unter § 3.2 AGB wird klargestellt, dass sich ClickworkerInnen dazu verpflichten, über die Daten und Projektbeschreibungen, die zur Abarbeitung eines Projektes übermittelt werden, gegenüber Dritten Stillschweigen zu bewahren und diese Informationen ausschließlich für die Leistungserbringung gegenüber clickworker zu nutzen. Insbesondere hat die Leistungserbringung so zu erfolgen, dass Dritte hierbei keine Einsicht in die übermittelten Daten und Projektbeschreibungen nehmen können. Diese Verpflichtungen bestehen auch nach Abschluss eines Projektes fort. Verstoßen ClickworkerInnen schuldhaft hiergegen, behält sich clickworker die Geltendmachung von Unterlassungs- und Schadenersatzansprüchen vor.

Liefern ClickworkerInnen die entsprechenden Leistungen fristgerecht ab, wird ihnen wie bereits dargelegt die in der Projektbeschreibung genannte Vergütung auf ihr Benutzerkonto vorläufig gutgeschrieben. Eine Abnahme der Leistung ist hiermit noch nicht verbunden. Die abgelieferten Resultate werden im Folgenden durch clickworker überprüft. Zeigen sich hierbei Mängel, besteht eine dreitägige Frist zur Nacherfüllung. Schlägt diese Nacherfüllung fehl oder wird sie verweigert, tritt clickworker von dem entsprechenden Vertrag zurück. Eine Vergütung erfolgt in diesem Fall nicht. In speziellen Einzelfällen gibt es keine Möglichkeit der Nachbesserung, wenn Projekte zu einem bestimmten Zeitpunkt final fertig gestellt werden müssen. In diesem Fall ist eine ausdrückliche Projektzusatzvereinbarung in den entsprechenden Projektbeschreibungen enthalten.

Erfolgt die Abnahme durch clickworker (innerhalb von sieben Tagen nach Ablieferung der Leistung), wird den ClickworkerInnen die in der Projektbeschreibung genannte Vergütung endgültig auf ihr Benutzerkonto gutgeschrieben und gemäß § 4.2 AGB einmal wöchentlich ausbezahlt.

4. Die rechtliche Einordnung der Vertragsverhältnisse auf clickworker

Die rechtliche Einordnung der vertraglichen Beziehungen auf Plattformen weist aus mehreren Gründen einen hohen Komplexitätsgrad auf. Einerseits handelt es sich um ein dreipersonales und gewissermaßen auch aufgespaltenes Vertragsverhältnis, bei dem Plattform und AuftraggeberIn nicht als einheitlicher/einheitliche Auftrag- bzw ArbeitgeberIn auftreten. Andererseits ist die Tätigkeit selbst durch Atomisierung der Aufgaben schwer greifbar und findet bei clickworker noch dazu grenzüberschreitend (Österreich – Deutschland) statt. Als Vorfrage ist daher hinsichtlich der anwendbaren Rechtsordnung zu klären, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, da in diesem Fall ClickworkerInnen der Schutz nicht entzogen werden darf, der ArbeitnehmerInnen aufgrund des ungleichen Kräfteverhältnisses zwischen ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn in Österreich zugestanden wird (dazu ausführlich Beitrag „Crowdwork mit Auslandsbezug“). In Österreich haben sich die Gerichte zwar bislang noch nicht mit den rechtlichen Aspekten von Crowdwork auseinanderzusetzen gehabt, allerdings ist der OGH schon seit Jahren mit Fragen der (Re-)Qualifikation von Scheinselbständigen[35]Interessant in diesem Zusammenhang die kartellrechtliche Freistellung für kollektivvertragliche Regelungen zugunsten Scheinselbstständiger niederländischer AushilfsmusikerInnen durch den EuGH C-413/13, Mair, ZAS 2015, 281. befasst und hat dazu Kriterien entwickelt, die auch in unserem Fall des virtuellen Crowdwork zur Anwendung kommen können.[36]So zuletzt zum generellen Vertretungsrecht VwGH 14.10.2015, 2013/08/0226; 19.10.2015, 2013/08/0185; zur sanktionslosen Ablehnung: VwGH 01.10.2015, Ro 2015/08/0020; 17.12.2015, 2013/08/0222; zur Prüfung anhand vertraglicher Vereinbarungen: VwGH 18.08.2015, 2013/08/0121 und zur Pflichtversicherung trotz Gewerbeberechtigung: VwGH 02.09.2015, RA 201/08/0078 vgl auch Tomandl, Die Rechtsprechung des VwGH zum Dienstnehmerbegriff mwN. Dabei können auch US-amerikanische Entscheidungen unterstützen, die sich bereits mit diesem Thema beschäftigt haben.

4.1. Der kalifornische Fall „CrowdFlower“

Spezifisch zum Thema Crowdwork hat die kalifornische Sammelklage mehrerer CrowdworkerInnen, Christopher Otey et al gegen CrowdFlower[37]http://cases.justia.com/federal/district-courts/california/candce/3:2012cv05524/260287/226/0.pdf?ts=1435915507 (05.10.2016)., einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt, mit der ein Bundesrichter am 02.07.2015 einen modifizierten Vergleich über 585.507 US-Dollar genehmigte. Die Klage war auf nicht gezahlten Mindestlohn gerichtet, der nach dem Fair Labor Standards Act (FLSA) eigentlich zugestanden wäre. Der FLSA schützt allerdings nur „employees“ (ArbeitnehmerInnen) und nicht „independent contractors“ (Selbständige). [38]Schröder/ Schwemmle, Gute Arbeit in der Crowd? http://www.input-consulting.com/download/end_Schroeder-Schwemmle_Jahrbuch.pdf (05.10.2016).

Die Argumente der klagenden CrowdworkerInnen waren folgende: Die CrowdworkerInnen der Plattform CrowdFlower seien für dieses Unternehmen gleichermaßen essentiell wie die ArbeitnehmerInnen für andere Unternehmen. Es wurde zwar zugestanden, dass die einzelnen Zuordnungskriterien keine vollkommen eindeutige Zuordnung zulassen, in dem Sinn, dass nicht nur für die eine oder nur für die andere Kategorie Kriterien vorlägen. Die gesamte Kontrolle über den Arbeitsprozess läge jedoch beim Unternehmen. Die Ähnlichkeit zum Arbeitsverhältnis läge darin, dass das Unternehmen die Erfolgsraten der einzelnen CrowdworkerInnen messen und nachverfolgen sowie Feedback geben könne. Es könne sie aber auch von bestimmten Arbeiten ausschließen. Dies alles habe Ähnlichkeit mit einem Arbeitsverhältnis.

Die Argumente des Plattform-Unternehmens waren insbesondere, dass die Personen, die auf der Plattform tasks abarbeiten, nicht als ArbeitnehmerInnen betrachtet werden können, weil weder deren zeitlicher Aufwand noch die lose Beziehung für ein Arbeitsverhältnis spreche. Die klagenden CrowdworkerInnen hätten in zwei Jahren weniger als 20 Stunden Aufgaben für das Unternehmen bearbeitet und in diesem Zeitraum auch Aufträge für viele andere AuftraggeberInnen erledigt. Es sei auch keine für ein Arbeitsverhältnis typische Beziehung zwischen den CrowdworkerInnen und dem Plattform-Unternehmen entstanden. Man habe sich nie getroffen, kenne die Namen der CrowdworkerInnen nicht und es fehle jegliche Kontrolle über sie. CrowdworkerInnen können frei entscheiden, wo, wann und für welche Projekte sie arbeiten wollen.

Die vergleichsweise Erledigung dieses Rechtsstreites hat zwar den CrowdworkerInnen Entgeltnachzahlungen gebracht, aber keine Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen.

4.2. Österreichisches Recht

4.2.1. Die VertragspartnerInnen

Zunächst ist die Frage zu klären, wer bei der Arbeit auf clickworker die VertragspartnerInnen sind. Grundsätzlich handelt es sich bei dieser Plattformarbeit um ein dreipersonales Verhältnis, weil einerseits die Plattform Aufgaben erledigt bzw erledigen lässt, die KundInnen beauftragen, und zum anderen bedient man sich bei der Aufgabenerledigung einer Crowd (der ClickworkerInnen), der die in kleine Einheiten zerlegten Aufgaben zur Bearbeitung angeboten werden. In einem zweiten Segment stellen KundInnen kleinere Aufgaben unmittelbar auf den „Self-Service-Marktplatz“ der Homepage, die ebenfalls von ClickworkerInnen abgearbeitet werden können. Siehe dazu Abschnitt „Die VertragspartnerInnen“.

Für das erste Segment, in dem clickworker ClickworkerInnen KundInnen-Aufträge zur Bearbeitung anbietet, nachdem der Antrag auf ein Benutzerkonto anerkannt wurde, und der/die ClickworkerIn von einem/einer clickworker-MitarbeiterIn als geeignet bewertet worden ist, dürfte die Einordnung als zweipersonales Vertragsverhältnis zwischen clickworker und ClickworkerInnen klar sein.

Es gibt zwischen KundInnen und ClickworkerInnen keinerlei Kommunikation. Das Arbeitsergebnis wird auf der Plattform und für diese nach den von ihr aufgestellten Bedingungen erbracht. Dort erfolgt die Qualitätskontrolle durch von clickworker ausgewählte MitarbeiterInnen und – bei bedingungskonformer Erbringung der Leistung – die Bezahlung. Auch die AGB schließen eine direkte Vertragsbeziehung zwischen KundInnen und ClickworkerInnen aus.

Damit es zu einem direkten Vertragsverhältnis zwischen den CrowdworkerInnen (ClickworkerInnen) und den CrowdsourcerInnen (KundInnen) kommt, ist es wesentlich, dass die Plattform, über die in der Regel alle Kommunikation abgewickelt wird, in jeder Phase der Transaktion als Vertreterin des Crowdsourcers/der Crowdsourcerin auftritt und nach außen hin in dessen/deren Namen und Rechnung handelt.[39]Risak, What’s law got to do with it? in Kurswechsel 2/2016, 36.

Ein solch unmittelbares Vertragsverhältnis zwischen KundInnen und ClickworkerInnen, bei dem die Plattform nur vermittelt, wäre grundsätzlich im zweiten Segment denkbar, in dem kleinere Texterstellungs-Jobs oder Umfragen selbständig auf den Self-Service-Marktplatz gestellt werden. Da aber die Plattform clickworker auch in diesen Fällen die gesamte Abwicklung der Aufgaben über den Workflow der Plattform übernimmt, kommt meines Erachtens auch hier der Vertrag zwischen clickworker und den ClickworkerInnen zustande.

Geht man hingegen von unklaren Beziehungen zwischen den Beteiligten aus, überzeugen die Überlegungen von Prassl und Risak zur Triangulierung und Atomisierung von Vertragsverhältnissen. [40]Prassl/Risak, Uber, Taskrabbit&Co, Platforms as employers? Rethinking the legal analysis of Crowdwork, in Comparative Labor Law & Policy Journal, Vol 37/ 3 (2016) 619 ff. Dem Risiko, dass durch solche Konstruktionen willkürlich der Schutz des Arbeitsvertragsrechts ausgehebelt werden kann, kann ein funktionales Konzept des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin begegnen, das danach fragt, wer die fünf von Prassl [41]The Concept of the Employer (2015). herausgearbeiteten ArbeitgeberInnenfunktionen erfüllt. Angewendet auf den vorliegenden Sachverhalt bedeutet dies:

  1. Begründung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses: Diese Funktion wird von clickworker erfüllt, da die Plattform das BenutzerInnenkonto einrichtet (§ 2 AGB) und beendet (§ 2.7 AGB) sowie steuert, welche Aufträge auf dem Workplace angezeigt werden (§ 3 AGB);
  2. Recht auf Arbeit, dh auf Leistungserbringung und deren Ergebnisse: Auch diese Funktion liegt klar bei clickworker, da in § 5 der AGB ein Recht an Projektergebnissen konstatiert wird und zwar ein zeitlich, räumlich und inhaltlich unbeschränktes Nutzungsrecht für sämtliche Rechte an der für clickworker erbrachten Leistung;
  3. Bereitstellung von Arbeit und Bezahlung des Arbeitsentgelts: Auch diese Funktionen übt die Plattform clickworker aus, indem dort unter den von clickworker vorgeschriebenen Konditionen „zum Angebot eingeladen“ (§ 3.1 AGB), keine Abnahme von Leistungen der ClickworkerInnen garantiert (§ 3.2 AGB) und erst ab einem Guthaben von 10,- Euro Entgelt ausbezahlt wird (§ 4.2 AGB);
  4. Management des unternehmensinternen Markts im Sinne der Koordination und Kontrolle aller Produktionsfaktoren, einschließlich der Möglichkeit zu bestimmen, welche Leistungen wie zu erbringen sind: Da clickworker die Plattform und den dortigen Workflow konfiguriert hat, KundInnenaufgaben in der Regel in kleinere Aufgabeneinheiten aufspaltet und alle Arbeiten auf dieser Plattform und im dortigen Workflow abgearbeitet werden müssen, um bei Beurteilung der erbrachten Leistungen als qualitativ entsprechend und fristgerecht zu einer Entlohnung zu führen, ist auch in diesem Punkt nicht an der ArbeitgeberInnenfunktion von clickworker zu zweifeln;
  5. Management des unternehmensexternen Markts, dh die wirtschaftliche Leitung des Unternehmens und die Tragung des unternehmerischen Risikos: Die wirtschaftliche Leitung des Unternehmens liegt bei clickworker laut Impressum auf der Homepage bei der Geschäftsführung der Plattform. Das unternehmerische Risiko ist allerdings zu einem erheblichen Teil auf die ClickworkerInnen überwälzt.

Das bedeutet, dass clickworker alle Steuerungsfunktionen innehat und die ClickworkerInnen lediglich das Risiko tragen sollen. In Anbetracht der Tatsache, dass in dem in diesem Kapitel bearbeiteten Segment der Fokus auf dem Microjob-Segment liegt, kann man meiner Meinung nach davon ausgehen, dass es sich bei diesem Beschäftigtenkreis um Personen handelt, die ihre Arbeitskraft verkaufen und daher so schützenswert sind, wie ArbeitnehmerInnen durch das Arbeitsrecht. Von den beiden von Prassl und Risak vorgeschlagenen Lösungsansätzen – Ausweitung des Geltungsbereiches Arbeitsrechts auch für diese Gruppe oder Einführung einer Zwischenkategorie – spricht meiner Meinung nach viel für die Ausweitung des Geltungsbereiches, da keine substanziellen Unterschiede zwischen „echten“ ArbeitnehmerInnen und diesen schutzwürdigen Beschäftigten bestehen, die ebenso wie jene ihre Arbeitskraft verkaufen müssen und auf die AGB und die Art der Abarbeitung der Aufgaben – außer, dass sie zwischen Zuhause, einem Internetcafé oÄ wählen können, wo sie „am liebsten“ arbeiten möchten – so gut wie keinen Einfluss haben.

4.2.2. Werkvertrag oder Dienstvertrag?

Grundsätzlich können die meisten Tätigkeiten an sich sowohl im Rahmen eines Arbeitsvertrags (eines freien Dienstvertrags) als auch eines Werkvertrags erbracht werden. Lange Zeit galten geringer qualifizierte Tätigkeiten im Zweifel als im Rahmen eines Arbeitsvertrags erbracht.[42]Rebhahn in ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz 77. Die Entwicklungen im Bereich der Ein-Personen-Unternehmen zeigen zumindest faktisch eine andere Entwicklung. Jedenfalls kommt es bei der Beurteilung, ob es sich um einen Arbeitsvertrag handelt, darauf an, ob bei der Ausübung der Tätigkeit die Selbstbestimmung der Arbeitenden gemindert oder ausgeschlossen wird.

Nach § 1151 ABGB liegt ein Werkvertrag immer dann vor, wenn jemand die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt. Dabei sind vor allem zwei Aspekte von besonderer Bedeutung: (1.) die Selbständigkeit und (2.) die Erfolgsverbindlichkeit.[43]Rebhahn in ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz 135.

Für einen Arbeitsvertrag ebenso wie für einen freien Dienstvertrag wird hingegen eine Dienstleistung auf eine gewisse Zeit verlangt, dh es wird eine gattungsmäßig umschriebene Leistung wiederkehrend erbracht. ArbeitnehmerInnen schulden deshalb auch nur sorgfältiges Bemühen, nicht aber einen Erfolg. [44]Rebhahn in ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz 135. Der Unterschied zwischen Erfolgs- und Sorgfaltsverbindlichkeit zeigt sich beim Umstand, der den Entgeltanspruch auslöst. Beim Werkvertrag ist es das Erbringen und Gelingen des Werkes, beim Arbeitsvertrag und freien Dienstvertrag ist es grundsätzlich das sorgfältige Leisten und unter Umständen sogar das bloße Anbieten der geschuldeten Dienste.[45]Rebhahn in ZellKomm² § 1151 ABGB Rz 75.

In der Folge wird das Arbeiten auf clickworker dahin untersucht, ob ein Ziel- oder ein Dauerschuldverhältnis vorliegt und ob im Falle eines Dauerschuldverhältnisses die Leistung in persönlicher Abhängigkeit erfolgt.

4.2.3. Ziel- oder Dauerschuldverhältnis?

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob es im vorliegenden Vertragsverhältnis nur auf das Ergebnis ankommt oder ob der Prozess dahin wichtig ist. Bei Zielschuldverhältnissen, die zB durch Abschluss eines Werkvertrages intendiert sind, findet ein einmaliger Leistungsaustausch statt, dessen Umfang bei Vertragsabschluss bereits feststeht und mit der Erfüllung endet.[46]Barta, Online-Lehrbuch Zivilrecht, https://www.uibk.ac.at/zivilrecht/buch/kap6_0.xml?section-view=true;section=4 (24.01.2016).

Hingegen ist der Leistungsaustausch beim Dauerschuldverhältnis, das zB mittels Arbeitsvertrag vermittelt wird, auf Dauer oder zumindest längere Zeit angelegt. Bei dieser Vertragsform werden immer neue Aufgaben gestellt und erledigt. Arbeitsvertrag und freier Dienstvertrag können allerdings auch nur für ganz kurze Zeit abgeschlossen werden, unter Umständen auch nur für Stunden oder einen Tag.[47]Rebhahn in ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz 77a. Bei dieser Vertragsform muss ein Ende gesetzt werden.

Vorderhand lassen die AGB und FAQ-Antworten auf der clickworker-Homepage ein Bild entstehen, das für ein Zielschuldverhältnis spricht. Die Architektur des Crowdwork hat den Microjob im Auge, der angeboten wird und angenommen werden kann – oder auch nicht. Wird der Microjob von einem/einer CrowdworkerIn angenommen, kommt in der Regel ein Vertrag zustande, wenn nicht, dann eben nicht.

Wenn CrowdworkerInnen nur wenige Aufträge annehmen (können), bekommen sie in der Folge jedoch keine interessanten oder lukrativeren Aufträge mehr in ihre Aufgabenbox gestellt – für Plattform und KundInnen ideal. Die Situation der Beschäftigten bleibt bei dieser Betrachtungsweise allerdings völlig außer Acht.

Aus der Perspektive der Beschäftigten wirkt sich diese Einfachheit und Belastungsfreiheit für Plattform und KundInnen umgekehrt proportional aus. Je weniger Aufträge, desto schneller müssen CrowdworkerInnen um diese „rennen“ – was in der digitalen Welt bedeutet: ständig vor dem Bildschirm sitzen und möglichst alles, was bereitgestellt wird, annehmen. Um also für clickworker ins „Geschäft“ zu kommen, zählt nicht die Abarbeitung eines einzelnen Microjobs, sondern die Summe der im Sinne der Plattform bzw deren KundInnen abgearbeiteten Einzelaufträge.

In diesem Sinne ist meiner Meinung nach Crowdwork sehr wohl auf eine Dauerverpflichtung der CrowdworkerInnen ausgerichtet.

4.2.4. Persönliche Abhängigkeit

Im Falle eines Dauerschuldverhältnisses ist zu fragen, ob die Arbeit in persönlicher Abhängigkeit geleistet wird oder nicht, dh dass sie hinsichtlich der Arbeitsleistung selbständig ist.

Freilich bedeutet Selbständigkeit niemals vollkommen freie Gestaltung, denn jede Verpflichtung zur Arbeitsleistung bringt eine gewisse Abhängigkeit mit sich. Gleichwohl lässt sich nicht leugnen, dass Art und Weise dieser Abhängigkeit sehr verschieden sind, dass der/die unselbständige ArbeitnehmerIn in ganz anderer Weise abhängig ist als der/die selbstständige UnternehmerIn.[48]Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts7 (1963), 3 f.

Macht der Vertrag das gesamte oder auch das wesentliche Entgelt vom Erreichen eines Erfolgs abhängig, so ist dies ein Indiz gegen einen Arbeitsvertrag, allerdings schließt es das Vorliegen eines Arbeitsvertrags nicht aus, falls die Elemente, die für persönliche Abhängigkeit sprechen, insgesamt überwiegen.[49]OGH 4 Ob 124/79, DRdA 1982, 207 (Rabofsky).

4.2.5. Elemente persönlicher Abhängigkeit

4.2.5.1. Vertretungsmöglichkeit

Persönliche Abhängigkeit zeigt sich unter anderem darin, dass die Arbeit persönlich zu erbringen ist und Vertretung nicht zugelassen wird[50]OGH 4 Ob 116/84, DRdA 1986/23 (Csebrenyak); 26.06.1997, 8 ObA 2158/96b; 8 Ob A 26/99b, Arb 11.901; ua..

Die Geschäftsbeziehung mit clickworker lässt keine Vertretung zu. In § 3.2 Abs 3 AGB wird ClickworkerInnen mit Unterlassungs- und Schadenersatzansprüchen gedroht, falls sie Dritten Einsicht in Daten und Projektbeschreibungen geben, die zur Abarbeitung eines Projektes übermittelt werden. Das schließt jegliche Möglichkeit einer Vertretung bei der Leistungserbringung aus.

Darüber hinaus ist die Vertretungsklausel in den FAQ nur in Zusammenhang mit Familienmitgliedern angesprochen. Die Frage, ob mehrere Mitglieder desselben Haushalts auf clickworker aktiv sein dürfen, wird dahingehend beantwortet, dass diese Berechtigung auf drei Mitglieder beschränkt ist, um Betrugsversuche zu minimieren. Werden mehr Benutzerkonten gefunden, die eindeutig einem Haushalt zuordenbar sind, werden diese dauerhaft geschlossen. Clickworker gibt damit implizit zu erkennen, dass die Auftragsabarbeitung eindeutig einzelnen Personen und deren Benutzerkonto zuordenbar sein soll.

4.2.5.2. Ablehnungsmöglichkeit

Relevant für die Frage, ob persönliche Abhängigkeit vorliegt, ist der Umstand, ob Arbeitende tatsächlich frei in der Annahme von Arbeitsaufträgen sind. Das ist zB der Fall, wenn vergleichbare Arbeitende – aus einem Pool – wiederholt Arbeitsanfragen ablehnen und gleichwohl weiter angefragt werden.[51]Rebhahn in ZellKomm² § 1151 ABGB, Rz 96a, 141 f; OGH 8 Ob A 15/98h, DRdA 1999/44 (Krapf); 04.09.2002, 9 ObA 89/02g. Der Umstand, dass zwischen zwei befristeten Arbeitsverträgen ein zeitlicher Abstand liegt, schließt die Beurteilung der aneinandergereihten Verträge als einheitliches Arbeitsverhältnis nicht aus, wenn sich der Sache nach der zweite Vertrag (oder die folgenden Verträge) als Fortsetzung des (der) vorangegangen erweisen, zuletzt OGH 8 Ob A 13/14s, infas 2014, A 79.

Zwar ist in den AGB und den FAQ immer wieder darauf hingewiesen, dass die Erbringung der Leistung völlig freiwillig ist und Aufträge, die auf dem Benutzerkonto erscheinen, nicht abgearbeitet werden müssen bzw abgelehnt werden können.[52]Die Ablehnungsklausel ist allerdings nur beachtlich, wenn das Ablehnungsrecht tatsächlich genutzt wird oder bei objektiver Betrachtung zu erwarten ist, dass eine solche Nutzung erfolgt (OGH 8 Ob A 86/03k, infas 2004, A 24). Es wird in den FAQ aber auch darauf hingewiesen, dass es bei einer „geringen Anzahl von erfüllten Aufträgen“ und bei „Nichterfüllung einzelner Aufträge“[53]Gemeint ist wohl, dass die auf BenutzerInnenkonto/Workplace/Arbeitsplatz zugeteilten Aufgaben nicht abgearbeitet werden – von Einladung zum Angebot der Abarbeitung ist hier keine Rede. passieren könne, dass in der Folge keine Aufträge mehr zur Bearbeitung auf das BenutzerInnenkonto gestellt werden.

Jedenfalls sind in Bewertungsplattformen zu clickworker in einigen Kommentaren Inkongruenzen mit dem zugesicherten Ablehnungsrecht zu erkennen:

„Dann gibt es Rechercheaufträge, aber mir waren unter den ersten ca. zehn zwei begegnet über Firmen, die gar nicht existieren – da waren Adressen aus irgendwelchen Anschriftenverzeichnissen vorgegeben, hinter denen gar keine Firmen aus dem betreffenden Tätigkeitsgebiet standen. Man kann solche Aufgaben straffrei überspringen, aber bis man sich darüber im Klaren ist, dass es da eben nichts zu schreiben gibt, ist die Zeit weit überzogen, die man bräuchte, um auf einen merkbaren Stundenlohn zu kommen.“[54]Kommentar von malocher am 29.06.10, http://www.urbia.de/archiv/forum/th-2684130/clickworker-com-hat-jemand-erfahrung.html (12.10.2016). „Insgesamt fand ich die Auswahl an Aufgaben zu klein…“[55]Kommentar von Teberian, 22.05.2015 http://www.geldthemen.de/forum/paidmailer-paid4click-und-bonusportale-f33/clickworkercom-erfahrungen-t5930.html (12.10.2016).

Da die Kriterien für die Zurverfügungstellung von Aufträgen auf dem BenutzerInnenkonto wie auch deren Vorenthaltung nicht offengelegt werden, ist meines Erachtens eine Unternehmensstrategie denkbar, ClickworkerInnen zunächst eher wenige Aufträge zu geben, um sie zur schnellen Abarbeitung zu motivieren und in der Folge jene ClickworkerInnen mit mehr Aufträgen auszustatten, die diese schnell abarbeiten. Hinter einer solchen Strategie stünde dann sehr wohl eine Absicht, ClickworkerInnen nicht nur zu einer Mindestarbeitsleistung zu motivieren, sondern auch massiven ökonomischen Druck dahingehend auszuüben, dass ein gewisses Arbeitspensum zu absolvieren ist, um weiterhin an Aufträge zu kommen. Dies spricht gegen die Vorstellung von einem gleichberechtigten Gegenüber, das frei ist, sich für einen Besuch auf der Plattform und der Stellung von Angeboten zu entscheiden.

4.2.5.3 Arbeitsort

Wesentlich für die Fremdbestimmung bei der Arbeit ist auch die Bestimmung und Kontrolle über den Arbeitsort.[56]„Zielortreiseleiterentscheidung“ OGH 14 Ob A 46/87, Arb 10.697; Rebhahn in ZellKomm2 § 1151 ABGB, Rz 64. Allerdings kann sich ein Arbeitsort auch beim Arbeitsvertrag schon aus den Sacherfordernissen (notwendiger Leistungsort) ergeben und daher auch bei Werkvertrag und freiem Dienstvertrag keine diesbezügliche Freiheit vorliegen (zB ist ein Haus auf einem bestimmten Grundstück zu bauen). Somit ist dessen Bedeutung – wie auch jene der anderen Elemente – eine relative.

Auch die Wohnung der ArbeitnehmerInnen kann vereinbarter Arbeitsort sein. Insbesondere im Zusammenhang mit virtueller internetbasierter Arbeit ist eine dortige Leistungserbringung auch durch das Einloggen überprüfbar. Freilich kann dabei auch eine freie Wahl des Arbeitsortes vereinbart sein. Ebenso ist die Pflicht zur Teilnahme an bestimmten Sitzungen (zB Redaktionskonferenzen) ein Indiz für einen Arbeitsvertrag.[57]Rebhahn, in ZellKomm² § 1151 ABGB, Rz 103, 146. Das Fehlen der genannten Pflichten spricht daher (falls es überhaupt einen vorherbestimmten Arbeitsort gibt) gegen einen Arbeitsvertrag. Insbesondere bei Arbeitenden, die vorwiegend mit dem Computer arbeiten und über diesen mit der Arbeitsorganisation des Vertragspartners/der Vertragspartnerin kommunizieren, verliert der konkrete Arbeitsplatz zunehmend an Bedeutung. Dies spricht aber nicht jedenfalls gegen einen Arbeitsvertrag.[58]OGH 9 Ob A 88/97, DRdA 1998/16 (Hoyer); vgl OGH 9 ObA 219/89, infas 1990, A 26; 9 ObA 108/88, infas 1989, A 3; Rebhahn in ZellKomm² § 1151 ABGB Rz 103, 146; grundlegend OGH 4 Ob 39/70, Arb 8764 – Werbefilm.

Im Zusammenhang mit dem plattformbasierten Arbeiten wie es auch bei clickworker stattfindet, liegt neben dem physischen Arbeitsort auch ein virtueller vor. Dies ist der virtuelle Raum, in dem die Arbeit verrichtet wird, nämlich das Interface, das zum Abarbeiten der Microjobs zu benutzen ist, und der von Seiten der Plattform vorgegeben wird. Es ist ja nicht so, dass die ClickworkerInnen ein Dokument herunterladen können, dieses offline an ihrem Computer bearbeiten und dann wieder hochladen – sie arbeiten vielmehr online auf der Oberfläche der Plattform und somit an einem vorgegebenen virtuellen Arbeitsplatz, der Kontrollmöglichkeiten bietet, die über jene an einem physischen Arbeitsplatz bisweilen weit hinausgehen. Dies spiegelt sich auch in der Terminologie von clickworker wieder, wo von einem „Workplace“ (zu Deutsch eben einem Arbeitsplatz) die Rede ist. Damit erscheint der Umstand, dass ein bestimmter Platz im Internet aufzusuchen ist, dessen workflow vollkommen fremdbestimmt ist, der Bindung an einen physischen Ort gleichwertig und bietet meiner Meinung nach so ein wesentliches Kriterium dafür, die Arbeit auf der Plattform als Arbeitsverhältnis anzusehen.

4.2.5.4. Arbeitszeit

Wesentlich für die Qualifikation eines Vertrages als Arbeitsvertrag ist auch die Frage nach der Fremdbestimmung hinsichtlich des Umfangs und der Lage der Arbeitszeit. Besteht hinsichtlich der Zeiteinteilung eine große Freiheit, die über jene bei der Gleitzeit nach § 4b AZG hinausgeht,[59]Dazu ausführlich Risak/Jöst/ David/Patka, Praxishandbuch Gleitzeit2 (2014). spricht das gegen einen Arbeitsvertrag. In erster Linie kommt es somit darauf an, dass Arbeitende nicht nur die Lage und das tägliche Arbeitsvolumen bei einer durchschnittlich zu erreichenden Arbeitszeit selbst festlegen können, was ja auch bei der Gleitzeit möglich wäre, sondern dass diese unter Umständen auf das Ausmaß der Arbeitszeit überhaupt einen wesentlichen Einfluss haben. Ohne eine konkrete umfangmäßig bestimmte Arbeitsverpflichtung kann nämlich kein Arbeitsvertrag vorliegen.[60]Vgl dazu Risak, Möglichkeiten der Arbeitszeit-Flexibilität für ArbeitgeberInnen, in Tomandl/Risak, Wie bewältigt das Recht moderne Formen der Arbeit? (2017) 60 ff. Dort werden die Hintergründe der Flexibilität beleuchtet und daraus Schlüsse hinsichtlich Gesamt- oder Einzelbetrachtung und hinsichtlich Einordnung als Arbeits- oder freier Dienstvertrag gezogen.

Arbeitsortungebundene Möglichkeiten, Arbeit zu erbringen, haben freilich den Fokus von der Anwesenheitskontrolle in Richtung der Kontrollmöglichkeit über technische Mittel und die Erwartungshaltung der ständigen Verfügbarkeit verschoben. Selbst eine Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit schließt die Zuordnung zu einem Arbeitsvertrag nicht aus, wenn die Dienstleistenden verpflichtet werden, ihre Arbeitskraft innerhalb des zur Verfügung gestellten Rahmens einzusetzen oder zur Verfügung zu stellen.[61]Risak, Vertrauensarbeitszeit – ein nach dem AZG gangbares Arbeitszeitmodell?, ecolex 2005, 888. Daher kann die erforderliche arbeitszeitliche Bindung auch dann vorliegen, wenn der Vertrag nur die ungefähre Dauer angibt und die genaue Dauer sich aus der Erledigung der Arbeitsaufgabe ergibt.

Die Abarbeitung einzelner Aufgaben, die über eine Plattform vergeben werden (der Microjobs), kann punktuell und in kurzer Dauer erfolgen. Ebenso sind Formen der stunden-, tage-, wochen- und monatelangen Abarbeitung immer neuer Aufgaben auf der gleichen oder auf verschiedenen Plattformen vorstellbar. Dabei stellt sich die Frage, wie viele übernommene Aufgaben zusammenzurechnen sind und ob Suchzeiten zur Auftragsbearbeitung gehören.

Clickworker schließt für sich gemäß § 3.2 AGB eine Verpflichtung zur Abnahme der Leistung von ClickworkerInnen aus, wenn diese „nicht den Konditionen entspricht, die in der Projektbeschreibung angegeben sind, und somit mangelhaft“ ist. Insbesondere wird eine Überschreitung der zu ihrer Abarbeitung vorgegebenen Zeit als Mangel festgeschrieben. Fragwürdig ist eine solche Konstruktion dann, wenn die Nichteinhaltung vorgegebener Zeit in jedem Fall den ClickworkerInnen angerechnet wird.

Wäre es ein echter Werkvertrag, handelte es sich um ein Fixgeschäft, bei dem die Einhaltung des Ablieferungsdatums essentiell wäre. Bei einem derartigen Vertrag könnten ClickworkerInnen aber die Art und Weise, wie sie das Werk erstellen, selbst bestimmen. Im Falle der Plattformarbeit ist jedoch nicht in erster Linie der Ablieferungstermin im Vordergrund, sondern das Zeitausmaß, das für die Aufgabenerledigung zur Verfügung steht. Wird ein Auftrag angeklickt, beginnt die Zeit zu laufen – die ClickworkerInnen sind hier im Hinblick auf Ausmaß und Lage der Arbeitszeit gar nicht mehr frei. Außerdem können sie die weiteren Bedingungen, unter denen die Aufgaben abgearbeitet werden, nicht selbst bestimmen. ClickworkerInnen sind davon abhängig, dass es keine Netzabstürze gibt, dass der Server der Plattform nicht langsamer arbeitet, als die geistige Leistung erbracht werden kann, dass die Aufgabenstellungen keine Fehler enthalten etc.[62]http://www.urbia.de/archiv/forum/th-2684130/clickworker-com-hat-jemand-erfahrung.html (12.10.2016).

Außerdem gibt es darüber hinaus einige Hinweise dafür, dass, wer sich wirklich nach freiem Gutdünken auf der Plattform bewegt und damit vermutlich der Plattformbetreiberin oder ihren MitarbeiterInnen, die die Aufträge verteilen, signalisiert, dass er/sie die Freiwilligkeit ernst nimmt und wirklich nur Zuverdienst im Auge hat und sich längere Plattformbesuchspausen oder Freiheit bei in der Abarbeitung herausnimmt, keine, sehr wenige und/oder weniger „attraktive“ Aufträge zugeteilt bekommt, sowohl was die Bezahlung als auch die Komplexität des Inhaltes betrifft.[63]Die meisten Kommentare auf Bewertungsplattformen berichten über Schwierigkeiten mit clickworker, insbesondere ein angemessenes Entgelt zu erhalten, dh es geht nicht nur um ein lockeres „Zuverdienst“, sondern um „Stundenlohn“. Da clickworker einen durchschnittlichen Erlös von 9,50 Euro pro Stunde in Aussicht stellt (vgl Kommentar von malocher am 29.06.10, http://www.urbia.de/archiv/forum/th-2684130/clickworker-com-hat-jemand-erfahrung.html [12.10.2016]), wird auf diese Größenordnung häufig Bezug genommen. Die positiven Meldungen scheinen von ClickworkerInnen zu stammen, die ClickworkerInnen werben – das ist zB explizit ersichtlich bei WurstOnAir, am 22.5.2015 http://www.geldthemen.de/forum/paidmailer-paid4click-und-bonusportale-f33/clickworkercom-erfahrungen-t5930.html (10.11.2016) , der ersucht, einen bestimmten Link zu wählen, um auf Clickworker zuzugreifen.

Zumindest ein Kommentar auf einer Bewertungsplattform sprach sich positiv über die freie Arbeitszeiteinteilung aus. Einschränkend wird erwähnt, dass „nach der Auftragsannahme selbstverständlich die Abgabefristen einzuhalten sind. Grundsätzlich war das Arbeiten rund um die Uhr möglich“. [64]Bewertung 3 vom 19.08.2014 http://www.erfahrungen.com/mit/clickworker-com/ (12.10.2016).

4.2.6. Ergebnis

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die überprüften Kriterien der persönlichen Abhängigkeit (keine Vertretungsmöglichkeit, sehr beschränkte Ablehnungsmöglichkeit, Bindung an den virtuellen Ort, Kontrollmöglichkeit über das Einloggen auf der Plattform, die Beobachtungsmöglichkeit des Arbeitens auf der Plattform, die Beurteilung der Arbeit mittels Rating, Verpflichtung zur Einhaltung des vorgegebenen workflow und begrenzte Arbeitszeitgestaltungsmöglichkeit) in Kombination mit den Machtungleichgewichten in der Vertragsaushandlung meines Erachtens gegenüber den Elementen der Selbständigkeit (Vertretungsmöglichkeit durch Familienmitglieder, Ablehnung von Aufträgen führt zu Angebotsreduktion, keine Einbindung in eine betriebliche Organisation und begrenzte Gestaltungsmöglichkeiten bezüglich Ort, Zeit und Art der Auftragserledigung, Benutzung des eigenen PC) deutlich überwiegen und deshalb davon ausgegangen werden kann, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt.

4.3. Folgefragen bei der Annahme eines Arbeitsverhältnisses

Wenn diese Annahme zutrifft, müssen weitere Fragen der Einordnung des Vertragsverhältnisses geprüft werden, nämlich, ob hier die Abarbeitung der einzelnen Aufgabe jeweils ein einzelnes kurzes Vertragsverhältnis darstellt oder doch die Arbeitseinsätze als Ganzes zusammen betrachtet werden müssen.

4.3.1. Arbeit nach Konsensprinzip (bzw Arbeit auf Abruf)

Bei Arbeit nach Konsensprinzip liegt zumeist ein Rahmenvertrag vor, der Dienstleistende dazu verpflichtet, bei Bedarf konkrete Dienstleistungen zu erbringen. Über die konkrete Dienstleistung muss im Einzelfall Konsens erzielt werden.[65]Rebhahn in ZellKomm² § 1151 ABGB, Rz 86, 135 mwN.

Bei Rahmenverträgen, die AuftragnehmerInnen verpflichten, bei Bedarf der AuftraggeberInnen, konkrete Dienstleistungen zu erbringen, hängt es davon ab, ob die einzelnen Dienstleistungen rechtlich für sich allein bestehen können oder ob es zu einer „Verdichtung“ der einzelnen Dienstleistungen derart kommt, dass von einem einheitlichen, durchgehenden Rechtsverhältnis (insbesondere Arbeitsverhältnis) gesprochen werden kann. Die Verdichtung kann sich aufgrund der Regelmäßigkeit, der Häufigkeit, der Integration in den Betrieb, des Verpflichtungsgrades und des inneren Zusammenhangs der Dienstleistung ergeben.[66]OGH 8 Ob A 116/04y, DRdA 2005/33, 417 (B. Schwarz) = ZAS 2006/13, 78 (Schrank); Risak in Tomandl/Risak, Moderne Formen der Arbeit 66.

Offensichtlich beabsichtigt clickworker, in den AGB nahezulegen, dass hier Arbeit nach Konsensprinzip vorliegt, wonach Arbeitseinsätze nur geschuldet werden, wenn beide Parteien darüber später im Einzelfall Konsens erzielen.

In § 3.1 der AGB ist es den ClickworkerInnen grundsätzlich freigestellt, ob sie die Aufträge, die in ihr Benutzerkonto gestellt werden, abarbeiten wollen („Einladung zum Angebot“ seitens clickworker vs „Angebot zur Abarbeitung des Projektes“ seitens clickworker) und in § 3.2 AGB wird nochmals explizit ein „Erfüllungsanspruch von clickworker gegenüber dem Clickworker“ ausgeschlossen.

Im Unterschied zur Ablehnungsmöglichkeit besteht hier von vornherein keine Verpflichtung zu arbeiten. Die Rahmenabrede will ihrem Wortlaut nach nur die Rechtsfolgen regeln, falls es zu einem Konsens über einen einzelnen Arbeitseinsatz kommt. Bezahlt werden sollen nur die tatsächlichen Einsätze. Fraglich ist jedoch, ob „Arbeit nach Konsensprinzip“ stets einen Arbeitsvertrag ausschließt.

Falls bei der Durchführung der einzelnen Arbeitseinsätze die Elemente der Fremdbestimmung (Bindung an Ort, Zeit und/oder arbeitsbezogenes Verhalten) überwiegen, ist zu fragen, ob deshalb ungeachtet der Rahmenabrede ein durchgehender Arbeitsvertrag vorliegt, weil der Ausschluss der Arbeitspflicht nicht ausreichend ernst gemeint ist, oder die Kettenregel (dazu sogleich) eingreift.

Soweit das Weisungsrecht für die Abgrenzung relevant ist, kommt es primär auf die Befugnis zu Weisungen an und nicht auf das tatsächliche Ausüben dieses Rechts. Es genügt die „stille Autorität des Dienstgebers/der Dienstgeberin[67]Dies bedeutet, dass der/die Beschäftigte in einer Weise in die betriebliche Organisation eingebunden ist, dass ausdrückliche persönliche Weisungen und Kontrollen durch „stille Autorität“ substituiert werden. Hier spielt die Qualifikation des Dienstnehmers/der Dienstnehmerin bzw der von ihm/ihr ausgeübten Tätigkeit eine Rolle, weil sich – unabhängig vom Vorliegen konkreter sachlicher Weisungen – mit steigender Qualifikation in der Regel auch die fachliche bzw sachliche Entscheidungsbefugnis ständig erweitert. Qualifizierte sachliche Entscheidungsbefugnisse können einen gewissen Spielraum für eine eigenständige (unter Umständen auch unternehmerische) Gestaltung der Tätigkeiten eröffnen. Vgl Steiger, Geschäftsführer als freier Dienstnehmer nach § 4 Abs 4 ASVG, taxlex 3/2016, 79, zu VwGH 2013/08/0185 und taxlex 2/2015, 61.. Die fehlende Selbstbestimmung zeigt sich aber auch in einer Kontrollbefugnis des Vertragspartners/der Vertragspartnerin. Ein Vertragsverhältnis sollte meiner Meinung nach nur dann nicht als Arbeitsverhältnis qualifiziert werden, wenn der/die VertragspartnerIn zumindest den gleichen Freiheitsgrad und die gleichen Kapital- und Kreditmöglichkeiten, wie ein kleines Dienstleistungsunternehmen bei der Erbringung seiner Dienstleistung aufweist.[68]Welche Chancen und Risiken die Selbstbestimmung bei der Arbeitszeit enthalten, verdeutlicht Risak, Entgrenzte Arbeit: Wunsch, Alptraum oder arbeitsrechtliche Realität, DRdA 2015, 9.

Im Ergebnis liegt zwar dem Anschein nach keine durchgängige Arbeitsverpflichtung vor, aber zumindest ein Druck dadurch, dass nur bei regelmäßiger Arbeit gute Aufträge in den Workplace gestellt werden und daher von clickworker ein regelmäßiges Arbeiten intendiert ist.

4.3.2. Befristung oder durchgängiges Vertragsverhältnis?

Entscheidendes Charakteristikum der befristeten Arbeitsverträge ist, dass sie automatisch nach Ablauf der Befristung enden, ohne dass es einer Kündigung bedarf. In der Praxis werden befristete Arbeitsverhältnisse eher für kurze Zeit abgeschlossen. Eine Mindestdauer eines solchen befristeten Vertrages ist gesetzlich nicht festgeschrieben[69]Risak, ZAS 2015, 17.; deshalb ist zu prüfen, ob es sich beim Abarbeiten von Aufgaben (Microjobs) auf der Plattform um derartige befristete Dienstverhältnisse handelt.

Die einzelnen Microjobs, die in die Aufgabenbox der jeweiligen BenutzerInnenkonten gestellt werden, können meines Erachtens als derartige befristete Arbeitsverhältnisse angesehen werden, da die vertragliche Bindung – zumindest im Sinne der AGB – jedenfalls nach Abarbeitung des jeweiligen Jobs enden soll.

Da diese Vertragsgestaltung allerdings viele Nachteile für ArbeitnehmerInnen hat (kein Kündigungsschutz, keine Zusammenrechnung der Dienstzeiten für die von der Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängigen Ansprüche), vermutet die Rsp[70]OGH 8 Ob A 2347/96x, OGH 8 Ob A 277/01w, vgl auch Rebhahn in ZellKomm² § 1151, Rz 98, 142. im Falle einer mehrmaligen Befristung (sogenannte Kettenbefristung), dass Arbeitsverhältnisse nur zum Zweck der Umgehung von zwingenden Normen befristet abgeschlossen werden. Eine Aneinanderreihung von mehreren befristeten Arbeitsverhältnissen wird nur in den Fällen zugelassen, in denen wirtschaftliche oder soziale Gründe dies rechtfertigen.[71]Risak, Fallweise Beschäftigung als zulässige Kettenbefristung, DRdA 2014/34 zu OGH 8 Ob A 50/13f; vgl auch Mosing, Die fallweise Beschäftigung im Arbeits- und Sozialrecht, ZAS 2014, 244, und die Kriterien, die gegen ein durchgehendes Arbeitsverhältnis sprechen: Unregelmäßigkeit der Beschäftigung, sanktionslose Ablehnungsmöglichkeit und Vorschlagsrecht für Arbeitseinsätze arbeitnehmerseitig, wirtschaftliche Unabhängigkeit, längere Nichtbeschäftigungs- als Beschäftigungszeiten, keine Periodizität.
Diese Gründe können nicht generalisiert werden, sondern müssen in jedem einzelnen Fall geprüft werden.[72]Kletečka/Schauer, ABGB-ON § 1151, Rz 58 (19.10.2016). Für die Annahme eines durchgehenden Arbeitsvertrages ist jedenfalls eine gewisse Dichte der Arbeitseinsätze erforderlich.[73]Kletečka/Schauer, ABGB-ON § 1151, Rz 73 (19.10.2016).

Auch die EU-Richtlinie 1999/70/EG zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge[74]ABl L 175/43. verpflichtet die Mitgliedstaaten, jeglichen Missbrauch durch aufeinander folgende befristete Arbeitsverhältnisse zu verhindern. Nach österreichischem Recht sind daher Kettenarbeitsverträge ohne sachliche Begründung in Hinblick auf die vereinbarten Befristungen teilnichtig und daher als ein zusammenhängendes, unbefristetes Arbeitsverhältnis zu qualifizieren.

Handelt es sich um punktuelle Arbeitsverträge wie bereits untersucht wurde, ist somit zu prüfen, ob allenfalls eine sachliche Rechtfertigung für die Befristung vorliegt. Dies wäre dann der Fall, wenn der/die Arbeitende eine echte Wahlmöglichkeit haben will, wenn zB Studierende, PensionistInnen, behinderte Personen, Arbeitslose oder Personen, die ein anderweitiges Einkommen haben und ausschließlich fallweise ein Zusatzeinkommen anstreben, echte Wahlmöglichkeiten haben, wiederholt Arbeitsanfragen ablehnen können und gleichwohl weiter angefragt werden wollen. Wenn seitens der Plattform eine derartige Arbeitssituation (nicht nur laut AGB, sondern auch real) vorläge, könnte unter Umständen von wiederholt befristeten kurzen Arbeitsverhältnissen ausgegangen werden. Auch wirtschaftliche Gründe (zB zeitlich begrenzte Finanzierung einer Stelle aus Drittmitteln) können an sich eine sachliche Rechtfertigung darstellen. Die Überwälzung des typischen Unternehmerrisikos durch Aneinanderreihung befristeter Arbeitsverträge ist jedoch unzulässig.[75]Vgl Rebhahn in ZellKomm² § 1151 Rz 95.

Sind die Einzeleinsätze befristete Arbeitsverträge, so könnte allerdings auch – trotz einer beachtlichen Rahmenabrede[76] Vgl Friedrich, Rahmendienstvertrag und Arbeitszeit, ASoK 2006, 12. ohne Arbeitspflicht – ein durchgehender Arbeitsvertrag entstehen, wenn das wiederholte Befristen gegen das Verbot von Kettenarbeitsverträgen verstößt.[77]Rebhahn in ZellKomm² § 1151 ABGB Rz 98, 142.

Bei virtuellem Crowdwork werden Tätigkeiten häufig in Microtasks aufgespalten, die zumeist in extrem kurzen Zeiteinheiten abgewickelt werden können. Da viele Aufgaben allerdings nur ganz geringe Entgelthöhen versprechen, ist es sehr unwahrscheinlich, dass ClickworkerInnen sich nur für Minuten auf die Plattform begeben, um Cent- oder einstellige Eurobeträge zu erwirtschaften. Aber auch, wenn man davon ausgeht, dass es sich beim einzelnen Microjob um eine Befristung handelt, bleibt zu prüfen, ob die Aneinanderreihung einzelner, auf bestimmte Zeit abgeschlossener Arbeitsverträge im Einzelfall durch besondere soziale, wirtschaftliche bzw organisatorische oder technische Gründe gerechtfertigt ist, weil sonst die Gefahr der Umgehung zwingender, ArbeitnehmerInnen schützender Rechtsnormen durch ihre ArbeitgeberInnen und einer darin zum Ausdruck kommenden rechtsmissbräuchlichen Gestaltung von Arbeitsverträgen besteht.[78]OGH 8 Ob A 13/14s, infas 2014, A 79. Die Aneinanderreihung darf nicht zum Ziel haben, das (typische) UnternehmerInnenrisiko auf die ArbeitnehmerInnen zu überwälzen.[79]OGH 9 Ob A 118/14i, Arb 13.213 . Hängt die Beauftragung von den der Plattform erteilten Aufträgen ihrer KundInnen ab und richtet sich die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich am Bedarf der Plattform, zeigt sich darin, dass das Beschäftigungsrisiko auf die CrowdworkerInnen überwälzt wird.

Im Ergebnis kann man in der Abarbeitung einzelner Microjobs nur dann befristete Arbeitsverträge sehen, wenn sie punktuell erfolgen und die ClickworkerInnen selbst ein Interesse daran haben, sich ihrerseits nicht länger zu binden als für die Abarbeitung des jeweiligen Auftrags. Sobald aber die Abarbeitung von Aufträgen eine gewisse Dichte und Regelmäßigkeit erreicht und über längere Zeit erfolgt, – insbesondere auch dann, wenn mit dieser Art von Arbeit ein nicht unwesentlicher Teil des Lebensunterhalts ins Verdienen gebracht wird – muss meiner Meinung nach von einem durchgängigen Arbeitsverhältnis ausgegangen werden. Dies einerseits wegen der Aneinanderreihung von Aufträgen und andererseits, weil in diesem Fall keine sachlichen Rechtfertigungsgründe für eine schier endlose Kette von befristeten Microjobs erkennbar sind. Auch TelearbeitnehmerInnen erhalten eine Aufgabe nach der anderen über Telekommunikationsmittel und arbeiten sie über diese ab. Auch bei dieser Arbeitsform ist es für ArbeitgeberInnen möglich, einzuschätzen, wie viele ArbeitnehmerInnen sie mit welchem Arbeitszeitvolumen für die vorhandenen Aufträge beschäftigen können. Warum sollte man von PlattformbetreiberInnen nicht Ähnliches erwarten können? Es wäre dann Vereinbarungssache zwischen PlattformbetreiberInnen und ClickworkerInnen, die Arbeitszeitverpflichtung im Vorhinein festzulegen und um die für beide Seiten nötige Flexibilität der Abarbeitung bei den Aufträgen zu erreichen, könnte man sich des Arbeitszeitmodells „Gleitzeit ohne Kernzeit“ bedienen, weil dies innerhalb des Rahmens größtmögliche Zeitsouveränität gewährleistet. Die Beendigung einer solchen Vertragsbeziehung würde sich dann nach den einschlägigen kollektivvertraglichen Bestimmungen richten.

4.3.3. Arbeit auf Abruf

Unter Arbeit auf Abruf wird üblicherweise die Abrede verstanden, wonach sich jemand dazu verpflichtet, innerhalb einer Rahmenzeit auf Abruf des Vertragspartners/der Vertragspartnerin Arbeit zu leisten. Dabei soll nur geleistete Arbeit bezahlt werden, die Zeit des Zur-Verfügung-Stehens soll hingegen nicht honoriert werden. Damit verschieben die ArbeitgeberInnen das Risiko der unproduktiven Zeiten, dh dass gerade keine Arbeit da ist, auf die ArbeitnehmerInnen. Rechtlich wird das zumeist so konstruiert, dass keine Arbeitsverpflichtung bestehe und es ArbeitnehmerInnen freistehe Arbeitsangebote sanktionslos abzulehnen[80]Vgl Rebhahn in ZellKomm² § 1151 ABGB Rz 192, 182. bzw, wie im Fall von clickworker, dass ClickworkerInnen für einzelne Microjobs ihrerseits Arbeitsangebote machen. Fraglich ist bei diesen Konstruktionen immer, inwieweit die ArbeitnehmerInnen/ClickworkerInnen Arbeitsangebote tatsächlich sanktionslos ablehnen bzw inaktiv bleiben können.

Die Rsp erachtet gewisse Formen der Arbeit auf Abruf als unzulässig und zwar dann, wenn sowohl eine Mindesteinsatzzeit fehlt als auch Bereitschaftszeit nicht bezahlt wird.[81]Rebhahn in ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz 193. Dies wird aus den Materialien zu § 19c AZG[82]ErlAB 622 BlgNR 20. GP 7. abgeleitet, wo diese Arbeitsform explizit als unzulässig adressiert wird. Auch die abgeschwächte Variante, nämlich die Arbeit nach dem Konsensprinzip wurde als mit den Wertungen der §§ 19c und 19d AZG unvereinbar angesehen.[83]Rebhahn in ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz 194. Einerseits ist bei Teilzeitarbeit Erfordernis, dass Lage und Dauer der Arbeitszeit vereinbart werden, andererseits sind vertraglich vereinbarte Weisungsrechte der ArbeitgeberInnen hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit in § 19c Abs 2 bzw § 19d Abs 2 u 3 AZG eingeschränkt auf sachlich gerechtfertigte Änderungen und jene, die keine berechtigten Interessen der ArbeitnehmerInnen beeinträchtigen. Darüber hinaus müssen sie zwei Wochen im Vorhinein bekannt gegeben werden. Daraus leitete der OGH[84]OGH 8 Ob A 116/04y, DRdA 2005/33, 417 (B. Schwarz) = ZAS 2006/13, 78 (Schrank). in der richtungweisenden Entscheidung im Fall Peek & Cloppenburg ab, dass der Vertrag eine Mindesteinsatzzeit festlegen müsse. Werde eine solche nicht vereinbart, so ergäbe sich diese aus dem von dem/der ArbeitnehmerIn bei Vertragsabschluss zu erwartenden Arbeitszeitvolumen. Wurde Arbeit auf Abruf unzulässigerweise praktiziert, so gebührt eine angemessene – deutlich geringere – Entlohnung dafür, dass ArbeitnehmerInnen während der Bereitschaft bereit sein müssen, auf Abruf tätig zu werden.[85]Obereder/Trenner, Zuschläge zum Entgelt bei (teil)nichtigen Arbeitszeitvereinbarungen, ASoK 2005, 310. Dieser Ansatz dürfte aber wegen des mit BGBl I 2007/61 eingeführten Zuschlages für Mehrarbeit überholt sein.

Im Unterschied dazu besteht bei der vorher beschriebenen Rahmenabrede mit Vereinbarung für den Fall, dass man sich auf einzelne Arbeitsaufträge einigt, der rechtliche Unterschied darin, dass bei Arbeit auf Abruf unzweifelhaft die Pflicht zu leisten besteht, während diese bei Rahmenabreden grundsätzlich fehlt. Die Rahmenabrede begründet aber dann einen Arbeitsvertrag, wenn die Parteien dies wollen.[86]Rebhahn in ZellKomm² § 1151 ABGB, Rz 196, 182 f. Auch im Peek & Cloppenburg-Fall war im Vertrag eigentlich eine Rahmenabrede getroffen worden, obwohl das Arbeitszeitmodell „Arbeit nach Bedarf“ hieß, wurde explizit Rufbereitschaft ausgeschlossen. Jeder Arbeitseinsatz sollte im Einvernehmen vereinbart werden. Die gelebte Praxis war aber so gestaltet, dass die Arbeitgeberin von den ArbeitnehmerInnen erwartete, dass sie für Arbeitsaufträge zur Verfügung stehen.

Insofern steht und fällt die Beurteilung der Verträge auf clickworker mit der Einschätzung der gelebten Praxis, wie frei oder fremdbestimmt ClickworkerInnen wirklich sind, sobald sie ein Benutzerkonto eröffnet haben und sich ernsthaft für Aufträge interessiert und qualifiziert gezeigt haben. Dies kann aufgrund von fehlender Empirie hinsichtlich der tatsächlichen Praxis des Anbietens der Arbeitsaufträge über die einzelnen Workplaces nicht abschließend beurteilt werden. [87]Wegen des Fehlens von empirischen Daten über die Arbeitsrealitäten auf clickworker wäre dazu vertiefende Forschung wünschenswert.

Wenn sich dabei herausstellt, dass nur jene ClickworkerInnen regelmäßig mit Aufträgen versorgt werden, die häufig auf der Plattform aktiv sind, dann liegt eine Parallele zu den vom OGH[88]Rebhahn in ZellKomm, rdb, § 1151 ABGB Rz 92; VwGH 17.12.2002, 99/08/0008. bereits umschriebenen Arbeitskraft-Poollösungen nahe. Das Ablehnungsrecht bzw die Möglichkeit, inaktiv zu bleiben, ist demnach nicht mehr frei, wenn damit gerechnet werden muss, dass bei dessen Ausübung in Zukunft keine oder weniger Aufträge angeboten werden.

Clickworker würde in diesem Fall ja mit einer regelmäßigen Aktivität rechnen und ein Unterschreiten auch sanktionieren. Es läge dann ein durchgängiges Arbeitsverhältnis vor, bei dem das vereinbarte Arbeitszeitvolumen mit den einzelnen ClickworkerInnen in Summe dem Auftragsvolumen der KundInnen entspricht. Diesen Zeiteinsatz erwartet die Plattform ja auch und ebenso die KundInnen, die an einer schnellen Bearbeitung ihrer Aufträge interessiert sind.

4.3.4. Gleitzeit

Es bleibt allerdings fraglich, ob sich clickworker wirklich von einzelnen ClickworkerInnen ein gewisses Volumen an Arbeitszeit erwartet oder einfach die günstige Nachfragsituation gegenüber dieser Arbeitsform nutzt. Diese Frage ist wegen mangelnder Transparenz der Zuteilungen von Aufträgen relativ schwer aus der Perspektive der ClickworkerInnen zu beantworten. Allerdings sprechen Plausibilitätsargumente für die Annahme, dass ein gewisses Ausmaß an Arbeitszeit von ClickworkerInnen erwartet wird.

Clickworker erledigt nämlich für seine KundInnen Aufträge, die diese mit eigenem Personal nur schlechter, langsamer oder kostenintensiver erledigen könnten. Sowohl in Hinblick auf die Geschwindigkeit und die Kosten in Relation zur für die Abarbeitung benötigten Zeit, ist clickworker nur dann in der Lage, gegenüber der Selbstbearbeitung der KundInnen (bzw durch deren ArbeitnehmerInnen) zu reüssieren, wenn es gelingt, möglichst zeitnah eine gewisse Menge Arbeitseinsatz in gewünschter Qualität liefern zu können – und zwar verlässlich.

Da eine jederzeitige Kompensation von x Stunden Arbeitszeitausfall von n ClickworkerInnen exakt durch den y Stunden Arbeitszeiteinsatz von anderen o ClickworkerInnen notwendig ist[89]Die Summe der Arbeitsausfallzeiten und der Ersatzarbeitseinsatzzeiten müssen identisch sein (x=y), die Zahl der ClickworkerInnen, die ausfallen (n) kann von jener, die einspringen (o), differieren. In diesem Fall müssen dann die Zeiten für die einzelnen Microtasks ebenfalls differieren (also: x1n1 ≠ y1o1, x2n2 ≠ y2o2, x3n3 ≠ y3o3…)., werden – so meine Vermutung – automatisch den ClickworkerInnen, die die meiste Arbeitsbereitschaft (und entsprechende Qualifikation) aufweisen, die meisten Aufgaben auf das Benutzerkonto gestellt werden. Da auch die ClickworkerInnen von dieser Logik ausgehen werden, ist zu erwarten, dass die meisten, die darauf angewiesen sind, ihre Arbeitskraft im Netz zu verkaufen, auch versuchen, möglichst viele Microjobs abzuarbeiten. Daher kann meines Erachtens von einer entsprechenden Erwartungshaltung bei clickworker ausgegangen werden. Die Schwierigkeit wird bei diesem Geschäftsmodell darin liegen, die Erwartungshaltung zu quantifizieren und dann auf die einzelnen ClickworkerInnen herunterzubrechen. Dies wird vermutlich nur durch Quantifizierung des Arbeitszeitvolumens möglich sein, das zur Erfüllung der Aufträge der KundInnen erforderlich ist.

Dabei spielen darüber hinaus auch Kostenaspekte bei der BenutzerInnenkontowartung und Betreuung durch clickworker-MitarbeiterInnen eine wesentliche Rolle.

In der Folge stellt sich dann die Frage, ob es sich bei der flexibilisierten Arbeitszeitform auf der Plattform unter Umständen um eine Gleitzeitvereinbarung handeln könnte. Die Antwort auf diese Frage ist insofern von Bedeutung, als Gleitzeit jene Form der Arbeitszeitflexibilisierung ist, bei der die ArbeitnehmerInnen innerhalb eines vereinbarten Rahmens selbst bestimmen können, wann sie wieviel arbeiten wollen. Gesetzlich sind dafür in § 4b AZG nur wenige Parameter vorgeschrieben, die erfüllt werden müssen, sodass diese Arbeitszeitform sogar bei Fehlen einer Betriebsratskörperschaft im Betrieb auf einzelvertraglicher Ebene (schriftlich) vereinbart werden kann (Abs 2 leg cit).

Dass ArbeitnehmerInnen Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit selbst bestimmen können, schließt Rücksicht auf Erfordernisse des Betriebes nicht grundsätzlich aus.[90]Pfeil in ZellKomm² §§ 3–4c AZG Rz 44 f. Festzulegen sind nach Abs 3 leg cit lediglich die Gleitzeitperiode (in welchem Durchrechnungszeitraum geglitten werden darf), der Gleitzeitrahmen (die Zeitspanne zwischen frühestmöglichem Arbeitsbeginn und spätest möglichem Arbeitsende), das Höchstausmaß der Übertragungsmöglichkeiten von Zeitguthaben bzw -schulden und die fiktive Normalarbeitszeit (eine Tagesarbeitszeitfiktion, falls Dienstverhinderungsgründe eintreten). Nach den öffentlich zugänglichen Informationen – insbesondere den AGB – dürften derartige Vereinbarungen jedoch nicht abgeschlossen werden, weil ja davon ausgegangen wird, dass ClickworkerInnen selbständig seien.

Nach § 3.2 Abs 2 AGB werden „Leistungen nicht mehr angenommen, wenn der von clickworker mitgeteilte Zeitraum zur Leistungserbringung überschritten wird“. Einzige, die Zeitsouveränität der ClickworkerInnen einschränkende Größe, bezogen auf den einzelnen Microjob, ist nach dieser Bestimmung die Frist, innerhalb deren der Auftrag abgearbeitet sein muss. Bei Beantwortung der Frage in den FAQ „Wie lange habe ich zur Bearbeitung einer Aufgabe Zeit?“ heißt es: „Bei jeder Aufgabe wird auf der Bearbeitungsseite die ‚Verbleibende Zeit‘ angezeigt. Sie sollten den Auftrag auf jeden Fall beenden, bevor die Zeit auf Null herunterläuft. Sobald dies geschieht, wird der Auftrag abgebrochen und geht Ihnen verloren“. Das bedeutet, dass ClickworkerInnen nur so lange zeitsouverän sind, solange sie nicht „angeboten“ haben, den Auftrag zu erledigen. Ab diesem Moment läuft die Stoppuhr. Die Antwort auf die Frage „Muss ich immer alle angezeigten Aufträge bearbeiten?“ geht noch einen Schritt weiter: „Nein. Sie arbeiten nur so lange an einem Projekt, wie Sie Lust dazu haben und können jederzeit abbrechen. Alle Aufträge, die Sie bis zu diesem Zeitpunkt erfolgreich bearbeitet und eingereicht haben, werden vergütet (vorbehaltlich einer ggf. später noch erfolgenden Qualitätsprüfung). ACHTUNG: Es ist nicht möglich, laufende Aufträge zwischenzuspeichern.“ In diesem Passus wird klar, dass die Plattformbetreiberin sehr wohl davon ausgeht, dass ClickworkerInnen bis zum „Ende der Lust“ viele Aufträge bearbeitet haben werden (arg „alle“)

Geht man also davon aus, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt und ein bestimmtes Arbeitszeitvolumen erwartet wird, spricht viel dafür, anzunehmen, dass diesen Arbeitsverhältnissen – trotz gegenteiliger Darstellung in den AGB — eine Gleitzeitvereinbarung zugrunde liegt. Insoweit es keine explizite Vereinbarung dazu gibt, könnte man im Sinne lückenschließender Vertragsauslegung eine solche annehmen, wie dies in der Rs Peek&Cloppenburg[91]OGH 8 Ob A 116/04y, DRdA 2005/33, 417 (B. Schwarz) = ZAS 2006/13, 78 (Schrank). der Fall war. Dies würde in rechtlicher Konsequenz bedeuten, dass ClickworkerInnen ihre Arbeitszeit aufzeichnen, dies der Plattformbetreiberin zu Kenntnis bringen müssten und es bei Quartalsdurchrechnung nach § 19d AZG sogar zu einem Mehrarbeitszuschlag (25 %) kommen kann, wenn mehr als der erwartbare Durchschnitt gearbeitet wird.

4.3.5. Entgelt

Ein Entgelt bestimmt sich natürlich ebenfalls unterschiedlich, ob es sich um eine selbständige oder unselbständige Beschäftigung handelt. Grundsätzlich wird in beiden Fällen im Zweifel Entgeltlichkeit vorliegen (§ 1152 ABGB), Unentgeltlichkeit kann jedoch vereinbart werden. Allerdings kann die Vereinbarung der Unentgeltlichkeit oder die eines nicht angemessenen Entgelts gesetz- oder sittenwidrig sein.<[92]Rebhahn in ZellKomm² § 1152 Rz 2.

Macht der Vertrag das gesamte oder auch das wesentliche Entgelt vom Erreichen eines Erfolgs abhängig, so ist dies grundsätzlich ein Indiz gegen einen Arbeitsvertrag, allerdings schließt es das Vorliegen eines Arbeitsvertrags nicht aus, falls die Elemente, die für persönliche Abhängigkeit sprechen, insgesamt überwiegen. Die Vereinbarung dieser Erfolgsabhängigkeit ist dann nichtig.[93]Rebhahn in ZellKomm² § 1151 ABGB Rz 76.

Bei clickworker ist dies meines Erachtens der Fall, da das Entgelt von der bedingungskonformen Abarbeitung der übernommenen Aufgabe abhängig gemacht wird, jedoch die Art der Abarbeitung der Aufgabe überwiegend von der Plattform gesteuert wird.

Bei einer Einschätzung als Arbeitsverhältnis müsste entweder der Kollektivvertragslohn oder, soweit ein solcher nicht vorhanden ist, weil zB für die Tätigkeit kein Kollektivvertrag zur Anwendung kommt, ein angemessenes Entgelt bezahlt werden. Da die Firma clickworker ihren Sitz in Deutschland hat und nicht Mitglied einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft in Österreich ist, haben ArbeitnehmerInnen gemäß § 7 AVRAG iVm § 3 Abs 2 LSDB-G mit gewöhnlichem Arbeitsort in Österreich, zwingend Anspruch auf jenes gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt, das am Arbeitsort vergleichbaren ArbeitnehmerInnen von vergleichbaren ArbeitgeberInnen gebührt.

Wird ein unangemessenes Entgelt vereinbart, ist dieses zwar nicht per se unzulässig.[94]OGH 9 Ob A 2267/96i, ZAS 1997/21 (E. Steininger). Die Abrede ist allerdings insoweit unwirksam, als sie gegen ein Mindestentgelt verstößt, das in Kollektivvertrag, Satzung oder Mindestlohntarif festgelegt oder sittenwidrig ist (dafür ist allerdings die Einstufung als Arbeitsvertrag nötig, siehe Abschnitt „Ergebnis“).

Da es auf der Plattform wahrscheinlich keine klare Trennung der Tätigkeiten in einzelne Betriebsabteilungen gibt, findet gemäß § 9 Abs 3 ArbVG jener Kollektivvertrag Anwendung, welcher für den fachlichen Wirtschaftsbereich gilt, der für den Betrieb die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung hat. Da sich für die ClickworkerInnen nicht erhellt, für welchen Bereich dies bei clickworker zutrifft, könnte zB – soweit clickworker auf Anfrage nicht bereit wäre, dies transparent zu machen – eine rechtliche Klärung mit einer Feststellungsklage angestrebt werden.

Infrage kommen zB die Mindestentgelte nach dem (Rahmen-)Kollektivvertrag für Angestellte im Handwerk und Gewerbe. Als Einstufung könnte die Verwendungsgruppe I zur Anwendung kommen. Diese gilt für Angestellte, die schematische oder mechanische Arbeiten verrichten, die als einfache Hilfsarbeiten zu werten sind, zB EDV-mäßige Erfassung und Sicherung von Daten und Texten während der Anlernzeit (höchstens jedoch für die Dauer von drei Monaten). Für diese Personen ist im ersten und zweiten Verwendungsgruppenjahr ein monatliches Mindestgrundgehalt von 1.238,46 Euro (Stand Dezember 2016) vorgesehen. Für TexterInnen könnte auch Verwendungsgruppe II zur Anwendung kommen, die für Angestellte gilt, die einfache, nicht schematische oder mechanische Arbeiten nach gegebenen Richtlinien und genauer Arbeitsanweisung verrichten, für die in der Regel eine kurze Einarbeitungszeit erforderlich ist. Für diese wäre dann im 1. und 2. Verwendungsgruppenjahr ein monatliches Mindestgrundgehalt von 1.424,80 Euro (Stand Dezember 2016) zu zahlen. Dieses Mindestgrundgehalt steht für eine wöchentliche Normalarbeitszeit von 39,5 Stunden zu.

Auf clickworker gibt die Plattform den Lohn einseitig – und weit unter dem genannten Kollektivvertrags-Lohn – vor: zB 0,01 Euro für die Beantwortung einer Frage, 0,20 Euro oder 0,40 Euro für die Beteiligung an Umfragen, 2,00 bis 3,00 Euro für Übersetzungen usw. Worauf diese Beträge basieren, erschließt sich den ClickworkerInnen nicht. Eine Möglichkeit zur Verhandlung des Preises ist auf der BenutzerInnenoberfläche nicht vorgesehen. Es soll nicht die Zeit, sondern die korrekt nach den vorgeschriebenen Bedingungen abgearbeitete Aufgabe entlohnt werden. Vorbereitungszeiten, das ergebnislose Besuchen der Homepage, um nachzusehen, ob Aufträge hereingekommen sind, Recherchen etc können so nicht in Rechnung gestellt werden.

Dies alles soll wohl nahelegen, dass es sich um selbständige Arbeit handelt, bei der die ClickworkerInnen frei sind, ein Angebot der Abarbeitung einzubringen. Wie bereits (Abschnitte „Der Vertrag“ sowie „Gewährleistung und Rücktritt“) dargelegt, spricht jedoch vieles dafür, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, das den dargestellten kollektivvertraglichen Mindestlohnbestimmungen unterliegt. Diese nehmen auf die gearbeitete Arbeitszeit Bezug und es sind daher alle für die Auftragserledigung aufgewandten Zeiten zu berücksichtigen und nicht nur die Zeit auf dem Interface selbst. Meiner Meinung nach kämen jedenfalls Recherchezeiten (wie zB das Suchen nicht gängiger Begriffe in Lexika), Wartungszeiten für die IT-Ausrüstung sowie Zeiten des Wartens auf Aufträge (meines Erachtens ist es Aufgabe der Plattform, nicht mehr ClickworkerInnen in ihrer Aufmerksamkeit zu binden als die Auftragslage hergibt) hinzu. In der Regel wird eine Teilzeitvereinbarung vorliegen, da – auch unter Einbeziehung zusätzlicher Zeiten – wohl zumeist dennoch durchschnittlich weniger als die kollektivvertragliche Wochenarbeitszeit gearbeitet wird.

Clickworker widerspricht auf den Bewertungsplattformen nicht den dort vielfältig geäußerten Vorwürfen, dass die Bezahlung äußerst schlecht sei. Tenor der Kommentare auf den Plattformen ist,[95]Kommentar von malocher am 29.06.10, http://www.urbia.de/archiv/forum/th-2684130/clickworker-com-hat-jemand-erfahrung.html (12.10.2016) dass das auf clickworker in Aussicht gestellte Einkommen von 9,50 Euro in der Regel nicht erzielbar sei.

Dafür werden vielfältige Gründe angeführt: Der Server ist sehr langsam. Für Neulinge stehen nur Aufträge zwischen 0,01 und 0,32 Euro zur Verfügung. Außerdem ist vom Erlös ArbeitgeberInnen- und ArbeitnehmerInnen-Anteil zur Sozialversicherung[96]Die ClickworkerInnen sehen sich anscheinend auch selbst als persönlich abhängige ArbeitnehmerInnen, allerdings wird nach derzeitiger Konstruktion des Vertragsverhältnisses ein solcher Abzug nicht vorgenommen., Krankenentgeltfortzahlung, Urlaubsentgelt etc abzuziehen. KorrektorInnen unterliegen keiner Kontrolle und können Texte einfach ablehnen.[97]Kommentar von relay am 25.03.2012, http://www.urbia.de/archiv/forum/th-2684130/clickworker-com-hat-jemand-erfahrung.html (10.11.2016). Änderungswünsche waren unklar definiert, Textannahmen wurden verweigert.[98]Gastautor, 19.08.2014 http://www.erfahrungen.com/mit/clickworker-com/#bewertungen (10.11.2016). Antworten zu Anfragen zu solchen Problemen kommen mit mindestens eintägiger Verzögerung, wiederholte Tests für die Texterstellung kosten sehr viel Zeit. Erzielbar sind 2,00 bis 3,00 Euro pro Stunde bzw pro Text, im besten Fall 6,15 Euro pro Stunde.[99]Arlonia, 16.11.2010 http://www.erfahrungen.com/mit/clickworker-com/#bewertungen (12.10.2016). Zumeist sind aber die erzielten Erlöse nur auf die Stücke und nicht auf Zeit bezogen, weshalb sich kein reales Bild ergibt, außer, dass die Bezahlung zu niedrig sei.

Clickworker antwortet einem britischen Kommentator, der die Arbeit auf clickworker als pure exploitation (reine Ausbeutung) bezeichnet: „Minimum wage doesn’t apply to global online freelance work and it never has (…) Pay rates vary between clients, sometimes it can seem low, other times the pay can be rather lucrative. This is why we give the option to work on what you want to. You are right though that we have people registered with us in different parts of the world where the cost of living is very different to the UK, who may find the pay you mention more than acceptable and we are happy to support them with a chance for some extra money. I hope you can understand this style of global working and find work more to your liking in the future.”[100] Aktiver Mitarbeiter aus Großbritannien, 25.07.2016 https://www.glassdoor.at/Bewertungen/clickworker-Bewertungen-E445474.htm (12.10.2016). Übersetzung der Autorin: „Es besteht kein Mindestlohn für globale Online-Freelancer-Arbeit (…). Die Bezahlung variiert entsprechend den KlientInnen, manchmal können sie niedrig erscheinen, zu anderen Zeiten kann die Bezahlung ziemlich lukrativ sein. Deshalb eröffnen wir die Möglichkeit, das zu arbeiten, was Sie wollen. Sie haben allerdings recht, dass wir Leute in unterschiedlichen Teilen der Welt registriert haben, wo sich die Lebenshaltungskosten sehr von jenen in Großbritannien unterscheiden, und die Bezahlung, die Sie erwähnen, mehr als annehmbar finden und glücklich sind, dass wir sie mit einer Chance auf einen Zusatzverdienst unterstützen. Ich hoffe, Sie können diesen Stil globalen Arbeitens verstehen und in Zukunft eine eher Ihrem Geschmack entsprechende Arbeit finden.“

Jedenfalls ist bei der Beurteilung, ob eine Bezahlung, die auf clickworker zu erzielen ist, fair ist, zu berücksichtigen, dass die Beschäftigten der Plattformen derzeit völlig selbstverantwortlich für Beiträge zur Sozialversicherung, Abführung von Steuern sowie die finanzielle Absicherung von Risiken der Krankheit, Erholungsnotwendigkeit, Mutterschaft, Arbeitslosigkeit etc sind und somit von der erzielten Bezahlung noch Abschläge vorgenommen werden müssen, um diese mit einem Entgelt aus einem Arbeitsverhältnis vergleichbar zu machen.

5. Abgrenzungen – Alternative rechtliche Beurteilung der Vertragsverhältnisse

Wird trotz aller vorgebrachter Argumente das Vorliegen eines Arbeitsvertrages verneint, so stellt sich die Frage, ob eine Leistungserbringung arbeitnehmerInnenähnlich oder auf Basis eines freien Dienstvertrages oder eines Werkvertrages erfolgt. Unabhängig von der vertraglichen Grundlage können ClickworkerInnen unter Umständen als arbeitnehmerInnenähnliche Personen angesehen werden und so in den Genuss zumindest einiger arbeitsrechtlicher Schutznormen kommen.

5.1. ArbeitnehmerInnenähnliche Personen

ArbeitnehmerInnenähnliche Personen sind keine ArbeitnehmerInnen, auf sie sind jedoch kraft gesetzlicher Anordnung einige arbeitsrechtliche Bestimmungen anzuwenden, wie insbesondere das DienstnehmerInnenhaftpflichtgesetz (DHG), das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG), das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz (ASGG) und das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG). Die Einordnung als arbeitnehmerInnenähnliche Person hängt davon ab, ob die Tätigkeit trotz des Fehlens persönlicher Abhängigkeit in wirtschaftlicher Unselbständigkeit ausgeübt wird (so die Definition in § 5 Abs 3 ASGG u § 1 Abs 3 Z 2 GlBG). Diese wurde früher primär darin gesehen, dass die Arbeit in wirtschaftlicher Abhängigkeit von den Einnahmen von einem/einer oder wenigen bestimmten VertragspartnerInnen zur Bestreitung des Lebensunterhalts geleistet wird.[101]Rebhahn in ZellKomm² § 1151 ABGB, Rz 123, 156. Nach neuerer Judikatur werden weitere Kriterien in einer Gesamtbetrachtung releviert, wie zB dass der wirtschaftliche Erfolg dem/der VertragspartnerIn zukommt, dass ein eigenes Unternehmen fehlt, dass eine Ein- und Unterordnung in die Arbeitsorganisation des Vertragspartners/der Vetragspartnerin vorliegt, die die eigenen Dispositionsmöglichkeiten verringert.[102]ArbeitnehmerInnenähnlichkeit kommt nach den konkreten Umständen in Betracht zB bei HandelsvertreterInnen (OGH 9 Ob A 12/91, ecolex 1991, 414; 9 Ob A 173/89, Arb 10.790), TankstellenpächterInnen (OGH 8 Ob A 57/06z, SZ 2006/112; 9 Ob A 207/97z, SZ 70/161), FranchisenehmerInnen (OGH 4 Ob 68/79, EvBl 1980/64; 8 Ob A 57/06z, SZ 2006/112; anders OGH 9 Ob S 4/89, ARD 4105/4/89; vgl auch OGH 29.5.1996, 9 Ob A 2044/96w; 9 Ob A 54/07t, ARD 5904/5/2008) sowie Durchführen von Frachtaufträgen mit eigenem LKW (OGH 4 Ob 92/76, Arb 9518); zitiert nach Rebhahn in ZellKomm², 1151 ABGB, Rz 125b, 157f.

Wären ClickworkerInnen als arbeitnehmerInnenähnlich anzusehen, wäre damit noch keine Aussage für den Vertragstypus getroffen, die Leistungen könnten dann auf Basis eines freien Dienstvertrages oder Werkvertrages erbracht werden (dazu sogleich).

Wenn der Einstufung der Vertragsverhältnisse auf clickworker als Arbeitsvertrag nicht gefolgt wird, ist meines Erachtens zumindest ArbeitnehmerInnenähnlichkeit gegeben, da ja der wirtschaftliche Erfolg der Plattform zugutekommt, der Kontakt zu den KundInnen unterbunden wird, den jeweiligen ClickworkerInnen eine eigene unternehmerische Struktur fehlt, sie in die Arbeitsorganisation über Interface und Workflow eingebunden sind und die Dispositionsmöglichkeit auf die Abarbeitung von Aufgaben auf dem Benutzerkonto reduziert sind.

5.2 Freier Dienstvertrag

Ein freier Dienstvertrag liegt dann vor, wenn eine Dienstleistung in Form eines Dauerschuldverhältnisses verpflichtend erbracht werden muss, aber all jene Abgrenzungskriterien, die für die persönliche Leistungsverpflichtung der ArbeitnehmerInnen beschrieben wurden (siehe Abschnitt „Die VertragspartnerInnen“), nicht vorliegen, wie Bindung an Arbeitszeiten, einen Arbeitsort, die Möglichkeit, den Arbeitsablauf selbst zu gestalten, und die selbst gewählte Gestaltung auch jederzeit wieder zu ändern. Auf die wirtschaftliche Abhängigkeit wird hingegen nicht abgestellt.[103]Rebhahn in ZellKomm² § 1151 ABGB, Rz 128, 199. Allerdings muss eine Pflicht zur Leistung bestehen[104]Vgl die Kritik von Schrammel, Naht das Ende des feien Dienstvertrages? – Tendenzen in der neueren Rechtsprechung des VwGH, ASoK, 2016, H 10, 362, an der VwGH-Judikatur, die aus meiner Sicht realitätsnah, das Erbringen von Hilfsarbeiten in der Regel als Arbeit in persönlicher Abhängigkeit und den Vertrag folglich als Dienstvertrag wertet. Hilfsarbeiten sind ja nur im Rahmen einer Hierarchie vorstellbar und unternehmerischem Handeln grundsätzlich wesensfremd., sonst handelt es sich um eine unverbindliche Rahmenabrede, die letztlich die Vertragsinhalte festlegt, die dann gelten sollen, wenn ein Microjob zu erledigen ist.

Anknüpfend an die in den vorigen Kapiteln dargelegten Gründe lässt sich zusammenfassend festhalten, dass bei der Vertragskonstruktion von clickworker – auch wenn es eine relative Gestaltungsfreiheit bei der Arbeitszeit und dem Arbeitsort gibt, realiter der verpflichtende Arbeitsablauf auf dem Interface sowie die nicht vorhandene Gestaltungsmöglichkeit des Arbeitsablaufes keine wirklichen Freiheitsgrade im Vertragsverhältnis erkennen lassen, die eine Einordnung als freier Dienstvertrag rechtfertigen würde. Das bedeutet, dass meiner Meinung nach bei ClickworkerInnen ein Arbeitsverhältnis vorliegt, in dem alle Komponenten des Arbeitsrechts zu beachten wären.

5.3. Werkvertrag

Ein Werkvertrag liegt nach § 1151 ABGB vor, wenn jemand die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt. Voraussetzung dafür, dass es sich um einen Werkvertrag handelt, ist dass der/die VertragspartnerIn wirklich selbständig ist und den Erfolg verbindlich zusagt. WerkunternehmerInnen organisieren ihre Arbeit selbstständig, mit eigenen Mitteln und können sich in der Regel dabei auch vertreten lassen. WerkunternehmerInnen schulden einen Erfolg, wofür das Werk im Vorhinein individualisiert und konkretisiert sein muss.[105]Rebhahn in ZellKomm² § 1151 ABGB, Rz 136, 163; vgl auch Tomandl, Die Rechtsprechung des VwGH zum Dienstnehmerbegriff, ZAS 2016/46, 261; VwGH 2397/79, Arb 9876. Der VwGH[106]Montagearbeiten an einer Lüftungsanlage: VwGH 93/08/0092, ARD 4653/35/95; Arbeiten auf einer Baustelle: VwGH 96/08/0350, DRdA 1999/396; zu einer vergleichbaren Tätigkeit siehe auch OGH 9 Ob A 54/97z, DRdA 1998/3 (Mazal); Müller, Dienstvertrag oder Werkvertrag? – Überblick über die Rspr des VwGH zu § 4 ASVG, DRdA 5, 367 (373). hat im Zusammenhang mit der Sozialversicherungspflicht erkannt, dass gegen einen Werkvertrag insbesondere die fehlende Verpflichtung zu einer geschlossenen Einheit und die fehlende Gewährleistungstauglichkeit des Erfolgs sprechen, wenn dieser auch von einem/einer anderen MitarbeiterIn abhängt. Außerdem sollen das Fehlen einer unternehmerischen Gestaltungsfreiheit aufgrund enger Vorgaben, die dem/der Verpflichteten primär Risiken und kaum Chancen geben, das Arbeiten für einen/eine AuftraggeberIn und nicht für den Markt bei Vereinbarung eines Konkurrenzverbots Indizien dafür sein, dass es sich um keinen Werkvertrag handelt.

Bei den vertraglichen Beziehungen mit clickworker sind solche Indizien durchaus vorhanden. Zum einen stellt sich grundsätzlich die Frage, ob die Zerlegung in Microtasks nicht genau den Effekt hat, dass die Erfüllung der Leistung von der Erfüllung auch durch andere ClickworkerInnen Voraussetzung für die erfolgreiche Abarbeitung des KundInnenauftrags darstellt. Im Falle, dass die Erfüllung der Leistung von der Erfüllung auch durch andere ClickworkerInnen abhängt, liegt jedenfalls kein Werkvertrag vor (stark von einem/einer anderen MitarbeiterIn abhängig). Dann kann man davon ausgehen, dass es sich um einen Arbeitsvertrag handelt, bei dem clickworker alle arbeitsrechtlichen Schutznormen einzuhalten hätte.

Solange diese Zusammenhänge aber für die einzelnen ClickworkerInnen intransparent bleiben, entzieht sich der einzelne ClickworkerInnen-Vertrag einer Überprüfung und es ist auch nicht überprüfbar, ob die Nicht-Bezahlung einer Leistung davon abhing, dass andere ClickworkerInnen nicht erfüllt haben und daher der KundInnenauftrag nicht bedingungskonform abgearbeitet werden konnte oder weil die eigene Leistung mangelhaft war.

Es wäre daher anzustreben, die Plattformen zu verpflichten, diese Bedingungen transparent zu machen. Dies könnte auch durch die Aufstellung einer widerleglichen Vermutung erfolgen, dass im Zweifel Arbeitsverträge zur Plattform vorliegen – es länge dann an der Plattform, das Gegenteil zu beweisen – nämlich, dass ein freier Dienstvertrag oder Werkvertrag vorliegt.

Zum anderen lassen die Projekte insbesondere durch die Zeitvorgaben und die Notwendigkeit diese am virtuellen Workplace zu erfüllen, sehr wenig Gestaltungsfreiheit in der Abarbeitung selbst, außer dass zB der eigene Laptop hierhin oder dorthin gestellt werden kann. Das bedeutet meines Erachtens, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass es sich bei den Vertragsverhältnissen auf clickworker um Werkverträge handelt.

6. Ergebnis und Ausblick

Rechtlich tritt beim Arbeiten auf der Plattform www.clickworker.de grundsätzlich die Plattform clickworker GmbH als Vertragspartnerin der ClickworkerInnen auf. Die AuftraggeberInnen/KundInnen bleiben hingegen für die ClickworkerInnen unbekannt und es besteht keine direkte vertragliche Beziehung zu ihnen. Wie aus den AGB hervorgeht, würde clickworker es offensichtlich vorziehen, Werkverträge mit den ClickworkerInnen zu schließen und die einzelnen Arbeitsergebnisse mittels eines von der Plattform vorgegebenen Preises zu bezahlen.

Tatsächlich kommt es clickworker aber offensichtlich auch auf den Arbeitsprozess selbst an und es werden diesbezügliche Vorgaben gemacht (zeitlich: vorgegebene Zeitspannen, Intransparenz, wann Aufträge in das Benutzerkonto kommen; örtlich: Arbeit nur auf dem virtuellen Workplace, der physische Arbeitsort muss eine sichere Internetverbindung garantieren, das Sitzen vor dem PC ist meiner Meinung nach sogar eine viel gravierendere Einschränkung des Bewegungsfreiraumes bei der Arbeit als das Einfinden in einem Büro, wo man zB zum fachlichen Austausch in ein Nachbarbüro gehen kann). In Kombination mit der Kontrollmöglichkeit, sowohl was die Zeit der Anwesenheit am Workplace als auch die Aktivitäten dort betriff, überwiegen meines Erachtens die wesentlichen Elemente der persönlichen Abhängigkeit, weshalb es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt.

Trotz der Intention der Plattform, nur eine Rahmenabrede zu treffen, und dann nur, falls es zu einem Konsens über einen einzelnen Arbeitseinsatz kommt, ein Entgelt zu bezahlen, liegt meiner Meinung nach in der Realität ein durchgängiges Arbeitsverhältnis vor. Die ClickworkerInnen müssen sich auf der Plattform als aktiv zeigen, da sie sonst keine Aufträge mehr erhalten und sie werden bewertet, ohne zu wissen, wer bewertet und nach welchen Kriterien. Ich habe aufgezeigt, welche Diskrepanz es bei der Bewertung der Deutschkenntnisse im Test im Verhältnis zum Supportteam gibt. Wenn dieses Supportteam auch die Arbeitsleistungen selbst bewertet, ist eine objektive, nachvollziehbare Bewertung meiner Meinung nach nicht sichergestellt. Damit überwiegen die Elemente der Fremdbestimmung (Bindung an das Interface, ständige Verfügbarkeit, um an Aufträge zu gelangen und Arbeit über einen ganz bestimmten Workflow, keine Möglichkeit, sich vertreten zu lassen), der Ausschluss der Arbeitspflicht ist meines Erachtens nicht ausreichend ernst gemeint. Die „stille Autorität“ der Plattform und die Kontrollmöglichkeiten auf dem Interface ergänzen dieses Bild.

Bei Einordnung der Verträge als Arbeitsverträge, handelt es sich um eine Art Arbeit auf Abruf, die in dieser Form zumindest in Österreich nicht zulässig ist. Nach den anzuwendenden §§ 19 ff AZG sind Ausmaß und Lage der Arbeitszeit mit den jeweiligen ClickworkerInnen zu vereinbaren. Sinnvoll könnte dabei eine Gleitzeitvereinbarung ohne Kernzeit sein. Im Falle der Interpretation als Rahmenvereinbarung, bei der man sich auf einzelne Arbeitseinsätze einigen muss, bejahte der OGH im Fall Peek & Cloppenburg zumindest einen Anspruch auf Abgeltung der unzulässigen Arbeitszeitgestaltung und der besonderen Dispositionsmöglichkeit des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin.[107]OGH 8 Ob A 116/04y, DRdA 2005/33, 417 (B. Schwarz) = ZAS 2006/13, 78 (Schrank).

Das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses hat als wichtigste Konsequenz, dass die Plattform nicht frei in der Festsetzung der Entgelthöhe ist, sondern aufgrund des Benachteiligungsverbotes gemäß § 7 AVRAG iVm § 3 Abs 2 LSDB-G den ClickworkerInnen der österreichische Kollektivvertragslohn vergleichbarer ArbeitnehmerInnen zusteht.

Sollten die in diesem Kapitel angeführten Überlegungen de lege lata verworfen werden, bleibt der Appell an die Gesetzgebung, einerseits für das Feld des virtuellen Crowdworks die widerlegliche Vermutung eines Arbeitsverhältnisses einzuführen und den in diesem Bereich schutzwürdigen Beschäftigten die für die Erhaltung der zu verkaufenden Arbeitskraft unerlässlichen arbeits- und sozialrechtliche Standards zu schaffen.

[1] https://www.clickworker.de/ (07.10.2016)

[2] Es gibt auch Allgemeine Geschäftsbedingungen für KundInnen, die in diesem Beitrag aber außer Betracht bleiben.

[3] Felstiner, Working the Crowd – Employment and Labor Law in the Crowdsourcing Industry, in Berkeley Journal of Employment and Labor 31/2 (2011) 150.

[4] Leimeister/Zogaj/Blohm, Crowdwork – digitale Wertschöpfung in der Wolke, in Benner, Crowdwork – zurück in die Zukunft? (2015) 21 f.

[5] https://www.clickworker.de/ueber-uns/unsere-crowd-die-clickworker/ (10.11.2016).

[6] http://www.uni-europa.org/wp-content/uploads/2016/09/crowd_working_survey_Austria.pdf (28.09.2016).

[7] Die Eurofound Studie, New forms of employment (2015) 113, stellt hingegen beim virtuellen Crowdwork ein Verhältnis von einem Drittel Deutscher, einem Drittel aus anderen EU-Staaten und einem Drittel aus der restlichen Welt fest. https://www.eurofound.europa.eu/de/publications/report/2015/working-conditions-labour-market/new-forms-of-employment (05.01.2017).

[8] https://www.clickworker.de/ueber-uns/unsere-crowd-die-clickworker/ (05.01.2017).

[9] https://www.clickworker.com/wp-content/uploads/2015/03/Onepager_clickworker_DE2015.pdf?_ga=1.62633196.1319045382.1430224248 (10.11.2016).

[10] https://www.clickworker.de/ueber-uns/team/ (10.11.2016)

[11] Vgl Risak, Crowdwork, ZAS 2015, 13.

[12] Warter, Crowdwork (2016) 111 ff.

[13] https://Workplace.clickworker.com/de/agreements/10123?_ga=1.96124508.1319045382.1430224248 (17.10.2016).

[14] Vgl zu dieser Einordnung auch Warter, Crowdwork 82 ff.

[15] https://www.clickworker.de/ueber-uns/unsere-crowd-die-clickworker/ (05.01.2017).

[16] https://www.clickworker.de/faq/ (11.10.2016).

[17]Wenn der Korrektor weniger von der Materie weiß als du selber, bist du verloren – und Korrektoren werden nicht besonders geprüft, ich habe einen meiner Texte selber zur Korrektur gekriegt und die von anderen Leuten, in den ersten zehn Tagen, nachdem ich mich bei Clickworker angemeldet habe. Und natürlich könnten Korrektoren, die selber Aufträge suchen, die Konkurrenz auf diese Weise rauskicken wollen.“ Kommentar von malocher am 29.06.10, http://www.urbia.de/archiv/forum/th-2684130/clickworker-com-hat-jemand-erfahrung.html (10.11.2016).

[18] Rebhahn in ZellKomm, rdb, § 1151 ABGB Rz 99 (06.01.2017).

[19] https://www.youtube.com/watch?v=ckbQYVHdCZ0 (18.10.2016).

[20] In den 1990er-Jahren war der Hype um die Telearbeit von ähnlichen Fragestellungen auf Seiten der ArbeitnehemerInnen begleitet, wie dies jetzt wieder der Fall ist, in einer Zeit, in der es eine deutlich über 90-%-Ausstattung mit mobilen Endgeräten gibt und sich auch die Techniken der Übertragung beschleunigt und verändert haben. Auch damals ging es um die Frage, wer welche Verantwortung übernehmen muss, wenn von zu Hause aus gearbeitet wird und welche rechtlichen Regelungen anwendbar sind. Da das Heimarbeitsgesetz vorwiegend für ArbeiterInnen konzipiert war, tat sich vor allem für Angestelltentätigkeit eine (scheinbare) Lücke für dieses Segment auf. Sozialpartnerergebnis von Verhandlungen diesbezüglich war die Einigung darauf, dass es ohnehin sozial und gesundheitlich problematisch sei, wenn Arbeit nur von zu Hause aus erledigt wird, weshalb jene Unternehmen, für die Arbeit von zu Hause aus interessant war, ihre ArbeitnehmerInnen mit den nötigen Arbeitsmitteln ausstatteten und im Wesentlichen die Geltung der Gesetze, die für Angestellte einzuhalten sind, auch für diese ArbeitnehmerInnen anwandten („alternierende Teleheimarbeit“). Aktuell ist die Auseinandersetzung mit der arbeitsrechtlichen Einstufung der Arbeit von zu Hause aus von Risak, Home-Office I – Arbeitsrecht, ZAS 2016/36, 204, und Brodil, Home-Office II – Haftung bei entgrenzter Arbeit, ZAS 2016/37, 209.

[21] Vgl § 1 AGB.

[22] Es stellt sich die Frage, wer in diesem Zusammenhang die ermächtigende Instanz ist (arg: „auszahlen dürfen“).

[23] Ob Junkmails von „Paypal Invo@KundInnenservice.de“ einige Tage nach der Registrierung in der Mailbox, die dazu auffordern, einen Link anzuklicken, um weiteren Betrug zu verhindern, dem Zufall geschuldet sind, bleibt im Dunkeln. Ebenso bleibt im Dunkeln, welchen Zweck sie verfolgen: Phishing, Trojaner oÄ.

[24] In diesem Zusammenhang ist auch die Problematik der Sprachenunkenntnis beim Vertragsschluss und der AGB-Kontrolle relevant. Zur Problematik, dass bei globalem Angebot und nur deutsch und englisch verfassten AGB nicht gewährleistet werden kann, dass ClickworkerInnen die juristischen Feinheiten verstehen, wenn ihre Muttersprache zB Französisch ist, siehe Temming, Verstehen Sie Deutsch? Sprachenunkenntnis beim Vertragsschluss und bei der AGB-Kontrolle, GPR 2016, 38, 1/2016, 38.

[25] Ein derartiges Video ist auf der clickworker-Homepage unter https://www.youtube.com/watch?v=3nyaCTM0gBM&feature=youtu.be (28.09.2016) einzusehen.

[26]Normalerweise hat bei einem großen Projekt mit vielen Einzelaufträgen das Überspringen keinen für Sie wahrnehmbaren Nachteil, solange Sie noch weitere Aufträge zur Verfügung haben. Allerdings wird beim Überspringen sichergestellt, dass Sie erst einmal diesen einzelnen Auftrag nicht wieder angeboten bekommen, zumindest nicht in den nächsten paar Minuten. Dadurch kann es passieren, dass Sie, wenn Sie nur wenige Aufträge zur Verfügung haben, gar keine Aufträge mehr angeboten bekommenhttps://www.clickworker.de/faq/ (10.11.2016)

[27] https://www.clickworker.com/wp-content/uploads/2015/03/Onepager_clickworker_DE2015.pdf?_ga=1.130225743.1319045382.1430224248 unter der Überschrift „Aufgaben“( 10.11.2016).

[28] Ebenda unter der Überschrift „Lösungen“.

[29] https://www.clickworker.de/ueber-uns/unsere-crowd-die-clickworker/ (05.01.2017).

[30] http://www.duden.de/rechtschreibung/weitermachen (18.10.2016).

[31] https://www.clickworker.de/ueber-uns/unsere-crowd-die-clickworker/ (10.11.2016).

[32] In den FAQ wird injected testing unter der Frage „Ich wurde von der Qualitätssicherung aus einem Projekt ausgeschlossen. Warum?“ folgendermaßen beschrieben: „Bei einigen Projekten verwenden wir eingestreute Testfragen, um die Qualität Ihrer Antworten zu prüfen. Beantworten Sie zu viele dieser Testfragen falsch, erfolgt ein automatischer Ausschluss vom Projekt. Diese Testfragen wurden vorher von uns selbst bearbeitet, sodass wir bereits wissen, welche die korrekten Antworten sind. Wir verwenden nur solche Fragen als Testfragen, bei denen die gesuchten Antworten eindeutig zu finden sind.“

[33] https://www.clickworker.de/so-funktionierts/ (10.11.2016).

[34] Sensibilisiert durch Ausschluss aus der „Qualifizierung zum deutschen Autor“ – eigentlich „…zur deutschen Autorin“ – könnte man die Frage stellen, wofür das Fragezeichen nach „KundInnen“ steht und wo der Bindestrich geblieben ist.

[35] Interessant in diesem Zusammenhang die kartellrechtliche Freistellung für kollektivvertragliche Regelungen zugunsten Scheinselbstständiger niederländischer AushilfsmusikerInnen durch den EuGH C-413/13, Mair, ZAS 2015, 281.

[36] So zuletzt zum generellen Vertretungsrecht VwGH 14.10.2015, 2013/08/0226; 19.10.2015, 2013/08/0185; zur sanktionslosen Ablehnung: VwGH 01.10.2015, Ro 2015/08/0020; 17.12.2015, 2013/08/0222; zur Prüfung anhand vertraglicher Vereinbarungen: VwGH 18.08.2015, 2013/08/0121 und zur Pflichtversicherung trotz Gewerbeberechtigung: VwGH 02.09.2015, RA 201/08/0078 vgl auch Tomandl, Die Rechtsprechung des VwGH zum Dienstnehmerbegriff mwN.

[37] http://cases.justia.com/federal/district-courts/california/candce/3:2012cv05524/260287/226/0.pdf?ts=1435915507 (05.10.2016).

[38] Schröder/ Schwemmle, Gute Arbeit in der Crowd? http://www.input-consulting.com/download/end_Schroeder-Schwemmle_Jahrbuch.pdf (05.10.2016).

[39] Risak, What’s law got to do with it? in Kurswechsel 2/2016, 36.

[40] Prassl/Risak, Uber, Taskrabbit&Co, Platforms as employers? Rethinking the legal analysis of Crowdwork, in Comparative Labor Law & Policy Journal, Vol 37/ 3 (2016) 619 ff.

[41] The Concept of the Employer (2015).

[42] Rebhahn in ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz 77.

[43] Rebhahn in ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz 135.

[44] Rebhahn in ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz 135.

[45] Rebhahn in ZellKomm² § 1151 ABGB Rz 75.

[46] Barta, Online-Lehrbuch Zivilrecht, https://www.uibk.ac.at/zivilrecht/buch/kap6_0.xml?section-view=true;section=4 (24.01.2016).

[47] Rebhahn in ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz 77a.

[48] Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts7 (1963), 3 f.

[49] OGH 4 Ob 124/79, DRdA 1982, 207 (Rabofsky).

[50] OGH 4 Ob 116/84, DRdA 1986/23 (Csebrenyak); 26.06.1997, 8 ObA 2158/96b; 8 Ob A 26/99b, Arb 11.901; ua.

[51] Rebhahn in ZellKomm² § 1151 ABGB, Rz 96a, 141 f; OGH 8 Ob A 15/98h, DRdA 1999/44 (Krapf); 04.09.2002, 9 ObA 89/02g. Der Umstand, dass zwischen zwei befristeten Arbeitsverträgen ein zeitlicher Abstand liegt, schließt die Beurteilung der aneinandergereihten Verträge als einheitliches Arbeitsverhältnis nicht aus, wenn sich der Sache nach der zweite Vertrag (oder die folgenden Verträge) als Fortsetzung des (der) vorangegangen erweisen, zuletzt OGH 8 Ob A 13/14s, infas 2014, A 79.

[52] Die Ablehnungsklausel ist allerdings nur beachtlich, wenn das Ablehnungsrecht tatsächlich genutzt wird oder bei objektiver Betrachtung zu erwarten ist, dass eine solche Nutzung erfolgt (OGH 8 Ob A 86/03k, infas 2004, A 24).

[53] Gemeint ist wohl, dass die auf BenutzerInnenkonto/Workplace/Arbeitsplatz zugeteilten Aufgaben nicht abgearbeitet werden – von Einladung zum Angebot der Abarbeitung ist hier keine Rede.

[54] Kommentar von malocher am 29.06.10, http://www.urbia.de/archiv/forum/th-2684130/clickworker-com-hat-jemand-erfahrung.html (12.10.2016).

[55] Kommentar von Teberian, 22.05.2015 http://www.geldthemen.de/forum/paidmailer-paid4click-und-bonusportale-f33/clickworkercom-erfahrungen-t5930.html (12.10.2016).

[56] „Zielortreiseleiterentscheidung“ OGH 14 Ob A 46/87, Arb 10.697; Rebhahn in ZellKomm2 § 1151 ABGB, Rz 64.

[57] Rebhahn, in ZellKomm² § 1151 ABGB, Rz 103, 146.

[58] OGH 9 Ob A 88/97, DRdA 1998/16 (Hoyer); vgl OGH 9 ObA 219/89, infas 1990, A 26; 9 ObA 108/88, infas 1989, A 3; Rebhahn in ZellKomm² § 1151 ABGB Rz 103, 146; grundlegend OGH 4 Ob 39/70, Arb 8764 – Werbefilm.

[59] Dazu ausführlich Risak/Jöst/ David/Patka, Praxishandbuch Gleitzeit2 (2014).

[60] Vgl dazu Risak, Möglichkeiten der Arbeitszeit-Flexibilität für ArbeitgeberInnen, in Tomandl/Risak, Wie bewältigt das Recht moderne Formen der Arbeit? (2017) 60 ff. Dort werden die Hintergründe der Flexibilität beleuchtet und daraus Schlüsse hinsichtlich Gesamt- oder Einzelbetrachtung und hinsichtlich Einordnung als Arbeits- oder freier Dienstvertrag gezogen.

[61] Risak, Vertrauensarbeitszeit – ein nach dem AZG gangbares Arbeitszeitmodell?, ecolex 2005, 888.

[62] http://www.urbia.de/archiv/forum/th-2684130/clickworker-com-hat-jemand-erfahrung.html (12.10.2016).

[63] Die meisten Kommentare auf Bewertungsplattformen berichten über Schwierigkeiten mit clickworker, insbesondere ein angemessenes Entgelt zu erhalten, dh es geht nicht nur um ein lockeres „Zuverdienst“, sondern um „Stundenlohn“. Da clickworker einen durchschnittlichen Erlös von 9,50 Euro pro Stunde in Aussicht stellt (vgl Kommentar von malocher am 29.06.10, http://www.urbia.de/archiv/forum/th-2684130/clickworker-com-hat-jemand-erfahrung.html [12.10.2016]), wird auf diese Größenordnung häufig Bezug genommen. Die positiven Meldungen scheinen von ClickworkerInnen zu stammen, die ClickworkerInnen werben – das ist zB explizit ersichtlich bei WurstOnAir, am 22.5.2015 http://www.geldthemen.de/forum/paidmailer-paid4click-und-bonusportale-f33/clickworkercom-erfahrungen-t5930.html (10.11.2016) , der ersucht, einen bestimmten Link zu wählen, um auf Clickworker zuzugreifen.

[64] Bewertung 3 vom 19.08.2014 http://www.erfahrungen.com/mit/clickworker-com/ (12.10.2016).

[65] Rebhahn in ZellKomm² § 1151 ABGB, Rz 86, 135 mwN.

[66] OGH 8 Ob A 116/04y, DRdA 2005/33, 417 (B. Schwarz) = ZAS 2006/13, 78 (Schrank); Risak in Tomandl/Risak, Moderne Formen der Arbeit 66.

[67] Dies bedeutet, dass der/die Beschäftigte in einer Weise in die betriebliche Organisation eingebunden ist, dass ausdrückliche persönliche Weisungen und Kontrollen durch „stille Autorität“ substituiert werden. Hier spielt die Qualifikation des Dienstnehmers/der Dienstnehmerin bzw der von ihm/ihr ausgeübten Tätigkeit eine Rolle, weil sich – unabhängig vom Vorliegen konkreter sachlicher Weisungen – mit steigender Qualifikation in der Regel auch die fachliche bzw sachliche Entscheidungsbefugnis ständig erweitert. Qualifizierte sachliche Entscheidungsbefugnisse können einen gewissen Spielraum für eine eigenständige (unter Umständen auch unternehmerische) Gestaltung der Tätigkeiten eröffnen. Vgl Steiger, Geschäftsführer als freier Dienstnehmer nach § 4 Abs 4 ASVG, taxlex 3/2016, 79, zu VwGH 2013/08/0185 und taxlex 2/2015, 61.

[68] Welche Chancen und Risiken die Selbstbestimmung bei der Arbeitszeit enthalten, verdeutlicht Risak, Entgrenzte Arbeit: Wunsch, Alptraum oder arbeitsrechtliche Realität, DRdA 2015, 9.

[69] Risak, ZAS 2015, 17.

[70] OGH 8 Ob A 2347/96x, OGH 8 Ob A 277/01w, vgl auch Rebhahn in ZellKomm² § 1151, Rz 98, 142.

[71] Risak, Fallweise Beschäftigung als zulässige Kettenbefristung, DRdA 2014/34 zu OGH 8 Ob A 50/13f; vgl auch Mosing, Die fallweise Beschäftigung im Arbeits- und Sozialrecht, ZAS 2014, 244, und die Kriterien, die gegen ein durchgehendes Arbeitsverhältnis sprechen: Unregelmäßigkeit der Beschäftigung, sanktionslose Ablehnungsmöglichkeit und Vorschlagsrecht für Arbeitseinsätze arbeitnehmerseitig, wirtschaftliche Unabhängigkeit, längere Nichtbeschäftigungs- als Beschäftigungszeiten, keine Periodizität.

[72] Kletečka/Schauer, ABGB-ON § 1151, Rz 58 (19.10.2016).

[73] Kletečka/Schauer, ABGB-ON § 1151, Rz 73 (19.10.2016).

[74] ABl L 175/43.

[75] Vgl Rebhahn in ZellKomm² § 1151 Rz 95.

[76] Vgl Friedrich, Rahmendienstvertrag und Arbeitszeit, ASoK 2006, 12.

[77] Rebhahn in ZellKomm² § 1151 ABGB Rz 98, 142.

[78] OGH 8 Ob A 13/14s, infas 2014, A 79.

[79] OGH 9 Ob A 118/14i, Arb 13.213 .

[80] Vgl Rebhahn in ZellKomm² § 1151 ABGB Rz 192, 182.

[81] Rebhahn in ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz 193.

[82] ErlAB 622 BlgNR 20. GP 7.

[83] Rebhahn in ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz 194.

[84] OGH 8 Ob A 116/04y, DRdA 2005/33, 417 (B. Schwarz) = ZAS 2006/13, 78 (Schrank).

[85] Obereder/Trenner, Zuschläge zum Entgelt bei (teil)nichtigen Arbeitszeitvereinbarungen, ASoK 2005, 310. Dieser Ansatz dürfte aber wegen des mit BGBl I 2007/61 eingeführten Zuschlages für Mehrarbeit überholt sein.

[86] Rebhahn in ZellKomm² § 1151 ABGB, Rz 196, 182 f.

[87] Wegen des Fehlens von empirischen Daten über die Arbeitsrealitäten auf clickworker wäre dazu vertiefende Forschung wünschenswert.

[88] Rebhahn in ZellKomm, rdb, § 1151 ABGB Rz 92; VwGH 17.12.2002, 99/08/0008.

[89] Die Summe der Arbeitsausfallzeiten und der Ersatzarbeitseinsatzzeiten müssen identisch sein (x=y), die Zahl der ClickworkerInnen, die ausfallen (n) kann von jener, die einspringen (o), differieren. In diesem Fall müssen dann die Zeiten für die einzelnen Microtasks ebenfalls differieren (also: x1n1 ≠ y1o1, x2n2 ≠ y2o2, x3n3 ≠ y3o3…).

[90] Pfeil in ZellKomm² §§ 3–4c AZG Rz 44 f.

[91] OGH 8 Ob A 116/04y, DRdA 2005/33, 417 (B. Schwarz) = ZAS 2006/13, 78 (Schrank).

[92] Rebhahn in ZellKomm² § 1152 Rz 2.

[93] Rebhahn in ZellKomm² § 1151 ABGB Rz 76.

[94] OGH 9 Ob A 2267/96i, ZAS 1997/21 (E. Steininger).

[95] Kommentar von malocher am 29.06.10, http://www.urbia.de/archiv/forum/th-2684130/clickworker-com-hat-jemand-erfahrung.html (12.10.2016)

[96] Die ClickworkerInnen sehen sich anscheinend auch selbst als persönlich abhängige ArbeitnehmerInnen, allerdings wird nach derzeitiger Konstruktion des Vertragsverhältnisses ein solcher Abzug nicht vorgenommen.

[97] Kommentar von relay am 25.03.2012, http://www.urbia.de/archiv/forum/th-2684130/clickworker-com-hat-jemand-erfahrung.html (10.11.2016).

[98] Gastautor, 19.08.2014 http://www.erfahrungen.com/mit/clickworker-com/#bewertungen (10.11.2016).

[99] Arlonia, 16.11.2010 http://www.erfahrungen.com/mit/clickworker-com/#bewertungen (12.10.2016).

[100] Aktiver Mitarbeiter aus Großbritannien, 25.07.2016 https://www.glassdoor.at/Bewertungen/clickworker-Bewertungen-E445474.htm (12.10.2016). Übersetzung der Autorin: „Es besteht kein Mindestlohn für globale Online-Freelancer-Arbeit (…). Die Bezahlung variiert entsprechend den KlientInnen, manchmal können sie niedrig erscheinen, zu anderen Zeiten kann die Bezahlung ziemlich lukrativ sein. Deshalb eröffnen wir die Möglichkeit, das zu arbeiten, was Sie wollen. Sie haben allerdings recht, dass wir Leute in unterschiedlichen Teilen der Welt registriert haben, wo sich die Lebenshaltungskosten sehr von jenen in Großbritannien unterscheiden, und die Bezahlung, die Sie erwähnen, mehr als annehmbar finden und glücklich sind, dass wir sie mit einer Chance auf einen Zusatzverdienst unterstützen. Ich hoffe, Sie können diesen Stil globalen Arbeitens verstehen und in Zukunft eine eher Ihrem Geschmack entsprechende Arbeit finden.“

[101] Rebhahn in ZellKomm² § 1151 ABGB, Rz 123, 156.

[102] ArbeitnehmerInnenähnlichkeit kommt nach den konkreten Umständen in Betracht zB bei HandelsvertreterInnen (OGH 9 Ob A 12/91, ecolex 1991, 414; 9 Ob A 173/89, Arb 10.790), TankstellenpächterInnen (OGH 8 Ob A 57/06z, SZ 2006/112; 9 Ob A 207/97z, SZ 70/161), FranchisenehmerInnen (OGH 4 Ob 68/79, EvBl 1980/64; 8 Ob A 57/06z, SZ 2006/112; anders OGH 9 Ob S 4/89, ARD 4105/4/89; vgl auch OGH 29.5.1996, 9 Ob A 2044/96w; 9 Ob A 54/07t, ARD 5904/5/2008) sowie Durchführen von Frachtaufträgen mit eigenem LKW (OGH 4 Ob 92/76, Arb 9518); zitiert nach Rebhahn in ZellKomm², 1151 ABGB, Rz 125b, 157f.

[103] Rebhahn in ZellKomm² § 1151 ABGB, Rz 128, 199.

[104] Vgl die Kritik von Schrammel, Naht das Ende des feien Dienstvertrages? – Tendenzen in der neueren Rechtsprechung des VwGH, ASoK, 2016, H 10, 362, an der VwGH-Judikatur, die aus meiner Sicht realitätsnah, das Erbringen von Hilfsarbeiten in der Regel als Arbeit in persönlicher Abhängigkeit und den Vertrag folglich als Dienstvertrag wertet. Hilfsarbeiten sind ja nur im Rahmen einer Hierarchie vorstellbar und unternehmerischem Handeln grundsätzlich wesensfremd.

[105] Rebhahn in ZellKomm² § 1151 ABGB, Rz 136, 163; vgl auch Tomandl, Die Rechtsprechung des VwGH zum Dienstnehmerbegriff, ZAS 2016/46, 261; VwGH 2397/79, Arb 9876.

[106] Montagearbeiten an einer Lüftungsanlage: VwGH 93/08/0092, ARD 4653/35/95; Arbeiten auf einer Baustelle: VwGH 96/08/0350, DRdA 1999/396; zu einer vergleichbaren Tätigkeit siehe auch OGH 9 Ob A 54/97z, DRdA 1998/3 (Mazal); Müller, Dienstvertrag oder Werkvertrag? – Überblick über die Rspr des VwGH zu § 4 ASVG, DRdA 5, 367 (373).

[107] OGH 8 Ob A 116/04y, DRdA 2005/33, 417 (B. Schwarz) = ZAS 2006/13, 78 (Schrank).

Kapitel 3 – (Arbeits-)Rechtliche Aspekte der Gig-Economy

Inhaltsverzeichnis

Dr. Martin Risak

Die Gig-Economy beruht nicht unwesentlich auf der Annahme, dass die im Rahmen dieser Arbeitenden Selbständige und nicht ArbeitnehmerInnen seien. Würde das stimmen, so bestünde kein arbeitsrechtlicher Schutz (insbesondere kein kollektivvertraglicher Mindestlohn, keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, kein Urlaub und auch kein Kündigungsschutz). Ist dem aber tatsächlich so?

1. Ausgangsbasis

Aus rechtlicher Sicht kann der Austausch von Arbeitsleistungen gegen Entgelt idealtypisch einerseits als Beziehung zwischen zwei einander gleichrangig gegenüberstehenden selbstbestimmten Subjekten erfolgen; dann schließen Selbständige untereinander bzw Selbständige und KundInnen/KonsumentInnen miteinander Verträge ab. Andererseits kann aber auch ein Verhältnis der Über- und Unterordnung vorliegen, dh dass eine Person in die Hierarchie der anderen eingegliedert wird.[1]Rebhahn in ZellKomm2 (2014) § 1151 ABGB Rz 1. Dies führt zu einem Arbeitsverhältnis, wobei seit spätestens den 1990er-Jahren der in Beitrag „Gig-Economy und Crowdwork – was ist das?“ beschriebene Trend zu beobachten ist: Unter Fortbestehen des hierarchischen Verhältnisses soll dessen Flexibilität durch Formen atypischer Beschäftigung wie insbesondere der Leiharbeit, Teilzeit- und befristeter Beschäftigung erhöht werden.[2]Risak, What’s law got to do with it? (Arbeits-)Rechtliche Aspekte plattformbasierten Arbeitens, Kurswechsel 2/2016, 32 (33); siehe dazu auch Pacic, Atypische Beschäftigung: Rechtsfragen jenseits der Normalarbeit (2016). Crowdwork geht nun, wie in Beitrag „Gig-Economy und Crowdwork – was ist das?“ beschrieben, noch einen Schritt weiter, um einerseits die Kosten für „unproduktive“ Zeiten möglichst zu vermeiden und andererseits aber weiterhin die volle Kontrolle über den Produktionsprozess aufrecht zu erhalten. Einzelne Tätigkeiten werden dabei einer größeren Anzahl von Personen, eben der Crowd, über eine Intermediärin, die Crowdsourcing-Plattform, angeboten. Die CrowdworkerInnen können sich dann jeweils im Einzelfall entscheiden, ob sie diese Aufgaben bearbeiten wollen und werden dann bei positiver Abnahme pro Aufgabe bezahlt.[3]Leimeister/Zogaj/Blohm, Crowdwork – digitale Wertschöpfung in der Wolke, in Benner, Crowdwork – zurück in die Zukunft (2015) 9 (15); Strube, Vom Outsourcing zum Crowdsourcing, in Benner, Crowdwork – zurück in die Zukunft (2015) 75.

2. Arbeitsrecht für CrowdworkerInnen?

Die Kernfrage in diesem Zusammenhang ist, ob Arbeitsrecht auf CrowdworkerInnen zur Anwendung kommt. Dies würde nicht nur bewirken, dass die entsprechenden Schutznormen greifen, sondern hätte auch darüber hinausgehende Konsequenzen: Dann wäre das Betriebsverfassungsrecht für CrowdworkerInnen anwendbar und würden diese vom Betriebsrat vertreten (dazu Beitrag „Betriebsrat und Mitbestimmung in der Plattform-Ökonomie“). Und die Rechtswahl wäre nur eingeschränkt möglich, außerdem würden zusätzliche Gerichtsstände greifen (dazu Beitrag „Crowdwork mit Auslandsbezug“). CrowdworkerInnen könnten sich auf die Koalitionsfreiheit berufen, sich in Interessenvertretungen zusammenschließen und ihre Entgelt- und sonstigen Arbeitsbedingungen kollektiv verhandeln (dazu Abschnitt „Kollektive Rechtssetzung in der Gig-Economy“ und Beitrag „Gewerkschaftliche Organisationsstrategien und alternative Kampfmaßnahmen“)

Für die Frage der Anwendung des Arbeitsrechts kommt es bekanntlich wesentlich auf die Grenzziehung zwischen fremdbestimmten ArbeitnehmerInnen und selbständigen LeistungserbringerInnen an. Damit sollen die wirklich schutzbedürftigen Personen von denen abgegrenzt werden, für die der Schutz nicht notwendig ist, da sie ihre Interessen ausreichend selbst wahren und durchsetzen können. Zu dieser Abgrenzung wird in der österreichischen Rechtsordnung jedoch nicht auf das tatsächlich vorliegende Kräfteungleichgewicht abgestellt, sondern auf ein anderes, praktikableres Kriterium, nämlich auf die auf die Art der Leistungserbringung abstellende „persönliche Abhängigkeit“. Es geht dabei um die Aufgabe der Gestaltungsfreiheit der Arbeitenden bei Erbringung der Dienstleistung durch die Einordnung in eine fremde Organisation und die Unterwerfung unter die auch das persönliche Verhalten bei der Arbeit betreffenden Weisungen ihrer ArbeitgeberInnen.[4]So zB Brodil/Risak/Wolf, Arbeitsrecht in Grundzügen9 (2016) Rz 43.

Das Arbeitsrecht geht dabei von einer zweipersonalen Beziehung aus: Ein/Eine ArbeitgeberIn schließt mit einem/einer ArbeitnehmerIn einen Arbeitsvertrag ab. Beim Crowdsourcing von Arbeit sind jedoch zumindest drei Personen beteiligt (CrowdsourcerIn, Plattform und CrowdworkerIn). Damit ist als Vorfrage zu klären, wer eigentlich die VertragspartnerInnen sind und in einem zweiten Schritt dann, welcher Vertrag zwischen den beiden Parteien abgeschlossen wurde. Damit sind nach der herkömmlichen Analysemethode die komplexen Vertragsgeflechte in der Gig-Economy in einzelne zweipersonale Verträge aufzudröseln und es ist für jeden einzelnen Vertrag zu prüfen, welcher Vertragstyp vorliegt.

Dabei wird sich zeigen, dass diese atomisierten Vertragsverhältnisse die Lebensrealität und wirtschaftliche Situation der CrowdworkerInnen nur bedingt widerspiegeln. Die Verträge jeweils einzeln zu prüfen ohne deren Verwobenheit, für die die Plattformen eine prägende Rolle spielen, ist nämlich ähnlich untauglich wie einen Pullover nur auf Basis der einzelnen Fäden zu beschreiben, ohne das Strickmuster in die Betrachtung miteinzubeziehen. Die herkömmliche Betrachtungsweise ignoriert somit die Komplexität von Mehrparteienverhältnissen, indem sie die rechtliche Analyse auf die ihnen zugrunde liegenden zweipersonalen Verträge reduziert und damit den weiteren Kontext und die ökonomischen Effekte des plattformbasierten Arbeitens ausblendet. Damit wird der Schutzbereich des Arbeitsrechts bisweilen beliebig und kann durch mehr oder weniger originelle Vertragskonstruktionen unter Umständen sogar geschickt vermieden werden. Beim Crowdwork besteht wegen der Aufteilung der einzelnen Rollen bei der Leistungserbringung auf Plattformen und CrowdsourcerInnen das reale Risiko, dass am Ende keines der ihm zugrunde liegenden Vertragsverhältnisse als Arbeitsvertrag qualifiziert wird und die CrowdworkerInnen trotz Schutzbedürftigkeit ohne Schutz bleiben. Eine alternative Betrachtungsweise, der das funktionale Konzept des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin von Prassl[5]The Concept of the Employer (2015). zugrunde liegt, könnte dieser Gefahr wirkungsvoll begegnen (dazu Abschnitt „Wer ist ArbeitgeberIn?“).

Diese Einsicht, dass mehrpersonale Konstellationen bei der Arbeitsleistungserbringung Probleme aufwerfen, ist freilich nicht unbedingt neu. Schon im Zusammenhang mit der Arbeitskräfteüberlassung hat sich gezeigt, dass die herkömmliche Analyse, die nur zweipersonale Verhältnisse betrachtet, zu keinen befriedigenden Ergebnissen führt und dass hier letztlich die Gesetzgebung durch die Schaffung des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG) reagiert hat. Dort werden über die vertraglichen ArbeitgeberInnen (die ÜberlasserInnen) hinaus Verpflichtungen auch jenen Personen auferlegt, die letztlich von den Früchten der Arbeit der überlassenen Arbeitskräfte unmittelbar profitieren (die BeschäftigerInnen). Solange es jedoch an einer derartigen Regelung fehlt[6]Es überrascht daher nicht, dass Prassl (Concept of the Employer 42 ff) sein funktionales ArbeitgeberInnenkonzept insbesondere auch für die im Vereinigten Königreich nicht ausdrücklich gesetzlich geregelte Arbeitskräfteüberlassung entwickelt hat., müssen Schutzdefizite jedoch mit dem zur Verfügung stehenden Rechtsmaterial gelöst werden.

3. Die herkömmliche Betrachtungsweise: Auf der Suche nach VertragspartnerInnen und Vertragstypen

In diesem Unterkapitel wird nun im Sinne der herkömmlichen Betrachtungsweise auf die möglichen (zweipersonalen) Vertragsverhältnisse eingegangen, die dem Crowdsourcing von Arbeit zugrunde liegen können.[7]Ausführlich Risak, Crowdwork – eine erste rechtliche Annäherung an eine „neue“ Arbeitsform, ZAS 2015, 11 (13). Dabei ist vorweg festzuhalten, dass die Geschäftsmodelle in der Plattformökonomie sehr unterschiedlich sind und ihre Organisation in Details sehr variiert, wie die Fallbeispiele zum Crowdwork in den folgenden Beiträgen zeigen. In diesem Beitrag werden deshalb nur Grundfragen angesprochen, die dann in den Anwendungsbeispielen im Detail für die jeweiligen Sachverhaltskonstellationen beantwortet werden.

3.1. Vertragsverhältnis zwischen CrowdworkerInnen und CrowdsourcerInnen

Abbildung 1: Vertragsbeziehung zwischen CrowdworkerIn und CrowdsourcerIn Quelle: eigene Darstellung

Die erste Frage in diesem Zusammenhang ist jene nach der Existenz einer direkten vertraglichen Beziehung zwischen den CrowdsourcerInnen und den einzelnen CrowdworkerInnen. Bei einigen Modellen gibt es keinen solchen direkten Vertrag: Ein Vertragsverhältnis kommt hier nur zwischen den CrowdworkerInnen und der Plattform zustande. Dies zB dann, wenn die Ergebnisse an die Plattform geliefert werden, die dann auch die Qualitätskontrolle durchführt und die CrowdworkerInnen direkt bezahlt. In diesem Szenario bestimmen die Plattformen auch die Rahmenbedingungen, unter denen die Aufgaben ausgeführt werden sollen (so zB die zur Verfügung stehende Zeit, das Interface, auf dem die Aufgabe bearbeitet werden muss, oder die Route, die zu fahren ist).

In anderen Konstellationen besteht ein direktes Vertragsverhältnis zwischen den CrowdworkerInnen und den CrowdsourcerInnen und zwar unter Umständen auch dann, wenn diese nicht direkt miteinander kommunizieren, sondern die Kommunikation über die Plattform abgewickelt wird. Die Arbeit wird ja in der Regel über die Plattformen angeboten und insbesondere bei virtuellem Crowdwork auch an diese geliefert. Die Plattform wickelt üblicherweise auch die Zahlungen ab und gibt in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen den Rahmen für die Arbeit vor. Trotz ihrer starken Präsenz argumentieren viele Plattformen, dass sie nur als Vermittlerinnen oder Vertreterinnen handeln würden und die Verträge eigentlich zwischen den CrowdworkerInnen und den CrowdsourcerInnen abgeschlossen werden. Dies ist nur dann nachvollziehbar, wenn die Plattform als Mittelsperson zu jedem Zeitpunkt als Vertreterin der CrowdsourcerInnen auftritt und nach außen hin in deren Namen und auf deren Rechnung handelt.[8]Risak, ZAS 2015, 15. Dagegen spricht freilich, dass beim virtuellen Crowdwork der virtuelle Raum, in dem gearbeitet werden muss, von der Plattform zur Verfügung gestellt wird und sie in so gut wie allen Konstellationen die Aufträge nach bisherigen Ratings und unter Umständen auch dem Aktivitätslevel zuteilen sowie in ihren AGB die allgemeinen Bedingungen zur Leistungserbringung festlegen.

Weiters ist zu berücksichtigen, dass allfällige Beziehungen zwischen den CrowdworkerInnen und den CrowdsourcerInnen nur für eine sehr begrenzte kurze Zeit (zB für eine Fahrt oder die Erfüllung einer Mikroaufgabe) dauern und dass sich die VertragspartnerInnen oft ändern. Eine derartige punktuelle Betrachtung birgt daher das Risiko, dass wegen der Kürze der Vertragsbeziehung und mangels irgendeiner Integration in den Betrieb der CrowdsourcerInnen ein Arbeitsvertrag schwer argumentiert werden kann.

3.2. Vertragsverhältnis zwischen den CrowdworkerInnen und der Crowdsourcing-Plattform

Abbildung 2: Vertragsverhältnis zwischen CrowdworkerInnen und Crowdsourcing-Plattform Quelle: eigene Darstellung

In so gut wie allen Szenarien gibt es irgendeine Form von Vertragsverhältnis zwischen den CrowdworkerInnen und der Plattform; dies zumeist auch dann, wenn ein direktes Vertragsverhältnis zwischen den CrowdsourcerInnen und den CrowdworkerInnen vorliegt. Jedenfalls müssen sich CrowdworkerInnen auf der Plattform registrieren und haben die Verpflichtung, ihre Daten aktuell zu halten. Zumeist kommen bei der Übernahme einer auf der bzw über die Plattform angeboten Arbeit deren Allgemeine Geschäftsbedingungen zur Anwendung und sie müssen unter Umständen auch Feedback über die CrowdsourcerInnen/KundInnen abgeben. Somit liegt hier ein durchgängiges Dauerschuldverhältnis vor, das jedoch zumeist noch nicht zu einer Leistung selbst im Sinne einer tatsächlichen Aktivität auf der Plattform (zB zur Abarbeitung einzelner Tasks oder zur Essenszustellung) verpflichtet.

Eine solche kann sich jedoch durch das Hinzutreten weiterer Rechte und Pflichten ergeben: Durch die Registrierung kommunizieren die CrowdworkerInnen, dass sie im Prinzip zur Arbeit zur Verfügung stehen, die durch bzw über die Plattform angeboten wird. Zwar gibt es in der Regel keine allgemeine Verpflichtung, irgendwelche Aufgaben zu übernehmen, da jedoch das Rating durch die Anzahl der positiven Bewertungen verbessert werden kann, wird damit Druck ausgeübt, so viel wie möglich zu arbeiten, um viele positive Bewertungen zu erhalten. Um die Aktivität der CrowdworkerInnen hoch zu halten, können auch zusätzliche Elemente eingebaut sein, wie zB, dass aktuelle Bewertungen bzw Bewertungen in einem bestimmten Zeitraum (etwa im letzten Monat) stärker gewichtet werden. Bisweilen wird auch die Ablehnung von Aufträgen nach einem Einloggen in die Crowdworking-App (so zB bei Foodora, Beitrag „Essenszustellung: Foodora“) oder die mangelnde Aktivität dadurch sanktioniert, dass bei einem Absinken unter ein Mindestausmaß eine Deaktivierung[9]Das bedeutet, dass der Account der betreffenden CrowdworkerInnen gelöscht wird und nicht mehr über die betreffende Plattform gearbeitet werden kann. erfolgt oder keine attraktiveren Aufträge mehr zugeteilt werden (so bei clickworker, Beitrag „Virtuelles Crowdwork: Clickworker“). Damit ist die in diesem Zusammenhang postulierte Freiheit zu Arbeiten, wieviel und wann man möchte, in einem anderen Licht zu sehen. So hat zB ein Englisches Employment Tribunal bei Uber-FahrerInnen ein durchgängiges Vertragsverhältnis von Anschalten der App bis zum Abschalten angenommen und nicht nur punktuelle Vertragsverhältnisse betreffend die einzelnen Fahrten.[10]Employment Tribunals 28.10.2016, 2202551/2015 & Others, Aslam, Farrar & Others v Uber B.V., Uber London Ltd. & Uber Britannia Ltd, https://www.judiciary.gov.uk/judgments/mr-y-aslam-mr-j-farrar-and-others-v-uber/

Werden nun die Aufträge einzeln betrachtet, so ergeben sich folgende vertragsrechtliche Einordnungen: Die Platzierung der Aufgabe auf einer Crowdsourcing-Plattform kann ein Angebot an die Crowd darstellen, die anschließend durch die Annahme der Aufgabe (in der Regel durch ein Anklicken) angenommen wird. Gemäß den AGB von einigen Plattformen kann die Aufgabe durch die CrowdsourcerIn jedoch weiterhin abgelehnt werden, ohne einen Grund anzugeben oder eine Vergütung zu zahlen.[11]So zB Pkt 3a des Amazon Mechanical Turk Participation Agreement: “If a Requester is not reasonably satisfied with the Services, the Requester may reject the Services” und 3.b. des Agreement:“However, if the Services do not meet the Requester’s reasonable satisfaction, the Requester may reject the Services and repost the specific request”; www.mturk.com/mturk/conditionsofuse Bisweilen werden auch einzelne Arbeitsanfragen an eingeloggte CrowdworkerInnen verschickt (wie zB beim Transportdienstleister Uber, Beitrag „Transportdienstleistungen: Uber“), die dann von den CrowdworkerInnen akzeptiert werden. Hier kommt es bei einer Einzelbetrachtung durch Angebot und Annahme jedenfalls im Einzelfall zu einem Vertragsschluss.

Alternativ kann die Platzierung der Aufgabe auch nur als bloße Aufforderung angesehen werden, ein Angebot zu machen (invitatio ad offerendum). Der/Die CrowdworkerIn bietet dann nur mehr an, einen Vertrag zu schließen, indem erledigte Aufgaben auf die Plattform geschickt werden, die dieses Angebot dann annimmt. Diesfalls würde erst zu einem späteren Zeitpunkt ein Vertrag geschlossen.

Andere Plattformen (zB solche im Designbereich) arbeiten nach dem Prinzip eines Preisausschreibens: Der Arbeitsauftrag ist als Auslobung gemäß § 860 ABGB konstruiert, dh als eine an einen unbestimmten Personenkreis gerichtete Verpflichtung, bei Vornahme einer bestimmten Handlung, insbesondere eines Erfolges, eine Belohnung zu bezahlen. Häufig gibt es hier eine Leistungsbeschreibung, die CrowdworkerInnen arbeiten offline und schicken dann das fertige Produkt an die Plattform bzw laden es dort hoch. Der/Die Auslobende entscheidet dann, wem dieser Preis ausbezahlt werden soll. Diese besondere Form des Arbeitens in der Gig-Economy wird hier nicht weiter behandelt, die Fallbeispiele in den folgenden Beiträgen beschränken sich auf Tätigkeiten ohne Wettbewerbscharakter.[12]Siehe dazu ausführlich Warter, Crowdwork 128ff; Däubler, Crowdworker – Schutz auch außerhalb des Arbeitsrechts?, in Benner, Crowdwork 243 (253).

In den anderen Fällen stellt sich die Frage, ob der der Leistungserbringung zugrund liegende Vertrag als Arbeitsvertrag, freier Dienstvertrag oder als Werkvertrag einzuordnen ist. Dabei sind die herkömmlichen Prüfkriterien anzuwenden, wobei jedoch die Besonderheiten der virtuellen Dimension ebenso wie jene der Arbeitsorganisation durch das Crowdsourcing nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Einerseits geht es um die hohe Kontrolldichte, die bei der Bearbeitung der einzelnen Aufträge besteht. Im Falle des virtuellen Crowdwork, zB dem online Schreiben kurzer Produktbeschreibungen, hat diese ja in der Regel auf einem von der Plattform zur Verfügung gestellten Interface (zB auf dem „Workplace“ von clickworker, Beitrag „Virtuelles Crowdwork: Clickworker“) stattzufinden, was eine Kontrolle der einzelnen Arbeitsschritte ermöglicht. Aber auch die Verpflichtung zur Verwendung einer App bei der Personenbeförderung oder der Speisenzustellung ermöglicht eine Dokumentation der Fahrtroute und der Geschwindigkeit. Dazu kommt noch die Möglichkeit der Disziplinierung durch die Bewertungssysteme. Außerdem findet in der Regel eine weitere Determinierung arbeitsbezogenen Verhaltens insbesondere durch Zeitvorgaben für die Erledigung statt. In Kombination kann daher eine so starke Fremdbestimmung vorliegen, dass die Aufgabenbearbeitung in persönlicher Abhängigkeit erfolgt und somit als Arbeitsvertrag zu qualifizieren ist.[13]Risak, ZAS 2015, 16; Däubler, Digitalisierung und Arbeitsrecht, Soziales Recht – Sonderausgabe Juli 2016, 36; einschr Warter, Crowdwork 189; aA Karl, Plattformen als Verbindung zwischen Arbeitenden und Leistungsempfängern, in Tomandl/Risak, Wie bewältigt das Recht moderne Formen der Arbeit? (2017) 85 (95). Dabei stellt sich jedoch auch die Frage, ob die einzelnen Auftragserledigungen punktuell oder zusammenschauend zu betrachten sind (dazu Abschnitt „Punktuelle Verträge oder durchgehendes Vertragsverhältnis?“).

3.3. Vertragsverhältnis zwischen den CrowdsourcerInnen und der Crowdsourcing-Plattform

Abbildung 3: Vertagsverhältnisse zwischen CrowdsourcerIn und Crowdsourcing-Plattform Quelle: eigene Darstellung

Die letzte zu untersuchende Vertragsbeziehung ist jene zwischen den CrowdsourcerInnen und der Plattform. Bei direkten Vertragsbeziehungen zwischen den CrowdsourcerInnen und den CrowdworkerInnen wird zumindest für die Ermöglichung des Vertrages ein Entgelt vorgeschrieben.

Kommt ein Arbeitsverhältnis zwischen CrowdsoucerIn und CrowdworkerIn zustande, dann stellt sich die Frage, ob hier eine gewerbliche Arbeitsvermittlung vorliegt. Nach § 9 AMFG ist „jede Tätigkeit, die darauf gerichtet ist, Arbeitssuchende mit Dienstgebern zur Begründung von Dienstverhältnissen oder mit Auftraggebern (Zwischenmeistern, Mittelspersonen) zur Begründung von Heimarbeitsverhältnissen im Sinne des Heimarbeitsgesetzes 1960 BGBl. Nr. 105/1961[14]Zur Problematik der Anwendbarkeit des HeimArbG nur auf manuelle Tätigkeiten siehe Abschnitt „HeimarbeiterInnen“. zusammenzuführen, es sei denn, daß diese Tätigkeit nur gelegentlich und unentgeltlich oder auf Einzelfälle beschränkt ausgeübt wird.“ Nach § 94 Z 1 GewO 1994 stellt die Arbeitsvermittlung ein reglementiertes Gewerbe dar, dh es ist von dem/der UnternehmerIn ein Befähigungsnachweis zu erbringen. Genaueres regelt die Arbeitsvermittlungs-Zugangsverordnung[15]BGBl II 26/2003. sowie die Arbeitsvermittlung-Prüfungsverordnung (AVPV)[16]BGBl 187/1995..

Als Arbeitsvermittlung wird auch die Veröffentlichung und Verbreitung von Stellenangeboten und Stellengesuchen angesehen, es sei denn, dass diese Tätigkeit nicht der Hauptzweck ist (§ 2 Abs 2 AMFG). Deshalb fallen Stellenanzeigen in Zeitungen nicht unter diesen Tatbestand. Für die Plattformen beim Crowdwork stellt die Veröffentlichung und Verbreitung von Arbeitsaufgaben (Tasks) jedoch den Hauptzweck ihrer Tätigkeit dar und geht in der Regel ohnehin über das bloße Veröffentlichen von Stellenanzeigen hinaus. Sie bieten umfangreiche Informationen über die CrowdworkerInnen in Form von Rating-Systemen und eine Vorauswahl zB nach erfolgreich erledigten Aufträgen. Ihre Tätigkeit stellt daher – wenn Dienstverträge vermittelt werden – wohl eine Arbeitsvermittlung dar.

Nach § 4 Abs 6 AMFG dürfen ArbeitsvermittlerInnen nur jene offenen Stellen anbieten, über deren Anforderungen sie Auskunft geben können. Haben sie falsche oder fehlerhafte Angaben gemacht oder Daten über Arbeitsuchende weitergegeben, die sie nicht weitergeben dürfen[17]Siehe dazu § 6 AMFG zur Erhebung, Verarbeitung und Veröffentlichung von Daten., haben sie den Arbeitsuchenden für den dadurch entstandenen Schaden Ersatz zu leisten. Weiters sind nach § 5 Abs 5 AMFG umfangreiche Unterlagen zu führen. Außerdem dürfen nach § 5 Abs 2 AMFG InhaberInnen einer solchen Gewerbeberechtigung die Arbeitsvermittlung für die Arbeitsuchenden, soweit es sich nicht um KünstlerInnen oder SportlerInnen handelt, nur unentgeltlich durchzuführen. Von den ArbeitnehmerInnen dürfen daher keine Vermittlungsgebühren oder Ähnliches eingehoben werden. Das Entgelt für die Vermittlung hat allein der/die ArbeitgeberIn zu bezahlen. Ein Abzug einer Vermittlungsgebühr vom Entgelt der CrowdworkerInnen wäre somit unzulässig.

Zumeist wird die Tätigkeit der Plattform über die bloße Vermittlungstätigkeit hinausgehen und zusätzliche Dienstleistungen umfassen, wie die Vorauswahl der Menge, die Aufgabenzerteilung in kleinere Aufträge, Zahlungsabwicklungen, Bereitstellung eines Rahmenvertrags oder Qualitätskontrolle.

Kommt es zu keiner direkten Vertragsbeziehung zwischen CrowdworkerInnen und CrowdsourcerInnen, dann ist die Plattform selbst für die Leistungserbringung verantwortlich und sie verwendet die CrowdworkerInnen zur Erfüllung dieser Verpflichtungen.

4. Wer ist ArbeitgeberIn?

Gerade plattformbasiertes Arbeiten führt vor Augen, dass die herkömmliche Betrachtungsweise des Arbeitsverhältnisses, die von dem nur zwei Parteien aufweisenden Standardfall ausgeht, wegen der Mehrzahl der daran Beteiligten an seine Grenzen geführt wird, wenn sie nicht gar versagt. Prassl[18]The Concept of the Employer; siehe auch Prassl, Die Suche nach dem Arbeitgeber im Englischen Recht, ZESAR 2013, 472. hat vor dem Hintergrund des englischen Rechts einen interessanten alternativen Lösungsvorschlag entwickelt, der den Fokus der Betrachtung auf die „andere Seite“, nämlich die ArbeitgeberInnen verlagert. In seinem funktionalen Konzept sind fünf ArbeitgeberInnenfunktionen voneinander zu unterscheiden:

  1. Begründung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses;
  2. Recht auf Arbeit, dh auf Leistungserbringung und deren Ergebnisse;
  3. Bereitstellung von Arbeit und Bezahlung des Arbeitsentgelts;
  4. Management des unternehmensinternen Markts im Sinne der Koordination und Kontrolle aller Produktionsfaktoren, einschließlich der Möglichkeit zu bestimmen, welche Leistungen wie zu erbringen sind und
  5. Management des unternehmensexternen Markts, dh die wirtschaftliche Leitung des Unternehmens und die Tragung des UnternehmerInnenrisikos.

Demnach kann der/die ArbeitgeberIn als das Unternehmen – oder die Kombination von Unternehmen – definiert werden, die eine entscheidende Rolle bei der Ausübung der fünf ArbeitgeberInnenfunktionen spielen, und als solche in einem Bereich des Arbeitsrechts bestimmten Verpflichtungen unterworfen sind.[19]Prassl, ZESAR 2013, 486 ff. Dieses funktionale ArbeitgeberInnenkonzept kann gerade in mehrpersonalen Verhältnissen nutzbar gemacht werden, denen ein Geflecht unterschiedlicher Verträge zugrunde liegt. Seine Anwendung kann auch zu einer Mehrzahl von ArbeitgeberInnen führen, wobei nicht jeder/jede der gesamten Bandbreite an arbeitsrechtlichen Verpflichtungen ausgesetzt ist, sondern nur jenen, die der Ausübung der jeweiligen ArbeitgeberInnenfunktion entsprechen. Es zählt somit alleine die Ausübung einer bestimmten Funktion, um Verantwortung auszulösen – spezifisch begrenzt auf den jeweiligen Bereich. Prassl und ich[20]Prassl/Risak, Uber, Taskrabbit, & Co: Platforms as Employers? Rethinking the Legal Analysis of Crowdwork Comparative Labor Law & Policy Journal (CLLPJ) 2016, 634; Risak, Kurswechsel 2/2016, 38; Risak, Arbeitsrecht und Online-Ökonomie, Forum Wissenschaft 2016, 9 (11). haben dieses Konzept am Beispiel von Transportdienstleistungen bei der Plattform Uber und für unterschiedliche Formen persönlicher Dienstleistungen bei der Plattform TaskRabbit für den anglo-sächischen Rechtsbereich zur Anwendung gebracht und sind dabei zu differenzierten Ergebnissen gekommen. Diese alternative Herangehensweise ermöglicht somit einen abgestuften Zugang zur effektiven Absicherung schutzbedürftiger Personen ohne die Konzeption des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich infrage zu stellen. ArbeitgeberInnenverpflichtungen werden dabei nur den Personen auferlegt, die tatsächlich die dafür relevanten Funktionen ausüben. Damit können auch unterschiedliche Personen einzelne ArbeitgeberInnenfunktionen ausüben (zB Lohnbestimmung und Arbeitszeitgestaltung) und sind somit sinnvolle AdressatInnen der dafür relevanten Schutznormen (zB Mindestlohnvorschriften und Höchstarbeitszeitregelungen).

5. Punktuelle Verträge oder durchgehendes Vertragsverhältnis?

Wird das Vertragsverhältnis zwischen den CrowdworkerInnen und der Plattform als Arbeitsverhältnis eingestuft, so stellt sich die Frage, ob es sich beim Crowdwork um eine Kette von sehr kurzfristigen Arbeitsverträgen handelt oder um ein durchgängiges Arbeitsverhältnis.

Eingangs ist dabei zu klären, ob sehr kurzfristige Leistungserbringungen, wie sie im Bereich der Microtasks oder auch der Transportdienstleistungen stattfinden, überhaupt wegen ihrer geringen, bisweilen nur Minuten währenden Dauer überhaupt Arbeitsverträge sein können. Schon Tomandl[21]Wesensmerkmale des Arbeitsvertrages (1971) 56 (58). geht bei seiner grundlegenden Untersuchung zu den Wesensmerkmalen des Arbeitsvertrages davon aus, dass die „Dauer“ ein unzureichendes Abgrenzungskriterium sei, das gegenüber den Merkmalen der persönlichen Abhängigkeit zurücktreten müsse. Auch Rebhahn[22]ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz 77a, 121. betont, dass Arbeitsverträge auch nur für ganz kurze Zeit abgeschlossen werden können, unter Umständen auch nur für Stunden oder einen Tag. An die sehr kurzen, bisweilen nur ein paar Minuten dauernden, in der Gig-Economy nicht unüblichen Microtasks wurde dabei aber offensichtlich noch nicht gedacht. Dies lässt die Frage nach einer Minimaldauer eines Arbeitsvertrages wieder aufleben. Im Kern geht es dabei darum, ob eine persönliche Abhängigkeit auch bei so kurzfristiger Leistungserbringung möglich sein kann. Meines Erachtens ist dies immer dann der Fall, wenn die Art der Leistungserbringung sehr stark determiniert ist, wenig Freiräume bietet und die Kontrolldichte sehr hoch ist. Dass diese Kontrolle automatisiert, beispielsweise durch die Erstellung von Screenshots, die Auswertung von Arbeitsschritten oder von Eingabemustern erfolgt, ändert daran nichts. Im Rahmen der Prüfung des Typusbegriffs[23]So beispielsweise Kietaibl, Arbeitsrecht I9 (2013) 26. kann daher meines Erachtens die untypisch kurze Dauer durch ein hohes Maß an Fremdbestimmtheit bei der Leistungserbringung ausgeglichen werden.

Die zweite Frage ist jene, ob eine Kette von Arbeitsverträgen oder ein durchgängiges Vertragsverhältnis vorliegt.[24]Dazu grundsätzlich Risak, Möglichkeiten der Arbeitszeitflexibilität für ArbeitgeberInnen, in Tomandl/Risak, Moderne Formen der Arbeit 60. Dabei ist wesentlich, ob CrowdworkerInnen zu einem Mindestausmaß an Arbeitsleistung verpflichtet sind, oder es wirklich völlig in ihrem Ermessen liegt, ob und in welchem Ausmaß gearbeitet wird. Dies ist insbesondere dann infrage zu stellen, wenn infolge eines Abfallens unter eine Mindestaktivität oder die Nichtannahme von Aufträgen Sanktionen gesetzt werden wie eine Deaktivierung des Accounts, das Nicht-Angebot attraktiver Aufträge oder die Gewichtung aktueller Bewertungen (Ratings). Hier ist die mangelnde Aktivität nämlich gerade nicht sanktionslos, was für ein durchgängiges Arbeitsverhältnis spricht. Dabei ist weiter danach zu unterscheiden, ob die Verpflichtung durchgängig ist und für die gesamte Dauer des Vertragsverhältnisses oder nur befristet für einzelne Phasen erfolgt (wie zB das Auf- und Abdrehen der App bei Uber, Beitrag „Transportdienstleistungen: Uber“, oder bei Übernahme einer Schicht wie bei Foodora, Beitrag „Essenszustellung: Foodora“).

Kommt es zum Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages, liegen in der Regel Kettenarbeitsverträge vor, da ja wiederholt Crowdwork geleistet wird. Wenn Kettendienstverträge nicht sachlich gerechtfertigt werden können, werden sie als ein durchgängiges Arbeitsverhältnis angesehen.[25]Dazu beispielsweise Windisch-Graetz, Arbeitsrecht II8 (2013) 46 mwN.

Ein sachlicher Rechtfertigungsgrund kann unter Umständen darin bestehen, dass sich CrowdworkerInnen nicht auf unbestimmte Zeit verpflichten wollen und dass die neuerliche Befristung somit in ihrem Interesse liegt.[26]So zB zuletzt OGH 8 Ob A 50/13 f, DRdA 2014/34 (Risak) = ZAS 2014/51 (Ogriseg) – fallweise Beschäftigung; Risak, ZAS 2015, 17; Warter, Crowdwork 194. Dies ist im Einzelfall zu prüfen und von den VertragspartnerInnen, dh dem/der CrowdsourcerIn bzw der Plattform zu beweisen.

6. Arbeitskräfteüberlassung

Arbeitskräfteüberlassung liegt nach § 3 Abs 1 AÜG immer dann vor, wenn Arbeitskräfte[27]Das AÜG hat einem weiten personellen Anwendungsbereich und schließt neben ArbeitnehmerInnen auch arbeitnehmerInnenähnliche Personen mit ein (§ 3 Abs 4 AÜG, siehe Abschnitt „ArbeitnehmerInnenähnliche Personen“). zur Arbeitsleistung an Dritte zur Verfügung gestellt werden. Auch hier liegt ein dreipersonales Verhältnis vor, wobei ein Arbeitsverhältnis nur zu den ÜberlasserInnen vorliegt, dh den Personen, die Arbeitskräfte zur Arbeitsleistung an Dritte vertraglich verpflichten. Diese überlassen die Arbeitskräfte an die BeschäftigerInnen, die diese dann für betriebseigene Aufgaben einsetzen. Dafür ist es wesentlich, dass die BeschäftigerInnen dabei das Weisungsrecht von den ÜberlasserInnen mit Zustimmung der überlassenen Arbeitskräfte vertraglich abgetreten bekommen, sodass sie auf diese wie auf bei ihnen direkt beschäftigte ArbeitnehmerInnen zugreifen können.[28]Vgl Brodil/Risak/Wolf, Arbeitsrecht in Grundzügen9 Rz 59.

In Ausnahmefällen ist es denkbar, dass in Crowdwork-Konstellationen ein Arbeitsverhältnis bzw ein Vertragsverhältnis als arbeitnehmerInnenähnliche Person zwischen den CrowdworkerInnen und den jeweiligen Plattformen besteht, die diese dann an die CrowdsourcerInnen überlassen. Dies kann aber nur dann der Fall sein, wenn – vorausgesetzt es liegt ein direktes, die konkrete Leistung beinhaltendes Vertragsverhältnis mit der Plattform vor – die CrowdsourcerInnen/AuftraggeberInnen/KundInnen direkt auf die CrowdworkerInnen zugreifen und insbesondere durch konkrete, das arbeitsbezogene Verhalten betreffende Weisungen deren Leistungserbringung determinieren können. Dies wird nur in Ausnahmefällen vorliegen und zwar am ehesten dort, wo Leistungen physisch im Betrieb bzw der Wohnung der CrowdsourcerInnen erbracht werden (zB bei Reinigungsdienstleistungen, dazu Beitrag „Haushaltsnahe Dienstleistungen: Book a Tiger“). Dabei kann auch der Kriterienkatalog in § 4 Abs 2 AÜG fruchtbar gemacht werden.[29]Dazu mit ausführlicher Diskussion F. Schörghofer, Grenzfälle der Arbeitskräfteüberlassung (2015) 173 ff. In den meisten Konstellationen tritt jedoch nur die Plattform gegenüber den CrowdworkerInnen in Erscheinung, sodass das Vorliegen von Arbeitskräfteüberlassung nur schwer darstellbar ist.

7. CrowdworkerInnen als HeimarbeiterInnen und/oder arbeitnehmerInnenähnliche Personen?

Wird das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses verneint, so stellt sich die Frage, ob es nicht zur Anwendung jener Normen kommt, die die Arbeitsbedingungen prekär arbeitender Selbständiger regeln. In concreto geht es dabei um das Heimarbeitsgesetz und jene arbeitsrechtlichen Normen, deren persönlicher Anwendungsbereich sich auch auf arbeitnehmerInnenähnliche Personen erstreckt. Ihnen liegt die Erkenntnis zugrunde, dass nicht nur ArbeitnehmerInnen, sondern auch bestimmte Selbständige unter schlechten Arbeitsbedingungen leiden, die ein Eingreifen des Staates erforderlich machen. So beschreibt Lederer 1929 in seinem „Grundriß des österreichischen Sozialrechts“ die ökonomischen Bedingungen der HeimarbeiterInnen vor Inkrafttreten des Heimarbeitsgesetzes 1918[30]StGBl 140/1918. folgendermaßen: „Der unorganisierten Masse von Heimarbeitern gelang es eben nicht, bei ihren wirtschaftlich überlegenen Unternehmern die ihren Arbeitsleistungen entsprechenden Verdienste durchzusetzen. Diese gedrückte ökonomische Lage wirkte wieder höchst ungünstig auf die gesundheitlichen Verhältnisse der Heimarbeiter zurück. Überlange Arbeitszeiten[31]In der dazugehörigen Fußnote findet sich: „Oft mußten die Heimarbeiter 14 bis 16 Stunden lang täglich arbeiten, um sich den notwendigsten Lebensunterhalt zu schaffen.“, unzureichende Ernährung, sanitätswidrige Behausungen und Werkstätten, endlich der durch Saisonschwankungen herbeigeführte stete Wechsel zwischen Überbeschäftigung und Arbeitslosigkeit unterhöhlten immer mehr die Existenz der Heimarbeiter, denen schließlich die staatliche Schutzgesetzgebung zu Hilfe kommen mußte.[32]Lederer, Grundriss des österreichischen Sozialrecht (1929) 417; ders, Grundriss2 (1932) 362.

7.1. HeimarbeiterInnen

Das Gesetz über die Regelung der Arbeits- und Lohnverhältnisse bei der Heimarbeit (Heimarbeitsgesetz)[33]StGBl 1918/140; zur Geschichte und Entstehung ausführlich Lederer, Grundriss 415 und zuletzt Warter, Crowdwork 204. war eines der ersten sozialpolitischen Gesetze der ersten Republik. Darauf geht auch das derzeit gültige HeimAG 1961[34]BGBl 1961/105 idF BGBl I 2009/74; dieses stellt eine Wiederverlautbarung des HeimAG 1954, BGBl 1954/66 dar. zurück, das insbesondere auch Mindestlohnbestimmungen enthält. Es ist nach § 1 HeimAG auf Heimarbeit jeder Art, ausgenommen der Heimarbeit im Rahmen der land- und forstwirtschaftlichen Produktion anzuwenden. Als HeimarbeiterInnen iSd § 2 Z 1 HeimAG ist anzusehen, wer ohne Gewerbetreibender/Gewerbebetreibende nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung zu sein, in eigener Wohnung oder selbst gewählter Arbeitsstätte im Auftrag und für Rechnung von Personen, die Heimarbeit vergeben, mit der Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Verpackung von Waren beschäftigt ist. Der Begriff der „Waren“ ist dabei weit auszulegen.[35]OGH 10 Ob S 332/99t, ZAS 2001/11. Die Rsp hat in diesem Zusammenhang zB das Adressieren von Briefumschlägen[36]VwGH 598/72, ZAS 1974, 106 (Holzer). oder auch die Zusammenfassung von Adressen in Listen[37]VwGH 606/66, Arb 8256. als möglichen Gegenstand der Heimarbeit anerkannt. Die Grundlage für die Leistungserbringung ist irrelevant, lediglich die Vereinbarung eines Arbeitsvertrages würde die Anwendung des HeimAG ausschließen.[38]OGH 10 Ob S 332/99t, ZAS 2001/11 (Tomandl) im Zusammenhang mit der Verweisung einer Arbeiterin auf Heimarbeit. Dies überzeugt insoweit, als ansonsten wegen der Anwendung des Arbeitsrechts kein zusätzlicher Schutzbedarf besteht, der durch das HeimAG abgedeckt werden müsste.[39]So zu Recht Tomandl, ZAS 2001, 91. Die Rsp[40]VwGH 598/72, ZAS 1974, 107 (Holzer). spricht davon, dass Basis von Heimarbeit auch eine Kette von Werkverträgen sein könne. Es müsse sich daraus aber ein „besonderes Beschäftigungsverhältnis“ ergeben, dem ein Element der Dauer und der Regelmäßigkeit innewohnen müsse, weshalb die ausnahmsweise Übernahme eines einzelnen Auftrages dieses nicht begründen könne. Die Rsp führt darüber hinaus noch an, dass Heimarbeiter außerdem eine Leistungsverpflichtung treffen müsse[41]So VwGH 598/72, ZAS 1974, 108 (kritisch Holzer)., was in der Lit zu Recht kritisiert wird.[42]So Holzer, ZAS 1974, 109.

Für bestimmte Leistungen in der Gig-Economy, insbesondere jene im Rahmen des virtuellen Crowdwork, böte sich nun bei einer Verneinung eines Arbeitsvertrages die Anwendung des HeimAG an. Dagegen spricht jedoch, dass die Rsp nicht-manuelle Tätigkeiten vom Geltungsbereich des HeimAG ausnimmt. So wurde vom OGH entschieden, dass Übersetzungsarbeiten für ein Übersetzungsbüro[43]VwGH 0835/72, VwGHSlg NF 8307. ebenso wenig Heimarbeit darstellen wie die Übertragung von Diktataufnahmen auf einer vom Unternehmer zur Verfügung gestellten Schreibmaschine zu Hause[44]VwGH 153/80, DRdA 1982, 220..[45]Siehe zu diesem Kriterium Egger, Telearbeit – ein neues Phänomen in der Arbeitswelt, DRdA 1987, 97 (101); Trost, Heimarbeit – die ideale Arbeitsform der Zukunft?, DRdA 1992, 25 (28). Dies könne nämlich nicht mehr unter die Formulierung „Waren herstellen, bearbeiten, verarbeiten oder verpacken“ subsumiert werden. Damit unterliegt schon allein wegen des von der Rsp judizierten Fokus des HeimAG auf manuelle Tätigkeiten die typischerweise in Form von Crowdwork erbrachte Arbeitsleistung nicht diesem Gesetz.[46]So auch Risak, ZAS 2015, 17; Karl in Tomandl/Risak, Neue Formen der Arbeit 100. Trost[47]Trost, DRdA 1992, 29. und Warter haben dies zu Recht kritisiert, wobei insbesondere letzterer eine weite Auslegung des Warenbegriffes schon de lege lata vertritt.

7.2. ArbeitnehmerInnenähnliche Personen

Neben der Heimarbeit hat das österreichische Arbeitsrecht die Schutzbedürftigkeit bestimmter Selbständiger ebenfalls schon seit längerer Zeit erkannt und den sogenannten „arbeitnehmerInnenähnlichen Personen“, die „ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Auftrag und für Rechnung bestimmter anderer Personen Arbeit leisten und wegen wirtschaftlicher Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnlich anzusehen sind[48]So zB die Definition in § 1 DHG. einen gewissen Schutz zuerkannt. Konkret findet sich dieser Begriff zuerst im Arbeitsgerichtsgesetz 1946[49]BGBl 1946/170., das sich wiederum an das deutsche Arbeitsgerichtsgesetz 1926[50]RGBl I 1926, 507. anlehnt.[51]Dazu Wachter, Wesensmerkmale der Arbeitnehmerähnlichen Person (1980) 59; Tomandl, Wesensmerkmale des Arbeitsvertrages (1971) 30. In der Folge fanden nach und nach einzelne arbeitsrechtliche Normen auf diese Personengruppe Anwendung wie insbesondere die Haftungserleichterungen des DHG, das AÜG, der Diskriminierungsschutz des GlBG und das bereits erwähnte ASGG.[52]Karl in Tomandl/Risak, Moderne Formen der Arbeit 95; Mazal, Arbeitnehmerähnliche Selbständige, in Mazal/Risak, Moderne Formen der Arbeit 106; Warter, Crowdwork 198.

Für die Anwendung auf Crowdworksachverhalte stellt sich somit unter Heranziehung der einschlägigen Rechtsprechung die Frage, ob die CrowdworkerInnen in ihrer wirtschaftlichen Selbstbestimmung im Sinne der Entschluss- oder Entscheidungsfähigkeit auf ein Minimum beschränkt sind.[53]Löschnigg, Arbeitsrecht12 Rz 4/140 ff; Brodil/Risak/Wolf, Arbeitsrecht in Grundzügen9 Rz 58. Typische von der Rsp herangezogene Kriterien sind insbesondere das Vorhandensein nur weniger GeschäftspartnerInnen (AuftraggeberInnen), keine nennenswerte eigene unternehmerische Struktur, die Konzentration auf die (eigene) menschliche Arbeitsleistung oder ein Wettbewerbsverbot.[54]So zB OGH 4 Ob 92/76, Arb 9518 – LKW-Frächter; 4 Ob 68/79, Arb 9829; siehe auch Shubshizky, Das Heimarbeitsverhältnis, RdW 1999, 87. Bei einem direkten Vertragsverhältnis zur Plattform werden diese Kriterien wohl idR erfüllt sein, besonders dann, wenn nur auf einer überschaubaren Anzahl von Plattformen gearbeitet wird. Ist die Plattform hingegen bloße Mittelsperson, so ist eine Einordnung als arbeitnehmerInnenähnliche Person gegenüber den CrowdsourcerInnen schwierig, da diese ja zumeist ständig wechseln. Aber auch hier kann damit argumentiert werden, dass gegenüber der Plattform eine starke wirtschaftliche Unselbständigkeit vorliegt[55]So offenbar Karl in Tomandl/Risak, Moderne Formen der Arbeit 96.
bzw dass auch diesfalls die Tätigkeit der CrowdworkerInnen nicht direkt auf den Markt ausgerichtet ist[56]Warter, Crowdwork 199., sodass sie gegenüber der Plattform als arbeitnehmerInnenähnlich anzusehen sind. Die Qualifikation als arbeitnehmerInnenähnlich darf aber darüber nicht hinwegtäuschen, dass diese Personengruppe im Wesentlichen des Schutzes des Arbeitsrechtes entbehrt und sie insbesondere keinen Mindestentgeltbestimmungen in Kollektivverträgen, Urlaubs- und Entgeltfortzahlungsregelungen sowie Kündigungsschutzbestimmungen unterliegt (zu den diesbezüglichen rechtspolitischen Forderungen siehe Beitrag „Gute Arbeitsbedingungen in der Gig-Economy – was tun?“).

8. Kollektive Rechtssetzung in der Gig-Economy

Am Ende der Behandlung grundsätzlicher arbeitsrechtlicher Fragen ist die kollektive Rechtssetzung in Form von Kollektivverträgen in der Gig-Economy anzusprechen. Eine naheliegende Lösung für die Problematik, dass die individuell verhandelten bzw von den Plattformen und/oder CrowdsourcerInnen vorgegebenen Entgelte sehr niedrig sind, ist der Zusammenschluss der CrowdworkerInnen und deren kollektives Verhandeln insbesondere von Entgeltbedingungen.

Sollten diese nicht als ArbeitnehmerInnen anzusehen sein, so besteht bislang noch keine gesetzlich vorgesehene Möglichkeit zu einem kollektiven Aushandeln von Entgeltbedingungen. Eine Ausnahme stellt die Möglichkeit eines Gesamtvertrages für ständige freie MitarbeiterInnen[57]Diese sind in § 16 JournalistenG – nicht unähnlich der Legaldefinition der arbeitnehmerInnenähnlichen Person – als an der inhaltlichen Gestaltung eines Mediums oder der Mitteilungen eines Mediendienstes journalistisch Mitwirkende definiert, sofern diese journalistische Tätigkeit ständig und nicht bloß als Nebenbeschäftigung ausgeübt wird, im Wesentlichen persönlich erbracht und über keine unternehmerische Struktur verfügt wird. in Medienunternehmen bzw Mediendiensten dar, wodurch die Honorarbedingungen und Aufwandsersätze geregelt werden können. Anders ist dies zB in Deutschland, wo arbeitnehmerinnen-ähnliche Personen vom Tarifvertragsgesetz (§ 12a TVG) erfasst sind und generell Kollektivverträge mit Normwirkung abgeschlossen werden können.[58]Dazu Reinecke/Rachor in Däubler, TVG4 (2016) § 12a Rz 20 ff.

In der Literatur wurde eine Ausweitung der Möglichkeiten kollektiver Rechtssetzung für arbeitnehmerInnenähnliche Personen auch in Österreich immer wieder diskutiert.[59]Risak, Kollektive Rechtssetzung auch für Nicht-Arbeitnehmer?, ZAS 2002, 16; Mosler, Anwendung des kollektiven Arbeitsrechts auf arbeitnehmerähnlich beschäftigte Selbständige?, DRdA 2012, 100; ders, Ist das ArbVG noch aktuell?, DRdA 2014, 511. Europarechtlich ist dies freilich nicht ganz unproblematisch, da ein Zusammenschluss von Selbständigen, die Absprachen treffen, nicht unter einem bestimmten Preis anzubieten, als „Preiskartell für Arbeit“ angesehen und im Widerstreit mit dem Kartellverbot in Art 101 AEUV gesehen werden könnte. Der EuGH hatte in FNV Kunsten[60]EuGH C-413/13, DRdA 2016/18 (Grillberger) = ZAS 2015/45 (Mair). dazu meines Erachtens nicht ganz eindeutig Stellung genommen.[61] Damit ist meiner Meinung nach weiterhin die Frage offen, inwieweit Möglichkeiten der kollektiven Rechtssetzung Personen eröffnet werden können, die gerade nicht wie typische UnternehmerInnen tätig sind und bei denen in dieser Form wie bei ArbeitnehmerInnen ein Markversagen ausgeglichen wird.[62]So auch Mosler, DRdA 2013, 113.

9. Ergebnis

Die Geschäftsmodelle in der Plattformökonomie sind sehr unterschiedlich und ihre Organisation variiert nicht nur in Details, weshalb sich kaum grundsätzliche Aussagen treffen lassen. Jedenfalls greift aber das in der Gig Economy bislang vorherrschende Postulat, dass hier nur Selbständige agieren würden, jedenfalls zu kurz.

Nach der herkömmlichen arbeitsrechtlichen Betrachtungsweise sind die dem Crowdwork zugrunde liegenden Vertragsverhältnisse in zwei Schritten jeweils einzeln rechtlich zu analysieren: Zuerst sind die VertragspartnerInnen zu definieren und dann die zwischen ihnen bestehenden Vertragsverhältnisse rechtlich einzuordnen. In gar nicht so wenigen Fällen liegt meines Erachtens ein Arbeitsverhältnis in der Regel zur Plattform bzw bisweilen zu den CrowdsourcerInnen vor. Dies ist vor allem auf die hohe Kontrolldichte zurückzuführen, die bei der Leistungserbringung besteht, sowie auf die Möglichkeit der Disziplinierung durch die Bewertungssysteme und darauf, dass häufig auch eine ziemlich genaue Determinierung des arbeitsbezogenen Verhaltens stattfindet. In Kombination kann daher eine so starke Fremdbestimmung vorliegen, dass die Aufgabenbearbeitung in persönlicher Abhängigkeit erfolgt und somit als Arbeitsvertrag zu qualifizieren ist. Hier stellt sich als weitere schwierige Frage, ob von einzelnen punktuellen Vertragsverhältnissen auszugehen ist oder von einem durchgängigen Arbeitsverhältnis.

In anderen Sachverhaltskonstellationen besteht hingegen wegen der Aufdröselung in einzelne Verträge die Gefahr, dass damit der Schutz des Arbeitsrechtes wegfällt, obwohl eine Gesamtbetrachtung eigentlich für eine ArbeitnehmerInnenqualifikation der CrowdworkerInnen sprechen würde. Dem kann durch eine Anwendung des funktionalen ArbeitgeberInnenkonzeptes nach Prassl begegnet werden.

Für jene Gruppe von CrowdworkerInnen, die jedenfalls als Selbständige anzusehen sind, greift letztlich zumeist nur der eingeschränkte Schutz als arbeitnehmerInnenähnliche Personen.

[1] Rebhahn in ZellKomm2 (2014) § 1151 ABGB Rz 1.

[2] Risak, What’s law got to do with it? (Arbeits-)Rechtliche Aspekte plattformbasierten Arbeitens, Kurswechsel 2/2016, 32 (33); siehe dazu auch Pacic, Atypische Beschäftigung: Rechtsfragen jenseits der Normalarbeit (2016).

[3] Leimeister/Zogaj/Blohm, Crowdwork – digitale Wertschöpfung in der Wolke, in Benner, Crowdwork – zurück in die Zukunft (2015) 9 (15); Strube, Vom Outsourcing zum Crowdsourcing, in Benner, Crowdwork – zurück in die Zukunft (2015) 75.

[4] So zB Brodil/Risak/Wolf, Arbeitsrecht in Grundzügen9 (2016) Rz 43.

[5] The Concept of the Employer (2015).

[6] Es überrascht daher nicht, dass Prassl (Concept of the Employer 42 ff) sein funktionales ArbeitgeberInnenkonzept insbesondere auch für die im Vereinigten Königreich nicht ausdrücklich gesetzlich geregelte Arbeitskräfteüberlassung entwickelt hat.

[7] Ausführlich Risak, Crowdwork – eine erste rechtliche Annäherung an eine „neue“ Arbeitsform, ZAS 2015, 11 (13).

[8] Risak, ZAS 2015, 15.

[9] Das bedeutet, dass der Account der betreffenden CrowdworkerInnen gelöscht wird und nicht mehr über die betreffende Plattform gearbeitet werden kann.

[10] Employment Tribunals 28.10.2016, 2202551/2015 & Others, Aslam, Farrar & Others v Uber B.V., Uber London Ltd. & Uber Britannia Ltd, https://www.judiciary.gov.uk/judgments/mr-y-aslam-mr-j-farrar-and-others-v-uber/

[11] So zB Pkt 3a des Amazon Mechanical Turk Participation Agreement: “If a Requester is not reasonably satisfied with the Services, the Requester may reject the Services” und 3.b. des Agreement:“However, if the Services do not meet the Requester’s reasonable satisfaction, the Requester may reject the Services and repost the specific request”; www.mturk.com/mturk/conditionsofuse

[12] Siehe dazu ausführlich Warter, Crowdwork 128ff; Däubler, Crowdworker – Schutz auch außerhalb des Arbeitsrechts?, in Benner, Crowdwork 243 (253).

[13] Risak, ZAS 2015, 16; Däubler, Digitalisierung und Arbeitsrecht, Soziales Recht – Sonderausgabe Juli 2016, 36; einschr Warter, Crowdwork 189; aA Karl, Plattformen als Verbindung zwischen Arbeitenden und Leistungsempfängern, in Tomandl/Risak, Wie bewältigt das Recht moderne Formen der Arbeit? (2017) 85 (95).

[14] Zur Problematik der Anwendbarkeit des HeimArbG nur auf manuelle Tätigkeiten siehe Abschnitt „HeimarbeiterInnen“.

[15] BGBl II 26/2003.

[16] BGBl 187/1995.

[17] Siehe dazu § 6 AMFG zur Erhebung, Verarbeitung und Veröffentlichung von Daten.

[18] The Concept of the Employer; siehe auch Prassl, Die Suche nach dem Arbeitgeber im Englischen Recht, ZESAR 2013, 472.

[19] Prassl, ZESAR 2013, 486 ff.

[20] Prassl/Risak, Uber, Taskrabbit, & Co: Platforms as Employers? Rethinking the Legal Analysis of Crowdwork Comparative Labor Law & Policy Journal (CLLPJ) 2016, 634; Risak, Kurswechsel 2/2016, 38; Risak, Arbeitsrecht und Online-Ökonomie, Forum Wissenschaft 2016, 9 (11).

[21] Wesensmerkmale des Arbeitsvertrages (1971) 56 (58).

[22] ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz 77a, 121.

[23] So beispielsweise Kietaibl, Arbeitsrecht I9 (2013) 26.

[24] Dazu grundsätzlich Risak, Möglichkeiten der Arbeitszeitflexibilität für ArbeitgeberInnen, in Tomandl/Risak, Moderne Formen der Arbeit 60.

[25] Dazu beispielsweise Windisch-Graetz, Arbeitsrecht II8 (2013) 46 mwN.

[26] So zB zuletzt OGH 8 Ob A 50/13 f, DRdA 2014/34 (Risak) = ZAS 2014/51 (Ogriseg) – fallweise Beschäftigung; Risak, ZAS 2015, 17; Warter, Crowdwork 194.

[27] Das AÜG hat einem weiten personellen Anwendungsbereich und schließt neben ArbeitnehmerInnen auch arbeitnehmerInnenähnliche Personen mit ein (§ 3 Abs 4 AÜG, siehe Abschnitt „ArbeitnehmerInnenähnliche Personen“).

[28] Vgl Brodil/Risak/Wolf, Arbeitsrecht in Grundzügen9 Rz 59.

[29] Dazu mit ausführlicher Diskussion F. Schörghofer, Grenzfälle der Arbeitskräfteüberlassung (2015) 173 ff.

[30] StGBl 140/1918.

[31] In der dazugehörigen Fußnote findet sich: „Oft mußten die Heimarbeiter 14 bis 16 Stunden lang täglich arbeiten, um sich den notwendigsten Lebensunterhalt zu schaffen.“

[32] Lederer, Grundriss des österreichischen Sozialrecht (1929) 417; ders, Grundriss2 (1932) 362.

[33] StGBl 1918/140; zur Geschichte und Entstehung ausführlich Lederer, Grundriss 415 und zuletzt Warter, Crowdwork 204.

[34] BGBl 1961/105 idF BGBl I 2009/74; dieses stellt eine Wiederverlautbarung des HeimAG 1954, BGBl 1954/66 dar.

[35] OGH 10 Ob S 332/99t, ZAS 2001/11.

[36] VwGH 598/72, ZAS 1974, 106 (Holzer).

[37] VwGH 606/66, Arb 8256.

[38] OGH 10 Ob S 332/99t, ZAS 2001/11 (Tomandl) im Zusammenhang mit der Verweisung einer Arbeiterin auf Heimarbeit.

[39] So zu Recht Tomandl, ZAS 2001, 91.

[40] VwGH 598/72, ZAS 1974, 107 (Holzer).

[41] So VwGH 598/72, ZAS 1974, 108 (kritisch Holzer).

[42] So Holzer, ZAS 1974, 109.

[43] VwGH 0835/72, VwGHSlg NF 8307.

[44] VwGH 153/80, DRdA 1982, 220.

[45] Siehe zu diesem Kriterium Egger, Telearbeit – ein neues Phänomen in der Arbeitswelt, DRdA 1987, 97 (101); Trost, Heimarbeit – die ideale Arbeitsform der Zukunft?, DRdA 1992, 25 (28).

[46] So auch Risak, ZAS 2015, 17; Karl in Tomandl/Risak, Neue Formen der Arbeit 100.

[47] Trost, DRdA 1992, 29.

[48] So zB die Definition in § 1 DHG.

[49] BGBl 1946/170.

[50] RGBl I 1926, 507.

[51] Dazu Wachter, Wesensmerkmale der Arbeitnehmerähnlichen Person (1980) 59; Tomandl, Wesensmerkmale des Arbeitsvertrages (1971) 30.

[52] Karl in Tomandl/Risak, Moderne Formen der Arbeit 95; Mazal, Arbeitnehmerähnliche Selbständige, in Mazal/Risak, Moderne Formen der Arbeit 106; Warter, Crowdwork 198.

[53] Löschnigg, Arbeitsrecht12 Rz 4/140 ff; Brodil/Risak/Wolf, Arbeitsrecht in Grundzügen9 Rz 58.

[54] So zB OGH 4 Ob 92/76, Arb 9518 – LKW-Frächter; 4 Ob 68/79, Arb 9829; siehe auch Shubshizky, Das Heimarbeitsverhältnis, RdW 1999, 87.

[55] So offenbar Karl in Tomandl/Risak, Moderne Formen der Arbeit 96.

[56] Warter, Crowdwork 199.

[57] Diese sind in § 16 JournalistenG – nicht unähnlich der Legaldefinition der arbeitnehmerInnenähnlichen Person – als an der inhaltlichen Gestaltung eines Mediums oder der Mitteilungen eines Mediendienstes journalistisch Mitwirkende definiert, sofern diese journalistische Tätigkeit ständig und nicht bloß als Nebenbeschäftigung ausgeübt wird, im Wesentlichen persönlich erbracht und über keine unternehmerische Struktur verfügt wird.

[58] Dazu Reinecke/Rachor in Däubler, TVG4 (2016) § 12a Rz 20 ff.

[59] Risak, Kollektive Rechtssetzung auch für Nicht-Arbeitnehmer?, ZAS 2002, 16; Mosler, Anwendung des kollektiven Arbeitsrechts auf arbeitnehmerähnlich beschäftigte Selbständige?, DRdA 2012, 100; ders, Ist das ArbVG noch aktuell?, DRdA 2014, 511.

[60] EuGH C-413/13, DRdA 2016/18 (Grillberger) = ZAS 2015/45 (Mair).

[61] Grillberger, DRdA 2015, 167; Mair, ZAS 2015, 284; Felten, Arbeit und Soziales, in Herzig, Jahrbuch Europarecht 2015 (2016) 245 (249); Reinecke/Rachor, in Däubler, TVG4 § 12a Rz 14 mzN des deutschen Meinungsstandes; zuletzt Rebhahn, Neue Formen der Arbeit – Unionsrechtliche Aspekte, in Tomandl/Risak, Moderne Formen der Arbeit 9.

[62] So auch Mosler, DRdA 2013, 113.

Kapitel 2 – Die Ökonomie der Plattform

Inhaltsverzeichnis

Strukturelle und empirische Befunde über die Plattformbranche und ihre PlayerInnen

Mag.a Sylvia Kuba
, MMag. Michael Heiling

Das Feld der plattformbasierten Arbeit ist ein unübersichtliches. Ihre wissenschaftliche Beschreibung und empirische Erfassung steht erst am Anfang. Die folgende Analyse versucht eine strukturelle Beschreibung jener PlayerInnen, die für plattformbasierte Arbeit entscheidend sind: der Plattformen selbst. Dazu wird geklärt, was überhaupt unter dem Begriff „Plattform“ verstanden werden kann und wie Plattformen, die Arbeit vermitteln, operieren. Dazu arbeiten die AutorInnen zentrale Gemeinsamkeiten heraus, stellen erste empirische Befunde dar und werfen einen Blick auf die ökonomische Performance, die Ausbreitung und die (EigentümerInnen-)Strukturen der Plattformbranche.

1. Rollen, Funktionen und Arten von Plattformen

Als der US-amerikanische Zukunftsforscher Jeremy Rifkin 2014 die „Sharing Economy“ voraussagte und für die Zukunft der Menschheit den „Umstieg von Eigentum auf Zugang[1]Rifkin, Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft. Das Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus (2014) 37. propagierte, war wohl schon ein faktischer Diskurs über ebendiese vermeintliche Ökonomie des Teilens entbrannt. Plattformbasierte Unternehmen wie Uber/Lyft, AirBnB/Wimdu, Helpling/Book a Tiger – um nur einige prominentere Beispiele zu nennen – begannen rund um diese Jahre in Europa Fuß zu fassen. Theoretisch reicht der Begriff jedoch schon länger zurück. Bereits in den 1980er-Jahren verwendete der US-Ökonom Martin Weitzman in bestem Doppelsinn den Begriff „Share Economy[2]Vgl Schumich, Sharing Economy – Die Ökonomie des Teilens aus der Sicht von ArbeitnehmerInnen (2016) 17., der damals – vereinfacht gesagt – auf ein Wirtschaftsmodell abzielte, in dem flexible Löhne bezahlt werden. Eine Ökonomie also, in der Gewinn und Verlust zwischen Unternehmen und ArbeitnehmerInnen geteilt („to share“) werden und gleichzeitig die Unternehmensbeteiligung („Share“) maßgeblich für die Entlohnung ist.

Unternehmen wie die oben genannten wurden auch in der Debatte über die Digitalisierung der Wirtschaft und die Neuorganisation von Eigentum und Teilhabe im Rahmen der Sharing Economy als zentrale innovative Player identifiziert. Dabei entbrannte auch eine Begriffsdebatte über dieses neue Phänomen. Die Beschreibung als „Ökonomie des Teilens“ kann relativ eindeutig als Euphemismus oder zumindest als „Begriffsunklarheit[3]Himpele, Von der Share zur Fair Economy, Kurswechsel 2016/2, 23. bewertet werden, da die beschriebenen Unternehmen nicht teilen[4]Vgl dazu etwa Heiling/Kuba, Arbeit für/durch die Plattform, Kurswechsel 2016/2, 13, oder Eckhardt/Bardi, The Sharing Economy isn’t about Sharing at all, Havard Business Review, https://hbr.org/2015/01/the-sharing-economy-isnt-about-sharing-at-all (27.10.2016)., sondern meist entgeltlich vermitteln oder vermieten. Wie diese Unternehmen, die mithilfe digitaler Technologien kurzfristig Anbietende von Gütern oder Dienstleistungen/Arbeitsleistungen mit Nachfragenden zusammenbringen – und dabei eine Reihe von Vorgaben machen (Preis, Zahlungsabwicklung, Ausgestaltung der einzelnen Verträge etc) –, korrekt bezeichnet werden können, war schnell Gegenstand einer Debatte.

Sowohl aus wissenschaftlicher Perspektive als auch aus institutionell-politischer Perspektive haben sich in dieser Debatte Bezeichnungen wie Plattformökonomie“, „Plattformkapitalismus[5]Huws, Platform labour – Sharing Economy or Virtual Wild West, Journal for a progressive economy 2016/1, 24–27.“,Plattformzeitalter[6]Evans/Gawer, The Rise of the Platform Enterprise (2016) 4.,Gig-Economy für ein enger oder weiter gefasstes Gesamtphänomen und „Plattformen“ für die zentralen AkteurInnen dieser Entwicklung durchgesetzt.

Auch die Europäische Kommission benennt die „Plattformen“ als zentralen Umschlagplatz der von ihr sogenannten „kollaborativen Wirtschaft[7]Europäische Kommission, Mitteilung zur Europäischen Agenda für kollaborative Wirtschaft, COM(2016) 356 final 3. und beschreibt sie als „Mittler, die […] Anbieter und Nutzer zusammenbringen und Transaktionen zwischen ihnen ermöglichen“[8]Europäische Kommission, COM(2016) 356 final 3.. Damit definiert sie auch gleich zwei weitere Rollen, die für das grundsätzliche Funktionieren einer Plattform notwendig sind: AnbieterInnen und Nachfragende/NutzerInnen, wobei hier sowohl Güter als auch Dienstleistungen angeboten werden können und die NutzerInnen sowohl KonsumentInnen als auch institutionelle AbnehmerInnen sein können.

Dieses Modell erscheint grundsätzlich nicht neu. Durch den Einsatz digitaler (Echtzeit-)Kommunikation aber wird eine ungleich größere Zahl an potenziellen AnbieterInnen und Nachfragenden/NutzerInnen rekrutiert oder wie es Schweighofer auf den Punkt bringt: „Letztlich steht die gesamte Welt, die online ist, auf beiden Seiten des Marktes zur Verfügung[9]Schweighofer, Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitsmärkte, Wirtschaft und Gesellschaft 2016/2, 221.. Diese Transaktionskostenverminderung durch ein schier unendliches Potenzial an „PlattformteilnehmerInnen“ gepaart mit Netzwerkeffekten können als wesentliche Treiber der „Plattformökonomie“ identifiziert werden.[10]Schweighofer, Wirtschaft und Gesellschaft 2016/2, 220 f. Die Netzwerkeffekte und die dynamische Entwicklung können auch relativ schnell zu großen Marktvorteilen für einzelne Plattformen führen, die sich bereits größere relative Marktanteile angeeignet haben, denn: Warum sollte jemand auf der zweitgrößten Plattform anbieten, wenn er/sie ceteris paribus auf der größten anbieten kann?

1.1. Kategorisierungsansätze für Plattformen

Eine vermeintliche Innovation dieser Plattformen ist es, dass die AnbieterInnen nicht notwendigerweise Unternehmen sein müssen, sondern dass das Anbieten von Gütern und Dienstleistungen (im zweiten Fall umschließt das auch das Anbieten der eigenen Arbeitskraft) von Privatpersonen ermöglicht wird. Die angebotenen Dienstleistungen oder Güter werden dann entweder von KonsumentInnen oder aber von gewerblichen AbnehmerInnen bezogen. Eine klassische Einteilung in „business-to-customer/b2c“, „business-to-business/b2b“ und „peer-to-peer[11]Vgl etwa Scholl et al, Peer-to-Peer Sharing, Definition und Bestandsaufnahme (2015) 10 f., wie sie bisweilen auch zur Einteilung von Plattformen vorgeschlagen wird, beschreibt zwar große Teile der Branche, lässt aber auch Lücken offen. Nicht zuletzt, weil auch Ein-Personen-Unternehmen formell als Unternehmen („business“) gelten, diese aber anderen ökonomischen Abhängigkeiten und Notwendigkeiten unterliegen als beispielsweise große Kapitalgesellschaften.

Aus arbeitsökonomischer und wohl auch arbeitsrechtlicher Perspektive macht es wohl eher Sinn, Plattformen nach der Kategorie der auf ihnen dargebotenen Produkte (Güter oder Dienstleistungen) einzuteilen, da im Fall von Dienstleistungsplattformen die Frage, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, von besonderem Interesse ist. Für die Beurteilung eines etwaigen Arbeitsentgeltes ist weiters von Bedeutung, ob zwischen den Beteiligten ein monetärer Austausch entsteht. Leonhard Dobusch schlägt in diesem Zusammenhang vor, zwischen „marktlicher“ und „nicht-marktlicher Sharing-Economy[12]Leonhard Dobusch, Stellungnahme zum Fragenkatalog für das öffentliche Fachgespräch „Ökonomische Aspekte der Digitalisierung” des Ausschusses „Digitale Agenda” des deutschen Bundestages (2014) 2. zu unterscheiden. Die Frage, ob eine Plattform „marktlich“ organisiert ist, lässt sich natürlich nicht ausschließlich durch das Vorhandensein eines Geldflusses zwischen Anbietenden und Nachfragenden beantworten. Für eine erste Orientierung ist dies jedoch hilfreich. Bei einer vertiefenden Analyse (dazu sogleich unten) ist dann auch die (Nicht-)Profitorientierung und die marktliche oder kollaborative Organisationsform der PlattformbetreiberInnen selbst relevant.

Anhand der Kriterienpaare „Monetärer Gegenfluss“ – „Kein Monetärer Gegenfluss“ und „Gut“ – „Dienstleistung“ lassen sich Plattformen grob einteilen und für ein Forschungsinteresse aus arbeitswissenschaftlicher und arbeitsrechtlicher Perspektive klassifizieren. Selbstverständlich sind dabei alle vier Kombinationen möglich. Beispiele für Plattformen, auf denen Dienstleistungen organisiert werden und dabei zwischen Arbeitsleistenden und Konsumierenden/NutzerInnen eine monetäre Gegenleistung fließt, wären etwa die Reinigungsplattform Helpling, die Zustellplattform Foodora oder aber die Paketmitnahmeplattform CheckRobin. Dienstleistungen ohne monetäre Gegenleistung wären etwa auf der Nachbarschaftsplattform FragNebenan zu finden. Hier werden zwar Dienstleistungen vermittelt – wie etwa Handwerksleistungen oder Housesitting –, allerdings nicht gegen Entgelt. Vielmehr wird aufgrund der Zugehörigkeit zur Plattform eine mögliche nicht-monetäre Gegenleistung in der Zukunft erwartet. In diesem Fall wird also tatsächlich geteilt und getauscht. Wieder sei erwähnt, dass die „Marktlichkeit“ von Plattformen nicht ausschließlich durch den Geldfluss definiert wird, so wird auch die Plattform FragNebenan von einer grundsätzlich profitorientierten Kapitalgesellschaft betrieben.[13]Vgl Firmenbuch der Republik Österreich, FN 435271f.

Auf Ebene der zeitlich begrenzten Verwendung von Gütern sind ebenfalls beide Ausprägungen denkbar. Tauschplattformen wie Foodsharing oder Fairleihen ermöglichen den entgeltfreien Austausch von Gütern, während die meisten bekannten Carsharing-Plattformen wie etwa ZipCar oder Car2Go eine direkte Bezahlung von Seiten der NutzerInnen verlangen.

Tabelle 1: Einteilungsraster für Plattformen

Art des Produkts Monetärer Gegenfluss
Ja Nein
Gut zB ZipCar, Car2Go zB Foodsharing, Fairleihen
Dienstleistung zB Helpling, Uber, Book a Tiger, Foodora, AirBnB, CheckRobin, Clickworker, Upwork zB FragNebenan, Couchsurfing

 

Alle in den weiteren Beiträgen behandelten Plattformen sind Dienstleistungsplattformen, auf denen erbrachten Leistungen monetäre Entlohnung gegenübersteht, da diese für arbeitswissenschaftliche und arbeitsrechtliche Fragen besonders interessant sind. Denn es sind genau diese Plattformen, bei denen die Frage zu klären ist, „ob der/die Dienst Leistende […] als Arbeitnehmer angesehen werden kann“[14]Däubler, Digitalisierung und Arbeitsrecht, Soziales Recht – Sonderausgabe Juli 2016, 32.. Gleichwohl sollte aber nicht die Vielfalt und Diversität der Plattformbranche unterschlagen werden, die es wohl notwendig macht, verschiedene Plattformen in verschiedenen Bereichen je nach ihrer Ausrichtung und Beschaffenheit gesondert zu analysieren und auch dementsprechend diverse politische Ableitungen zu treffen. Plattformen können ohne Zweifel zu einem ressourcenschonenderen Umgang und besseren Zugang zu bestimmten Produkten und Dienstleistungen beitragen, sind aber auch ein sich divers und dynamisch entwickelnder Geschäftszweig, in dem Innovationen nicht selten auf dem Umgang mit Arbeitsleistenden, ihren Arbeitsbedingungen und ihrer Entlohnung basieren.

1.2. Spezifika von Dienstleistungsplattformen

Schon dieser erste kurz getätigte Blick auf die Landschaft der Online-Plattformen zeigt, dass wir es mit einem äußerst diversen Phänomen zu tun haben. So divers aber die Branchen und Geschäftsmodelle sind, in und mit denen Plattformen operieren, so gibt es doch einige Elemente, die sich wiederfinden.

Die Europäische Kommission nennt in einer Mitteilung zu Online-Plattformen im digitalen Binnenmarkt Europa folgende besondere Merkmale, die Online-Plattformen gemeinsam haben[15]Europäische Kommission, Mitteilung zu Online-Plattformen im digitalen Binnenmarkt COM(2016) 288 final, 2 f.:

  • Möglichkeit zur Schaffung und Gestaltung neuer und Übernahme klassischer Märkte sowie Schaffung neuer Beteiligungs- und Geschäftsformen durch Sammlung, Verarbeitung und Aufbereitung großer Datenmengen;
  • Vielseitigkeit der Märkte mit unterschiedlichen Möglichkeiten zur Kontrolle der direkten Interaktion zwischen Nutzergruppen;
  • Nutzung von „Netzwerkeffekten“ in Fällen, in denen der Wert eines Dienstes mit wachsender Nutzerzahl steigt;
  • Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien für den direkten und einfachen Zugang zu Nutzern;
  • Schlüsselrolle bei der digitalen Wertschöpfung durch Erfassung großer Datenmengen, Erleichterung neuer Unternehmungen und Schaffung strategischer Abhängigkeiten.“

Die Plattform agiert dabei zwischen AuftraggeberIn und NutzerIn. Über sie finden jene, die nach einem Gut/einer Dienstleistung suchen, und jene, die sie anbieten, zusammen. Die Plattform bietet dabei den Zugang zur Crowd (der Menge) und ordnet Aufgaben den Arbeitsleistenden zu.[16]Vgl Leimeister/Zogaj/Blohm, Crowdwork – Digitale Wertschöpfung in der Wolke, in Benner, Crowdwork – zurück in die Zukunft (2015) 14 ff. Darüber hinaus übernehmen Plattformen in unterschiedlichem Ausmaß auch folgende weitere Aufgaben: Anwerben von Arbeitsleistenden, Überprüfung von Qualifikationen der Arbeitsleistenden, Auswählen von Arbeitsleistenden, Festlegung der Art und teilweise der Höhe der Entlohnung (zB Wettbewerb, Fixpreis, zusammenarbeitsbasierte Ansätze), Serviceangebote für AuftraggeberInnen (zB Zerlegung von großen Arbeitsaufträgen in kleine Arbeitspakete, Beschreibung der Arbeitspakete), Abwicklung von Bewerbungsverfahren, Auswahl und Aggregation der Ergebnisse, Abwicklung von Bezahlung, Entwicklung und Zurverfügungstellung von Feedbackmechanismen, Kommunikation mit Arbeitsleistenden oder zuletzt die Entwicklung und Umsetzung von Sanktionierungsmechanismen.

Risak zeigt zwei Elemente auf, die als gemeinsames Ziel von Dienstleistungsplattformen identifiziert werden können: „Einerseits die Kosten für unproduktive Zeiten möglichst zu vermeiden und andererseits die volle Kontrolle durch die ArbeitgeberInnen über den Produktionsprozess aufrechtzuerhalten“[17]Risak, What’s law got to do with it? (Arbeits-)Rechtliche Aspekte plattformbasierten Arbeitens, Kurswechsel 2016/2, 33.. Dazu müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Damit immer genug ArbeitnehmerInnen zur Verfügung stehen, um die Erfüllung der eingehenden Aufträge zu gewährleisten, muss die Menge potenzieller Arbeitsleistender groß genug sein. Erst dann kann durch Konkurrenzdruck auch der Preis entsprechend niedrig gehalten werden. Zweitens sind Ratingsysteme integraler Bestandteil von Plattformen. Die Kontrolle und Bewertung der Arbeitsleistenden wird damit gleichzeitig an die PlattformkundInnen ausgelagert.[18]Vgl Risak, Kurswechsel 2016/2, 33.

Sind diese Voraussetzungen gegeben, ergeben sich spezifische Vorteile für AuftraggeberInnen/Unternehmen: Unproduktive Zeiten werden auf die Arbeitsleistenden ausgelagert, die sich bei diesen als „unbezahlte Suchzeiten“ nach Arbeitsaufträgen niederschlagen, und so Kosten minimieren, während gleichzeitig Ratingsysteme eine strenge Kontrolle der Arbeitenden garantieren und so sicherstellen, dass sie bei der Bearbeitung des einzelnen Auftrages zugleich immer auch ihre zukünftigen Erwerbschancen im Auge haben.

Zusammengefasst werden diese Phänomene im Bereich der Dienstleistungen auch unter dem Begriff Gig-Economy, im Bereich von ortsgebundener Dienstleistungsarbeit auch als Gigwork[19]Vgl Schmidt, Arbeitsmärkte in der Plattformökonomie – Zur Funktionsweise und Herausforderungen von Crowdwork und Gigwork (2016) 5.. Diese Begriffe beschreiben Arbeitsbeziehungen, die darauf beruhen, dass Arbeitsleistende von Auftrag (Gig) zu Auftrag beschäftigt werden, anstatt kontinuierliche Arbeitsverhältnisse einzugehen. Von Gig – was aus dem Englischen übersetzt so viel wie „Auftritt“ bedeutet – zu Gig lebten ursprünglich vor allem MusikerInnen. Für jeden Gig wird ein separater Auftrag mit einem quasi selbständigen Gegenüber geschlossen und separat bezahlt.[20]Vgl http://whatis.techtarget.com/definition/gig-economy (19.12.2016).Die so auch im Dienstleistungsbereich entstehende Auslagerung des Risikos von schlechten Auftragslagen für Unternehmen führt auf Seite der Arbeitsleistenden zu brüchigen Erwerbskarrieren. Phasen der Beschäftigungslosigkeit sind in diesem Konzept quasi immanent – mit allen Konsequenzen für individuelle Einkommens- und Pensionsleistungen bzw eine höhere Gesamtbelastung der Institutionen der Arbeitslosenversicherung.

Eine strukturelle Analyse[21]Vgl Heiling/Kuba, Kurswechsel 2016/2, 20 f. von in Österreich aktiven Plattformen zeigt darüber hinaus folgende Gemeinsamkeiten:

  1. Die PlattformbetreiberInnen legen eine auffallende Kreativität bei der Benennung von Personen zu Tage, die über die Plattform arbeiten (zB „Professional“, „Helpling“, „Mitnehmer“ etc). Der Begriff „ArbeitnehmerIn“ oder „ArbeiterIn“ wird dagegen durchgehend vermieden.
  2. Die Plattformen verneinen durchgängig ihre „Auftraggebereigenschaft“, in einigen Fällen sogar die „Vermittlereigenschaft“. Als ArbeitgeberInnen wollen sie sich keinesfalls sehen. Sie charakterisieren sich selbst als „Marktplatz“ oder „Online-Vermittlungsportal“. Im Widerspruch dazu wird auf einigen Plattformen durchaus mit von der Plattform vorgegebenen Fixpreisen bzw von der Plattform vorgegebenen fixen Entgelten geworben.
  3. Rankings und Ratings der Arbeitsleistung sind integraler Bestandteil der Plattformen.
  4. Auf Fragen der sozialen Sicherheit (Zuschläge für Wochenend- oder Feiertagsarbeit, Lohnfortzahlung, Versicherung) wird nicht hingewiesen, hier definieren viele Plattformen ihre Informationsverbreitungsrolle eher zurückhaltend.

1.3. Exkurs: Crowdwork als Sonderform der Plattformarbeit

Eine spezifische Form von plattformbasierter Arbeit ist das sogenannte Crowdwork (wobei durchaus auch andere Begrifflichkeiten wie „Crowdsourcing“, „Clickwork“ oder „Cloudarbeit“ in Gebrauch sind). Dabei wird Arbeit nicht nur über die Plattform angeboten, sondern auch online verrichtet und abgeliefert. Die einzelnen Arbeitsleistenden in einer großen, meist anonymen Menge agieren hierbei als Crowdworker und „übernehmen kollektiv Aufgaben, die typischerweise von den Mitarbeitern innerhalb eines Unternehmens erledigt werden. Sie sind weltweit verteilt und zumeist nur über eine Internetplattform mit Kollegen und Arbeitgebern verbunden[22]Leimeister/Zogaj/Blohm, in Benner, Crowdwork 13.. Bei der Online-Vermittlung und auch der Online-Durchführung von Arbeit nach dem Konzept des Crowdsourcings geht es also um die „Auslagerung von betrieblichen Problemstellungen an eine Vielzahl a priori unbekannter unternehmensexterner Problemlöser[23]Keinz, Auf den Schultern der Vielen, Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 2015/1, 35.. Definitionen von Crowdwork umschließen (anders als bei den Begriffen Gig-Economy oder Gigwork) im Wesentlichen auch, dass die Durchführung der Arbeitsleistung in einem digitalen, ortsungebundenen Kontext passiert.[24]Vgl etwa Eurofund, New forms of employment (2015) 107.

Als Hauptbestandteile des Crowdwork-Modells nennen Leimeister et al[25]Leimeister/Zogaj/Blohm, in Benner, Crowdwork 15. den Auftraggeber (meist ein Unternehmen, das eine Aufgabe nicht intern, sondern durch Externe erledigen will), die Crowd (eine Menschenmenge, die unterschiedlich definiert sein kann – etwa alle Personen mit Internetzugang, KundInnen oder jene, die auf einer bestimmten Plattform freigeschalten sind) und den Prozess(Art der Durchführung). Crowdsourcing (und in Analogie dazu Crowdwork) bezeichnet „die Auslagerung von bestimmten Aufgaben durch ein Unternehmen oder im Allgemeinen eine Institution an eine undefinierte Masse an Menschen mittels eines offenen Aufrufs, der zumeist über das Internet erfolgt“.[26]Leimeister/Zogaj/Blohm, in Benner, Crowdwork 15.

Bei der Form der Abwicklung kann grob zwischen zwei Formen unterschieden werden: Plattformen, bei denen große Arbeitsaufträge in viele kleine Aufgaben – sogenannte Microtasks – zerlegt und von einer Vielzahl von CrowdworkerInnen erledigt werden. Diese werden nach der Erledigung wieder zu einem gemeinsamen „großen“ Arbeitsergebnis zusammengefügt. Die zweite Möglichkeit ist die wettbewerbsbasierte Aufgabenvergabe, bei der nur die von dem/der AuftraggeberIn als beste Lösung bewerteten Arbeitsergebnisse bezahlt werden.[27]Vgl Warter, Crowdwork (2016) 35 ff. Dies ist etwa im Kreativbereich gängige Praxis, da kreative Prozesse, wie etwa die Gestaltung eines Logos, schwerer in Einzelteile zerlegt werden können.

Bisweilen wird von einem weiteren Verständnis von Crowdwork ausgegangen, das sich mit unserer Definition von Plattformarbeit deckt, und vom Crowdwork im engeren Sinne oder virtuellem Crowdwork gesprochen (so insbesondere im Beitrag „Gig-Economy und Crowdwork – was ist das?“).

2. Ausbreitung und Beschaffenheit der „Plattformbranche“

2.1. Erste Quantifizierungen des Phänomens

2.1.1. Daten zu Europa und einzelnen europäischen Staaten

Wie viele Menschen europaweit plattformbasiert arbeiten, kann bislang nicht seriös festgestellt werden. Ein Grund dafür ist der drastische Mangel an Transparenz in diesem Wirtschaftszweig (siehe dazu im Abschnitt „Herausforderungen bei der Analyse von Plattformunternehmen“). Mit der immer stärker werdenden Wahrnehmbarkeit von plattformvermittelter Arbeit und Geschäftsmodellen ist allerdings auch die Aufmerksamkeit von SoziologInnen und ÖkonomInnen für dieses Phänomen gestiegen. Nach und nach bringen Studien etwas Licht in das bisher noch wenig wissenschaftlich beleuchtete und unübersichtliche Feld der Plattformökonomie und die dort herrschenden Arbeitsbedingungen.

Die Europäische Kommission stellte im Sommer 2016 zur Größe des von ihr als „kollaborative Wirtschaft“ bezeichneten Phänomens fest, dass diese noch „klein“ sei, allerdings beachtliches Wachstumspotenzial aufweise. Der Bruttoumsatz „kollaborativer Plattformenwird für die Europäische Union demnach für das Jahr 2015 auf 28 Milliarden Euro geschätzt. In fünf Schlüsselbranchen der EU (Unterkunft, Personenbeförderung, haushaltsnahe Dienstleistungen, freiberufliche und technische Dienstleistungen sowie Schwarmfinanzierung) habe sich der Umsatz der kollaborativen Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahr 2014 jedoch fast verdoppelt.[28] Auch eine Studie des Europäischen Parlaments sieht großes und rasches Wachstumspotenzial für diesen Wirtschaftszweig, in dem plattformbasierte Arbeit ein zentrales Element darstellt.[29]Vgl Gourdin, The cost of non-Europe in the Sharing Economy, PE 558.777 (2016) 8, http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2016/558777/EPRS_STU(2016)558777_EN.pdf (28.10.2016).

Inzwischen liegen auch die ersten Zahlen über die quantitative Verbreitung des Phänomens plattformbasierter Arbeit im europäischen Raum vor. Die erste umfassende Untersuchung stammt von Ursula Huws und Simon Joyce von der University of Hertfordshire[30]Vgl Huws/Joyce, Crowd Working Survey. Size of UK’s ‘Gig Economy’ revealed for the first time, http://www.feps-europe.eu/assets/a82bcd12-fb97-43a6-9346-24242695a183/crowd-working-surveypdf.pdf (25. 10.2016). und untersucht die quantitative Verbreitung in Großbritannien. In einer Online-Befragung von über 2.200 Erwachsenen geben 21 % der Befragten an, schon einmal Arbeit über eine Plattform wie Upwork, Uber oder Handy (also sowohl Crowdwork als auch Gigwork) gesucht zu haben. 11 % waren laut eigenen Angaben dabei auch erfolgreich und haben innerhalb des letzten Jahreszumindest einmal über eine solche Plattform Arbeit verrichtet. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung Großbritanniens bedeute das, so die StudienautorInnen, dass in Großbritannien im Jahr 2015 bereits fünf Millionen Menschen mindestens einmal über eine Online-Plattform gearbeitet haben. Die Zahl derer, die regelmäßig über Plattformen arbeiten, ist deutlich geringer: 3 % geben an, mindestens einmal wöchentlich bezahlte Arbeit über eine Online-Plattform zu verrichten.

Dabei stellt das Einkommen aus der Tätigkeit für die Plattform durchaus eine wichtige Einnahmequelle für die Befragten dar. Immerhin 5 % der PlattformarbeiterInnen geben an, dass das Einkommen aus der Tätigkeit für die Plattform ihr einziges Einkommen ist. Für 48 % macht es weniger als die Hälfte aus, für 24 % allerdings mehr als die Hälfte ihres gesamten Einkommens.

Derselben Methodik folgend wurde die Studie 2016 in Schweden, Deutschland, den Niederlanden und Österreich durchgeführt. In Schweden gaben 12 % der etwas mehr als 2.000 Befragten an, im letzten Jahr für eine Plattform gearbeitet zu haben – hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung Schwedens entspräche dies 737.000 Personen. 4 % der Befragten tun das laut Studie mindestens einmal pro Monat. 4 % geben an, dass das Einkommen aus der Tätigkeit über Plattformen ihr einziges Einkommen ist, 23 %, dass es mehr als die Hälfte ihres Einkommens ausmacht.[31]

Die Studie fördert ähnliche Zahlen in den Niederlanden zu Tage: 12 % der 2.125 Befragten geben an, im letzten Jahr über eine Plattform gearbeitet zu haben. 5 % zumindest monatlich, 3 % mindestens einmal die Woche[32]Vgl Huws/Joyce, New estimate of the size of Dutch Gig Economy, http://www.feps-europe.eu/assets/778d57d9-4e48-45f0-b8f8-189da359dc2b/crowd-working-survey-netherlands-finalpdf.pdf, (28.10.2016).. Für 6 % der befragten PlattformarbeiterInnen stellt die Arbeit über die Plattform ihre einzige Einkommensquelle dar, 14 % erzielen so mehr als die Hälfte ihres Einkommens.

Eine Studie des Deutschen Ministeriums für Arbeit und Soziales zeigt darüber hinaus für Deutschland, dass 78 % der befragten CrowdworkerInnen ein monatliches Nettoeinkommen von unter 1.500 Euro angeben, nur 5 % erzielen ein Gesamteinkommen von mehr als 3.000 Euro im Monat. Als niedrig erweist sich in der Studie vor allem die pro Auftrag erzielte Entlohnung. 65 % geben ein durchschnittliches Einkommen pro Auftrag von bis zu 1,99 Euro an, 16 % bis zu 3 Euro pro Auftrag. Das legt den Schluss nahe, dass es sich um viele sehr kleine Aufträge handelt, die hintereinander erledigt werden müssen, um auf ein annähernd akzeptables Einkommen zu kommen. Die CrowdworkerInnen scheinen dabei nicht nur viele verschiedene Aufträge abzuwickeln, sondern auch für mehrere verschiedene Plattformen zu arbeiten – dies gaben 33 % an.[33]Vgl Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Befragung zum sozioökonomischen Hintergrund und zu den Motiven von Crowdworkern (2016) 9 ff.

Bei der Betrachtung der Größe des Phänomens darf nicht vergessen werden, einen Blick auf die Ränder des europäischen Arbeitsmarktes zu werfen, wo vergleichsweise geringe Einkommen eine viel höhere Kaufkraft haben. So arbeiten laut Financial Times für die Plattform Upwork rund 120.000 UkrainerInnen. Allein in den ersten drei Monaten des Jahres 2015 haben sich 16.000 ukrainische FreelancerInnen bei Upwork neu registriert. 2014 flossen rund 61 Millionen US-Dollar an Honoraren an FreelancerInnen aus der Ukraine.[34]Vgl Financial Times, New world of work: digital marketplace reshapes casual labour, https://next.ft.com/content/6a23a27c-3500-11e5-b05b-b01debd57852 (06.08.2016)

2.1.2. Daten zu Österreich

Die weiter oben angesprochene Untersuchung zu plattformbasierter Arbeit von Ursula Huws und Simon Joyce wurde 2016 auch in Österreich durchgeführt. Dafür wurden 2.003 Erwachsene zwischen 18 und 65 Jahren befragt[35]Vgl Huws/Joyce, Österreichs Crowdworkszene, Wie geht es Menschen, die über Online-Plattformen arbeiten? (2016), 3, verfügbar unter https://media.arbeiterkammer.at/wien/PDF/studien/digitalerwandel/Oesterreichs_Crowdworkszene_2016.pdf (21.09.2016).. 18 % von diesen gaben an, bereits wenigstens einmal über eine Online-Plattform Arbeit gefunden und verrichtet zu haben. 5 % aller Befragten gaben an, mindestens einmal wöchentlich bezahlte Arbeit über eine Online-Plattform zu erledigen und 9 % mindestens einmal pro Monat.

Gefragt nach dem Anteil, den die Arbeit für die Plattform an ihrem Gesamteinkommen hat, ergibt sich folgendes Bild: 2 % geben an, dass dies ihr einziges Einkommen darstellt. 11 %, dass es sich um mehr als die Hälfte ihres Einkommens handelt, 59 %, dass es weniger als die Hälfte ausmacht. Generell ist das Einkommen der in der Studie identifizierten PlattformarbeiterInnen eher gering. Fast die Hälfte der in der Studie befragten PlattformarbeiterInnen gibt an, dass sie insgesamt (also nicht nur aus ihrer Tätigkeit für die Plattform) weniger als 18.000 Euro im Jahr verdient. 43 % geben an, ein Einkommen zwischen 18.000 Euro und 36.000 Euro zu erzielen, 6 % zwischen 36.000 Euro und 60.000 Euro und 3 % nennen ein Einkommen über 60.000 Euro jährlich.

Ein Drittel derer, die über Online-Plattformen Arbeit suchen, geben an, nach Tätigkeiten zu suchen, die sie online von zu Hause aus erledigen können – etwa über Plattformen wie Freelancer, Upwork oder Clickworker. Gleichzeitig gaben 20 % an, nach Arbeit zu suchen, die man offline erledigen muss – wie Reinigungsarbeiten oder HandwerkerInnentätigkeiten. Solche Tätigkeiten werden etwa über Taskrabbit, Book a Tiger oder Myhammer angeboten. 16 % gaben an, über Unternehmen wie Uber oder Blablacar nach Arbeit als FahrerIn zu suchen.

Danach gefragt, welche Tätigkeiten sie tatsächlich verrichten, zeigt sich, dass diese eine große Vielfalt aufweisen – von hochqualifizierten bis niedrigqualifizierten Arbeiten. Interessant ist, dass 74 % der PlattformarbeiterInnen angeben, Bürotätigkeiten, kleine Aufgaben und „Clickwork-Tätigkeiten“ zu verrichten, die sie online erledigen. 62 % nennen kreative Arbeit oder IT-Tätigkeiten, 44 % persönliche Dienstleistungen.

Auch bei jenen, die ihre Arbeit offline verrichten (wo also lediglich die Organisation der Tätigkeiten durch Online-Plattformen erfolgt), gibt es eine große Varianz an Tätigkeiten. 51 % geben an, Tätigkeiten in den Häusern anderer zu verrichten (wie etwa bei Myhammer), 48 % Fahrtätigkeiten wie Uber, Checkrobin oder Blablacar.

2.2. Wer sind die CrowdworkerInnen?

Durchgehend kommen Untersuchungen über PlattformarbeiterInnen zu dem Schluss, dass sie im Schnitt eher jünger sind als der Schnitt der Beschäftigten. Das gilt auch für die aktuelle Erhebung in Österreich. Demnach ist jeder/jede Fünfte zwischen 18 und 24 Jahre alt. 23 % zwischen 25 und 34 Jahre und nur 13 % zwischen 55 und 65 Jahren.[36]Huws/Joyce, Österreichs Crowdworkszene 5. Eine Studie des Deutschen Ministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zeigt darüber hinaus für Deutschland, dass CrowdworkerInnen überdurchschnittlich oft ledig (76 %) sind.[37]Vgl BMAS, Befragung zum sozioökonomischen Hintergrund und zu den Motiven von Crowdworkern 4.

Während die österreichische Erhebung zeigt, dass nur 11 % jener, die tatsächlich Plattformarbeit durchführen, in Ausbildung sind – bei jenen, die es wöchentlich tun, sind es 13 % –, zeigt die Untersuchung des deutschen BMAS, dass ein eher hoher Anteil (31 %) noch in Ausbildung ist oder nebenberuflich (rund 39 %) über die Plattform arbeitet.

Unterschiedliche Untersuchungen aus den USA und Europa zeigen ein relatives Gleichgewicht zwischen der Anzahl von Männern und Frauen, die Crowdarbeit verrichten. Interessant ist eine Studie der International Labour Organization (ILO), die eben dieses Gleichgewicht ebenfalls für die amerikanischen CrowdworkerInnen der Plattform AMT zeigt, nicht jedoch für jene aus Indien. Dort gibt es einen eindeutigen Männerüberhang von 69 %.[38]Berg, Income Security in the on-demand economy: findings and policy lessons from a survey of Crowdworkers (2015) 5, http://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/—ed_protect/—protrav/—travail/documents/publication/wcms_479693.pdf (19.12.2016).

3. Wer sind die PlattformbetreiberInnen?

Neben der Frage wie und unter welchen Bedingungen wirtschaftliche Beziehungen abgewickelt werden, ist vor allem auch die Frage interessant, wer eigentlich wirtschaftlich über die Plattformen verfügt. Einerseits, weil den EigentümerInnen eine regulatorische Funktion zukommt, da sie die in letzter Konsequenz oftmals „einseitigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Gunsten der Plattform[39]Risak, Kurswechsel 2016/2, 34. festsetzen, sie die „Inhaber der geistigen Eigentumsrechte und Entscheider über Zugangs- und Nutzungsrechte sind[40]Van Alstyne/Parker/Choudary, Plattform statt Pipeline, Havard Business Manager (Juni 2016) 24.. Andererseits aber auch, weil eine Analyse der EigentümerInnen der Plattform Auskunft über ihre wirtschaftlichen Interessen geben kann, die letztlich für die Ausgestaltung der oben angesprochenen Geschäftsbedingungen, Zugangs- und Nutzungsrechte entscheidend sind. Grundsätzlich erscheint es selbstverständlich mehr als denkbar, dass sowohl öffentliche Einrichtungen, profitorientierte Unternehmen oder auch Non-Profit-Organisationen Plattformen betreiben. Für den Non-Profit-Sektor gibt es auch eine Reihe von Beispielen. So etwa wird die Plattform Foodsharing von einem eingetragenen Verein betrieben. Auch im Bereich des kollaborativen Nutzens von Kraftfahrzeugen (Carsharing) lassen sich – insbesondere lokal und kommunal – neben gewinnorientierten Modellen eine Reihe von Vereinen finden, die Plattformen betreiben. Unsere Vorarbeiten lassen aber auch den Schluss zu, dass diese Diversität eher bei Plattformen vorherrscht, auf denen Güter geteilt, getauscht oder verkauft werden. Dienstleistungsplattformen hingegen werden überwiegend von Kapitalgesellschaften betrieben[41]Vgl etwa Heiling/Schumich, Zwischen Marktaufteilung & Machtverteilung. Entwurf einer Landkarte für die Sharing Economy (2016) 12., mehr noch: Es zeigt sich, dass „das Bild von oft sehr kapitalstarken EigentümerInnen oder RisikokapitalgeberInnen zu Tage[42]Heiling/Kuba, Kurswechsel 2016/2, 20 f.“ gefördert wird. Die PlattformteilnehmerInnen, die Anbietenden/Arbeitenden und die NutzerInnen treffen somit in einer beträchtlichen Fallzahl nicht auf einem freien, unregulierten Markt zusammen, sondern innerhalb eines regulierten (oftmals einseitig änderbaren) Rahmens von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Diese AGB werden wiederum von privaten RegulatorInnen (PlattformbetreiberInnen) festgesetzt, die den Markt nicht im Sinne allgemeiner wirtschaftspolitischer Zielsetzungen oder gar aus einer Schutzperspektive für ArbeitnehmerInnen und/oder KonsumentInnen regulieren, sondern originär aus der Perspektive von eigentümerorientierten (Risiko-)Kapitalgesellschaften. Diese Regulationsrolle geht nicht selten soweit, dass sogar die Preisbildung in den AGB geregelt ist – was der regelmäßigen Selbstdarstellung als freier Marktplatz massiv widerspricht.

Ein Beispiel für eine risikokapitalorientierte Betreiberin bzw Eigentümerin von Dienstleistungsplattformen ist etwa die Rocket Internet SE mit Sitz in Berlin. 2014 gab das börsennotierte Unternehmen an, ein Gesamtbeteiligungsportfolio im Wert von 3,1 Milliarden Euro[43]Vgl Rocket Internet SE, Annual Report 2014, 4, https://www.rocket-internet.com/sites/default/files/investors/Rocket%20Annual%20Report%202014.pdf (19.12.2016). zu besitzen. In diesem Portfolio befanden sich neben einer Reihe an Online-Versandhandelshäusern, Reisesuchmaschinen und FinTechs (wie etwa der Kreditplattform Lendico) auch die Zustellplattformen foodpanda (angegebener Marktwert: 249,5 Millionen Euro[44]Vgl Rocket Internet SE, Annual Report 2014, 74.), DeliveryHero und später auch Foodora, die Reinigungsplattform Helpling (angegebener Marktwert: 99 Millionen Euro)[45]Vgl Rocket Internet SE, Annual Report 2014, 82. und die Zimmervermietungsplattform Wimdu (angegebener Marktwert: 94,5 Millionen Euro)[46]Vgl Rocket Internet SE, Annual Report 2014, 80.. Teilaktionär und strategischer Partner von Rocket Internet ist wiederum Holtzbrinck Ventures[47]Vgl Rocket Internet SE, Annual Report 2014, 146., ein Venture-Capital-Unternehmen, das unter anderem laut eigenen Angaben auch in die Haushaltshilfenplattform Betreut.de und die Handwerksdienstleistungsplattform Myhammer investiert. [48]Vgl HV Holtzbrinck Ventures Adviser GmbH, http://www.holtzbrinck-ventures.com/portfolio/ (16.11.2016).

Plattformen, auf denen entgeltlich Dienstleistungen – und somit menschliche Arbeit – verrichtet werden, sind also nicht nur aus arbeitswissenschaftlicher Perspektive, sondern offensichtlich auch für den Kapitalmarkt und InvestorInnen besonders interessant. Insofern kann auch im Jahr 2017 die eingangs erläuterte Doppelbödigkeit des Begriffs Share Economy (im Sinne von „to share“ = tauschen und im Sinne von „Share“ = Unternehmensbeteiligung) durchaus angewandt werden.

4. Herausforderungen bei der Analyse von Plattformunternehmen

In den weiteren Beiträgen werden die Reinigungsdienstleistungen von Book a Tiger, die Fahrtendienstleistungen von Uber, die Zustelldienste von Foodora sowie die Crowdworking-Plattform Clickworker aus juristischer Perspektive genauer behandelt. Zu den Betreiberunternehmen werden im Firmenbuch der Republik Österreich bzw im Bundesanzeiger-Verlag die folgenden Daten dargelegt:

 

BOOK A TIGER Austria GmbH Clickworker GmbH Uber Austria GmbH Foodora (Volo DS XXXVI 9 GmbH)
EigentümerIn BAT Household Services GmbH, Deutschland, (100 %) Wecken & Cie Kommanditgesellschaft, Basel, Schweiz (51,12 %)
Venturecapital.de VC GmbH&Co KG, Frankfurt (11,8 %)
Weitere natürliche und juristische Personen
UBER International Holding BV, Niederlande (100 %) Digital Services XXXVI 9 S.C.Sp., Luxemburg (100 %)
Firmensitz Wien Essen Wien Wien
Beschäftigte 2014: keine 2014: Keine Angabe 2014: 3 2015: 54
Umsatz Keine Angabe (nicht offenlegungspflichtig) Keine Angabe (nicht offenlegungspflichtig) Keine Angabe (nicht offenlegungspflichtig) Keine Angabe (nicht offenlegungspflichtig)
Bilanzsumme 2014: 17.146,93 Euro 2014: 726.437,84 Euro 2014: 763.467,41 Euro 2015: 618.649,87 Euro
Gewinn /Jahresüberschuss Keine Angabe Jahresverlust 2014: 1,04 Millionen Euro Jahresergebnis der 100%igen Beteiligung an der clickworker.com, Inc mit Sitz in Delaware, USA: 212.787 USD Keine Angabe Keine Angabe
Geschäftszweig Vermittlung von Haushaltsarbeitskräften, insbesondere über das Internet; Handel mit Waren aller Art Keine Angabe im deutschen Bundesanzeiger Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Informationstechnologie Entwicklung, Vermarktung und der Betrieb einer Online-Plattform

 

Wie die obige tabellarische Darstellung der in den weiteren Beiträgen behandelten Plattformen zeigt, geben die Daten über die PlattformbetreiberInnen relativ wenig Auskunft über die tatsächliche ökonomische Größenordnung, Gewinne, Umsätze und Beschäftigungseffekte, die von den Plattformen ausgelöst werden. Die ausgewiesenen Zahlen erscheinen überdies eher gering. Auch dann, wenn österreichische Kapitalgesellschaften die Plattformen betreiben, sind die Daten, die das Firmenbuch der Republik Österreich preisgibt, wenig befriedigend. Ein prominentes weiteres Beispiel wären hier etwa AirBnB, das seit 2014 nicht mehr offiziell in Österreich vertreten ist, zuvor aber in Österreich nur zwei Beschäftigte und ein Gesamtvermögen von lediglich 102.000 Euro aufwies.[49]Vgl Firmenbuch der Republik Österreich, FN 372771v. Gleichzeitig hatte die Plattform 2014 aber zumindest 3.400 Wohnungen alleine in Wien im Angebot.[50]Vgl Bartik/Lutter/Antalovsky, The Big Transformers. Sharing und On-Demand-Economy auf dem Vormarsch (2015) 19.

Dies liegt jedoch nicht an der Beschaffenheit der einzelnen Unternehmen, sondern vielmehr am „Unternehmensmodell Plattform“. Wie bereits dargestellt, werden eine Reihe von Plattformen – obwohl es natürlich auch die Möglichkeit einer kollaborativen Organisation gibt – von Kapitalgesellschaften betrieben. Für Österreich ist für Kapitalgesellschaften in § 277 Unternehmensgesetzbuch[51]Bundesgesetz über besondere zivilrechtliche Vorschriften für Unternehmen (Unternehmensgesetzbuch – UGB) dRGBl S219/1897 idF BGBl I 43/2016. (UGB) grundsätzlich normiert, dass geprüfte Jahresabschlüsse von den gesetzlichen VertreterInnen „spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag, mit dem Bestätigungsvermerk beim Firmenbuchgericht des Sitzes der Kapitalgesellschaft einzureichen“ und somit offenzulegen sind. § 278 UGB sieht jedoch Erleichterungen von dieser Form für „kleine Gesellschaften“ und „Kleinstgesellschaften“ vor. Hier müssen lediglich die Bilanz und der Anhang, nicht jedoch die Gewinn- und Verlustrechnung offengelegt werden, die wiederum Auskunft über Umsätze, Gewinne und somit den Unternehmenserfolg und dessen Geschäftsmodell geben könnte.

Für die Beurteilung, welche Größenklasse für eine Kapitalgesellschaft relevant ist – und ob es sich somit um eine „kleine Gesellschaft“ oder eine „Kleinstgesellschaft“ handelt, werden gemäß § 221 UGB die folgenden drei Kriterien herangezogen:

  1. Die Bilanzsumme, also die Summe des in der jeweiligen Kapitalgesellschaft vorhandenen Vermögens bzw Kapitals,
  2. die Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Bilanzstichtag sowie
  3. die Anzahl der ArbeitnehmerInnen im Jahresdurchschnitt.

Bei allen drei Kriterien erscheint es nachvollziehbar, dass Plattformen – bei gegebenem ökonomischen Erfolg – geringere Zahlen aufweisen als Unternehmen der jeweiligen Branche, mit der sie konkurrieren (zB etwa Personenbeförderung oder Reinigung).

So wird zB der Plattform Uber regelmäßig zugeschrieben, dass sie keinen Fuhrpark besitzt. Die zur Erstellung der Leistung notwendigen Betriebsmittel (Immobilien bei AirBnB, Autos bei Uber oder CheckRobin, Fahrräder bei den Zustellplattformen Deliveroo[52]Vgl etwa Unicum Karrierezentrum, http://karriere.unicum.de/job/deliveroo-sucht-kurierfahrer-mit-fahrrad-scooter-und-auto (12.08.2016).> oder Foodora[53]) werden von den Arbeitenden bzw den AnbieterInnen der Dienstleistung selbst oder aber von den NutzerInnen/KonsumentInnen (wie im Falle der Reinigungsplattform Helpling[54]Vgl Helpling, https://help.helpling.com/customer/de/portal/articles/2234965-welche-reinigungsmittel-m%C3%BCssen-bereitgestellt-werden- (12.08.2016).) eingebracht. Unabhängig von der Wertigkeit der zugrunde gelegten Betriebsvermögen reduziert dies ceteris paribus gegenüber konventionellen AnbieterInnen das Gesamtvermögen und somit die Bilanzsumme.

Ebenso legen Plattformen Wert darauf, dass die den NutzerInnen angebotenen Dienstleistungen von „Privaten“, Selbständigen oder Partnerunternehmen durchgeführt werden[55]Vgl Heiling/Kuba, Kurswechsel 2016/2, 20.
, wodurch die Arbeitsleistenden nicht als ArbeitnehmerInnen aufscheinen.

Nicht zuletzt werden auch die für die jeweilige Leistung zu verrechnenden Gesamtumsätze zwischen den NutzerInnen/KonsumentInnen und Arbeitsleistenden/AnbieterInnen anfallen, während der Umsatz der Plattform nur aus einem Anteil besteht, der sich als Provision, „Vermittlungsgebühr[56]Vgl Heiling/Kuba, Kurswechsel 2016/2, 16.“ (im Falle der Mitnahmeplattform CheckRobin) oder als „Nutzungsgebühr[57]VglHeiling/Kuba, Kurswechsel 2016/2, 19.“ (wie etwa im Falle der Handwerksplattform Myhammer) versteht.

Bei gegebenem Transaktionsvolumen weisen PlattformbetreiberInnen somit in allen drei für das UGB relevanten Kriterien geringere Werte aus als konventionelle Unternehmen in vergleichbaren Branchen und fallen somit regelmäßig unter jene Grenzen, die von der Gesetzgebung als Relevanzgrößen für die Offenlegungsverpflichtungen einer Kapitalgesellschaft herangezogen werden, obwohl Unternehmen wie AirBnB oder Uber die kommunale Politik durchaus beschäftigen. Die Intransparenz erscheint somit der Struktur der Plattform immanent bzw erscheinen die für Kapitalgesellschaften anzuwendenden Größen- und Einordnungskritieren für die Plattformbranche als unpassend.

5. Conclusio

Im Rahmen der relativ jungen und noch ziemlich unbeschriebenen Ökonomie der Plattformen sind eine Vielzahl an unterschiedlichen Geschäftsmodellen und auch kollaborativen Modellen denkbar. Aus arbeitswissenschaftlicher und auch arbeitsrechtlicher Sicht sind jene Modelle besonders interessant, bei denen menschliche Arbeit eingebracht wird und bei denen diese auch durch eine (monetäre) Gegenleistung abgegolten wird, da hier Fragen des Arbeitsverhältnisses, der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgeltes analysiert werden können. Insofern sollen auch die einzelnen AkteurInnen der Share Economy bzw der Plattformökonomie besonders dahingehend analysiert werden, ob im jeweiligen Geschäftsmodell Dienstleistungen und somit menschliche Arbeit geleistet werden.

Es zeigt sich nämlich, dass genau diese Art der Plattform häufig in Form einer Kapitalgesellschaft betrieben wird, ökonomisch also tendenziell in der Sphäre der Gewerbsmäßigkeit und der Profitorientierung zu verorten ist. Diese Herangehensweise soll keinesfalls die große Diversität der verschiedenen Plattformmodelle schmälern. Je größer jedoch der Bereich profitorientiert „vermittelter“ menschlicher Arbeit über Plattformen ist, desto relevanter werden neben arbeits(rechts)wissenschaftlichen Problemen auch regulatorische (sozialversicherungs-, steuer- und gewerberechtliche ) Fragestellungen.

Wie mittlerweile erste Forschungsarbeiten zeigen, ist das Phänomen plattformbasierter Arbeit in Europa nunmehr sichtbar existent. Die Gruppe jener Personen, die Arbeit über Online-Plattformen verrichten, ist bereits wissenschaftlich beschrieben. Sie unterscheidet sich in einigen demografischen Merkmalen von der Gesamtheit der Arbeitenden. Auch wenn die Situationen und Arbeitsbedingungen auf den einzelnen Plattformen stark differieren, können für diese Gruppe trotzdem spezifische „typische“ Bedürfnisse und Probleme identifiziert werden.

Fragen von fairen Arbeitsbedingungen, der Möglichkeit betrieblicher Mitbestimmung, fairer Entlohnung und der gerechten Verteilung von Produktivitätsgewinnen (etwa durch den Beitrag der Plattformunternehmen zum Steuerhaushalt und zu sozialen Sicherungssystemen) durch den technischen Fortschritt werden unumgänglich diskutiert werden müssen. Unabhängig von der ideologischen Herangehensweise an diese Fragestellungen benötigt es jedenfalls aber stärkere Evidenz und Transparenz über die Beschaffenheit dieses noch jungen Sektors und nicht zuletzt über die Geschäftsmodelle und -praktiken der Plattformunternehmen. Insbesondere die Daten, die die Plattformunternehmen im Rahmen ihrer unternehmensrechtlichen Veröffentlichungspflichten publizieren, erscheinen derzeit noch unbefriedigend und immanent unzureichend. Eine Verbreiterung der Datengrundlage durch umfangreichere Transparenz und Publizität der (gewinnorientierten) Plattformen wäre für evidenzbasierte Debatten und Politik hilfreich.

[1] Rifkin, Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft. Das Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus (2014) 37.

[2] Vgl Schumich, Sharing Economy – Die Ökonomie des Teilens aus der Sicht von ArbeitnehmerInnen (2016) 17.

[3] Himpele, Von der Share zur Fair Economy, Kurswechsel 2016/2, 23.

[4] Vgl dazu etwa Heiling/Kuba, Arbeit für/durch die Plattform, Kurswechsel 2016/2, 13, oder Eckhardt/Bardi, The Sharing Economy isn’t about Sharing at all, Havard Business Review, https://hbr.org/2015/01/the-sharing-economy-isnt-about-sharing-at-all (27.10.2016).

[5] Huws, Platform labour – Sharing Economy or Virtual Wild West, Journal for a progressive economy 2016/1, 24–27.

[6] Evans/Gawer, The Rise of the Platform Enterprise (2016) 4.

[7] Europäische Kommission, Mitteilung zur Europäischen Agenda für kollaborative Wirtschaft, COM(2016) 356 final 3.

[8] Europäische Kommission, COM(2016) 356 final 3.

[9] Schweighofer, Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitsmärkte, Wirtschaft und Gesellschaft 2016/2, 221.

[10] Schweighofer, Wirtschaft und Gesellschaft 2016/2, 220 f.

[11] Vgl etwa Scholl et al, Peer-to-Peer Sharing, Definition und Bestandsaufnahme (2015) 10 f.

[12] Leonhard Dobusch, Stellungnahme zum Fragenkatalog für das öffentliche Fachgespräch „Ökonomische Aspekte der Digitalisierung” des Ausschusses „Digitale Agenda” des deutschen Bundestages (2014) 2.

[13] Vgl Firmenbuch der Republik Österreich, FN 435271f.

[14] Däubler, Digitalisierung und Arbeitsrecht, Soziales Recht – Sonderausgabe Juli 2016, 32.

[15] Europäische Kommission, Mitteilung zu Online-Plattformen im digitalen Binnenmarkt COM(2016) 288 final, 2 f.

[16] Vgl Leimeister/Zogaj/Blohm, Crowdwork – Digitale Wertschöpfung in der Wolke, in Benner, Crowdwork – zurück in die Zukunft (2015) 14 ff.

[17] Risak, What’s law got to do with it? (Arbeits-)Rechtliche Aspekte plattformbasierten Arbeitens, Kurswechsel 2016/2, 33.

[18] Vgl Risak, Kurswechsel 2016/2, 33.

[19] Vgl Schmidt, Arbeitsmärkte in der Plattformökonomie – Zur Funktionsweise und Herausforderungen von Crowdwork und Gigwork (2016) 5.

[20] Vgl http://whatis.techtarget.com/definition/gig-economy (19.12.2016).

[21] Vgl Heiling/Kuba, Kurswechsel 2016/2, 20 f.

[22] Leimeister/Zogaj/Blohm, in Benner, Crowdwork 13.

[23] Keinz, Auf den Schultern der Vielen, Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 2015/1, 35.

[24] Vgl etwa Eurofund, New forms of employment (2015) 107.

[25] Leimeister/Zogaj/Blohm, in Benner, Crowdwork 15.

[26] Leimeister/Zogaj/Blohm, in Benner, Crowdwork 15.

[27] Vgl Warter, Crowdwork (2016) 35 ff.

[28] Vgl Europäische Kommission, COM(2016) 356 final 2.

[29] Vgl Gourdin, The cost of non-Europe in the Sharing Economy, PE 558.777 (2016) 8, http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2016/558777/EPRS_STU(2016)558777_EN.pdf (28.10.2016).

[30] Vgl Huws/Joyce, Crowd Working Survey. Size of UK’s ‘Gig Economy’ revealed for the first time, http://www.feps-europe.eu/assets/a82bcd12-fb97-43a6-9346-24242695a183/crowd-working-surveypdf.pdf (25. 10.2016).

[31] Huws/Joyce, Size of Sweden’s ‘Gig Economy’ revealed for the first time, http://www.uniglobalunion.org/sites/default/files/files/news/swedens_digital_economy.pdf (25. 10.2016).

[32] Vgl Huws/Joyce, New estimate of the size of Dutch Gig Economy, http://www.feps-europe.eu/assets/778d57d9-4e48-45f0-b8f8-189da359dc2b/crowd-working-survey-netherlands-finalpdf.pdf, (28.10.2016).

[33] Vgl Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Befragung zum sozioökonomischen Hintergrund und zu den Motiven von Crowdworkern (2016) 9 ff.

[34] Vgl Financial Times, New world of work: digital marketplace reshapes casual labour, https://next.ft.com/content/6a23a27c-3500-11e5-b05b-b01debd57852 (06.08.2016)

[35] Vgl Huws/Joyce, Österreichs Crowdworkszene, Wie geht es Menschen, die über Online-Plattformen arbeiten? (2016), 3, verfügbar unter https://media.arbeiterkammer.at/wien/PDF/studien/digitalerwandel/Oesterreichs_Crowdworkszene_2016.pdf (21.09.2016).

[36] Huws/Joyce, Österreichs Crowdworkszene 5.

[37] Vgl BMAS, Befragung zum sozioökonomischen Hintergrund und zu den Motiven von Crowdworkern 4.

[38] Berg, Income Security in the on-demand economy: findings and policy lessons from a survey of Crowdworkers (2015) 5, http://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/—ed_protect/—protrav/—travail/documents/publication/wcms_479693.pdf (19.12.2016).

[39] Risak, Kurswechsel 2016/2, 34.

[40] Van Alstyne/Parker/Choudary, Plattform statt Pipeline, Havard Business Manager (Juni 2016) 24.

[41] Vgl etwa Heiling/Schumich, Zwischen Marktaufteilung & Machtverteilung. Entwurf einer Landkarte für die Sharing Economy (2016) 12.

[42] Heiling/Kuba, Kurswechsel 2016/2, 20 f.

[43] Vgl Rocket Internet SE, Annual Report 2014, 4, https://www.rocket-internet.com/sites/default/files/investors/Rocket%20Annual%20Report%202014.pdf (19.12.2016).

[44] Vgl Rocket Internet SE, Annual Report 2014, 74.

[45] Vgl Rocket Internet SE, Annual Report 2014, 82.

[46] Vgl Rocket Internet SE, Annual Report 2014, 80.

[47] Vgl Rocket Internet SE, Annual Report 2014, 146.

[48] Vgl HV Holtzbrinck Ventures Adviser GmbH, http://www.holtzbrinck-ventures.com/portfolio/ (16.11.2016).

[49] Vgl Firmenbuch der Republik Österreich, FN 372771v.

[50] Vgl Bartik/Lutter/Antalovsky, The Big Transformers. Sharing und On-Demand-Economy auf dem Vormarsch (2015) 19.

[51] Bundesgesetz über besondere zivilrechtliche Vorschriften für Unternehmen (Unternehmensgesetzbuch – UGB) dRGBl S219/1897 idF BGBl I 43/2016.

[52] Vgl etwa Unicum Karrierezentrum, http://karriere.unicum.de/job/deliveroo-sucht-kurierfahrer-mit-fahrrad-scooter-und-auto (12.08.2016).

[53] Vgl etwa Foodora, https://www.foodora.at/contents/jobs#op-83293-kurier-in-wien (12.08.2016).

[54] Vgl Helpling, https://help.helpling.com/customer/de/portal/articles/2234965-welche-reinigungsmittel-m%C3%BCssen-bereitgestellt-werden- (12.08.2016).

[55] Vgl Heiling/Kuba, Kurswechsel 2016/2, 20.

[56] Vgl Heiling/Kuba, Kurswechsel 2016/2, 16.

[57] VglHeiling/Kuba, Kurswechsel 2016/2, 19.

Kapitel 1 – Gig-Economy und Crowdwork – was ist das?

Inhaltsverzeichnis

Grundsätzliches zum Arbeiten in Crowd und Cloud

Univ.-Prof. Dr. Martin Risak

„Before the Internet, it would be really difficult to find someone, sit them down for ten minutes and get them to work for you, and then fire them after those ten minutes. But with technology, you can actually find them, pay them the tiny amount of money, and then get rid of them when you don’t need them anymore.” [1]Thomas Biewald, CEO der virtuellen Crowdwork-Plattform Crowdflower, zitiert nach Marvit, How Crowdworkers Became the Ghosts in the Digital Machine, The Nation 05.02.2014, verfügbar unter http://www.thenation.com/article/how-crowdworkers-became-ghosts-digital-machine/ (18.12.2016).

1. Vom Normalarbeitsverhältnis zu neuen Formen der Arbeitserbringung

1.1. Die Ausgangsbasis: Das Normalarbeitsverhältnis

Die derzeit bestehenden Institutionen des Arbeitslebens (wie Gewerkschaften, Betriebsräte und Kammern für ArbeiterInnen und Angestellte, die Wirtschaftskammern, Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen) ebenso wie das Arbeitsrecht selbst sind Antworten auf die Industrialisierung und das sich dabei herausbildende sogenannte Normal- oder Standardarbeitsverhältnis: Ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis zwischen zwei Personen, das mit einer gewissen Sicherheit verbunden ist und ein ausreichendes (Familien-)Einkommen sichert. Durch die starke Regulierung dieses Normalarbeitsverhältnisses in Gesetz und Kollektivvertrag sollte vor allem dem Machtungleichgewicht beim Aushandeln der individuellen Arbeitsverträge begegnet werden [2]Siehe dazu Risak, Kollektive Rechtssetzung auch für Nicht-Arbeitnehmer, ZAS 2002, 165; ders, Eigenverantwortung vs Solidarität im Arbeitsrecht, in WiR, Eigenverantwortung vs Solidarität (2014) 121; ders, Kollektives und Individuelles im Betrieb, in Kietaibl/Schörghofer, Rechtswissenschaft und Rechtskunde – Liber Amicorum für Robert Rebhahn (2014). Dieser Schutz für die ArbeitnehmerInnen ist freilich auch mit Kosten für die ArbeitgeberInnen verbunden. Besonders infolge der Globalisierung der Wirtschaft und des verstärkten internationalen Wettbewerbs wurden daher Forderungen nach Senkung der Arbeitskosten und der Flexibilisierung von Beschäftigungsbedingungen laut.

1.2. Atypische Beschäftigung und gesetzliche Regulierungsbemühungen

Vor allem seit den 1980iger Jahren nahmen als Folge globalisierter Märkte, des verstärkten Wettbewerbsdrucks ebenso wie der Finanzialisierung der Wirtschaft und der dabei erwarteten schnellen Renditen die sogenannten „atypischen Arbeitsverhältnisse“ stark zu. Atypisch deshalb, weil sie von dem im vorhergehenden Abschnitt beschriebenen Normalarbeitsverhältnis abweichen: Teilzeitarbeit, befristete Arbeitsverhältnisse und Arbeitskräfteüberlassung (Leiharbeit) sind die am weitesten verbreiteten Formen [3]Siehe dazu Europäisches Parlament, Working Paper – Atypical Work in the European Union (2000), verfügbar unter http://ec.europa.eu/social/BlobServlet?docId=2440&langId=en (15.12.1016); Schulze-Buschoff, Atypische Beschäftigung in Europa, WSI Study 1/2016 (2016), verfügbar unter http://www.boeckler.de/pdf/p_wsi_studies_1_2016.pdf (15.12.2016).
. Bisweilen wird auch überhaupt der Schutzbereich des Arbeitsrechts verlassen, wie insbesondere bei den freien Dienstverträgen. ArbeitgeberInnen wählten diese Formen der Beschäftigung vor allem wegen der damit verbundenen stärkeren Flexibilität und der dadurch erwarteten Senkung der Arbeitskosten. Sie ermöglichen nämlich eine teilweise Überwälzung von Risiken [4]Dazu insbesondere Beck, Schöne neue Arbeitswelt (2007) 28 ff. und Kosten, die beim Standardarbeitsverhältnis die ArbeitgeberInnen trafen: Vor allem ging es darum, das Risiko, auch in unproduktiven Zeiten Entgelt bezahlen zu müssen, ebenso gering zu halten wie die aus dem Kündigungsschutz resultierenden Kosten. ArbeitnehmerInnen wurden diese atypischen Arbeitsverhältnisse mit dem Versprechen schmackhaft gemacht, dass deren flexible Gestaltung die bessere Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit mit anderen Aktivitäten (Kinderbetreuung, Haushaltsarbeit, Ausbildung und selbständiger Tätigkeit) ermögliche. Außerdem würden damit neue Arbeitsplätze geschaffen und Personen in Beschäftigung gebracht, die für Standard-Arbeitsverhältnisse nicht zur Verfügung stehen.

Das verstärkte Auftreten atypischer Beschäftigungsverhältnisse brachte auch die Gesetzgebung auf den Plan. Einige der sich aus ihnen ergebenden Schutzlücken wurden geschlossen, insbesondere wurde die gar nicht so seltene Diskriminierung atypischer Beschäftigter (zB der Ausschluss von Teilzeitbeschäftigten aus Betriebspensionssystemen oder der Versuch, durch Leiharbeit kollektivvertragliche Entgeltbedingungen im Beschäftigerbetrieb zu unterwandern) gesetzlich verboten. Einschlägige Regelungen finden sich zB im Arbeitszeitgesetz (§ 19d AZG für Teilzeitarbeit), im Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (§ 2b AVRAG für befristete Arbeitsverträge) oder im Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG). Vor allem im Bereich der Arbeitskräfteüberlassung erreichten die Gewerkschaften den Abschluss eines für die betroffenen ArbeitnehmerInnen vorteilhaften Kollektivvertrages für die ArbeiterInnen in Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen [5]Siehe dazu Obereder in Mazal/Risak, Das Arbeitsrecht (28. Lfg 2016), Kap 15 Rz 43 ff; Schindler, Arbeitskräfteüberlassungs-KV (2013)..

Auch die Europäische Union entfaltete im Rahmen der sozialen Dimension Aktivitäten im Bereich der atypischen Beschäftigung. Insbesondere schlossen die SozialpartnerInnen auf europäischer Ebene für Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverhältnisse Rahmenvereinbarungen ab, die vom Rat als Richtlinien ausgeführt wurden und von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden mussten. Zu erwähnen sind zB die Teilzeitarbeits-Richtlinie 97/81/EG, Befristungs-Richtlinie 1999/70/EG und Leiharbeits-Richtlinie 2008/104/EG ebenso wie die Betriebsübergangs-Richtlinie 2001/23/EG.

1.3. Neue Formen der Arbeitserbringung – New Forms of Employment

Die Entwicklung ist damit freilich nicht abgeschlossen, der Durst nach mehr Flexibilität, insbesondere gepaart mit moderner Informations- und Kommunikationstechnologie führt im Rahmen der grundsätzlich gegebenen Vertragsfreiheit zu zahlreichen neuen Phänomenen in der Arbeitswelt. Derzeit bilden sich sehr unterschiedliche neue Formen der Arbeitserbringung (new forms of employment) heraus, die von den bisher geläufigen abweichen. Der Report der European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions (eurofound) hat diese erstmals zusammengefasst, strukturiert dargestellt und gibt auch eine erste Einschätzung ihrer Auswirkungen ab [6]Eurofund, New forms of employment (2015), verfügbar unter https://www.eurofound.europa.eu/de/publications/report/2015/working-conditions-labour-market/new-forms-of-employment (19.12.2016); siehe dazu auch Waas, New Forms of Employment in Europe (2016) mit 35 spezifischen Länderberichten; mit einem etwas anderen Focus OECD, New forms of work in the digital economy (2016), verfügbar unter http://www.oecd-ilibrary.org/docserver/download/5jlwnklt820x-en.pdf?expires=1482137512&id=id&accname=guest&checksum=5F30C0515FDD6189DBA32AEF32E87717 (19.12.2016).. Die neuen Arbeitsformen unterscheiden sich vom Normalarbeitsverhältnis sowie der atypischen Beschäftigung in mehrfacher Weise: Einige von ihnen verändern die Beziehung zwischen ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen, andere die Arbeitsorganisation und einige tun beides. Der Report arbeitet neun verschiedene Typen heraus, die allesamt seit 2000 verstärkt auftreten; manche davon sind gänzlich neu, andere waren schon bekannt, haben aber nun an Bedeutung gewonnen:

  • Crowd employment: virtuelle Plattformen, die AnbieterInnen und NachfragerInnen von Dienstleistungen zusammenführen
  • Casual work: Arbeit auf Abruf
  • Portfolio work: Selbständige arbeiten für eine große Anzahl von KundInnen, für die sie jeweils nur sehr kleine Arbeitsaufträge erfüllen
  • Collaborative employment: verdichtete Formen der Zusammenarbeit von kleinstrukturierten Selbständigen
  • Employee sharing oder Labour pooling: einzelne Arbeitende werden von einer Mehrzahl von ArbeitgeberInnen angestellt, für die sie auf rotierender Basis arbeiten
  • Job sharing: mehrere ArbeitnehmerInnen teilen sich einen Arbeitsplatz und koordinieren ihre Verfügbarkeiten selbst
  • Interim management: befristete Verträge für Führungskräfte
  • Mobile, auf moderner Informationstechnologie (ICT) basierende Leistungserbringung
  • Voucher based work: Bezahlung der Arbeitsleistung mit Gutscheinen oder Schecks, die bei Dritten erworben werden können

Diese „new forms of employment“ lassen sich auf einer Matrix abbilden, wobei die beiden Achsen die Besonderheiten der neuen Arbeitsformen darstellen.

Abbildung 1: Klassifizierung der neuen Formen der Arbeitserbringung

Quelle: Eurofound, New Forms of employment 8

X-Achse: Beziehungsform zwischen ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen bzw zwischen AuftrageberInnen und AuftragnehmerInnen (sie bewegt sich von „normalen“ Employees in Richtung Self-employed)

Y-Achse: zeigt, wie die Arbeit geleistet wird (vom organisatorisch und örtlich eingebundenen Employment relationship hin zu neuen Arbeitsformen; Work pattern)

Auch wenn diese neuen Formen der Arbeitserbringung im Detail sehr heterogen sind und in einzelnen Staaten in unterschiedlicher Ausprägung und Häufigkeit auftreten, haben sie einen gemeinsamen Nenner: das Ziel, zusätzliche Flexibilität für ArbeitgeberInnen und/oder ArbeitnehmerInnen zu schaffen. Während einige Formen potenziell für beide Vertragsparteien nutzbringend sein können, bieten andere Grund zur Sorge hinsichtlich ihres negativen Einflusses sowohl auf die Arbeitsbedingungen als auch auf den Arbeitsmarkt. Mag auch die eine oder andere Form in manchen Ländern schon seit längerem bekannt sein, so sind die meisten noch nicht sehr weit verbreitet und daher noch oft unreguliert, obwohl sie zahlreiche rechtliche und soziale Probleme aufwerfen.

Diese neuen Formen der Arbeitserbringung entwickeln sich häufig im Graubereich und sind oft Neuland zwischen Arbeitsverträgen und freier Mitarbeit (Freelancing) [7]Eurofound, New Forms of Employment 107.. Eine eindeutige Einordnung als Arbeitsvertrag ist oft nicht einfach möglich, andererseits entsprechen die derart Arbeitenden aber auch nicht dem typischen Verständnis von Selbständigen, die ihre Leistung in eigener unternehmerischer Struktur auf dem Markt einer größeren und zumeist auch wechselnden Anzahl von KundInnen anbieten. Wie im Beitrag „(Arbeits-)Rechtliche Aspekte der Gig-Economy“ zu zeigen sein wird, stellt dies eine Herausforderung für die derzeitige binäre Einordnung als entweder Arbeitsvertrag – und damit schutzbedürftig – oder selbständige Leistungserbringung, die keines besonderen Schutzes bedarf, dar.

2. Crowd- und Cloudwork in der Gig-Economy

2.1. Crowdwork: Crowdsourcing von Arbeit

Im Zusammenhang mit der Entstehung neuer Formen der Arbeitsleistungserbringung ist Crowdwork oder, was mehr auf den Prozess der Arbeitsorganisation Bezug nimmt, das Crowdsourcing von Arbeit die wohl interessanteste. Zumindest auf den ersten Blick erscheint sie nämlich als Abkehr von der hierarchischen Organisation von Arbeit, wie sie dem traditionellen Arbeitsvertrag zugrunde liegt, hin zu einem Marktmodell bei dem Selbständige einzelne Leistungen an wechselnde VertragspartnerInnen erbringen (zur Kritik an dieser Sichtweise siehe im Beitrag „(Arbeits-)Rechtliche Aspekte der Gig-Economy“).

Dabei werden Tätigkeiten, die ursprünglich durch einzelne VertragspartnerInnen – in der Regel ArbeitnehmerInnen – erbracht wurden, in der Form „ausgelagert“ (outgesourced), dass sie einer größeren Anzahl von Personen (der Crowd) über eine internetbasierte Plattform [8]Siehe zur wohl bekanntesten, Amazons Mechanical Turk (www.mturk.com): Strube, Vom Outsourcing zum Crowdsourcing, in Benner, Crowdwork – zurück in die Zukunft (2014) 75 ff. angeboten und von diesen dann abgearbeitet werden. Dieser Vorgang wird als Crowdsourcing bezeichnet [9]Dieser Begriff leitet sich aus einer Kombination der Worte outsourcing und crowd her, der erstmals von Howe (The Rise of Crowdsourcing, Wired Mag 2006, 14.6, 1) verwendet wurde., die AuftraggeberInnen als CrowsourcerInnen, für welche die CrowdworkerInnen oder Crowdsourcees Leistungen erbringen. Diese treten jedoch zumeist nicht direkt miteinander in Kontakt, das Verhältnis zwischen ihnen wird vielmehr über eine Intermediärin, die Crowdsourcing-Plattform, mittelbar abgewickelt [10]Vgl Leimeister/Zogaj/Blohm, Crowdwork – digitale Wertschöpfung in der Wolke, in Benner, Crowdwork – zurück in die Zukunft 15 ff; Warter, Crowdwork (2016) 27; Strube, „Unused value is wasted value“ – Von der Sharing Economy zur Gig Economy, in Stary, Digitalisierung der Arbeit (2016) 52; Krause, Digitalisierung der Arbeitswelt (2016) B 99; für eine auf fünf Elemente ausgeweitete Definition siehe Hensel/Koch/Kocher/Schwarz, Crowdworking als Phänomen der Koordination digitaler Erwerbsarbeit – eine interdisziplinäre Perspektive, Industrielle Beziehungen 2016, 162 (169)..

 

Abbildung 2: Die am Crowdsourcing von Arbeit beteiligten Parteien

Quelle: eigene Darstellung

2.2. Cloudwork

Der Begriff des Cloudwork betont einen anderen Aspekt dieser neuen Form der Organisation von Arbeit, nämlich den „Raum“, in dem diese Arbeit stattfindet und die damit einhergehenden Veränderungen in der Unternehmensorganisation. Es wird darauf Bezug genommen, dass sich ein globaler „Informationsraum“ [11]Baukrowitz/Boes, Arbeit in der „Informationsgesellschaft“, in Schmiede, Virtuelle Arbeitswelten – Arbeit, Produktion und Subjekt in der „Informationsgesellschaft“ (1996) 129 ff. hieraus entwickelt, der insbesondere von Boes et al als Produktivkraftsprung mit weitreichenden Folgen für die Organisation der gesellschaftlichen Arbeit gedeutet wird [12]Boes/Kämpf, Informatisierung als Produktivkraft: Der informatisierte Produktionsmodus als Basis einer neuen Phase des Kapitalismus, in Dörre/Sauer/Wittke, Arbeitssoziologie und Kapitalismustheorie (2012) 316; Bultemeier/Boes, Neue Spielregeln in modernen Unternehmen – Chancen und Risiken für Frauen, in Boes/Bultemeier/Trinczek, Karrierechancen von Frauen erfolgreich gestalten (2013) 95 ff.. Dieser ist auf der Basis des Internets entstanden und bildet die Grundlage für den gegenwärtig zu beobachtenden Umbruch in den Unternehmen und die damit einhergehenden Veränderungen in der Arbeitswelt. Im Kontext dieser Entwicklung markiert das Paradigma der Cloud eine paradigmatische Wende, es geht dabei nicht mehr um die exklusive Zuordnung von Ressourcen, sondern die Organisation des Zugriffs auf einen gemeinsamen Pool zB von Rechnerleistungen bis eben hin zu Arbeitskräften. Die Cloud bildet insofern in den Augen dieser AutorInnen das neue Paradigma, das erforderlich ist, damit die Unternehmen die Potenziale des Informationsraums strategisch nutzen können. Damit müssen Unternehmen ihr Selbstverständnis als Organisation grundlegend neu denken und zu neuen Vorstellungen hinsichtlich der Organisation der Arbeit gelangen ebenso wie sie ihr Verhältnis zu der sie umgebenden Umwelt und hier insbesondere zur Umwelt im Informationsraum überdenken müssen [13]Boes/Kämpf/Langes, Cloudworking und die Zukunft der Arbeit – Kritische Analysen am Beispiel der Strategie „Generation Open“ von IBM (2014) 53, verfügbar unter https://innovation-gute-arbeit.verdi.de/++file++560d2825aa698e7a69000387/download/IBM-Gutachten_E-Mail.pdf (18.12.2016)..

2.3. Gig-Economy

Der Einsatz von Crowdwork beabsichtigt eine Just-in-time-Organisation von Arbeit, die das Risiko unproduktiver Zeiten möglichst auf die Arbeitenden selbst verlagert. Arbeit soll nur dann bezahlt werden, wenn sie tatsächlich geleistet wird. Das führt zu einer Zerschlagung, ja geradezu zu einer Atomisierung bislang durchgängiger Arbeitsverhältnisse. In einer extremen Ausformung würden von „digitalen TagelöhnerInnen“ nur noch punktuelle kurzfristige Leistungen erbracht und dann auch nur diese bezahlt werden [14]Risak, What’s law got to do with it? (Arbeits-)Rechtliche Aspekte plattformbasierten Arbeitens, Kurswechsel 2/2016, 32 (33); vgl das Szenario bei Beck, Schöne neue Arbeitswelt 28, 102, der noch ohne Bezugnahme auf Crowdwork von einer Brasilianisierung des Westens spricht und darstellt wie aus einer Arbeitsgesellschaft eine Risikogesellschaft wird.. Dieser Aspekt wird mit dem Begriff der Gig-Economy plastisch beschrieben. Es wird damit Bezug genommen auf die Art und Weise, wie viele MusikerInnen arbeiten, nämlich in Form einzelner kurzer Auftritte, eben der Gigs. Es ist dies eine Wirtschaftsordnung bzw ein Teil derselben, wo befristete Verhältnisse die Norm sind und in welcher Unternehmen die Leistungserbringung für sich nur noch über kurzfristige Verträge organisieren. Die dort tätigen Personen bestreiten dann ihren Lebensunterhalt mit einem Mix solcher oft sehr unterschiedlicher Vertragsverhältnisse.

In der Gig-Economy können Unternehmen nicht nur Personalkosten sparen, sondern auch Ressourcen in Form von Betriebsmitteln, Büroflächen und Ausbildungen, da diese häufig von den Arbeitenden beigestellt werden (zB die Fahrzeuge bei der Transportplattform Uber oder die Fahrräder beim Essenszusteller Foodora) und sie für deren Instandhaltung verantwortlich sind. Die dort Arbeitenden können sowohl hochqualifiziert und unter Umständen so teuer sein, dass es für ihre VertragspartnerInnen gar nicht möglich ist, sie abseits konkreter kurzer Projekte anzustellen (zB ComputerexpertInnen, PR-Profis, TrainerInnen oder RechtsanwältInnen). Für diese FreiberuflerInnen und freelancer hat die Gig-Economy unbestreitbare Vorteile im Hinblick auf deren Selbstbestimmung und Flexibilität. Die andere Seite betrifft jedoch jene Personen, die wegen eines Mangels traditioneller Arbeitsverhältnisse in dieses von Unsicherheit geprägte Segment des Arbeitsmarktes abgedrängt werden und alle kurzfristigen Gigs annehmen, derer sie habhaft werden können. Eine Nutzung dieses Arbeitskräftepotenzials erscheint aus meiner Sicht als Rückschritt in eine Phase vor der Etablierung des Arbeitsrechts und den das Arbeitsleben mit einer gewissen Sicherheit ausstattenden Institutionen wie Gewerkschaften und Betriebsräten. Bisweilen erscheint es so, dass in der Gig-Economy darauf gebaut wird, dass die dort praktizierten Beschäftigungsverhältnisse den arbeitsrechtlichen Schutznormen nicht unterliegen. Ein Geschäftsmodell, das auf möglichst niedrigen Arbeitskosten und möglichst geringem Schutz aufbaut, ist jedoch weder kreativ noch innovativ – ganz im Gegenteil! Diese Form der Gig-Economy, auch wenn sie sich hinter modernen Fassaden verbirgt, ist eine Wiederkehr dessen, was wir aus der Frühzeit der Industrialisierung kennen und es fragt sich, wie auch hier auf unterschiedlichen Wegen adäquater Schutz für die dort Beschäftigten gewährleistet werden kann (siehe dazu die Beiträge „(Arbeits-)Rechtliche Aspekte der Gig-Economy“ sowie „Gute Arbeitsbedingungen in der Gig-Economy – was tun?“) [15]Vgl Risak, Arbeits- und sozialrechtliche Absicherung im digitalisierten Arbeitsmarkt, SozSi 2017/Heft 1..

3. Formen von Crowdwork

Das oben beschriebene Modell des plattformbasierten Crowdsourcing wird in einer Vielzahl von Konstellationen nutzbar gemacht und ist derzeit ein wichtiger Treiber neuer Geschäftsmodelle. In der Praxis besteht eine schier unbegrenzte Vielfalt von Plattformen für Crowdsourcing im Allgemeinen (zB für Crowdfunding [16]ZB www.KickStarter.com. oder die Vermittlung von Unterkünften [17]ZB www.AirBnB.com.) und das Crowdsourcing von Arbeit, das Crowdwork, im Besonderen. Es ist daher nicht sinnvoll bzw gar nicht möglich, eine komplette Auflistung und Kategorisierung von Crowdwork-Plattformen vorzunehmen. Es bestehen jedoch grundlegende Unterschiede zwischen unterschiedlichen Erscheinungsformen und Segmenten dieses Marktes. Deren Unterscheidung hat für die damit verbundenen Rechtsfragen und damit für die weitere Untersuchung der Gig-Economy in diesem Buch Bedeutung, die in der Folge dargelegt wird.

3.1. Internes und externes Crowdsourcing von Arbeit

Beim Crowdsourcing von Arbeit kann zwischen internem und externem Crowdsourcing unterschieden werden [18]Dazu Warter, Crowdwork 42..

  • Beim internen Crowdsourcing fungiert eine unternehmensinterne Belegschaft als Crowd, dh Personen, die bereits in einer Beziehung zum/zur CrowdsourcerIn stehen. Dabei wird eine (interne) Plattform aufgesetzt, auf der die zu erledigenden Aufgaben gestellt werden, die von der Belegschaft eingesehen und bearbeitet werden können. Die Lösung bzw das Ergebnis kann dabei von MitarbeiterInnen stammen, die nicht nur in einer anderen Unternehmensabteilung arbeiten, sondern die sich unter Umständen gar an einem Unternehmensstandort auf einem anderen Kontinent befinden. IBM etwa hat im Rahmen des Konzepts „Generation Open“ und des Programmes „Liquid“ ein internes Crowdsourcing-System eingeführt, an dem sämtliche IBM-MitarbeiterInnen sowie registrierte freelancer weltweit teilnehmen können [19]IG Metall, Crowdsourcing – Beschäftigte im globalen Wettbewerb um Arbeit – am Beispiel IBM (2013), verfügbar unter http://www.isf-muenchen.de/pdf/docs_ig_metall_xcms_195764__2.pdf (18.12.2016); Boes/Kämpf/Langes, Cloudworking und die Zukunft der Arbeit – Kritische Analysen am Beispiel der Strategie „Generation Open“ von IBM (2014), verfügbar unter https://innovation-gute-arbeit.verdi.de/++file++560d2825aa698e7a69000387/download/IBM-Gutachten_E-Mail.pdf (18.12.2016); Will-Zochl/Kämpf, Branchenanalyse Informations- und Telekommunikationsbranche, Hans Böckler Stifung-Study nr 320 (2016) 70, verfügbar unter http://www.boeckler.de/pdf_fof/B-2014-753-1-1.pdf (18.12.2016).. Dieses System wurde jedoch dem Vernehmen nach bei IBM Österreich niemals eingeführt und auch in Deutschland soll es wieder rückgebaut worden sein. Als weiteres Beispiel lässt sich hier der Einsatz unterschiedlicher tools zum vernetzten Arbeiten bei der Daimler AG anführen [20]Öhrler/Spies, Crowdworking in der Automobilindustrie – Das Beispiel Daimler AG, in Benner, Crowdwork 43; Schäfer, in Benner, Crowdwork 61; zu anderen Formen des Einsatzes von Kommunikationstechnologie zur Leistungssteigerung siehe Carstensen, Social-Media-Plattformen in der unternehmensinternen Zusammenarbeit – Einübung einer neuen Arbeitsweise, in Stary, Digitalisierung der Arbeit (2016) 13..
  • Beim externen Crowdsourcing hingegen setzt sich die Crowd aus Personen zusammen, die noch in keiner Beziehung zu den CrowdsourcerInnen/AuftraggeberInnen stehen, zumeist aus beliebigen Individuen; um an diese heranzutreten, wird in der Regel auf eine Crowdsourcing-Plattform zurückgegriffen, die über eine aktive Crowd verfügt und die dabei unter Umständen eine Vorselektion dahingehend vornimmt, wer für die Bearbeitung der einzelnen Arbeitsaufträge überhaupt infrage kommt [21]Siehe dazu insbesondere den Beitrag „Virtuelles Crowdwork: Clickworker“..

In diesem Buch wird in der Folge nur noch das externe Crowdsourcing behandelt, da das interne an bestehende Arbeitsverhältnisse anknüpft und damit weniger grundlegende Probleme aufwirft. Aber selbst dabei kommt es zu grundsätzlichen Veränderungen der Qualität der Arbeitsbeziehung, da dabei versucht wird, die Verantwortung für die faktische Beschäftigung zumindest zum Teil auf die ArbeitnehmerInnen zu verlagern – diese sollen Projekte und Tätigkeiten selbstverantwortlich auf den Plattformen finden, sich zum Teil mit anderen ArbeitnehmerInnen organisieren und autonom die Aufträge bearbeiten [22]Boes/Kämpf/Langes (Cloudworking und die Zukunft der Arbeit 63) sprechen treffend von der Radikalisierung des Systems permanenter Bewährung.. Dies wirkt sich auf ihre Entlohnung und den beruflichen Aufstieg aus; bei mangelnder Auslastung steht dann auch die Kündigungsdrohung im Raum. Dies führt zu einer Verlagerung des eigentlich die ArbeitgeberInnen treffenden wirtschaftlichen Risikos auf die ArbeitnehmerInnen, das insbesondere in den 1980iger-Jahren im Zusammenhang mit der Arbeit auf Abruf und der sogenannten „kapazitätsorientierten variablen Arbeitszeit“ (KAPOVAZ) diskutiert wurde [23]Dazu insbesondere Rebhahn, Zur Überwälzung des Wirtschaftsrisikos auf den Arbeitnehmer bei Arbeit auf Abruf, FS Schnorr (1988) 225 mit zahlreichen Nachweisen des Meinungsstandes., woran meines Erachtens angeschlossen werden kann.

3.2. Unterscheidung nach der Art der Tätigkeiten

Die Arbeit, die einer externen Crowd unter Zuhilfenahme einer Plattform angeboten wird, ist äußerst vielfältig, es lassen sich jedoch einige Angelpunkte festmachen, die für die weiteren Untersuchungen von Bedeutung sind. An dem einen Ende des Spektrums finden sich physische Dienste in der realen (analogen) Welt, bei denen die CrowdworkerInnen in direkten Kontakt mit den CrowdsourcerInnen/KundInnen kommen, etwa bei Transportdienstleistungen wie sie von Uber angeboten werden, Reinigungs- und sonstigen Haushaltstätigkeiten wie Reparaturen bei Plattformen wie Book a Tiger sowie Büroarbeit wie Kundendienst oder Buchhaltung bei Plattformen wie UpWork [24]www.upwork.com.. [25]Datenmaterial zu einzelnen ausgewählten Plattformen bei OECD, New forms of work in the digital economy 7 ff. KundInnen der Transportplattform Uber verwenden zB eine App auf ihren Smartphones um Fahrten von bestimmten Orten aus zu bestellen. Die Informationen werden direkt an die FahrerInnen in der Umgebung weitergeleitet. Wenn die Anfrage von den jeweiligen FahrerInnen akzeptiert wurde, wird dies den KundInnen mitgeteilt, die dann zusteigen und an das gewünschte Ziel chauffiert werden, entlang eines Weges, der von der Uber-App vorgegeben wird. Die Bezahlung erfolgt bargeldlos über die Plattform, die nach Abzug einer Kommission von 20 % bis 30 % den Fahrpreis an die FahrerInnen weitergibt. KundInnen und FahrerInnen bewerten einander gegenseitig anonym nach jeder Fahrt; die daraus resultierenden Werte werden dann beiden Parteien angezeigt bevor die nächste Fahrt beginnt [26]Siehe dazu den Beitrag „Transportdienstleistungen: Uber“.. Die Reinigungsleistungen organisierende Plattform Book a Tiger funktioniert ähnlich, wenngleich die körperliche Arbeit in der Wohnung oder den Geschäftsräumen der KundInnen geleistet wird. Diese loggen sich bei der Plattform bzw einer App ein, geben ihre Adresse bekannt und wann eine Reinigung erwünscht ist. Die Auswahl einer konkreten Reinigungskraft ist hier – anders als bei zB Helpling [27]Siehe dazu Prassl/Risak, Uber, Taskrabbit, and Co.: Platforms as employers? Rethinking the legal analysis of crowdwork, CLLPJ 2016, 619 (624); Schumich, Sharing Economy – Die Ökonomie des Teilens aus Sicht der ArbeitnehmerInnen (2016) 50., die nicht (mehr) in Österreich operiert – nicht möglich, auch wird die aktuelle Bewertung der Reinigungskraft den KundInnen gegenüber nicht kommuniziert. Nach Abwicklung der Reinigung erfolgt auch hier eine Bewertung und bezahlt wird ebenfalls über die Plattform, die nach Abzug ihres Anteils den Rest an den „Tiger“ weiterleitet [28]Siehe dazu den Beitrag „Haushaltsnahe Dienstleistungen: Book a Tiger“..

Auf der anderen Seite des Spektrums liegt digitale Arbeit, welche in der virtuellen Welt erbracht wird. Dies wird bisweilen als Crowdwork im engeren Sinn bezeichnet [29]Däubler, Digitalisierung und Arbeitsrecht, Soziales Recht – Sonderausgabe 2016, 8; Kocher/Hensel, Herausforderungen des Arbeitsrechts durch digitale Plattformen – ein neuer Koordinationsmodus von Erwerbsarbeit, NZA 2016, 984 (985).. Das Spektrum der Aufgaben ist auch hier weit: Von relativ gut bezahlten, qualifizierten Tätigkeiten wie Design- (zB eines Logos, eines Plakats oder von Drucksorten) oder Softwareerstellung über das Übersetzen, das Verfassen von Texten oder das Testen von Computerprogrammen bis hin zu einfachen repetitiven Tätigkeiten, welche gering bezahlt werden. Letzere, die als „Microtasks“ bezeichnet werden, beinhalten etwa die digitale Kennzeichnung und Erstellung von Bildbeschreibungen, das Kategorisieren von Daten und Produkten, die Übersetzung oder das Korrekturlesen von kurzen Texten. Größere Aufgaben werden dafür oft in kleinere Teilaufgaben zerlegt und können dann unabhängig voneinander bearbeitet werden. Sie werden auf Plattformen veröffentlicht, wo sie von registrierten CrowdworkerInnen eingesehen, durch Anklicken übernommen und dann online auf dem Interface der Plattform abgearbeitet werden. Auch hier erfolgt der Zahlungsstrom über die Plattform und nach Abschluss der Tätigkeit werden die CrowdworkerInnen bzw ihre Arbeitsqualität bewertet. Ein direkter Kontakt zu den CrowdsourcerInnen/KundInnen, die in dem Zusammenhang auch requesterInnen genannt werden, erfolgt in der Regel nicht; lediglich mit der Plattform wird kommuniziert. Die führenden Plattformen für diese Art von cognitive piecework [30]Schmidt, The Good the Bad and the Ugly, in Benner, Crowdwork – zurück in die Zukunft (2014) 378. oder „Neo-Taylorisus“ [31]Leimeister/Zogaj/Blohm, Crowdwork – Digitale Wertschöpfung in der Wolke, in Benner, Crowdwork – zurück in die Zukunft (2014) 9 (32). sind Amazons Mechanical Turk [32]www.mturk.com/mturk/welcome.
und Clickworker [33]www.clickworker.com.. Nach Studien sollen 25 % der auf Amazons Mechanical Turk angebotenen Microtasks weniger als 0,01 USD pro Aufgabe bieten, 70 % 0,05 USD oder weniger und 90 % weniger als 0,10 USD pro erledigter Aufgabe. Dies entspricht einem durchschnittlichen Lohn von etwa 2 USD pro Stunde [34]Eurofound, New forms of employment 115..

4. Arbeiten in Crowd und Cloud

4.1. Zur Funktionsweise von Crowdwork

Historisch gesehen ist der Hauptvorteil hierarchischer Arbeitsverhältnisse gegenüber Verträgen mit unabhängigen VertragspartnerInnen einerseits, dass UnternehmerInnen so einen gewissen Grad an Kontrolle über die Leistungserbringung haben und anderseits, dass damit die Transaktionskosten hinsichtlich der Suche, Auswahl und Ausbildung gering gehalten werden [35]Coase, The Nature of the Firm, Economica 1937, 386.. Kurz: Es macht eher Sinn, bei wiederkehrendem Bedarf an bestimmten Leistungen jemanden in einem Arbeitsverhältnis aufzunehmen, als jedes Mal jemand Neuen zu suchen und dafür auszubilden. Außerdem arbeiten Personen in einem auf längere Dauer angelegten Verhältnis in der Regel qualitativ besser, als wenn dies nur auf eine einmalige Leistungserbringung ohne Wiederholung angelegt ist [36]So haben TaxifahrerInnen insbesondere bei TouristInnen bisweilen kein Problem, einen kostspieligen Umweg zu fahren, da sie ja wissen, dass diese in Zukunft kaum wieder mit ihnen in Kontakt kommen werden.. Im Rahmen des Arbeitsverhältnisses ist schon seit mehreren Jahrzehnten, wie in Abschnitt „Vom Normalarbeitsverhältnis zu neuen Formen der Arbeitserbringung“ beschrieben, der Trend zu beobachten, unter Fortbestand des hierarchischen Verhältnisses dessen Flexibilität entweder durch flexible Arbeitszeitmodelle (Durchrechnung und Gleitzeit) [37]Dazu insbesondere Heilegger, Tendenzen im Arbeitszeitrecht, juridikum 2014, 80; Risak, Emanzipatorische Aspekte der Arbeitszeitregulierung, Momentum Quarterly 2016, 75 (83). und variable Entlohnung oder durch Formen atypischer Beschäftigung wie insbesondere der Leiharbeit, Teilzeit- und befristeter Beschäftigung zu erhöhen [38]Eurofund, Third European survey on working conditions (2000)..

Die Gig-Economy und Crowdwork gehen noch einen Schritt weiter und kombinieren die angesprochenen Faktoren neu, um so das Risiko von Unterauslastung und unproduktiven Zeiten auf die Arbeitenden zu verlagern, während gleichzeitig die volle Kontrolle über den Produktionsprozess beibehalten werden soll. Damit sollen sowohl die Transaktionskosten als auch die Entgelte möglichst niedrig gehalten werden – und dabei noch eine möglichst zeitnahe Erledigung ohne Qualitätsprobleme sichergestellt werden [39]Treffend führen daher Hensel/Koch/Kocher/Schwarz (Industrielle Beziehungen 2016, 170) aus: „Die Rechtswissenschaft beschreibt Crowdworking bisher vornehmlich als Regulierungs- und Schutzproblem, indem sie ebenfalls an die herkömmlichen Unterscheidungen von Organisation/Hierarchie und Markt/Wettbewerb anknüpft.“. Um diese auf den ersten Blick widersprüchlichen Ziele zu erreichen, müssen folgende Vorrausetzungen erfüllt sein:

  • Die Crowd muss einerseits relativ groß und vor allem aktiv sein, damit immer CrowdworkerInnen in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen, wenn diese gebraucht werden. Was im Arbeitsverhältnis durch die Fixanstellung gewährleistet wird, die den Nebeneffekt hat, dass unter Umständen nicht über den gesamten Zeitraum tatsächlich Arbeit vorliegt, wird beim Crowdsourcing-Modell durch die schiere Masse an Personen, die angesprochen werden können, erzielt.
  • Die CrowdworkerInnen müssen, damit diese Just-in-time-Arbeit auch tatsächlich erbracht wird, auch schnell aktivierbar sein, dh sie müssen auch dann tatsächlich tätig werden, wenn zu arbeiten ist. Dies erzielen Plattformen durch einen mitunter sehr kreativen Mix von Anreiz- und Sanktionsmechanismen wie zB Preismodellen, die bei viel Nachfrage die Preise ansteigen lassen (sogenanntes surge-pricing bei Uber [40]Siehe dazu den Beitrag „Transportdienstleistungen: Uber“.), damit zu diesen Zeiten viele CrowdworkerInnen ihre Dienste anbieten (was dann wieder zum Absinken der Preise führt) oder der De-Registrierung bei einem Unterschreiten eines Mindest-Aktivitätslevels bzw einer vorgegebenen Antwortzeit auf Arbeitsangebote. Bisweilen wird auch aktiveren CrowdworkerInnen eine größere Anzahl von Arbeitsangeboten bzw besser bezahlte Offerte eröffnet, wie dies bei der Plattform Clickworker offenbar der Fall ist [41]Siehe dazu den Beitrag „Virtuelles Crowdwork: Clickworker“..
  • Die Größe der Crowd hat auch den wohl erwünschten Nebeneffekt, dass der Wettbewerb zwischen den einzelnen CrowdworkerInnen die Preise niedrig hält, dh dass immer jemand bereit ist, zu den angebotenen, mitunter sehr geringen Entgelten zu arbeiten. Im Falle des virtuellen Crowdwork kommt der globale Wettbewerb dazu, der diesen Effekt noch weiter verstärkt, da das Entgelt in Ländern mit unterschiedlichen Lebenshaltungskosten im Hinblick auf die Kaufkraftunterschiede auch unterschiedlich viel wert ist [42]OECD, New forms of work 22; Elmer, „Ich geb Dir eine Review, Große/r!“, Kurswechsel 2/2016, 51 (52)..
  • Anstatt des klassischen Command-&-Control-Systems bedienen sich CrowdsourcerInnen und Plattformen der sogenannten digitalen Reputation zur Auswahl und Kontrolle der CrowdworkerInnen: Sie erhalten Punkte, Sterne oder ähnliche Symbole nachdem sie einen Auftrag ausgeführt haben [43]Leimeister/Zogaj, Neue Arbeitsorganisation durch Crowdsourcing (2013) 29; Warter, Crowdwork 60.. Damit wird sozusagen auch in die andere Richtung crowdgesourced: Die Qualitätskontrolle wird von den Plattformen an die CrowdsourcerInnen ausgelagert, sie bedienen sich dabei der „Weisheit der Masse“ [44]Surowiecki, The wisdom of the crowds (2004). der KundInnen und verwenden die so (kostenlos) erworbenen Informationen zum Funktionieren ihres Geschäftsmodells. In der Gig-Economy arbeiten somit nicht nur die CrowdworkerInnen, sondern auch die CrowdsourcerInnen für die Plattform; die Bezeichnung Plattformkapitalismus [45]Elmer/Hofmann, Digitale Arbeit und Plattformkapitalismus – Editorial, Kurswechsel 2/2016, 3. trifft diesen Aspekt gut und berücksichtigt auch den Wert der Daten, die auf diese Weise generiert werden.
  • Die digitale Reputation stellt auch sicher, dass die CrowdworkerInnen so arbeiten wie in einer langfristigen Arbeitsbeziehung. Auch wenn der einzelne Arbeitsauftrag eine punktuelle Leistung für einen/eine CrowdsourcerIn darstellt, bewirkt das Reputations- oder Ratingsystem zugleich auch, dass sich dessen Ergebnis – oder besser: die Bewertung desselben – auf die zukünftigen Erwerbsmöglichkeiten massiv auswirkt. Zumeist werden negative Bewertungen auch stärker gewichtet, sodass ein einziges schlechtes Rating erst durch zahlreiche gute wieder neutralisiert wird. CrowdworkerInnen arbeiten somit – ohne die Vorteile einer durchgängigen Vertragsbeziehung zu haben – dennoch so als ob sie in einer solchen stünden.

Die damit möglichen Effekte betreffend die Preisentwicklung durch dieses Organisationsmodell für Unternehmen und ArbeitnehmerInnen sollten dabei nicht unterschätzt werden. Durch den Einsatz von Plattformen können sich UnternehmerInnen einer großen Crowd von flexibel Arbeitenden bedienen und so einerseits die Kosten unproduktiver Zeit reduzieren, andererseits durch Reputationsmechanismen die volle Kontrolle über den Produktionsprozess oder die Servicebereitstellung erhalten. Der daraus resultierende, unter Umständen sogar globale Wettbewerb zwischen den CrowdworkerInnen sorgt dafür, dass die Qualität hoch bleibt, während die Löhne niedrig sind.

Niedrige Entgelte mögen für Personen, für die das unter Umständen nur ein Zuverdienst zu einem sonstigen Einkommen ist, auf einer individuellen Ebene nicht unmittelbar problematisch sein [46]Dies betont zB Thüsing, Digitalisierung der Arbeitswelt, Soziales Recht 2016, 87 (90).. Aber sie haben einen darüber hinausgehenden Effekt, da dadurch auch Druck auf Personen entsteht, die in regulären Arbeitsverhältnissen beschäftigt werden. Crowdwork bietet sich so als kostengünstige Alternative an. Wie Klebe treffend ausführt, „sind solch schlechte Arbeitsbedingungen keine Privatsache. Denn dadurch geraten andere Crowdworker und auch die in einem Arbeitsverhältnis Beschäftigten stark unter Druck.“ [47]Interview vom 23.11.2016, verfügbar unter https://www.igmetall.de/interview-mit-arbeitsrechtler-thomas-klebe-zum-thema-14335.htm (18.12.2016).

4.2. Vor- und Nachteile der Arbeit in der Gig-Economy

Die Einschätzung der Effekte von Crowdwork bietet ein durchwachsenes Bild. Die Gig-Economy stellt sich für einige in ihr Beschäftigte durchaus positiv dar. In erster Linie geht es dabei um deren Flexibilität und zeitliche Selbstbestimmung: CrowdworkerInnen können entscheiden, wann sie arbeiten und welche Art von Aufgaben sie übernehmen. Plattformbasiertes Arbeiten kann daher mit anderen Aufgaben und Tätigkeiten wie einem Studium, der Betreuung von Kindern oder Pflegebedürftigen besser vereinbar sein als ein reguläres Arbeitsverhältnis [48]OECD, New forms of work 21.. Es bietet auch die Möglichkeit zu einem Zusatzeinkommen bzw kann als Überbrückungseinkommen insbesondere auch bei Selbständigen in Zeiten von Auftragsflaute dienen. Es ermöglicht außerdem den Berufseinstieg in Tätigkeitsbereiche, die bislang noch nicht ausgeübt wurden (zB bei Designtätigkeiten) [49]Schörpf/Schönauer/Eichmann, Arbeit und technischer Wandel in der Kreativwirtschaft – Endbericht (2016), verfügbar unter http://www.forba.at/data/downloads/file/1151-FB_02_2016.pdf (18.12.2016). und bietet (zumindest durch virtuelles Crowdwork) denjenigen, die wegen Behinderung oder anderen Faktoren vom regulären Markt ausgeschlossen sind, Möglichkeiten für eine Erwerbstätigkeit [50]Zyskowski ua, Accessible Crowdwork? Understanding the Value in and Challenge of Microtask Employment for People with Disabilities, verfügbar unter http://research.microsoft.com/pubs/228714/crowdwork_and_disability.pdf (18.12.2016).. Letztendlich gibt es eine wachsende Anzahl von erfolgreichen KleinunternehmerInnen, die auf bestimmte Nischen fokussiert sind bzw die besondere Qualifikationen aufweisen und für die Crowdwork gute Erwerbsmöglichkeiten bei hoher Flexibilität bietet.

Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Arbeitsbedingungen für die überwiegende Mehrheit der CrowdworkerInnen schlecht sind [51]Leimeister/Zogaj, Neue Arbietsorganisation durch Crowdsourcing 72.. Das Fehlen von Gewerkschaften oder sonstigen Formen des kollektiven Auftretens und der Solidarität, das Oligopol weniger Plattformen in bestimmten Marktsegmenten und die weiterhin bestehende wirtschaftliche und rechtliche Unsicherheit führen zu einem massiven Ungleichgewicht an Verhandlungsmacht. Wie die Praxisbeispiele zeigen werden, ist dies vor allem bei der niedrigen Entlohnung und den stark einseitig ausgerichteten, von den Plattformen vorgegebenen Allgemeinen Vertrags- und Geschäftsbedingungen sichtbar. Im Falle des virtuellen Crowdwork verstärken der weltweite Wettbewerb und die mitunter über Staatsgrenzen verstreuten Arbeitsplätze diese Problematik. Manche sprechen deshalb gar von „digitalen Sklaven“ [52]Rosenblum, The Digital Slave – That would be You, Huffingtonpost 5.6.2013, verfügbar unter http://www.huffingtonpost.com/michael-rosenblum/the-digital-slave-that-wo_b_3222785.html (18.12.2016). oder „virtueller Ausbeutung“ [53]Vgl für das sogenannte „gold farming“ (professionelles Online-Spielen, um virtuelles Geld zu sammeln zB in Spielen wie World of Warcraft): Dibbell, The unreal estate boom, Wired Magazine 1/2003, www.wired.com/2003/01/gaming-2 (18.12.2016); ders, The Life of the Chinese Gold Farmer, NYT Magazine vom 17.6.2016, http://www.nytimes.com/2007/06/17/magazine/17lootfarmers-t.html?_r=2&oref=slogin (18.12.2016)..

Zwei Probleme werden dabei wiederholt hervorgehoben:

  • Dies betrifft einerseits die bereits angesprochenen niedrigen Entgelte und mitunter auch die Unsicherheit, ob überhaupt bezahlt wird: Allgemeine Geschäftsbedingungen beim virtuellen Crowdwork sehen zum Teil vor, dass CrowdsourcerInnen das Recht haben, die Arbeit ohne Angabe jeglicher Gründe und ohne Bezahlung abzulehnen, obwohl sie die Arbeitsergebnisse dennoch nützen können [54]Im Zusammenhang mit Amazons Mechanical Turk: Strube, Vom Outsourcing zum Crowdsourcing – Wie Amazons Mechanical Turk funktioniert, in Benner, Crowdwork – Zurück in die Zukunft? (2014) 78 (83); Martin ua, Being a turker. Proceedings of the 17th ACM conference on Computer supported cooperative work & social computing (2014) 14, verfügbar unter http://dl.acm.org/citation.cfm?id=2531602 (18.12.2016).
  • Andererseits geht es um die massive Abhängigkeit der CrowdworkerInnen von ihrer digitalen Reputation auf einer bestimmten Plattform. Dieses System versetzt die CrowdworkerInnen in einen Zustand permanenter Bewährung, der in seiner Intensität weit über jenen eines Arbeitsverhältnisses hinausgeht. Außerdem schränken sie die Mobilität gerade der aktiven und gut bewerteten CrowdworkerInnen ein, da sie diese Reputation nicht übertragen können und sich bei einem Plattformwechsel dort wieder hocharbeiten müssen. In Kombination damit, dass die attraktiveren und besser bezahlten Aufgaben in der Regel nur denjenigen angeboten werden, die die besten Bewertungen haben, ist ein Wechsel deshalb nicht tunlich. Eine weitere Tatsache, die die Verhandlungsposition der CrowdworkerInnen beeinträchtigt.

5. Zusammenfassung der Ergebnisse

Wenngleich die Arbeit in der Gig-Economy in der Form von Crowdwork viele Gesichter hat, so lassen sich doch Grundmuster erkennen: Sie zeichnet sich dadurch aus, dass zwischen die LeistungserbringerInnen, die CrowdworkerInnen und die LeistungsempfängerInnen eine Crowdsourcing-Plattform geschaltet ist, die wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen und den Ablauf der Leistungserbringung nimmt. Wesentliche Elemente für das Funktionieren dieses Organisationsmodells von Arbeit sind die Größe und der Aktivierungsgrad der Crowd sowie Reputationsmechanismen für die CrowdworkerInnen. Diese stellen sicher, dass Crowdwork eine funktionierende Alternative zu einer Fixanstellung als ArbeitnehmerIn sein kann, was den Vorteil der Flexibilität und der Kostenersparnis für die LeistungsempfängerInnen hat. Damit gerät der Arbeitsvertrag, der der Angelpunkt des Schutzbereiches des Arbeitsrechts ist, als Form der Arbeitsleistungserbringung weiter unter Druck, da Crowdwork potenziell Arbeitsbedingungen ermöglicht, die unter diesem Schutzniveau liegen.

[1] Thomas Biewald, CEO der virtuellen Crowdwork-Plattform Crowdflower, zitiert nach Marvit, How Crowdworkers Became the Ghosts in the Digital Machine, The Nation 05.02.2014, verfügbar unter http://www.thenation.com/article/how-crowdworkers-became-ghosts-digital-machine/ (18.12.2016).

[2] Siehe dazu Risak, Kollektive Rechtssetzung auch für Nicht-Arbeitnehmer, ZAS 2002, 165; ders, Eigenverantwortung vs Solidarität im Arbeitsrecht, in WiR, Eigenverantwortung vs Solidarität (2014) 121; ders, Kollektives und Individuelles im Betrieb, in Kietaibl/Schörghofer, Rechtswissenschaft und Rechtskunde – Liber Amicorum für Robert Rebhahn (2014) 129

[3] Siehe dazu Europäisches Parlament, Working Paper – Atypical Work in the European Union (2000), verfügbar unter http://ec.europa.eu/social/BlobServlet?docId=2440&langId=en (15.12.1016); Schulze-Buschoff, Atypische Beschäftigung in Europa, WSI Study 1/2016 (2016), verfügbar unter http://www.boeckler.de/pdf/p_wsi_studies_1_2016.pdf (15.12.2016).

[4] Dazu insbesondere Beck, Schöne neue Arbeitswelt (2007) 28 ff.

[5] Siehe dazu Obereder in Mazal/Risak, Das Arbeitsrecht (28. Lfg 2016), Kap 15 Rz 43 ff; Schindler, Arbeitskräfteüberlassungs-KV (2013).

[6] Eurofund, New forms of employment (2015), verfügbar unter https://www.eurofound.europa.eu/de/publications/report/2015/working-conditions-labour-market/new-forms-of-employment (19.12.2016); siehe dazu auch Waas, New Forms of Employment in Europe (2016) mit 35 spezifischen Länderberichten; mit einem etwas anderen Focus OECD, New forms of work in the digital economy (2016), verfügbar unter http://www.oecd-ilibrary.org/docserver/download/5jlwnklt820x-en.pdf?expires=1482137512&id=id&accname=guest&checksum=5F30C0515FDD6189DBA32AEF32E87717 (19.12.2016).

[7] Eurofound, New Forms of Employment 107.

[8] Siehe zur wohl bekanntesten, Amazons Mechanical Turk (www.mturk.com): Strube, Vom Outsourcing zum Crowdsourcing, in Benner, Crowdwork – zurück in die Zukunft (2014) 75 ff.

[9] Dieser Begriff leitet sich aus einer Kombination der Worte outsourcing und crowd her, der erstmals von Howe (The Rise of Crowdsourcing, Wired Mag 2006, 14.6, 1) verwendet wurde.

[10] Vgl Leimeister/Zogaj/Blohm, Crowdwork – digitale Wertschöpfung in der Wolke, in Benner, Crowdwork – zurück in die Zukunft 15 ff; Warter, Crowdwork (2016) 27; Strube, „Unused value is wasted value“ – Von der Sharing Economy zur Gig Economy, in Stary, Digitalisierung der Arbeit (2016) 52; Krause, Digitalisierung der Arbeitswelt (2016) B 99; für eine auf fünf Elemente ausgeweitete Definition siehe Hensel/Koch/Kocher/Schwarz, Crowdworking als Phänomen der Koordination digitaler Erwerbsarbeit – eine interdisziplinäre Perspektive, Industrielle Beziehungen 2016, 162 (169).

[11] Baukrowitz/Boes, Arbeit in der „Informationsgesellschaft“, in Schmiede, Virtuelle Arbeitswelten – Arbeit, Produktion und Subjekt in der „Informationsgesellschaft“ (1996) 129 ff.

[12] Boes/Kämpf, Informatisierung als Produktivkraft: Der informatisierte Produktionsmodus als Basis einer neuen Phase des Kapitalismus, in Dörre/Sauer/Wittke, Arbeitssoziologie und Kapitalismustheorie (2012) 316; Bultemeier/Boes, Neue Spielregeln in modernen Unternehmen – Chancen und Risiken für Frauen, in Boes/Bultemeier/Trinczek, Karrierechancen von Frauen erfolgreich gestalten (2013) 95 ff.

[13] Boes/Kämpf/Langes, Cloudworking und die Zukunft der Arbeit – Kritische Analysen am Beispiel der Strategie „Generation Open“ von IBM (2014) 53, verfügbar unter https://innovation-gute-arbeit.verdi.de/++file++560d2825aa698e7a69000387/download/IBM-Gutachten_E-Mail.pdf (18.12.2016).

[14] Risak, What’s law got to do with it? (Arbeits-)Rechtliche Aspekte plattformbasierten Arbeitens, Kurswechsel 2/2016, 32 (33); vgl das Szenario bei Beck, Schöne neue Arbeitswelt 28, 102, der noch ohne Bezugnahme auf Crowdwork von einer Brasilianisierung des Westens spricht und darstellt wie aus einer Arbeitsgesellschaft eine Risikogesellschaft wird.

[15] Vgl Risak, Arbeits- und sozialrechtliche Absicherung im digitalisierten Arbeitsmarkt, SozSi 2017/Heft 1.

[16] ZB www.KickStarter.com.

[17] ZB www.AirBnB.com.

[18] Dazu Warter, Crowdwork 42.

[19] IG Metall, Crowdsourcing – Beschäftigte im globalen Wettbewerb um Arbeit – am Beispiel IBM (2013), verfügbar unter http://www.isf-muenchen.de/pdf/docs_ig_metall_xcms_195764__2.pdf (18.12.2016); Boes/Kämpf/Langes, Cloudworking und die Zukunft der Arbeit – Kritische Analysen am Beispiel der Strategie „Generation Open“ von IBM (2014), verfügbar unter https://innovation-gute-arbeit.verdi.de/++file++560d2825aa698e7a69000387/download/IBM-Gutachten_E-Mail.pdf (18.12.2016); Will-Zochl/Kämpf, Branchenanalyse Informations- und Telekommunikationsbranche, Hans Böckler Stifung-Study nr 320 (2016) 70, verfügbar unter http://www.boeckler.de/pdf_fof/B-2014-753-1-1.pdf (18.12.2016).

[20] Öhrler/Spies, Crowdworking in der Automobilindustrie – Das Beispiel Daimler AG, in Benner, Crowdwork 43; Schäfer, in Benner, Crowdwork 61; zu anderen Formen des Einsatzes von Kommunikationstechnologie zur Leistungssteigerung siehe Carstensen, Social-Media-Plattformen in der unternehmensinternen Zusammenarbeit – Einübung einer neuen Arbeitsweise, in Stary, Digitalisierung der Arbeit (2016) 13.

[21] Siehe dazu insbesondere den Beitrag „Virtuelles Crowdwork: Clickworker“.

[22] Boes/Kämpf/Langes (Cloudworking und die Zukunft der Arbeit 63) sprechen treffend von der Radikalisierung des Systems permanenter Bewährung.

[23] Dazu insbesondere Rebhahn, Zur Überwälzung des Wirtschaftsrisikos auf den Arbeitnehmer bei Arbeit auf Abruf, FS Schnorr (1988) 225 mit zahlreichen Nachweisen des Meinungsstandes.

[24] www.upwork.com.

[25] Datenmaterial zu einzelnen ausgewählten Plattformen bei OECD, New forms of work in the digital economy 7 ff.

[26] Siehe dazu den Beitrag „Transportdienstleistungen: Uber“.

[27] Siehe dazu Prassl/Risak, Uber, Taskrabbit, and Co.: Platforms as employers? Rethinking the legal analysis of crowdwork, CLLPJ 2016, 619 (624); Schumich, Sharing Economy – Die Ökonomie des Teilens aus Sicht der ArbeitnehmerInnen (2016) 50.

[28] Siehe dazu den Beitrag „Haushaltsnahe Dienstleistungen: Book a Tiger“.

[29] Däubler, Digitalisierung und Arbeitsrecht, Soziales Recht – Sonderausgabe 2016, 8; Kocher/Hensel, Herausforderungen des Arbeitsrechts durch digitale Plattformen – ein neuer Koordinationsmodus von Erwerbsarbeit, NZA 2016, 984 (985).

[30] Schmidt, The Good the Bad and the Ugly, in Benner, Crowdwork – zurück in die Zukunft (2014) 378.

[31] Leimeister/Zogaj/Blohm, Crowdwork – Digitale Wertschöpfung in der Wolke, in Benner, Crowdwork – zurück in die Zukunft (2014) 9 (32).

[32] www.mturk.com/mturk/welcome.

[33] www.clickworker.com.

[34] Eurofound, New forms of employment 115.

[35] Coase, The Nature of the Firm, Economica 1937, 386.

[36] So haben TaxifahrerInnen insbesondere bei TouristInnen bisweilen kein Problem, einen kostspieligen Umweg zu fahren, da sie ja wissen, dass diese in Zukunft kaum wieder mit ihnen in Kontakt kommen werden.

[37] Dazu insbesondere Heilegger, Tendenzen im Arbeitszeitrecht, juridikum 2014, 80; Risak, Emanzipatorische Aspekte der Arbeitszeitregulierung, Momentum Quarterly 2016, 75 (83).

[38] Eurofund, Third European survey on working conditions (2000).

[39] Treffend führen daher Hensel/Koch/Kocher/Schwarz (Industrielle Beziehungen 2016, 170) aus: „Die Rechtswissenschaft beschreibt Crowdworking bisher vornehmlich als Regulierungs- und Schutzproblem, indem sie ebenfalls an die herkömmlichen Unterscheidungen von Organisation/Hierarchie und Markt/Wettbewerb anknüpft.“

[40] Siehe dazu den Beitrag „Transportdienstleistungen: Uber“.

[41] Siehe dazu den Beitrag „Virtuelles Crowdwork: Clickworker“.

[42] OECD, New forms of work 22; Elmer, „Ich geb Dir eine Review, Große/r!“, Kurswechsel 2/2016, 51 (52).

[43] Leimeister/Zogaj, Neue Arbeitsorganisation durch Crowdsourcing (2013) 29; Warter, Crowdwork 60.

[44] Surowiecki, The wisdom of the crowds (2004).

[45] Elmer/Hofmann, Digitale Arbeit und Plattformkapitalismus – Editorial, Kurswechsel 2/2016, 3.

[46] Dies betont zB Thüsing, Digitalisierung der Arbeitswelt, Soziales Recht 2016, 87 (90).

[47] Interview vom 23.11.2016, verfügbar unter https://www.igmetall.de/interview-mit-arbeitsrechtler-thomas-klebe-zum-thema-14335.htm (18.12.2016).

[48] OECD, New forms of work 21.

[49] Schörpf/Schönauer/Eichmann, Arbeit und technischer Wandel in der Kreativwirtschaft – Endbericht (2016), verfügbar unter http://www.forba.at/data/downloads/file/1151-FB_02_2016.pdf (18.12.2016).

[50] Zyskowski ua, Accessible Crowdwork? Understanding the Value in and Challenge of Microtask Employment for People with Disabilities, verfügbar unter http://research.microsoft.com/pubs/228714/crowdwork_and_disability.pdf (18.12.2016).

[51] Leimeister/Zogaj, Neue Arbietsorganisation durch Crowdsourcing 72.

[52] Rosenblum, The Digital Slave – That would be You, Huffingtonpost 5.6.2013, verfügbar unter http://www.huffingtonpost.com/michael-rosenblum/the-digital-slave-that-wo_b_3222785.html (18.12.2016).

[53] Vgl für das sogenannte „gold farming“ (professionelles Online-Spielen, um virtuelles Geld zu sammeln zB in Spielen wie World of Warcraft): Dibbell, The unreal estate boom, Wired Magazine 1/2003, www.wired.com/2003/01/gaming-2 (18.12.2016); ders, The Life of the Chinese Gold Farmer, NYT Magazine vom 17.6.2016, http://www.nytimes.com/2007/06/17/magazine/17lootfarmers-t.html?_r=2&oref=slogin (18.12.2016).

[54] Im Zusammenhang mit Amazons Mechanical Turk: Strube, Vom Outsourcing zum Crowdsourcing – Wie Amazons Mechanical Turk funktioniert, in Benner, Crowdwork – Zurück in die Zukunft? (2014) 78 (83); Martin ua, Being a turker. Proceedings of the 17th ACM conference on Computer supported cooperative work & social computing (2014) 14, verfügbar unter http://dl.acm.org/citation.cfm?id=2531602 (18.12.2016)