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Kapitel 14 – Gute Arbeitsbedingungen in der Gig-Economy – was tun?

Inhaltsverzeichnis

Dr. Martin Risak, Dr.in Doris Lutz

„Although there is a general impression, which is fostered by official academic and journalistic opinion, that all of this is happening because of the rise of scientific technology and development of machinery, this process of degradation of work is not really dependent upon technology at all.“*Braverman, Labour and Monopoly capital – The Degradation of Work in the Twentieth Century (1974, 1998) 319.

1. Die Herausforderungen

Die Nutzung technischer Möglichkeiten, in concreto die Digitalisierung der Arbeitswelt und die Organisation von Arbeit im Wege des Crowdsourcing, führt allein noch nicht zu negativen Folgen für die in der Gig-Economy Arbeitenden. Prekäre Arbeitsbedingungen sind nicht die zwangsläufige Folge des plattformbasierten Arbeitens, sondern der Entscheidungen der CrowdsourcerInnen und der PlattformbetreiberInnen, die diese Möglichkeiten nutzen um insbesondere die Arbeitskosten zu drücken und den Wettbewerbsdruck der Arbeitenden untereinander zu erhöhen. Es gibt aber auch alternative Konzepte und praktische Beispiele wie Plattformen zum Nutzen der CrowdworkerInnen organisiert sein können, wobei genossenschaftliche Strukturen äußerst interessant erscheinen.[1]Siehe dazu beispielsweise Scholz, Plattform Cooperativism (2016), verfügbar unter http://www.rosalux-nyc.org/wp-content/files_mf/scholz_platformcoop_5.9.2016.pdf (01.02.2017). Die Mehrheit der AkteurInnen verfolgt jedoch eine andere Strategie, wie die vier sehr unterschiedlichen Fallbeispiele (Beiträge „Virtuelles Crowdwork: Clickworker“, „Transportdienstleistungen: Uber“, „Haushaltsnahe Dienstleistungen: Book a Tiger“ und „Essenszustellung: foodora“) gezeigt haben. Hier wird von den Plattformen argumentiert, dass CrowdworkerInnen keine ArbeitnehmerInnen, sondern Selbständige seien, und ihnen deshalb kein arbeitsrechtlicher Schutz zukommen würde.

Die Fallstudien und das bestehende empirische Material (Beitrag „Die Ökonomie der Plattform“) legen jedoch nahe, dass eine Vielzahl von Personen in der Gig-Economy ohne unternehmerische Struktur ihre Arbeitskraft gegen Entgelt unter Zwischenschaltung von Plattformen verwertet und faktisch wenig Einfluss auf die Entgelt- oder sonstigen Arbeitsbedingungen hat. Sie befinden sich somit – sollten sie nicht ohnehin ArbeitnehmerInnen sein (dazu Beitrag „(Arbeits-)Rechtliche Aspekte der Gig-Economy“) – in einer ähnlich schutzwürdigen Situation wie „klassische“ ArbeitnehmerInnen. In rechtlich-formaler Hinsicht bestehen zumindest auf den ersten Blick bisweilen gewisse Freiräume, die Ansatzpunkte dafür liefern, dass keine „persönliche Abhängigkeit“ und somit keine ArbeitnehmerInneneigenschaft vorliege.[2]So zB die Argumentation von Karl, Plattformen als Verbindung zwischen Arbeitenden und Leistungsempfängern, in Tomandl/Risak, Wie bewältigt das Recht Moderne Formen der Arbeit (2016) 85 (89).

In den bereits erwähnten Fallbeispielen wurde jedoch plastisch gezeigt, dass in vielen Fällen schon eine herkömmliche Betrachtungsweise zu dem Ergebnis kommt, dass ein Arbeitsverhältnis vorliegt, das den vollen Schutz des Arbeitsrechts zur Folge hat. Dabei sind, wie in Beitrag „(Arbeits-)Rechtliche Aspekte der Gig-Economy“ dargelegt, die Besonderheiten der virtuellen Dimension und der Arbeitsorganisation beim Crowdsourcing zu berücksichtigen: Einerseits geht es um die hohe Kontrolldichte, die bei der Bearbeitung der einzelnen Aufträge besteht und andererseits um die Möglichkeiten der Disziplinierung durch die Bewertungssysteme.[3]Ähnlich auch Srnicek, Platform Capitalism (2017) Nicht außer Acht gelassen darf dabei werden, dass häufig eine weitere Determinierung des arbeitsbezogenen Verhaltens insbesondere durch Zeitvorgaben für die Erledigung erfolgt und dass bei einer Gesamtbetrachtung eine so starke Fremdbestimmung vorliegen kann, dass die Aufgabenbearbeitung in persönlicher Abhängigkeit erfolgt und dies somit als Arbeitsvertrag zu qualifizieren ist.[4]Risak, ZAS 2015, 16; Däubler, Digitalisierung und Arbeitsrecht, Soziales Recht – Sonderausgabe Juli 2016, 36; einschränkend Warter, Crowdwork 189; aA Karl, in Tomandl/Risak, Moderne Formen der Arbeit? Da für diese Argumentation viele detaillierte Informationen über das Funktionieren der Plattform notwendig sind, befinden sich CrowdworkerInnen, die sich auf ihren ArbeitnehmerInnen-Status berufen wollen, oft im Beweisnotstand. Dem könnte de lege ferenda mit der Aufnahme von (widerleglichen) Vermutungen für ein Arbeitsverhältnis zur Plattform begegnet werden.

Eine interpretative Ausweitung des ArbeitnehmerInnenbegriffes auf nicht nur persönlich, sondern auch wirtschaftlich abhängige Personen erscheint schwierig, da diese schon von der österreichischen Rechtsordnung als „arbeitnehmerInnenähnliche Personen“ erfasst sind, denen nur ein eingeschränkter Schutz zukommt. Daraus lässt sich e contrario schließen, dass die Gesetzgebung ihnen eben nicht den vollen Schutz des Arbeitsrechts zuerkennen will. Auch wenn dies politisch wünschenswert erscheint, ist es deshalb meines Erachtens methodisch unzulässig auf interpretativem Wege den ArbeitnehmerInnenbegriff auszuweiten, da die „Untergrenze“ eben gesetzlich durch die Schaffung der Zwischenkategorie der arbeitnehmerInnenähnlichen Person festgelegt ist.

Eine andere Problematik ist jene, dass es in der Gig-Economy nicht immer leicht ist, die Vertragsparteien und deren Verantwortlichkeiten festzumachen. Die der herkömmlichen Betrachtungsweise zugrunde liegende Aufdröselung in einzelne Vertragsverhältnisse spiegelt jedoch die Lebensrealität und wirtschaftliche Situation der CrowdworkerInnen nur bedingt wider. Sie ignoriert nämlich die Komplexität von Mehrparteienverhältnissen, indem sie die rechtliche Analyse auf die ihnen zugrunde liegenden zweipersonalen Verträge reduziert und damit den weiteren Kontext und die ökonomischen Effekte des plattformbasierten Arbeitens ausblendet. Damit kann der Schutz des Arbeitsrechts durch mehr oder weniger originelle Vertragskonstruktionen unter Umständen geschickt vermieden werden. In Beitrag „(Arbeits-)Rechtliche Aspekte der Gig-Economy“ wurde unter Heranziehung des funktionalen Konzepts des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin von Prassl[5]The Concept of the Employer (2015). gezeigt, wie dieser Problematik auf interpretativem Wege wirkungsvoll begegnet werden kann, indem der Fokus der Analyse auf die andere Seite des Vertragsverhältnisses gelegt wird und hier eine funktionale Betrachtungsweise angestellt wird. Aber auch hier würde de lege ferenda eine widerlegliche Vermutung einer Vertragsbeziehung zur Plattform die prozessuale Durchsetzung von Ansprüchen für CrowdworkerInnen erleichtern, die nur sehr bedingt Einblick in die dem Crowdsourcing zugrundeliegenden Vertragskonstruktionen und deren faktische Handhabung durch die Plattformen haben.

Diese auf interpretativem Wege zu erzielenden Ergebnisse dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass einerseits die Gerichte diesen Ansätzen erst folgen müssen und dass überdies in der Gig-Economy, wie auch sonst, eine Gruppe von Arbeitenden bestehen wird, die unter die derzeitige ArbeitnehmerInnendefinition nicht passt. Damit ist ein grundsätzliches Problem angesprochen, nämlich die Zunahme von Ein-Personen-Unternehmen (EPU), die, obzwar sie formal selbständig sind, in ähnlicher Weise sozial schutzbedürftig sind wie „echte“ ArbeitnehmerInnen.[6]Siehe dazu auch Srnicek, Platform Capitalism 78.

In der Folge werden zwei unterschiedliche Lösungsstrategien skizziert, die über den bisher in diesem Buch verfolgten Ansatz hinausgehen, im Wege der Interpretation des bestehenden Gesetzesmaterials zu befriedigenden Lösungen in dem Sinn zu gelangen, dass CrowdworkerInnen ein adäquater Schutz vermittelt werden kann.[7]Siehe dazu Prassl/Risak, The legal Protection of Crowdworkers: Four Avenues for Workers’ Rights in the Virtual Realm, in Meil/Kirov, Policy Implications of Virtual Work (erscheint 2017). Dabei ist immer auch die Frage der Selbstorganisation, der betrieblichen Mitbestimmung und der kollektiven Rechtssetzung mit zu bedenken (Abschnitt „Eröffnung kollektiver Mitwirkungs- und Regelungsmöglichkeiten“).

Diese Lösungsvorschläge schließen einander freilich nicht aus – ganz im Gegenteil: Der Vielfalt der Veränderungen der Arbeitsorganisation und des Wirtschaftslebens überhaupt kann nur durch eine kreative Kombination unterschiedlicher Ansätze auf mehreren Ebenen begegnet werden. Denn zwei Dinge sind aus unserer Sicht klar: Erstens ist es wichtig, zu einem frühen Zeitpunkt unter Einbeziehung vor allem der in der Gig-Economy Arbeitenden gestalterisch einzugreifen, um einerseits das innovative Potenzial dieser Arbeitsmodelle zu nutzen, und andererseits schädlichen Praktiken entgegenzuwirken, bevor sich diese verfestigt haben und so neue (niedrige) Standards geschaffen sein werden, sodass eine Veränderung nur schwierig möglich ist. Zweitens ist es wichtig, weiter blickende Lösungen zu generieren, die in der Lage sind, einerseits flexibel auf die noch kommenden Veränderungen zu reagieren und andererseits doch jenen Beschäftigten, die eines Schutzes bedürfen, einen entsprechenden rechtlichen Rahmen zu bieten.

2. Schaffung eines „Crowdworkgesetzes“

Die in diesem Buch behandelte Form der Arbeitsorganisation hat einen gemeinsamen Nenner, der grundsätzliche Probleme aufwirft, nämlich die Zwischenschaltung von Plattformen zwischen LeistungserbringerInnen und LeistungsempfängerInnen. Diese nehmen zumeist eine herausragende Rolle bei der Leistungsabwicklung ein, die jedoch bisweilen verschleiert und gegenüber den Arbeitenden nicht immer in allen Details offengelegt wird. Damit ist es schon aufgrund der mehrere Personen umfassenden und oft intransparenten Vertragsbeziehungen schwierig, VertragspartnerInnen und Verantwortlichkeiten zu definieren und es besteht das Risiko für die in der Gig-Economy Arbeitenden, dass sie am Ende ohne Schutz zurückbleiben.

Diese Einsicht, dass mehrpersonale Konstellationen bei der Leistungserbringung Probleme aufwerfen, ist freilich nicht neu. Schon im Zusammenhang mit der Arbeitskräfteüberlassung hat sich gezeigt, dass die herkömmliche Analyse, die nur zweipersonale Verhältnisse betrachtet, zu keinen befriedigenden Ergebnissen führt[9]Es überrascht daher nicht, dass Prassl (Concept of the Employer 42 ff) sein funktionales ArbeitgeberInnen-Konzept insbesondere auch für die im Vereinigten Königreich nicht ausdrücklich gesetzlich geregelte Arbeitskräfteüberlassung entwickelt hat.
und dass hier letztlich die Gesetzgebung durch die Schaffung des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG) reagiert hat.

Es ist daher naheliegend, auch hinsichtlich des plattformbasierten Arbeitens eine eigene gesetzliche Grundlage zu schaffen, die die spezifischen Probleme in diesem Zusammenhang anspricht und regelt.[10]Diese Punkte gehen nicht unwesentlich auf bislang unveröffentlichte Überlegungen des Europäischen Gewerkschaftsbundes hinsichtlich eines „Rough Draft Summary for a Proposal for an EU Directive to provide for the Effective Enforcement of Employment Rights and the Protection of Workers in the Online/Platform /Gig Economy“ zurück. Aus unserer Sicht sollte dabei die (widerlegliche) Vermutung eines Arbeitsverhältnisses zur Plattform eine Kernbestimmung sein. Die Fallbeispiele haben plastisch gezeigt, wie schwierig es ist, in die von der Plattform organisierte Arbeitsorganisation Einblick zu bekommen, der aber wesentlich ist, damit ein Arbeitsverhältnis nachgewiesen werden kann. Letztlich hat nur die Plattform als jene Vertragspartnerin, die die Leistungsabwicklung organisiert und bei der alle Fäden zusammenlaufen, die faktischen Möglichkeiten, sowohl die konkreten Vertragsgefüge hinsichtlich der VertragspartnerInnen und der Vertragsinhalte bzw die gelebte Vertragspraxis nachzuweisen. Dies rechtfertigt eine Abweichung von der herkömmlichen Beweislastverteilung, die es CrowdworkerInnen in vielen Fällen einfach unmöglich machen würde, ihren ArbeitnehmerInnenstatus nachzuweisen. Vieles würde auch für die Schaffung eines Indizienkataloges ähnlich jenem bei Arbeitskräfteüberlassung in § 4 Abs 2 AÜG sprechen, der klare Kriterien festlegt, unter denen in der Gig-Economy jedenfalls Arbeitsverhältnisse vorliegen. Diese gesetzlichen Maßnahmen würden auch – zumindest vorerst – eine Anknüpfung an das Arbeitsrecht und den Gerichtsstand des gewöhnlichen Arbeitsortes ermöglichen, dh an jenen Staat, in dem physisch gearbeitet wird.

Von wesentlicher Bedeutung ist hier auch die gewerberechtliche Zuordnung der Tätigkeit der Plattformen, da davon auch die Anwendung von Kollektivverträgen und damit insbesondere auch der Mindestlohnbestimmungen abhängt. Es ist ähnlich wie bei der Arbeitskräfteüberlassung die Schaffung eines eigenen spezifischen Gewerbes des Crowdsourcing von Arbeit zu erwägen.

Daneben könnten folgende Aspekte in ein Crowdworking-Gesetz aufgenommen werden:

  • Informationspflichten analog der Dienstzettelpflicht gemäß 2 AVRAG unabhängig von der Dauer des Vertragsverhältnisses[11]Nach 2 Abs 4 Z 1 AVRAG besteht keine Dienstzettelpflicht bei einer Dauer des Arbeitsverhältnisses von höchstens einem Monat., zumindest hinsichtlich der VertragspartnerInnen und deren Adresse (sobald ein BenutzerInnenkonto eröffnet wird), ansonsten die Plattform jedenfalls für offene Ansprüche der CrowdworkerInnen haftet (vgl auch § 12 AÜG, wo für die Arbeitskräfteüberlassung umfangreiche schriftliche Mitteilungspflichten vorgesehen sind);
  • Klarstellung, dass der Arbeitsort insbesondere auch bei virtuellem Online-Crowdwork jedenfalls der Ort ist, an dem die CrowdworkerInnen physisch arbeiten;
  • Anwendung des GlBG auf Plattformen auch dann, wenn Arbeitsverhältnisse bzw Vertragsverhältnisse als arbeitnehmerInnenähnliche Personen nur zu den CrowdsourcerInnen vorliegen (vgl 6a AÜG), womit insbesondere diskriminierenden Auftragszuteilungen und der Deaktivierung des BenutzerInnenkontos begegnet werden kann,
  • Klarstellung, welche Kollektivverträge bei einem Arbeitsverhältnis zur Plattform zur Anwendung kommen;
  • Equal-Pay-Pflicht ähnlich § 10 AÜG, dh Verpflichtung zur Zahlung zumindest des kollektivvertraglichen oder sonst festgelegten Mindestentgelts, das bei den jeweiligen CrowdsourcerInnen zur Anwendung kommt, um eine Unterwanderung der CrowdsourcerInnen-Kollektivverträge zu verhindern.[12]Siehe dazu Prassl/Risak, in Meil/Kirov, Policy Implications (erscheint 2017). Alternativ könnte zumindest jenes kollektivvertragliche Mindestentgelt zur Anwendung kommen, das für DienstleisterInnen gilt, die die konkrete Tätigkeit der CrowdworkerInnen als Hauptgeschäftszweig erbringen (zB Gebäudereinigung, IT-Dienstleistung);
  • Klarstellung, dass Suchkosten bei virtuellem Crowdwork, dh die Zeit, die CrowdworkerInnen damit verbringen, nach Aufträgen suchen, ebenso wie die Standby-Zeiten bei Crowdworkmodellen, die eine sofortige (faktische) Annahmeverpflichtung bei eingeschalteter App vorsehen bzw deren Geschäftsmodell diese voraussetzt, Arbeitszeit ist;
  • Verbot bestimmter Vertragsklauseln (ähnlich 11 AÜG)
    • Bei echten Vermittlungsplattformen das Verbot, Tätigkeiten zu vermitteln, bei denen unter dem anwendbaren Kollektivvertragslohn gezahlt wird;
    • Verbot von Konkurrenzverboten während und nach der Tätigkeit auf einer Plattform, insbesondere das Verbot von Exklusivitätsklauseln, die es CrowdworkerInnen untersagen, direkt mit CrowdsourcerInnen zu kontrahieren;
    • Verbot der geldlosen Bezahlung, insbesondere in Form von Gutscheinen oder bitcoins; Verbot des unbegründeten Ausschlusses der Zuteilung von Aufträgen bzw der unbegründeten Deaktivierung des BenutzerInnenkontos;
    • Verbot von Klauseln, die eine unbegründete Ablehnung von Arbeitsergebnissen ermöglichen, insbesondere dann, wenn nicht sichergestellt ist, dass das Arbeitsergebnis nicht dennoch verwertet wird (zB zur Qualitätskontrolle anderer Arbeitsergebnisse)[13]Crowdsourcing-Plattformen organisieren in der Regel nicht nur Arbeit, sondern zielen auch darauf ab, die generierten Daten weiterzuverwenden.; dies gilt insbesondere auch für wettbewerbsbasierte Crowdwork-Modelle (siehe Beitrag „(Arbeits-)Rechtliche Aspekte der Gig-Economy“).
  • Offenlegung gegenüber den CrowdworkerInnen und CrowdsourcerInnen, wie Ratings zustande kommen und wie sie unter Umständen gewichtet werden;
  • Möglichkeiten der Anfechtung und Richtigstellung unrichtiger Ratings; Möglichkeit der Übertragung von Ratings auf andere Plattformen;
  • Verpflichtung zur Etablierung eines für CrowdworkerInnen kostenfreien Schlichtungsverfahrens zur Beilegung von Streitigkeiten;
  • Klarstellung der Verantwortlichkeiten für die Einhaltung von ArbeitnehmerInnenschutz, Mindestentgeltregelungen sowie die Abfuhr von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen, wobei auch CrowdsourcerInnen mitverantwortlich gemacht werden sollten, wenn ein Arbeitsverhältnis zur Plattform besteht[14]Vgl 14 AÜG zur abgestuften Bürgschaft der BeschäftigerInnen bei der Arbeitskräfteüberlassung.
    ;
  • Informationspflichten der Plattformen gegenüber Behörden und SozialversicherungsträgerInnen auch dann, wenn keine Arbeitsverhältnisse zu diesen, sondern zu den CrowdsoucerInnen vorliegen;
  • Anwendung der Haftungsbeschränkungen des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes (DHG) und des Organhaftpflichtgesetztes (OrgHG) zugunsten der CrowdworkerInnen gegenüber sowohl den CrowdsourcerInnen als auch den Plattformen (ähnlich § 7 AÜG);
  • Verbot des Crowdsourcing von Arbeit für von Streik oder Aussperrung betroffene Betriebe (ähnlich 9 AÜG).

Weitere wesentliche Aspekte sind in diesem Zusammenhang die Rechtsdurchsetzung und die Informationsweitergabe von Plattformen an Arbeitsinspektorate, Steuerbehörden sowie SozialversicherungsträgerInnen, damit die korrekte Abfuhr von Steuern und Beiträgen gesichert ist. Eine äußerst effektive Form der Rechtsdurchsetzung wäre eine Verpflichtung von InternetproviderInnen, den Zugang zu Plattformen für NutzerInnen aus bestimmten Staaten zu blockieren, wenn diese nicht regelungskonform handeln und insbesondere nicht mit staatlichen Stellen kooperieren.

Einen anderen Ansatz verfolgen jene Konzepte, die auf der kollektiven Vertretung der CrowdworkerInnen, insbesondere gegenüber den Plattformen aufbauen. Dies betrifft einerseits die Ermöglichung der Selbstorganisation in Form von Gewerkschaften und das Aushandeln von Kollektivverträgen sowie andererseits die betriebliche Mitbestimmung. Diese Aspekte werden unter Abschnitt „Eröffnung kollektiver Mitwirkungs- und Regelungsmöglichkeiten“ behandelt.

3. Neudefinition des ArbeitnehmerInnenbegriffes

Die Gig-Economy ist unseres Erachtens kein singuläres Phänomen am Arbeitsmarkt, sondern der Ausdruck eines grundsätzlichen Trends, nämlich einer Verschiebung weg von einem Normalarbeitsverhältnis hin zu atypischen Vertragsverhältnissen und neuen Formen der Kleinstselbständigkeit. Die Daten der WKÖ für 2015 zeigen, dass österreichweit 58 % aller WKÖ-Mitglieder Ein-Personen-Unternehmen (EPU) sind.[15]http://wko.at/statistik/EPU/EFGmbH_EPU-Anteil_Bld.pdf (05.02.2017). Dies legt es nahe, die hinter der Gig-Economy liegende systemische Problematik, nämlich die weitere Abkehr vom Normalarbeitsverhältnis hin zu Formen der Kleinstselbständigkeit, grundsätzlich zu behandeln[16]Dies insbesondere auch deshalb, weil sich die Zahl der Bedarfsorientierte Mindestsicherungs (BMS)-BezieherInnen drastisch erhöht Eine aktuelle Studie des WIFO für Wien http://www.wien.gv.at/gesundheit/einrichtungen/planung/pdf/bms-entwicklungsfaktoren.pdf (07.02.2017) belegt, dass zunehmende Segmentierung am Arbeitsmarkt, mit einem wachsenden Segment nicht stabiler oder nicht vollzeitiger sowie niedrig entlohnter Beschäftigung neben der seit der Finanzkrise 2008 fast durchgängig steigenden Arbeitslosigkeit eine wesentliche Ursache dafür darstellt, dass zunehmend mehr Menschen auf die BMS angewiesen sind.. Hinsichtlich der Personen, die ohne wesentliche unternehmerische Struktur und insbesondere ohne MitarbeiterInnen in erster Linie ihre persönliche Arbeitskraft verwerten, sind nämlich häufig ähnlich schutzbedürftig wie traditionelle ArbeitnehmerInnnen, womit die grundsätzliche Frage des Schutzbereiches des Arbeitsrechts aufzuwerfen ist. Dabei bieten sich zwei Lösungsmöglichkeiten an: die Neudefinition des ArbeitnehmerInnenbegriffes oder die Ausweitung jener Gesetze, die auf die Zwischenkategorie der arbeitnehmerInnenähnlichen Personen Anwendung findet (Abschnitt „Ausweitung der auf arbeitnehmerInnenähnliche Personen anwendbare Normen“).

Die Neudefinition des ArbeitnehmerInnenbegriffes ist freilich nicht ganz neu, im Regierungsprogramm für die Gesetzgebungsperiode 2008–2013[17]Gemeinsam für Österreich (2008) 28, http://www.bundeskanzleramt.at/DocView.axd?CobId=32965 (28.11.2016). war zB die Schaffung eines modernen, einheitlichen ArbeitnehmerInnenbegriffes vorgesehen. Inhaltlich stellt sich die Frage, ob die Betonung der organisatorischen Elemente gegenüber den wirtschaftlichen bei aller Praktikabilität noch zeitgemäß ist und alle Schutzbedürftigen erfasst oder nicht. Unseres Erachtens ist dies der Ansatzpunkt für eine Neudefinition des ArbeitnehmerInnenbegriffes, die den Schutzbereich des Arbeitsrechts auf jene Personen ausweitet, die des Schutzes tatsächlich bedürfen. Im Gegenzug ist auch anzudenken, inwieweit der Schutz in bestimmten Bereichen nicht für jene Gruppe leitender Angestellter gelockert werden könnte, die über große Autonomie sowie ein hohes Einkommen verfügt, und die weit weniger schutzbedürftig erscheint als prekäre Kleinstselbständige.

4. Ausweitung der auf arbeitnehmerInnenähnliche Personen anwendbare Normen

Ein anderer grundsätzlicher Lösungsweg ist die Ausweitung einzelner arbeitsrechtlicher Bestimmungen auf jene Gruppe von Solo-Selbständigen oder KleinstunternehmerInnen, die trotz Vorliegens formaler Selbständigkeit gegenüber ihren VertragspartnerInnen nicht so verhandeln können, dass faire Entgelt- und sonstige Vertragsbedingungen gesichert werden. Das österreichische Arbeitsrecht hat deren Schutzbedürftigkeit schon seit längerer Zeit erkannt und den sogenannten „arbeitnehmerInnenähnlichen Personen“, die „ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Auftrag und für Rechnung bestimmter anderer Personen Arbeit leisten und wegen wirtschaftlicher Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnlich anzusehen sind[18]So zB die Definition in 1 Dienstnehmerhaftpflichtgesetz. einen gewissen, aber doch eben nur sehr eingeschränkten Schutz zuerkannt.

Konkret findet sich dieser Begriff zuerst im Arbeitsgerichtsgesetz 1946[19]BGBl 1946/170. RGBl I 1926, 507., das sich wiederum an das deutsche Arbeitsgerichtsgesetz 1926[20]Dazu Wachter, Wesensmerkmale der Arbeitnehmerähnlichen Person (1980) 59; Tomandl, Wesensmerkmale des Arbeitsvertrages (1971) 30. anlehnt.[21]Siehe dazu Prassl/Risak, The Legal Protection of Crowdworkers – Four Avenues for Workers’ Rights in the Virtual Realm, in In der Folge fanden nach und nach einzelne arbeitsrechtliche Normen auf diese Personengruppe Anwendung wie die Haftungserleichterungen des DHG, das GlBG und das bereits erwähnte Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz. Im Wesentlichen entbehren sie aber des arbeitsrechtlichen Schutzes. Die Zunahme dieser arbeitnehmerInnenähnlichen Personen im Zuge des digitalen Wandels lässt eine Ausweitung des Schutzes für diese Personengruppe als adäquate Lösung erscheinen.[22]Meil/Kirov, Policy Implications of Virtual Work (erscheint 2017).
So ist in Deutschland dieser Gruppe bereits der Abschluss von Tarifverträgen eröffnet (§ 12a TVG, dazu Abschnitt „Eröffnung kollektiver Mitwirkungs- und Regelungsmöglichkeiten“) und finden auch die Regelungen des Bundes-Urlaubsgesetzes (§ 2 BUrlG) auf sie Anwendung. Ebenso ist im Vereinigten Königreich die vergleichbare Gruppe der workers von den Regelungen des Mindestlohns und des Urlaubes erfasst; dies ist praktisch auch deshalb im Zusammenhang mit der Gig-Economy von Bedeutung, da nach einer Entscheidung des Employment Tribunal vom 28.10.2016[23]Employment Tribunals 10.2016, 2202551/2015 & Others, Aslam, Farrar & Others v Uber B.V., Uber London Ltd. & Uber Britannia Ltdf, https://www.judiciary.gov.uk/judgments/mr-y-aslam-mr-j-farrar-and-others-v-uber (28.11.2106). FahrerInnen des Transportdienstes Uber Recht auf Bezahlung des gesetzlichen Mindestlohnes und des Urlaubes haben, da sie als workers qualifiziert wurden. Auch in den USA wird gerade unter Bezugnahme auf die Gig-Economy die Schaffung bzw die Ausweitung einer Zwischenkategorie als „dependent contractor“ diskutiert.[24]So insbesondere Harris/Krueger, A Proposal for Modernizing Labor Laws for Twenty-First-Century Work: The “Independent Worker”, The Hamilton Project – Discussion Paper 2015-10 (2015), http://www.hamiltonproject.org/assets/files/modernizing_labor_laws_for_twenty_first_century_work_krueger_harris.pdf (05.02.107); Lobel, The Gig Economy & The Future of Employment and Labor Law, USD Legal Studies Research Paper Series No 16-223 (2016) 10.

In der internationalen Diskussion ist es dabei umstritten, ob diese Zwischenkategorie nicht auch dazu führen kann, dass der Schutz des Arbeitsrechtes im Kern abnimmt, da dann zunehmend in die nunmehr als legitim angesehene Zwischenkategorie ausgewichen wird.[25]So insbesondere kritisch De Stefano, The rise of the «just-in-time workforce»: On-demand work, crowdwork and labour protection in the «gig-economy, Conditions of Work and Employment Series 71 (2016) 20; siehe dazu auch Prassl/ Risak, in Meil/Kirov, Policy Implications of Virtual Work (erscheint 2017).
Die Erfahrungen in Deutschland und Österreich, wo diese Zwischenkategorie bereits seit Jahrzehnten bekannt ist, sind weniger negativ, da eine derartige Ausweichbewegung bislang nicht stattgefunden hat, sondern die Entwicklung in Richtung Kleinstselbständigkeit unabhängig davon erfolgt und die Einordnung als arbeitnehmerInnenähnliche Person zumindest ein Mindestmaß an Schutz bietet, das allerdings ausgeweitet werden sollte. Wie weit dies gehen soll, ist dabei noch nicht sehr konkret diskutiert. Der aktuellste Diskussionsbeitrag von Mazal[26]Mazal, Arbeitnehmerähnliche Selbständige, in Tomandl/Risak, Wie bewältigt das Recht Moderne Formen der Arbeit (2016) 106 (129). sieht einen Regelungsbedarf insbesondere hinsichtlich der Möglichkeiten der Selbstorganisation, der kollektiven Rechtssetzung und der betrieblichen Mitbestimmung (dazu sogleich). Aus unserer Sicht ist darüber hinaus auch das individuelle Arbeitsrecht punktuell auszuweiten, insbesondere was die Fragen des Urlaubs, der Entgeltfortzahlung bei Dienstverhinderung und die Beendigung betrifft. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Vertragsverhältnisse unter Umständen fragmentiert sind und zB nur sehr kurz andauern, was eine Branchenlösung (ähnlich jener für das Baugewerbe) oder überhaupt eine stärkere Verzahnung mit dem Sozialversicherungsrecht nahelegt.

Von nur beschränkten Auswirkungen auf die Gig-Economy wäre eine Ausweitung des Heimarbeitsgesetzes auch auf nicht-manuelle Tätigkeiten (dazu Beitrag „(Arbeits-)Rechtliche Aspekte der Gig-Economy“), wie dies insbesondere von Warter[27]Crowdwork 228. gefordert wird. Wenngleich damit für virtuelle Online-CrowdworkerInnen ein sehr praktikabler Ansatz zur Schaffung besserer Arbeitsbedingungen geschaffen wird, erfasst das HeimAG eben nicht Tätigkeiten im Offline-Bereich wie Transportdienstleistungen oder Tätigkeiten in der Wohnung der LeistungsempfängerInnen (CrowdsourcerInnen). Eine grundlegende Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Gig-Economy wäre somit auf diesem Wege nicht möglich.

5. Eröffnung kollektiver Mitwirkungs- und Regelungsmöglichkeiten

Eine naheliegende Lösung für die Problematik, dass die individuell verhandelten bzw von den Plattformen und/oder AuftraggeberInnen vorgegebenen Entgelte sehr niedrig und die sonstigen Arbeitsbedingungen schlecht sind, ist der Zusammenschluss der CrowdworkerInnen und deren kollektives Verhandeln insbesondere von Entgeltbedingungen. Sollten diese nicht als ArbeitnehmerInnen anzusehen sein, so sollte für sie diese Möglichkeit dennoch gesetzlich eröffnet werden. In Deutschland sind zB arbeitnehmerInnenähnliche Personen vom Tarifvertragsgesetz (§ 12a TVG) erfasst und sie können Kollektivverträge mit Normwirkung abschließen.[28]Dazu siehe auch Reinecke/Rachor, in Däubler, Tarifvertragsgesetz4 (2016) § 12a Rz 2 ff. Auch hier ist jedoch zu beobachten, dass die Möglichkeiten bislang nur wenig genützt wurden und von den 44 registrierten Tarifverträgen für arbeitnehmerInnenähnlichen Personen 40 Firmentarifverträge in Rundfunk und Fernsehen sind. Nur vier weitere Tarifverträge sind klassische Verbandstarifverträge, aus der Branche der Grafikdesigner (Mantel- und Vergütungs-TV Design) und aus der Branche der Zeitungsverlage (Mantel- und Gehalts-TV).[29]So BMAS, Weissbuch Arbeiten 0 (2016) 174 (FN 196); Reinecke/Rachor, in Däubler, TVG4 § 12a Rz 9 ff. Daraus lässt sich ableiten, dass dieses Instrument, wenngleich die Möglichkeit seit 1974 besteht, noch zu wenig von Selbständigen und ihren Organisationen genutzt wird.[30]So BMAS, Weissbuch Arbeiten 4.0,

In Österreich besteht diese Möglichkeit nur eingeschränkt, insbesondere für ständige freie MitarbeiterInnen eines Medienunternehmens oder Mediendienstes (§§ 16 ff Journalistengesetz), literarisch wurde eine Ausweitung immer wieder diskutiert.[31]Risak, Kollektive Rechtssetzung auch für Nicht-Arbeitnehmer?, ZAS 2002, 16; Mosler, Anwendung des kollektiven Arbeitsrechts auf arbeitnehmerähnlich beschäftigte Selbständige?, DRdA 2012, 100; ders, Ist das ArbVG noch aktuell?, DRdA 2014, 511. Aus unserer Sicht wäre eine Öffnung des Abschlusses von Kollektivverträgen für arbeitnehmerInnenähnliche Personen rechtspolitisch erstrebenswert und würde die Verhandlungsschwäche dieser Personengruppe beim Aushandeln ihrer Arbeitsbedingungen verringern.[32]So auch Risak, ZAS 2002, 166; Mosler, DRdA 2014, 515; Mazal, in Tomandl/Risak, Neue Formen der Arbeit 132; noch weitergehend Mosler, DRdA 2012,

Europarechtlich ist dies freilich nicht ganz unproblematisch, da ein Zusammenschluss von Selbständigen, die Absprachen treffen, nicht unter einem bestimmten Preis anzubieten, als „Preiskartell für Arbeit“ angesehen und im Widerstreit mit dem Kartellverbot in Art 101 AEUV gesehen werden könnte. Der EuGH hatte in FNV Kunsten[33]EuGH C-413/13, DRdA 2016/18 (Grillberger) = ZAS 2015/45 (Mair). dazu meines Erachtens nicht ganz eindeutig Stellung genommen.[34]Grillberger, DRdA 2015, 167; Mair, ZAS 2015, 284; Felten, Arbeit und Soziales, in Herzig, Jahrbuch Europarecht 2015 (2016) 245 (249); Reinecke/Rachor, in Däubler, TVG4 (2016) 21a Rz 14 mzN des deutschen Meinungsstandes. Damit ist europarechtlich weiterhin die Frage offen, inwieweit Personen Möglichkeiten der kollektiven Rechtssetzung eröffnet werden können, die gerade nicht wie typische UnternehmerInnen tätig sind und bei denen in dieser Form wie bei ArbeitnehmerInnen ein Markversagen ausgeglichen wird.[35]So auch Mosler, DRdA 2013, 113.

Im Hinblick auf die betriebliche Mitbestimmung hat die Untersuchung in Beitrag „Betriebsrat und Mitbestimmung in der Plattform-Ökonomie“ gezeigt, wie schwierig es ist, Randbelegschaften in die Betriebsverfassung mit einzubeziehen und dass diesbezüglich ein Anpassungsbedarf hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereiches besteht. Gerade die schon in der Vergangenheit erfolgte Einbeziehung der HeimarbeiterInnen zeigt, dass sich die Gesetzgebung der Problematik schon in der Vergangenheit bewusst war und dass zwischen den ArbeitnehmerInnen und bestimmten Gruppen von Selbständigen eher ein Interessengleichklang, denn ein Gegensatz besteht.[36]Anderer Ansicht offenbar Mazal, in Tomandl/Risak, Moderne Formen der Arbeit 134.

6. Ergebnis

Die Untersuchung unterschiedlicher Geschäftsmodelle der Gig-Economy hat gezeigt, dass, obwohl das Phänomen des plattformbasierten Arbeitens ein relativ rezentes ist, die rechtlichen, insbesondere die arbeitsrechtlichen Probleme nicht unbedingt alle neu sind. Aus einer historischen Perspektive ist die Gig-Economy und die Organisation von Arbeit im Wege des Crowdwork als eine weitere Station in der Entwicklung weg vom Normalarbeitsverhältnis hin zu „schlanken“ Formen der Leistungserbringung zu sehen, die – bei gleichzeitiger voller Kontrolle über den Arbeitsprozess – das Risiko unproduktiver Zeiten möglichst auf die Arbeitenden verschieben und die Arbeitskosten möglichst gering halten möchten. Nicht überraschend zeigen manche Ausgestaltungen des Crowdwork frappierende Ähnlichkeiten zur Heimarbeit des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts.[37]Siehe dazu auch Finkin, Beclouded Work, Beclouded Workers in Historical Perspective, CLLPJ 2016, 603 ff. Auch ist die Dazwischenschaltung Dritter nicht unbedingt neu, wie die mittlerweilen auch europarechtlich regulierte Arbeitskräfteüberlassung zeigt. Freilich verstärkt die technologische Entwicklung all diese Trends und ermöglichen Plattformen letztlich einen „Spotmarkt“ für Arbeit, bei dem nur das bezahlt wird, was auch tatsächlich in Anspruch genommen wird. Damit erodiert der Schutz des Arbeitsrechtes zumindest durch die Atomisierung früher durchgängiger Vertragsbeziehungen, wenn es nicht gar zu einem Ausscheiden aus dem persönlichen Anwendungsbereich kommt, da keine ArbeitnehmerInneneigenschaft mehr besteht.

Wir haben in diesem Buch versucht, durch eine zeitgemäße Interpretation des bestehenden Rechtsbestandes den Schutzbereich an die neueren Entwicklungen anzupassen, soweit dies methodisch vertretbar erschien. Es bleibt jedoch ein, je nach Ansicht, größerer oder kleinerer Bereich, der so nicht erfasst werden kann, obwohl ein Schutzbedürfnis der in diesem Arbeitenden besteht. Dem kann auf unterschiedliche Weise begegnet werden, wobei sich die einzelnen Lösungswege nicht unbedingt ausschließen, sondern kombiniert werden sollen: Einerseits ist die Schaffung eines Crowdworkgesetzes zu erwägen, das auf die besonderen Konstellationen und Probleme dieser Form der Arbeitsorganisation reagiert und andererseits die Ausweitung jener Normen, die auf arbeitnehmerInnenähnliche Personen Anwendung finden bzw eine Neudefinition des ArbeitnehmerInnenbegriffes, die auch Elemente wirtschaftlicher Abhängigkeit miteinbezieht. Wesentlich ist dabei angesichts der großen Vielfalt der Gig-Economy und der Heterogenität der in ihr gepflogenen Geschäftsmodelle die Erkenntnis, dass eine einfache Lösung wohl nur schwer zu finden sein wird: Crowdwork kann nämlich einerseits spezialisierten KleinunternehmerInnen die Möglichkeit bieten, einer lukrativen, erfüllenden und flexiblen Beschäftigung nachzugehen, oder aber andererseits auch eine Prekaritätsfalle sein, in der „virtuelle SklavInnen“ zu niedrigen Entgelten dauernd online sind und nur on demand arbeiten. Ob das eine oder das andere stattfindet, ist nicht ein der Technikentwicklung immanenter Automatismus, sondern die Folge von Entscheidungen – insbesondere auch der Gesetzgebung, die die Rahmenbedingungen schafft. Dabei wird nur ein differenzierter und flexibler Ansatz, der sich beiden Polen der Gig-Economy nicht verschließt, in der Lage sein, gute Arbeitsbedingungen für jene zu gewährleisten, die diese nicht alleine ausverhandeln können, und gleichzeitig auf der anderen Seite die Kreativität und Innovationskraft nicht zu ersticken, die teilweise in diesen neuen Geschäftsmodellen steckt. Dabei darf freilich nicht vergessen werden, dass prekäre Arbeitsbedingungen nicht innovativ sind und dass Geschäftsmodelle, die nur dann funktionieren, wenn die Lohnkosten auf ein Minimum gedrückt werden, unseres Erachtens nicht förderungswürdig sind, sondern ihnen vielmehr regulatorisch entgegengetreten werden muss. Und genau dafür ist das Arbeitsrecht auch da.

* Braverman, Labour and Monopoly capital – The Degradation of Work in the Twentieth Century (1974, 1998) 319.
[1] Siehe dazu beispielsweise Scholz, Plattform Cooperativism (2016), verfügbar unter http://www.rosalux-nyc.org/wp-content/files_mf/scholz_platformcoop_5.9.2016.pdf (01.02.2017).
[2] So zB die Argumentation von Karl, Plattformen als Verbindung zwischen Arbeitenden und Leistungsempfängern, in Tomandl/Risak, Wie bewältigt das Recht Moderne Formen der Arbeit (2016) 85 (89).
[3] Ähnlich auch Srnicek, Platform Capitalism (2017)
[4] Risak, ZAS 2015, 16; Däubler, Digitalisierung und Arbeitsrecht, Soziales Recht – Sonderausgabe Juli 2016, 36; einschränkend Warter, Crowdwork 189; aA Karl, in Tomandl/Risak, Moderne Formen der Arbeit?
[5] The Concept of the Employer (2015).
[6] Siehe dazu auch Srnicek, Platform Capitalism 78.
[7] Siehe dazu Prassl/Risak, The legal Protection of Crowdworkers: Four Avenues for Workers’ Rights in the Virtual Realm, in Meil/Kirov, Policy Implications of Virtual Work (erscheint 2017).
[8] So auch SPÖ, Plan A (2017) 49, http://www.meinplana.at/magazin_herunterladen (04.02.2017); siehe auch Risak, Der Plan A und das Arbeitsrecht – worauf warten?, http://blog.sektionacht.at/2017/01/der-plan-a-und-das-arbeitsrecht-worauf-warten/ (04.02.2017).
[9] Es überrascht daher nicht, dass Prassl (Concept of the Employer 42 ff) sein funktionales ArbeitgeberInnen-Konzept insbesondere auch für die im Vereinigten Königreich nicht ausdrücklich gesetzlich geregelte Arbeitskräfteüberlassung entwickelt hat.
[10] Diese Punkte gehen nicht unwesentlich auf bislang unveröffentlichte Überlegungen des Europäischen Gewerkschaftsbundes hinsichtlich eines „Rough Draft Summary for a Proposal for an EU Directive to provide for the Effective Enforcement of Employment Rights and the Protection of Workers in the Online/Platform /Gig Economy“ zurück.
[11] Nach 2 Abs 4 Z 1 AVRAG besteht keine Dienstzettelpflicht bei einer Dauer des Arbeitsverhältnisses von höchstens einem Monat.
[12] Siehe dazu Prassl/Risak, in Meil/Kirov, Policy Implications (erscheint 2017).
[13] Crowdsourcing-Plattformen organisieren in der Regel nicht nur Arbeit, sondern zielen auch darauf ab, die generierten Daten weiterzuverwenden.
[14] Vgl 14 AÜG zur abgestuften Bürgschaft der BeschäftigerInnen bei der Arbeitskräfteüberlassung.
[15] http://wko.at/statistik/EPU/EFGmbH_EPU-Anteil_Bld.pdf (05.02.2017).
[16] Dies insbesondere auch deshalb, weil sich die Zahl der Bedarfsorientierte Mindestsicherungs (BMS)-BezieherInnen drastisch erhöht Eine aktuelle Studie des WIFO für Wien http://www.wien.gv.at/gesundheit/einrichtungen/planung/pdf/bms-entwicklungsfaktoren.pdf (07.02.2017) belegt, dass zunehmende Segmentierung am Arbeitsmarkt, mit einem wachsenden Segment nicht stabiler oder nicht vollzeitiger sowie niedrig entlohnter Beschäftigung neben der seit der Finanzkrise 2008 fast durchgängig steigenden Arbeitslosigkeit eine wesentliche Ursache dafür darstellt, dass zunehmend mehr Menschen auf die BMS angewiesen sind.
[17] Gemeinsam für Österreich (2008) 28, http://www.bundeskanzleramt.at/DocView.axd?CobId=32965 (28.11.2016).
[18] So zB die Definition in 1 Dienstnehmerhaftpflichtgesetz.
[19] BGBl 1946/170. RGBl I 1926, 507.
[20] Dazu Wachter, Wesensmerkmale der Arbeitnehmerähnlichen Person (1980) 59; Tomandl, Wesensmerkmale des Arbeitsvertrages (1971) 30.
[21] Siehe dazu Prassl/Risak, The Legal Protection of Crowdworkers – Four Avenues for Workers’ Rights in the Virtual Realm, in
[22] Meil/Kirov, Policy Implications of Virtual Work (erscheint 2017).
[23] Employment Tribunals 10.2016, 2202551/2015 & Others, Aslam, Farrar & Others v Uber B.V., Uber London Ltd. & Uber Britannia Ltdf, https://www.judiciary.gov.uk/judgments/mr-y-aslam-mr-j-farrar-and-others-v-uber (28.11.2106).
[24] So insbesondere Harris/Krueger, A Proposal for Modernizing Labor Laws for Twenty-First-Century Work: The “Independent Worker”, The Hamilton Project – Discussion Paper 2015-10 (2015), http://www.hamiltonproject.org/assets/files/modernizing_labor_laws_for_twenty_first_century_work_krueger_harris.pdf (05.02.107); Lobel, The Gig Economy & The Future of Employment and Labor Law, USD Legal Studies Research Paper Series No 16-223 (2016) 10.
[25] So insbesondere kritisch De Stefano, The rise of the «just-in-time workforce»: On-demand work, crowdwork and labour protection in the «gig-economy, Conditions of Work and Employment Series 71 (2016) 20; siehe dazu auch Prassl/ Risak, in Meil/Kirov, Policy Implications of Virtual Work (erscheint 2017).
[26] Mazal, Arbeitnehmerähnliche Selbständige, in Tomandl/Risak, Wie bewältigt das Recht Moderne Formen der Arbeit (2016) 106 (129).
[27] Crowdwork 228.
[28] Dazu siehe auch Reinecke/Rachor, in Däubler, Tarifvertragsgesetz4 (2016) § 12a Rz 2 ff.
[29] So BMAS, Weissbuch Arbeiten 0 (2016) 174 (FN 196); Reinecke/Rachor, in Däubler, TVG4 § 12a Rz 9 ff.
[30] So BMAS, Weissbuch Arbeiten 4.0,
[31] Risak, Kollektive Rechtssetzung auch für Nicht-Arbeitnehmer?, ZAS 2002, 16; Mosler, Anwendung des kollektiven Arbeitsrechts auf arbeitnehmerähnlich beschäftigte Selbständige?, DRdA 2012, 100; ders, Ist das ArbVG noch aktuell?, DRdA 2014, 511.
[32] So auch Risak, ZAS 2002, 166; Mosler, DRdA 2014, 515; Mazal, in Tomandl/Risak, Neue Formen der Arbeit 132; noch weitergehend Mosler, DRdA 2012,
[33] EuGH C-413/13, DRdA 2016/18 (Grillberger) = ZAS 2015/45 (Mair).
[34] Grillberger, DRdA 2015, 167; Mair, ZAS 2015, 284; Felten, Arbeit und Soziales, in Herzig, Jahrbuch Europarecht 2015 (2016) 245 (249); Reinecke/Rachor, in Däubler, TVG4 (2016) 21a Rz 14 mzN des deutschen Meinungsstandes.
[35] So auch Mosler, DRdA 2013, 113.
[36] Anderer Ansicht offenbar Mazal, in Tomandl/Risak, Moderne Formen der Arbeit 134.
[37] Siehe dazu auch Finkin, Beclouded Work, Beclouded Workers in Historical Perspective, CLLPJ 2016, 603 ff.

Kapitel 13 – Rechtsprobleme alternativer Organisationsstrategien

Inhaltsverzeichnis

Rechtliche „Fallstricke“ und Lösungsansätze bei internetbasierten Plattformen zur Bewertung von AuftraggeberInnen bzw zur Unterstützung von und zum Austausch zwischen CrowdworkerInnen

Dr. Thomas Majoros

Im Zusammenhang mit alternativen Organsationsstrategien, wie sie bei in der Gig-Economy Arbeitenden (den CrowdworkerInnen) angezeigt sind, stellen sich diverse Rechtsfragen: Die möglichen Haftungen der BetreiberInnen entsprechender (Bewertungs-/Unterstützungs-) Plattformen samt deren MitarbeiterInnen und UserInnen sowie mögliche Lösungsansätze.

1. Problemstellung

Virtuelle (internetbasierte) Plattformen können der Bewertung von AuftraggeberInnen durch deren AuftragnehmerInnen (CrowdworkerInnen), aber auch dem internen Austausch zwischen diesen oder deren Unterstützung (untereinander oder durch Dritte) dienen. Zu prüfen sind in all diesen Fällen mögliche Ansprüche betroffener (beispielsweise bewerteter) AuftraggeberInnen gegenüber den BetreiberInnen und UserInnen derartiger Plattformen. Rechtliche Risiken bestehen dabei sowohl für „interne“ (nur für Mitglieder zugängliche) als auch für mehr oder weniger öffentliche Plattformen; wenngleich diese bei letzteren weitaus größer sein werden. Auch Äußerungen in diversen anderen sozialen Medien (zB Facebook-Postings) können unerwartete Rechtsfolgen nach sich ziehen.

2. Persönlichkeitsschutz

2.1 Grundsätzliches

Potenzielle Haftungen sowohl der BetreiberInnen der erwähnten Plattformen (und allfälliger für diese tätigen journalistischen MitarbeiterInnen) als auch der jeweiligen UserInnen können zivilrechtlicher und strafrechtlicher Natur sein. Mögliche Folgen reichen von Unterlassungsansprüchen, Beseitigungsansprüchen, Ersatz des rechtswidrig und schuldhaft verursachten wirtschaftlichen Schadens, immateriellem Schadenersatz gemäß § 6 MedienG bis hin zu einer strafgerichtlichen Verurteilung.

2.2 Zivilrecht

2.2.1 Ehrenbeleidigung/Kreditschädigung (§ 1330 ABGB)

§ 1330 ABGB schützt das Rechtsgut der Ehre. Gemäß Abs 1 leg cit besteht Anspruch auf Schadenersatz, wenn jemandem durch Ehrenbeleidigung ein wirklicher Schaden oder Entgang des Gewinnes verursacht worden ist. Abs 2 leg cit behandelt die „Kreditschädigung“. Danach besteht Anspruch auf Schadenersatz (sowie Anspruch auf Widerruf und Veröffentlichung desselben), wenn jemand Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines/einer anderen gefährden und deren Unwahrheit er/sie kannte oder kennen musste.
Die Ehrenbeleidigung ist ein Angriff auf die Würde eines Menschen zB durch Beschimpfung, Kränkung und Verspottung.[1]Reischauer in Rummel II3 § 1328a Rz 6 mwN. Tatbestandsmäßig ist somit jedes der Ehre – verstanden als Personenwürde iSd § 16 ABGB – nahe tretende Verhalten. Dabei geht es um die Einschätzung der Person durch ihre Umwelt, somit um ihre soziale Wertstellung innerhalb der Gemeinschaft. Das Recht auf Ehre zählt zu den absoluten Rechten und wirkt als solches gegen jedermann. Obwohl

zum Kernbereich der „Ehrenbeleidigung“ (§ 1330 Abs 1 ABGB) Beschimpfungen und Verspottungen iSd § 115 StGB zählen, ist strafgerichtliche Tatbestandsmäßigkeit nicht Voraussetzung für das Vorliegen einer zivilrechtlichen Ehrenbeleidigung. Die Verbreitung einer unrichtigen Tatsache kann zugleich Ehrenbeleidigung sein; auch die Verbreitung einer richtigen Tatsache, wenn der/die Mitteilende den/die Betroffenen/Betroffene „offensichtlich kränken oder schädigen will bzw die Interessen des/der anderen unnötig verletzt werden, also kein überwiegendes Informationsbedürfnis der Allgemeinheit oder doch des/der MitteilungsempfängerIn vorliegt.“[2]Reischauer in Rummel II3 1330 Rz 1 mwN. Da es sich um eine herabsetzende Bewertung handelt, kann die Ehrenbeleidigung nicht durch einen „Wahrheitsbeweis“ gerechtfertigt werden. Zulässig ist jedoch eine angemessene und sachliche Kritik.[3]Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II14 (2015) 416 Die Judikatur verlangt als Tatbestandsvoraussetzung des § 1330 Abs 1 ABGB, dass die ehrverletzende Äußerung der Umwelt (also nicht nur dem/der Verletzten selbst) zur Kenntnis gelangt, da eine Ehrverletzung nur vorliegen könne, wenn sich an der Einschätzung des/der Verletzten durch seine/ihre Umwelt etwas geändert habe.[4]OGH 6 Ob 37/95, MR 1997, 202.

Eine Kreditschädigung bzw Rufschädigung iSd § 1330 Abs 2 ABGB liegt vor, wenn jemand unwahre Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines/einer anderen gefährden und deren Unwahrheit er/sie kannte oder kennen musste. Es handelt sich somit nicht um Werturteile (Abs 1 leg cit), sondern um Umstände, die einem Beweis zugänglich sind, über deren Wahrheit oder Unwahrheit somit gestritten werden kann. Dass diese Tatsachen auch ehrenrührig sind, ist nicht erforderlich.

Rechtsfolge: In beiden Fällen kann der Ersatz des Vermögensschadens (nicht jedoch eines ideellen Schadens)[5]OGH 1 Ob 36/89, SZ 64/36. gefordert werden und ein (verschuldensunabhängiger) Unterlassungsanspruch[6]OGH 29.01.2004, 6 Ob 235/02f. geltend gemacht werden. Im Falle einer Kreditschädigung hat die Unrichtigkeit einer behaupteten Tatsache grundsätzlich der/die KlägerIn zu beweisen.[7]OGH 23.10.20113, 6 Ob 238/03y; 6 Ob 38/03m, RdW 2003/358; RIS-Justiz RS0031798. Ist eine kreditschädigende Behauptung jedoch gleichzeitig auch als Ehrenbeleidigung anzusehen, obliegt dem/der KlägerIn nur hinsichtlich der Tatsachenverbreitung die Beweislast, während der/die Beklagte den Beweis für die Richtigkeit dieser Tatsachenbehauptungen zu erbringen hat.[8]OGH RIS-Justiz RS0031798.

Äußerungen über AuftraggeberInnen auf den angeführten Plattformen, welche den Tatbestand der Ehrenbeleidigung und/oder Kreditschädigung erfüllen, können somit entsprechende Unterlassungs-/Beseitigungs-/Widerrufs- und Schadenersatzansprüche sowohl gegenüber den BetreiberInnen dieser Plattformen als auch gegenüber denjenigen Personen nach sich ziehen, welche die konkreten Äußerungen getätigt haben.

2.2.2 Recht am eigenen Bild (§ 78 UrhG)

Gemäß § 78 UrhG dürfen Bildnisse von Menschen (im Sinne von natürlichen Personen) dann nicht öffentlich ausgestellt oder auf eine andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interesse des/der Abgebildeten verletzt würden („Bildnisschutz“, „Recht am eigenen Bild“). Unter „Verbreiten“ ist jede Handlung zu verstehen, bei der damit zu rechnen ist, dass das Bildnis einer Mehrzahl von Personen sichtbar gemacht wird.[9]OGH 4 Ob 187/99z, MR 2000, 143 (Korn). Während in Fällen der Verwendung eines Lichtbildes zu Zwecken zulässiger Berichterstattung die Meinungs- und Pressefreiheit gemäß Art 10 EMRK zu beachten ist[10]OGH 4 Ob 105/07f, MR 2007, 309; 4 Ob 169/07t, MR 2007, 372., verletzt die Verwendung von Bildnissen zu Werbezwecken in der Regel berechtigte Interessen, weil sich der/die Abgebildete dem Verdacht aussetzt, sein/ihr Bildnis für Werbezwecke zur Verfügung gestellt zu haben.[11]OGH 4 Ob 205/99x, MR 1999, 278 (Korn). Der/Die Betroffene hat das Recht auf Unterlassung (§ 81 UrhG), Beseitigung (§ 82), Urteilsveröffentlichung (§ 85) und – Verschulden vorausgesetzt – Schadenersatz (§ 87).

Vorsicht ist somit bei der Verwendung von Abbildungen anderer Personen geboten. Hier ist insbesondere auf den jeweiligen Zusammenhang zu achten (zulässige und wahrheitsgemäße Berichterstattung oder unsachliche Zweckwidmung).

2.2.3 Schutz der Persönlichkeit (§ 16 ABGB)

Gemäß § 16 ABGB hat jeder Mensch angeborene, „schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte“. Dadurch wird die Persönlichkeit generell als Grundwert anerkannt, wobei diese Generalklausel entweder durch ausdrückliche gesetzliche Regelungen (siehe die in diesem Beitrag behandelten Bestimmungen) oder durch die Rechtsprechung (in Analogie zu diesen Bestimmungen oder unter direkte Berufung auf § 16 ABGB) zu konkretisieren ist.[12]Koch in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB4 (2014) § 16 Rz 3 mwN. In diesem Sinne wird beispielsweise auch ein Recht am gesprochenen Wort und damit Schutz gegen unzutreffende Zitate anerkannt. [13]Koch in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB4, § 16 Rz 8 mwN. In Verbindung mit § 43 ABGB besteht auch ein Schutz der Namensanonymität, weshalb ein Name nicht in einem bestimmten Zusammenhang erwähnt werden darf, wenn der/die NamensträgerIn dazu keinen sachlichen Anlass gegeben hat (dieser Schutz besteht auch für juristische Personen).

2.2.4 Bestehen einer Vertragsbeziehung

Bestehen – wie etwa zwischen einzelnen CrowdworkerInnen und deren AuftraggeberInnen – vertragliche Beziehungen zwischen denjenigen, welche bestimmte Äußerung tätigen und den von diesen Äußerungen Betroffenen, sind in diesem Zusammenhang auch die jeweiligen aus diesem Vertragsverhältnis resultierenden Haupt- und Nebenpflichten (insbesondere die Interessenwahrungspflicht) zu beachten. Daraus können – je nach Einzelfall – über die dargestellten gesetzlichen Pflichten hinausreichende Verpflichtungen entstehen. Als Grundlage für entsprechende Ansprüche der betroffenen AuftraggeberInnen kommt hier somit der (jeweils auszulegende) Vertrag hinzu. Die entsprechenden Rechtsfolgen können damit insbesondere auch den Bestand desselben betreffen (beispielsweise außerordentliches Auflösungsrecht aus wichtigem Grund bei Dauerschuldverhältnissen).

2.3 Strafrecht

2.3.1 Übersicht

Relevant sind hier die „strafbaren Handlungen gegen die Ehre“ (vierter Abschnitt des StGB), insbesondere die §§ 111 (üble Nachrede), § 113 (Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung) und § 115 StGB (Beleidigung). Öffentliche Äußerungen in (Bewertungs-)Plattformen, insbesondere name and shame, können auch hier tatbestandsmäßig sein und zu einer strafrechtlichen Verantwortung führen.

2.3.2 Üble Nachrede (§ 111 StGB)

Der Tatbestand der üblen Nachrede gemäß § 111 StGB ist dann erfüllt, wenn jemand einen/eine anderen/andere in einer für einen/eine Dritten/Dritte wahrnehmbaren Weise einer „verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung zeiht“ (1. Fall) oder „eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt“, das geeignet ist, ihn/sie „in der öffentlichen Meidung verächtlich zu machen oder herabzusetzen“ (2. Fall).

Unehrenhaft ist ein Verhalten, durch das nach durchschnittlicher Auffassung eines sozial integrierten, wertbewussten Menschen die soziale Wertschätzung empfindlich beeinträchtigt wird.[14]OGH 15 Os 42/09d, EF-Z 2010/69. So ist etwa die Behauptung, jemand habe die Anmeldung dreier MitarbeiterInnen zur Sozialversicherung unterlassen und darüber hinaus diese Personen über einen Zeitraum von eineinhalb Monaten überhaupt „schwarz beschäftigt“, als Vorwurf eines unehrenhaften Verhaltens zu beurteilen.[15]OGH 14 Os 74/13h, RZ 2014/6. Schutzobjekt ist grundsätzlich eine natürliche, aber keine juristische Person.[16]Ausnahmen bestehen bei übler Nachrede/Beleidigung gegen einen verfassungsmäßigen Vertretungskörper, das Bundesheer oder eine Behörde (§ 116 StGB) sowie gegen ein periodisches Medium (§ 42 MedG). Deren Organe können dann Opfer einer Straftat sein, wenn sich der Angriff gerade auf ihr Handeln als OrganwalterInnen bezieht.[17]OGH 15 Os 151/10k, MR 2011, 298. An der Tatbildmäßigkeit iSd § 111 Abs 1 und 2 StGB fehlt es einem auf unbestrittene oder erwiesene, wenigstens aber auf gutgläubig behauptete Tatsachen gestützten Werturteil. Eine Kritik in diesem Sinn kann nur dann als tatbildlich iSd § 111 Abs 1 und 2 StGB beurteilt werden, wenn ein Wertungsexzess vorläge, die Äußerungen mithin als völlig unverhältnismäßig überzogen anzusehen wären oder jedes Maß an Sachlichkeit vermissen ließen.[18]OGH 11 Os 25/93, MR 1993, 175 (Kienapfel).

Gemäß § 111 Abs 3 StBG ist der/die TäterIn nicht zu bestrafen, wenn die Behauptung als wahr erwiesen wird (sogenannter Wahrheitsbeweis). Der bloße Beweis des „guten Glaubens“ hilft dem/der TäterIn nur, wenn die Äußerung nicht einer breiten Öffentlichkeit (beispielsweise durch Veröffentlichung in einem Druckwerk, im Rundfunkt oder auf „sonstige Weise“, welche eine „große Streuung“ nach sich zieht – etwa in einer Pressekonferenz[19]OGH 15 Os 10/98 JBl 2000, 401 (Tipold).) zugänglich wird. Der Wahrheitsbeweis und der Beweis des guten Glaubens sind gemäß § 112 StGB nur aufzunehmen, wenn sich der/die TäterIn auf die Richtigkeit der Behauptung oder auf seinen/ihren guten Glauben beruft. Über Tatsachen des Privat- oder Familienlebens und über Privatanklagedelikte sind weder der Wahrheitsbeweis noch der Beweis des guten Glaubens zulässig.

2.3.3 Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung (§ 113 StGB)

Gemäß § 113 StGB[20]In unserem Zusammenhang wird diese Bestimmung in der Regel nicht von großer Bedeutung sein; der Vollständigkeit halber ist aber auch darauf einzugehen. macht sich strafbar, wer einem/einer anderen in einer für einen/eine Dritten/Dritte wahrnehmbaren Weise eine strafbare Handlung vorwirft, für die die Strafe schon vollzogen oder wenn auch nur bedingt nachgesehen oder nachgelassen oder für die der Ausspruch der Strafe vorläufig aufgeschoben worden ist. Umfasst ist damit nicht der unwahre Vorwurf einer Straftat (dies würde unter den Tatbestand der üblen Nachrede des § 111 StGB fallen). Auch bei Tatbeständen des § 113 StGB ist eine Interessenabwägung (insbesondere im Hinblick auf Art 10 EMRK) vorzunehmen.[21]OGH 6 Ob 109/00y, MR 2001, 26.

2.3.4 Beleidigung (§ 115 StGB)

Wer öffentlich oder vor mehreren Leuten einen/eine anderen/andere beschimpft, verspottet, am Körper misshandelt oder mit einer körperlichen Misshandlung bedroht, ist gemäß § 115 StGB (Beleidigung) zu bestrafen. Das Ziel der Verspottung ist es, den/die Verspotteten/Verspottete lächerlich zu machen, unseres Mitgefühls zu berauben, ihn/sie in unseren Augen herabzusetzen, ohne dass freilich seiner/ihrer Ehrenhaftigkeit nahegetreten wird. Tatbildlich ist in diesem Sinn beispielsweise der Vorwurf einer beruflichen (fachlichen) Unfähigkeit.[22]OGH 16.12.1987, 14 Os 96/87. Schimpfworte und Schmähungen können dabei weder aus dem Recht auf Freiheit der Wissenschaft noch aus jenem auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt sein.[23]OGH 14.10.1980, 15 Os 50/80.

2.3.5 Kreditschädigung (§ 152 StGB)

Gemäß § 152 StGB ist strafbar, wer unrichtige Tatsachen behauptet und dadurch den Kredit, den Erwerb oder das berufliche Fortkommen eines/einer anderen schädigt oder gefährdet. Das Tatbild wird dadurch verwirklicht, dass der/die TäterIn vorsätzlich unrichtige Tatsachen behauptet und dabei – gleichfalls vorsätzlich – den Kredit, Erwerb oder das berufliche Fortkommen des/der Betroffenen schädigt oder (konkret) gefährdet. Als Tatsache nach § 152 StGB kann nur angesehen werden, was anhand objektiver und allgemein anerkannter Kriterien auf seine Richtigkeit überprüft werden kann.[24]OLG Wien 27 Bs 570/89, MR 1990, 19. Auch Vermutungen und Verdächtigungen können sich als Tatsachenbehauptungen darstellen, wenn sie sich auf Tatsachen beziehen. Unter dem Begriff „Kredit“ im Tatbestand des § 152 StGB ist das Vertrauen in die Erfüllung von Verbindlichkeiten zu verstehen. Von einem „beruflichen Fortkommen“ kann nur bei einer physischen Person gesprochen werden.[25]OLG Innsbruck 7 Bs 311/89, MR 1989, 208.

2.3.6 Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe

Gemäß § 114 Abs 1 StGB liegt hinsichtlich der Tatbestände der §§ 111 (üble Nachrede) und 113 (Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung) dann ein Rechtfertigungsgrund vor, wenn durch die jeweilige Handlung „eine Rechtspflicht erfüllt oder ein Recht ausgeübt” wird. Unter die Ausübung eines Rechts nach § 114 Abs 1 StGB fällt bei grundrechtsbewusstem Verständnis jedes Vorbringen einer Prozesspartei, das – ohne Anlegen eines strengen Maßstabs – aus der Sicht eines/einer verständigen Beobachters/Beobachterin in der Rolle der Prozesspartei der Aufklärung der Sache (vgl § 232 Abs 2 StPO) dienlich und zur Durchsetzung des eigenen Rechtsstandpunkts zweckmäßig sein kann, sofern es nicht bewusst wahrheitswidrig erstattet wird.[26]OGH 15 Os 85/07z, ÖJZ 2008/30.
§ 114 Abs 2 StGB sieht für die Tatbestände der §§ 111 und 113 StGB einen Entschuldigungsgrund für den Fall vor, dass der/die TäterIn durch besondere Umstände genötigt ist, eine dem § 111 oder § 113 entsprechende Behauptung in der Form und auf die Weise vorzubringen, wie es geschieht, es sei denn, die Behauptung ist unrichtig und der/die TäterIn hätte sich dessen „bei Aufwendung der nötigen Sorgfalt“ bewusst sein können. Die Äußerung muss dabei angemessen sein („anlass- und ausführungsadäquat“).[27]OGH 9 Os 77/78, SSt 49/61.

Für den Tatbestand des § 115 StGB (Beleidigung) sieht dessen Abs 3 einen Entschuldigungsgrund vor. Voraussetzung dafür ist, dass sich jemand nur durch Entrüstung über das Verhalten eines/einer anderen dazu hinreißen lässt, ihn/sie in einer den Umständen nach entschuldbaren Weise zu beschimpfen, zu misshandeln oder mit Misshandlungen zu bedrohen, wenn seine /ihre Entrüstung, insbesondere auch im Hinblick auf die seit ihrem Anlass verstrichene Zeit, allgemein begreiflich ist. Allgemein begreiflich ist eine Entrüstung dann, wenn sie für einen Durchschnittsmenschen in dem Sinne verständlich ist, dass auch er/sie sich vorstellen kann, auch er/sie geriete unter den gegebenen besonderen Umständen in eine solche Gemütsverfassung.[28]OGH 02.02.1981, Bkd 71/80.

„Hinreißen lassen“ deutet darauf hin, dass der/die TäterIn unbesonnen reagiert und nicht lange Überlegungen angestellt hat. Die Entrüstung muss jedenfalls im Tatzeitpunkt noch anhalten.

2.3.7 Berechtigung zur Anklage

Sämtliche strafbaren Handlungen gegen die Ehre sind gemäß § 117 Abs 1 StGB grundsätzlich[29]Ausnahmen siehe § 17 Abs 1–4 StGB. nur auf Verlangen der in ihrer Ehre Verletzten zu verfolgen. Hier liegen somit sogenannte „Privatanklagedelikte“ vor, bei welchen nicht die Staatsanwaltschaft als öffentliche Anklägerin, sondern die Verletzten selbst die Anklage einzubringen haben.

2.3.8 Verleumdung (§ 297 StGB)

Wer einen/eine anderen/andere dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzt, dass er/sie ihn/sie einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung oder der Verletzung einer Amts- oder Standespflicht falsch verdächtigt, begeht, wenn er/sie weiß, dass die Verdächtigung falsch ist, das – von Amts wegen zu verfolgende (!) – Delikt der Verleumdung. § 297 StGB verlangt nicht, dass es wirklich zu einer behördlichen Verfolgung der fälschlich verdächtigten Personen gekommen ist; vielmehr genügt die Herbeiführung der konkreten Gefahr einer solchen. Dabei muss wohl eine Verfolgung nicht bloß möglich, sondern als regelmäßige Folge unmittelbar zu erwarten sein, doch genügt jede, wenn auch bloß der Aufklärung des Verdachtes dienende Erhebung.[30]OGH 15 Os 88/96, ÖJZ 1996/146. Subjektiv muss der/die TäterIn die Gefährdung des/der Verleumdeten (zumindest) ernstlich für möglich halten und sich damit abfinden.[31]OGH 13.08.1980, 11 Os 96/80.

2.4 Wettbewerbsrecht – UWG

Sowohl bei der Bewertung von AuftraggeberInnen (beispielsweise im Rahmen von „Bewertungsplattformen“) als auch bei der Vergabe von „Gütesiegeln“ für vorbildliche AuftraggeberInnen oder bei Aufrufen zum Boykott ist darauf zu achten, dass hier nicht eine Förderung fremden Wettbewerbs erfolgt. In diesem Fall kann eine solche, sofern sie nach den Bestimmungen der §§ 1 ff UWG als „Handlung unlauteren Wettbewerbs“ anzusehen ist, etwa weil sie unlauter[32]§ 1 UWG., aggressiv[33]§ 1a UWG., irreführend[34]§ 2 UWG., herabsetzend[35]§ 7 UWG. ist, dabei Geschäfts- oder Betriebsgeheimisse verletzt werden[36]§ 11 UWG., insbesondere zu Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadenersatzansprüchen[37]§§ 133 ff UWG. und unter Umständen auch zur Einleitung eines gerichtlichen Strafverfahrens führen.

Der OGH hat etwa einen Zeitungsartikel, in dem „alle seriösen Anbieter von Schönheitsoperationen“ auf einer bestimmten Website genannt waren, als Herabsetzung der jeweils nicht „gelisteten“ Anbieter und somit als wettbewerbswidrige Handlung angesehen.[38]OGH 4 Ob 127/08t, ÖBl 2009/22 (Mildner). Zwar nehmen etwa politische Parteien[39]OGH 4 Ob 299/99w, MR 2000, 107., Betriebsratsfraktionen[40]OGH 4 Ob 27/00z, ÖBl 2000, 213. oder Gewerkschaften[41]OGH 4 Ob 123/04y, ÖBl 2005/5 (Gamerith)., soweit diese im Bereich des (sozial-)politischen Auftrags handeln, regelmäßig nicht am Erwerbsleben teil, weshalb deren Verhalten in diesen Fällen nicht als Wettbewerbshandlungen zu sehen ist. Erst wenn damit konkrete (fremde) Unternehmsinteressen vertreten werden, ist ein Handeln im geschäftlichen Verkehr anzunehmen.[42]Heidinger in Wiebe/Kodek, UWG (2009) § 1 Rz 90 mwN; OGH 4 Ob 299/99w, MR 2000, 107. Für die Beurteilung der Frage, ob der/die FörderIn im geschäftlichen Verkehr handelt, sind nämlich nicht seine/ihre, sondern die Verhältnisse desjenigen/derjenigen maßgeblich, dessen/deren Wettbewerb gefördert wird.[43]OGH 4 Ob 24/06t, MR 2006, 209. Im konkreten Fall wurde der bewusste Eingriff einer Fachgruppe der Wirtschaftskammer in den Wettbewerb ihrer Mitglieder als Förderung fremden Wettbewerbs angesehen. Die Abgrenzung ist somit im Einzelfall schwierig. Jedenfalls ist, um bei einer allfälligen Förderung fremden Wettbewerbs nicht den Bestimmungen des UWG zu widersprechen, darauf zu achten, dass sachliche Bewertungen erfolgen, „Pauschalabwertungen“ vermieden werden, die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht verletzt und keine objektiv unrichtigen Tatsachen behauptet oder gar beleidigende Äußerungen getätigt werden.

2.5 Datenschutz[44]Siehe dazu auch Beitrag „Datenschutz in der Gig-Economy“.

Die Veröffentlichung von personenbezogenen Daten im Internet ist auch im Hinblick auf das Datenschutzrecht mit einer Reihe von möglichen Problemfeldern behaftet, die im Einzelnen durchaus strittig sein können.[45]Siehe dazu insbesondere Berka, Welchen Beitrag leistet das Datenschutzrecht zum Persönlichkeitsschutz?, in Berka/Grabenwarter/Holoubek, Persönlichkeitsschutz in elektronischen Massenmedien (2012) 79.

Da die Veröffentlichung von (personenbezogenen) Daten auf einer Website als „Datenanwendung“ iSd § 4 Z 7 DSG 2000 anzusehen ist[46]Grundsätzlich ist jede EDV-Textverarbeitung mit personenbezogenen Daten eine „Datenanwendung“ (siehe etwa Drobesch/Grosinger, Das neue österreichische Datenschutzgesetz [2000] 122 unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien)., unterliegen deren „Verwendung“[47]§ 4 Z 8 DSG 2000. – somit deren „Verarbeitung“[48]§ 4 Z 9 DSG 2000. als auch deren „Übermittlung“[49]§ 4 Z 12 DSG 2000. – den Beschränkungen des DSG 2000. Nach dem Grundsatz des § 6 DSG Abs 1 2000 dürfen diese Daten insbesondere nur nach Treu und Glauben und auf rechtmäßige Weise verwendet werden (Z 1) und für festgelegte, eindeutige und rechtmäßige Zwecke ermittelt und weiterverwendet werden (Z 2), soweit sie für diesen Zweck wesentlich sind (Z 3). Darüber hinaus ist es erforderlich, dass sie sachlich richtig und, wenn nötig, auf den neuesten Stand gebracht sind (Z 4) und nur solange aufbewahrt werden, als dies für den jeweiligen Zweck erforderlich ist (Z 5). Generell dürfen gemäß § 7 DSG 2000 Daten nur verarbeitet und übermittelt[50]Worunter gemäß § 4 Z 12 DSG 2000 auch das Veröffentlichen von Daten zu verstehen ist. werden, wenn insbesondere „schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des/der Betroffenen nicht verletzt werden“. Dies ist bei „nicht sensiblen“ Daten[51]„Sensible Daten“ wären gemäß § 4 Z 2 DSG 2000 Daten natürlicher Personen über ihre rassische und ethnische Herkunft, politische Meinung, Gewerkschaftszugehörigkeit, religiöse oder philosophische Überzeugung, Gesundheit oder ihr Sexualleben. gemäß § 8 DSG 2000 insbesondere dann der Fall, wenn überwiegende berechtigte Interessen des Auftraggebers oder eines Dritten die Verwendung erfordern.[52]§ 8 Abs 1 Z 4 DSG 2000. Weiters sind gemäß den §§ 14 und 15 DSG 2000 Maßnahmen zum Schutz der Datensicherheit sowie des Datengeheimnisses zu treffen. Außerdem ist gemäß § 17 DSG 2000 von der/dem jeweiligen AuftraggeberIn vor Aufnahme einer Datenanwendung eine Meldung an die Datenschutzkommission zwecks Registrierung im Datenverarbeitungsregister zu erstatten.[53]Der/Die BetreiberIn einer Website ist nur hinsichtlich eigener Beiträge „AuftraggeberIn“ iSd § 4 Z 4 DSG 2000. Hinsichtlich Beiträge externer UserInnen ist er/sie lediglich „DienstleisterIn“ iSd § 4 Z 5 DSG 2000, während hier der/die jeweilige UserIn hinsichtlich seines/ihres geposteten Beitrages „AuftraggeberIn“ ist (dazu OLG Linz 3 R 1010/09g, MR 2009, 306 [Koukal] und DSK 120.819/006-DSK/2003, MR 2004, 51 [Knyrim]). Richtigerweise wird man aber das Posten einzelner Beiträge nicht als „Aufnahme einer Datenanwendung“ iSd § 17 DSG 2000, die zu einer Meldepflicht durch den/die einzelnen/einzelne UserIn führen würde, ansehen können.

Der/Die Betroffene hat insbesondere ein Auskunftsrecht (§ 26 DSG 2000), ein Recht auf Richtigstellung oder Löschung (§ 27 DSG 2000) und ein Widerspruchsrecht (§ 28 DSG 2000). Er /Sie kann sich an die Datenschutzkommission wenden (§§ 30 ff DSG 2000) und kann Ansprüche auf Geheimhaltung, Richtigstellung, Löschung sowie auf Schadenersatz gerichtlich geltend machen (§§ 32 f DSG 2000). Aus einer unzulässigen Datenverwendung (beispielsweise auf einer Bewertungsplattform) können somit entsprechende Ansprüche Betroffener (hier etwa der jeweiligen AuftraggeberInnen von CrowdworkerInnen) resultieren.

Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch die Privilegierung für publizistische Tätigkeit gemäß § 48 DSG 2000. Danach sind für Medienunternehmen, Mediendienste oder ihre MitarbeiterInnen die §§ 4–6, 10, 11, 14 und 15 DSG 2000 (sowie jedenfalls der im Verfassungsrang stehende § 1 DSG 2000 „Grundrecht auf Datenschutz“ anzuwenden, soweit Daten unmittelbar für ihre publizistische Tätigkeit iSd Mediengesetzes verwendet werden und für deren Informationsaufgabe (unter Berücksichtigung von Art 10 EMRK) erforderlich sind.[54]Zu beachten ist, dass beispielsweise Websites von NGOs, Unternehmen außerhalb der Medienbranche, von Behörden oder politischen Parteien sowie von Privaten nicht durch § 48 DSG 2000 privilegiert sind, auch wenn diese publizistisch tätig sind, was in der Lehre als verfassungs- und europarechtlich fragwürdig gesehen wird (siehe dazu insbesondere Berka in Berka/Grabenwarter/Holoubek, Persönlichkeitsschutz in elektronischen Massenmedien 84 mwN). Diese Privilegierung ist jedoch nur dann von Bedeutung, wenn die jeweilige (Bewertungs- oder Unterstützungs-)Plattform von einem Medienunternehmen iSd § 1 Abs 1 Z 6 MedienG (siehe Abschnitt „Besonderheiten des MedienG“) betrieben wird.

Eine in unserem Zusammenhang relevante Datenschutzbestimmung enthält auch § 96 Abs 3 TKG 2003.[55]Host-Provider sind zwar keine „BetreiberInnen von öffentlichen Kommunikationsdiensten“ iSd § 3 Z 3 TKG 2003, weshalb die datenschutzrechtlichen Bestimmungen des TKG 2003 grundsätzlich nicht anwendbar sind (OGH 6 Ob 119/11k, JusGuide 2012/28/10154). Sie sind jedoch „AnbieterIn eines Dienstes der Informationsgesellschaft iSd § 3 Z 1 ECG“, weshalb die Bestimmung des § 96 Abs 3 TKG 2003 auch auf sie anwendbar ist. Danach müssen – kurz zusammengefasst – beispielsweise Hostprovider ihre NutzerInnen insbesondere über die Ermittlung, Verarbeitung und Übermittlung von personenbezogenen Daten informieren und bedarf die Ermittlung von Daten teilweise der Zustimmung der NutzerInnen. Dies kann insbesondere für BetreiberInnen von entsprechenden Plattformen insofern relevant sein, als hier entsprechende Verpflichtungen gegenüber ihren UserInnen (beispielsweise den jeweiligen CrowdworkerInnen) entstehen können.

Hinzuweisen ist auf die EU-Datenschutz-Grundverordnung[56]Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (ABl L 119 vom 04.05.2016)., welche ab 01.05.2018 in den einzelnen Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar sein wird und – neben anderen Änderungen der Rechtslage – auch verstärkte Dokumentationspflichten sowie strengere Strafdrohungen vorsieht. Siehe dazu ausführlich Beitrag „Datenschutz in der Gig-Economy“.

3. Rechtsfolgen

3.1 BetreiberIn der (Bewertungs-)Plattform

Unterschieden wird zwischen Content-, Host- und Access-Provider. Content-Provider ist, wer eigene Informationen zur Nutzung im Netz zur Verfügung stellt; der Host-Provider ist „Gastgeber“ für fremde Informationen und ist somit nur Vermittler von Daten; der Access-Provider vermittelt nur den Zugang.[57]Koziol, Providerhaftung nach ECG und MedienG, in Berka/Grabenwarter/Holoubek, Persönlichkeitsschutz in elektronischen Massenmedien (2012) 42 mwN. Wer somit elektronisch ein Gästebuch oder ein Chatforum betreibt oder BesucherInnen seiner Website die Möglichkeit einräumt, sich zu den dort wiedergegebenen (eigenen oder fremden) Inhalten zu äußern (beispielsweise in Form von Postings, das sind elektronische Leserbriefe in Online-Ausgaben von Tageszeitungen[58]OGH 6 Ob 133/13x, MR 2014, 59.), ist Host-Provider.[59]Zankl, ECG2 (2016) § 16 Rz 259. Nach einer Entscheidung des EGMR ist hingegen der/die BetreiberIn eines Portals dann nicht Host-Provider, wenn er/sie selbst die Themen vorgibt.[60]EGMR 64569/09, MR-Int 2015, 53; kritisch dazu Frötschl, Die Entscheidung Delfi des EGMR: Der Einfluss der Grundrechte auf das Host-Provider-Haftungsprivileg, ecolex 2015, 827, und Zankl, ECG2, § 16 Rz 189. Wer selbst fremde Inhalte (wenn auch ungeprüft) ins Netz stellt, ist jedenfalls nicht Host-Provider, sondern Content-Provider.[61]OGH 6 Ob 218/03g, ecolex 2004/240.

Dem Host-Provider kommt insbesondere die Begünstigung des § 16 Abs 1 E-Commerce-Gesetz (ECG) zugute, wonach der/die „DienstanbieterIn“ für die im Auftrag von NutzerInnen gespeicherten Informationen nicht verantwortlich ist, sofern er/sie entweder von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder Information keine tatsächliche Kenntnis hat, bzw er/sie sich einer rechtswidrigen Tätigkeit oder Information nicht bewusst ist (Z 1), oder er/sie, sobald er/sie diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erhalten hat, unverzüglich tätig wird, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu sperren (Z 2). Letztlich kommt es darauf an, ob die Rechtsverletzungen (durch die KundInnen des Host-Providers) auch für juristische LaiInnen ohne weitere Nachforschungen offenkundig sind.[62]OGH 6 Ob 188/14m, MR 2015, 19. In diesem Fall muss der Host-Provider die entsprechende Information unverzüglich entfernen, wobei jedenfalls eine Woche[63]OGH 6 Ob 178/04a, MR 2007, 79., aber auch einige Tage[64]OLG Graz 10 Bs 172/11m, MR 2011, 255 (drei Tage); OLG Wien 18 Bs 247/07s, MR 2007, 370 („mehrere Tage“). zu lang sind.

Weiters ist der Host-Provider gemäß § 18 ECG nicht verpflichtet, die von ihm gespeicherten, übermittelten oder zugänglich gemachten Informationen allgemein zu überwachen oder von sich aus nach Umständen zu forschen, die auf rechtswidrige Tätigkeiten hinweisen. Jedenfalls dann, wenn er auf rechtswidrige Inhalte hingewiesen wird oder sich derartige Rechtsverstöße bereits auf seiner Plattform ereignet haben, ist er jedoch zu entsprechenden Kontrollmaßnahmen verpflichtet.[65]OGH 6 Ob 178/04a, MR 2007, 79. Das „Haftungsprivileg“ des Host-Providers greift aber dann nicht, wenn fremde Informationen als eigene dargestellt werden, also nicht klargestellt wird, dass es sich um fremde Inhalte handelt[66]Zankl, ECG2 § 16 Rz 275. bzw der Eindruck erweckt wird, der von Dritten eingestellte Beitrag gebe die Meinung des Betreibers/der Betreiberin wieder oder wenn er/sie diese durch sein eigenes Verhalten provoziert hat.[67]OGH 6 Ob 178/04a, MR 2007, 79.

Gemäß § 19 Abs 1 ECG bleiben Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche von den §§ 13 bis 18 ECG unberührt; ob ein verschuldensunabhängiger Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch besteht, ist somit nicht anhand der Bestimmungen des ECG zu lösen.[68]OGH 6 Ob 218/03g, ecolex 2004/20. Ein derartiger Anspruch kann somit selbst dann bestehen, wenn der Host-Provider von den rechtswidrigen Inhalten keine Kenntnis hatte.[69]Zankl, ECG2 § 18 Rz 373. Allerdings wird angenommen, dass bei derartigen „mittelbaren Verletzungen“ auch für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen eine Sorgfaltswidrigkeit des Host-Providers vorliegen muss, wobei die Sorgfaltspflichten aber durch das Kriterium der Zumutbarkeit begrenzt sind.[70]Koziol, Providerhaftung nach ECG und MedienG, in Berka/Grabenwarter/Holoubek, Persönlichkeitsschutz in elektronischen Massenmedien (2012) 54 f mwN.

Gemäß § 18 Abs 2 bis 4 ECG sind BetreiberInnen unter bestimmten Voraussetzungen zur Auskunft über NutzerInnen ihrer Dienste verpflichtet. Dies betrifft Auskünfte gegenüber Gerichten in Zusammenhang mit Straftaten (Abs 2), Verwaltungsbehörden (Abs 3) und Auskünfte gegenüber dritten Personen (Abs 4). Letzteren sind Name und Adresse[71]Somit Vorname, Zuname, Postanschrift und E-Mail-Adresse (OGH 6 Ob 188/14m, MR 2015, 19; 6 Ob 104/11d, MR 2011, 323). der NutzerInnen bekannt zu geben, wenn diese ein überwiegendes rechtliches Interesse an der Feststellung der Identität der NutzerInnen und eines bestimmten rechtswidrigen Sachverhaltes haben sowie überdies glaubhaft machen, dass die Kenntnis dieser Informationen eine wesentliche Voraussetzung für die Rechtsverfolgung bildet. Auskunftsberechtigt sind somit Personen, die von einem bestimmten rechtswidrigen Sachverhalt unmittelbar betroffen sind, sowie Verbände, die sich der Wahrung der Rechte anderer Personen widmen.[72]Zankl, ECG2 § 18 Rz 356. Voraussetzung für den Auskunftsanspruch ist lediglich, dass aufgrund einer groben Prüfung der von dem/der KlägerIn geltend gemachten Verletzungen eine Verurteilung nicht gänzlich auszuschließen ist.[73]OGH 6 Ob 188/14m, MR 2015, 19. Eine nähere Prüfung der Tatbestandsmäßigkeit hat aber nicht im Verfahren gegen die BetreiberInnen von Websites, sondern erst im allfälligen Verfahren gegen die PosterInnen zu erfolgen.[74]OGH 6 Ob 133/13x, MR 2014, 59. Es kommt darauf an, ob BetreiberInnen gegenüber die Glaubhaftmachung eines rechtswidrigen Sachverhalts gelungen ist.[75]OGH 6 Ob 145/14p, MR 2015, 137. Der Host-Provider hat aber lediglich die ihm verfügbaren Daten herauszugeben und muss diese nicht ermitteln.[76]OGH 6 Ob 58/14v, VbR 2014/97; 6 Ob 104/11d, MR 2011, 323. Eine Berufung auf das Redaktionsgeheimnis gemäß § 31 MedG zur Verweigerung der Auskunft ist unzulässig, wenn ein Posting in keinem Zusammenhang mit einer journalistischen Tätigkeit steht.[77]OGH 6 Ob 188/14m, MR 2015, 19; 6 Ob 145/14p, MR 2015, 137. Informationen, die eine der in § 31 Abs 1 MedienG genannten Personen[78]Dies sind MedieninhaberInnen, HerausgeberInnen, MedienmitarbeiterInnen und ArbeitnehmerInnen eines Medienunternehmens oder Mediendienstes. gewinnt, ohne dass diese im Hinblick auf ihre Tätigkeit von jemandem (bewusst) zugänglich gemacht wurden, sind somit nicht vom Redaktionsgeheimnis erfasst.[79]OGH 6 Ob 188/14m, MR 2015, 19.

3.2 Besonderheiten des MedienG

BetreiberInnen einer Website sind jedenfalls MedieninhaberInnen gemäß § 1 Abs 1 Z 8 MedienG. Diese treffen deshalb die entsprechenden Informationspflichten des MedienG (Impressum[80]§ 24 MedienG., Offenlegung[81]§ 25 MedienG.).

MedieninhaberInnen sind auch AdressatInnen des medienrechtlichen Entschädigungsanspruches gemäß § 6 MedienG (Entschädigung für die erlittene Kränkung bei übler Nachrede, Beschimpfung, Verspottung oder Verleumdung in einem Medium) sowie der §§ 7–7c MedienG. Dieser besteht insbesondere dann nicht, wenn es sich um die Abrufbarkeit auf einer Website handelt, ohne dass die MedieninhaberInnen oder einer ihrer MitarbeiterInnen oder Beauftragten die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen hat.[82]§§ 6 Abs 2 Z3a, 7 Abs 2 Z 5, 7a Abs 3 Z 5, 7b Abs 2 Z 5, 7c Abs 2 MedienG. Hier muss es sich um Äußerungen Dritter handeln, somit nicht um Äußerungen der MedieninhaberInnen, ihrer MitarbeiterInnen oder Beauftragten.[83]Berka in Berka/Heindl/Höhne/Noll, Mediengesetz3 (2012) § 6 Rz 41. Dabei können MedieninhaberInnen je nach Einzelfall unter Umständen auch Überwachungspflichten treffen, wobei sich der Umfang der Sorgfaltspflicht nach dem Konzept des entsprechenden Webangebots, den davon abhängigen Möglichkeiten rechtswidrige Inhalte zu verhindern und dem, was nach Lage der Dinge den MedieninhaberInnen zumutbar ist, richtet.[84]Berka in Berka/Heindl/Höhne/Noll, Mediengesetz3 § 6 Rz 43. Weiters sind MedieninhaberInnen AdressatInnen des Anspruches von durch eine Tatsachenmitteilung Betroffenen auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung gemäß § 9 MedienG.[85]Dieser Anspruch besteht gemäß § 9 Abs 1 MedienG dann nicht, wenn die Gegendarstellung unwahr oder ihre Veröffentlichung aus anderen Gründen ausgeschlossen ist.

Werden Beiträge von MitarbeiterInnen von MedieninhaberInnen selbst verfasst, können sich sowohl die MedieninhaberInnen als auch die MedienmitarbeiterInnen (selbst dann, wenn die in einem Beitrag enthaltenen Tatsachenbehauptungen unrichtig sind) in einem Strafverfahren wegen einem Medieninhaltsdelikt, bei dem der Wahrheitsbeweis zulässig ist[86]Üble Nachrede gemäß 111 StGB., sowie in einem medienrechtlichen Entschädigungsverfahren[87]Einschränkungen bestehen jeweils, wenn der höchstpersönliche Lebensbereich betroffen darauf berufen, dass sie die journalistische Sorgfaltspflicht eingehalten haben, sofern ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung bestanden hat.[88]§ 6 Abs 2 Z 2 lit b, 29 MedienG. Dieser Rechtfertigungsgrund wird von der Rsp auch für Ansprüche gegen MedieninhaberInnen gemäß § 1330 Abs 2 ABGB (Kreditschädigung) angewandt.[89]OGH 6 Ob 291/00p, MR 2001, Siehe Abschnitt „Ehrenbeleidigung/Kreditschädigung (§ 1330 ABGB)“. Die journalistische Sorgfaltspflicht gebietet vor allem die Einholung einer Stellungnahme der von der Berichterstattung betroffenen Person.[90]OGH 15 Os 125/08h, 15 Os 126/08f, 15 Os 127/08b, MR 2009, 124. Die Einholung einer derartigen Stellungnahme ist für sich alleine genommen aber nicht hinreichend. Wenn etwa unreflektiert nebulöse Gerüchte ohne tatsächliches Fundament veröffentlicht werden, wäre selbst bei Einholung einer Stellungnahme der Betroffenen die journalistische Sorgfalt nicht eingehalten.[91]Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Noll, Mediengesetz3 § 29 Rz 18 mwN. Es ist jedenfalls von der Maßfigur eines/einer verantwortungsvollen, gewissenhaften, verständigen sach- und fachkundigen JournalistIn auszugehen.[92]OGH 15 Os 125/08h, 15 Os 126/08f, 15 Os 127/08b, MR 2009, 124.

Auf die Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht können sich jedoch nur MedieninhaberInnen und MedienmitarbeiterInnen berufen, nicht aber beispielsweise Personen, die nur gelegentlich publizistisch tätig sind wie etwa LeserbriefschreiberInnen oder freie JournalistInnen.[93]Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Noll, Mediengesetz3 29 Rz 7 mwN.

„Medienmitarbeiter“ gemäß § 1 Abs 1 Z 11 MedienG ist nämlich, „wer in einem Medienunternehmern oder Mediendienst an der inhaltlichen Gestaltung … journalistisch mitwirkt, sofern er als Angestellter des Medienunternehmens/Mediendienstes oder als freier Mitarbeiter diese Tätigkeit ständig und nicht bloß als wirtschaftlich unbedeutende Nebenbeschäftigung ausübt.“ „Medienunternehmen“ iSd § 1 Abs 1 Z 6 MedienG sind Unternehmen, in denen die inhaltliche Gestaltung des Mediums besorgt wird sowie seine Herstellung, Verbreitung oder Ausstrahlung oder Abrufbarkeit entweder besorgt oder veranlasst werden. Maßgeblich ist die wirtschaftliche Organisationseinheit (Mindestmaß unternehmerischer Strukturen), als deren Unternehmens(haupt)zweck die inhaltliche Gestaltung des Mediums gehört.[94]Noll in Berka/Heindl/Höhne/Noll, Mediengesetz3 1 Rz 25 mwN. „Mediendienste“ iSd § 1 Abs 1 Z 7 MedienG sind Unternehmen, die Medienunternehmen wiederkehrend mit Beiträgen versorgen (beispielsweise Nachrichten- und Bildagenturen).

Im Rahmen journalistischer Tätigkeit können sich sowohl MedieninhaberInnen als auch HerausgeberInnen und MedienmitarbeiterInnen gemäß § 31 MedienG auf den Schutz des Redaktionsgeheimnisses berufen und müssen daher „die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmannes von Beiträgen und Unterlagen“ nicht nennen.

3.3 UserInnen

Werden von UserInnen auf einer Internetplattform rechtswidrige Inhalte gepostet (etwa kreditschädigende oder beleidigende Äußerungen), haften diese selbst nach den genannten Grundsätzen. Sie sind daher – insbesondere sofern es sich um beleidigende Äußerungen und /oder ehrenrührige sowie objektiv unrichtige Tatsachenbehauptungen handelt – unmittelbar AdressatInnen eines allfälligen (verschuldensunabhängigen) Unterlassungs- und Beseitigungsanspruches, eines (verschuldensabhängigen) Schadenersatzanspruches und einer strafrechtlichen Verfolgung. Diese können sich auch nicht auf die Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht gemäß § 29 MedienG berufen, da es sich hier nicht um MedienmitarbeiterInnen handelt. Im Falle eines Straftatbestandes können sie sich jedoch auf den Wahrheitsbeweis bzw den Beweis des guten Glaubens gemäß § 112 StGB berufen (sofern es sich nicht um Tatsachen des Privat- oder Familienlebens oder Privatanklagedelikte handelt). Zur Beweislastverteilung bei Ehrenbeleidigung sowie Kreditschädigung iSd § 1330 ABGB siehe die Ausführungen zu Abschnitt „Ehrenbeleidigung/Kreditschädigung (§ 1330 ABGB)“.

4. Grenzüberschreitende Sachverhalte

In Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Sachverhalten ergeben sich Fragen sowohl hinsichtlich des anzurufenden Gerichts als auch hinsichtlich des von diesem anzuwendenden Rechts, für welche aber an dieser Stelle nur kurz der rechtliche Rahmen dargestellt werden kann.

Nach der Grundregel des § 27a Abs 1 Jurisdiktionsnorm (JN) ist die inländische Gerichtsbarkeit immer dann gegeben, wenn die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines Gerichtes erfüllt sind. Gemäß Abs 2 leg cit gilt dies jedoch nicht, soweit davon abweichende völkerrechtliche Regelungen vorliegen.

Für Rechtsstreitigkeiten innerhalb der EU ist die „Brüssel Ia-VO“[95]Verordnung (EU) Nr 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. maßgeblich. Der Grundsatz ist, dass Personen, die ihren (Wohn-)Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen sind (Art 4 Abs 2). Darüber hinaus gibt es aber Wahlgerichtsstände, die die jeweiligen KlägerInnen in Anspruch nehmen können. Steht die (behauptete) unerlaubte Handlung nicht im Zusammenhang mit einem Vertrag, kann der Gerichtsstand für Deliktsklagen in Anspruch genommen werden, der sich nach dem Ort richtet, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht (Art 7 Z 2). Dies kann nach der Rsp sowohl der Ort der Handlung sein als auch jener Ort, an dem der unmittelbare Schaden eingetreten ist.[96]EuGH 30.11.1976, 21/76, Bier/Mines de Potasse, Slg 1976, 1735. Andernfalls kommen die Wahlgerichtsstände für Klagen aus einem Vertrag in Betracht. Nach der EuGH-Rsp knüpfen Klagen an einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ an, wenn das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden kann.[97]Siehe etwa zuletzt EuGH 03.2014, C-548/12, Marc Brogsitter/Fabrication de Montres Normandes EURL, ÖJZ 2015/126 (Brosch). Ist der zugrundeliegende Vertrag ein Arbeitsvertrag, kann die Klage gemäß Art 22 Abs 1 nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der/die ArbeitnehmerIn den Wohnsitz hat. Handelt es sich jedoch um einen „Dienstleistungsvertrag“ iSd Art 7 Z 1, ist der „Erfüllungsort“[98]Dessen Bestimmung bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen Probleme bereiten der vertraglich geschuldeten Leistung maßgebend. Sofern eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen wurde, ist diese heranzuziehen (Art 25), wobei die Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen insbesondere für Arbeitsverträge erheblich eingeschränkt ist (Art 23).

Das anzuwendende Recht richtet sich bei rein deliktischen Schadenersatzansprüchen (wenn ein österreichische Gericht angerufen wird) gemäß § 48 IPRG zunächst nach dem Ort, in dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt worden ist, wobei es auf den Ort des schädigenden Verhaltens und nicht auf den Eintritt des Erfolges ankommt.[99]Neumayr in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB4 48 IPRG Rz 2 mwN. Allerdings sorgt die in Abs 2 dieser Bestimmung enthaltene Ausweichklausel dafür, dass – insbesondere bei Mediendelikten oder grenzüberschreitenden Internetdelikten – auch der Ort des Schadenseintrittes maßgeblich sein kann.[100]Neumayr in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB4 48 IPRG Rz 3 mwN. Außervertragliche Schuldverhältnisse aus der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte sind gemäß Art 1 Abs 2 lit g der Rom II-VO[101]Verordnung (EG) Nr 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl 2007 L 199, S 40–49. von deren Geltungsbereich ausgenommen.[102]Nicht jedoch außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerb gemäß Art 6 iVm Art Bei aus Vertragsverhältnissen resultierenden Ansprüchen sind die Bestimmungen der Rom I-VO[103]Verordnung (EG) Nr 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.06.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl 2008 L 177, S anzuwenden, wonach sich das anzuwendende Recht bei Arbeitsverträgen primär nach dem gewöhnlichen Arbeitsort (Art 8) und ansonsten nach der getroffenen Rechtswahl (Art 3) bzw nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Dienstleisters/der Dienstleisterin (Art 4 Abs 1 lit b) richtet. Letztlich kann es bei grenzüberschreitenden Persönlichkeitsverletzungen dazu kommen, dass sowohl das Recht des Verbreitungsortes als auch das Recht der Niederlassung des Medieninhabers/der Medieninhaberin anzuwenden ist.[104]Thiede, Persönlichkeitsrechtsschutz 0 – Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, in Berka/Grabenwarter/Holoubek, Persönlichkeitsschutz in elektronischen Massenmedien (2012) 101 mwN.

Hinsichtlich der Anwendbarkeit der österreichischen Strafgesetze regelt § 62 StGB deren Geltung für alle im Inland begangenen Straftaten. Der Ort der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung richtet sich wiederum gemäß § 67 Abs 2 StGB sowohl nach dem Ort der Handlung als auch nach jenem des (beabsichtigten) Erfolgseintrittes.

5. Lösungsansätze

Auszugehen ist wiederum von den in Abschnitt „Problemstellung“ dargestellten Sachverhaltsvarianten. Welche Möglichkeiten gibt es, die aufgezeigten rechtlichen Risiken sowohl für BetreiberInnen als auch UserInnen entsprechender Plattformen zu verringern? Im Hinblick auf das Redaktionsgeheimnis (§ 31 MedG), die mögliche Berufung auf die Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht (§ 29 MedG) und die Privilegierung für Medienunternehmen sowie deren MitarbeiterInnen gemäß § 48 DSG 2000 wäre es aus rechtlicher Sicht selbstverständlich vorteilhaft, wenn der/die BetreiberIn der Plattformen ein Medienunternehmen ist und die Beiträge so weit wie möglich von MedienmitarbeiterInnen gestaltet werden. Inwieweit dies in der Praxis immer sinnvoll durchführbar ist, ist eine andere Frage.

Soweit Kommentare von UserInnen selbst verfasst werden, sollten von BetreiberInnen Vorkehrungen getroffen werden, um Haftungen sowohl ihrer selbst als auch der einzelnen UserInnen so weit wie möglich zu vermeiden. Hier ist in erster Line an die Aufstellung (und Veröffentlichung) von „Forenregeln“ zu denken, mit denen UserInnen aufgefordert werden, beleidigende, rassistische, sexistische, politisch radikale oder sonst rechtswidrige Äußerungen zu unterlassen und nur wahrheitsgemäße (idealerweise auch nachweisbare) Tatsachenbehauptungen aufzustellen, wobei die Löschung bedenklicher Inhalte sowie die Sperre des Zuganges von AutorInnen den PlattformbetreiberInnen vorbehalten bleibt. Weiters sollte die Zustimmung der UserInnen zur Datenverwendung (etwa in Form zu akzeptierender AGB) eingeholt werden. Auch sollte klargestellt werden, dass es sich bei den geposteten Inhalten nicht um Beiträge des Betreibers/der Betreiberin der Plattform handelt. Soweit dies technisch sowie wirtschaftlich möglich und zumutbar ist, könnten auch elektronische Filter installiert werden, welche anhand von Schlüsselwörtern eine Grobsichtung vornehmen, wobei dann „verdächtige“ Inhalte gesondert zu prüfen wären. So werden beispielsweise bei Onlineportalen von Tageszeitungen hinsichtlich deren „Foren“ entsprechende Vorkehrungen getroffen[105]Siehe etwa am Beispiel einer großen Tageszeitung: Windhager, Online-Medien und Persönlichkeitsschutz, in Berka/Grabenwarter/Holoubek, Persönlichkeitsschutz in elektronischen Massenmedien (2012) 71 ff., wobei diese selbstverständlich nicht auf jede Internetplattform (schon allein aufgrund der Größe der jeweils dahinter stehenden Organisation) anwendbar sein werden. Inwieweit all diese Vorkehrungen tatsächlich rechtlich geboten sind, mag fraglich sein, aufgrund der unbestimmten gesetzlichen Bestimmungen, welche hier anzuwenden sind, wäre es dennoch sinnvoll, entsprechende Maßnahmen zu treffen.

Jedenfalls dann, wenn es bereits Rechtsverletzungen durch einzelne UserInnen gegeben hat, sind entsprechende Vorsichtsmaßnahmen (vor allem hinsichtlich bereits bekannter rechtswidrig handelnder UserInnen sowie hinsichtlich Diskussionen zu diesen Themen) zu treffen. Auch sollte vermieden werden, UserInnen durch entsprechende Fragestellungen oder „Anregungen“ zu beleidigenden Äußerungen zu provozieren. Gibt es konkrete Hinweise auf rechtswidrige Äußerungen (etwa von jeweils betroffenen Personen), dann muss diesen jedenfalls unverzüglich nachgegangen werden, um die jeweiligen Beiträge näher zu überprüfen und diese gegebenenfalls zu entfernen.

[1] Reischauer in Rummel II3 § 1328a Rz 6 mwN.
[2] Reischauer in Rummel II3 1330 Rz 1 mwN.
[3] Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II14 (2015) 416
[4] OGH 6 Ob 37/95, MR 1997, 202.
[5] OGH 1 Ob 36/89, SZ 64/36.
[6] OGH 29.01.2004, 6 Ob 235/02f.
[7] OGH 23.10.20113, 6 Ob 238/03y; 6 Ob 38/03m, RdW 2003/358; RIS-Justiz RS0031798.
[8] OGH RIS-Justiz RS0031798.
[9] OGH 4 Ob 187/99z, MR 2000, 143 (Korn).
[10] OGH 4 Ob 105/07f, MR 2007, 309; 4 Ob 169/07t, MR 2007, 372.
[11] OGH 4 Ob 205/99x, MR 1999, 278 (Korn).
[12] Koch in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB4 (2014) § 16 Rz 3 mwN.
[13] Koch in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB4, § 16 Rz 8 mwN.
[14] OGH 15 Os 42/09d, EF-Z 2010/69.
[15] OGH 14 Os 74/13h, RZ 2014/6.
[16] Ausnahmen bestehen bei übler Nachrede/Beleidigung gegen einen verfassungsmäßigen Vertretungskörper, das Bundesheer oder eine Behörde (§ 116 StGB) sowie gegen ein periodisches Medium (§ 42 MedG).
[17] OGH 15 Os 151/10k, MR 2011, 298.
[18] OGH 11 Os 25/93, MR 1993, 175 (Kienapfel).
[19] OGH 15 Os 10/98 JBl 2000, 401 (Tipold).
[20] In unserem Zusammenhang wird diese Bestimmung in der Regel nicht von großer Bedeutung sein; der Vollständigkeit halber ist aber auch darauf einzugehen.
[21] OGH 6 Ob 109/00y, MR 2001, 26.
[22] OGH 16.12.1987, 14 Os 96/87.
[23] OGH 14.10.1980, 15 Os 50/80.
[24] OLG Wien 27 Bs 570/89, MR 1990, 19.
[25] OLG Innsbruck 7 Bs 311/89, MR 1989, 208.
[26] OGH 15 Os 85/07z, ÖJZ 2008/30.
[27] OGH 9 Os 77/78, SSt 49/61.
[28] OGH 02.02.1981, Bkd 71/80.
[29] Ausnahmen siehe § 17 Abs 1–4 StGB.
[30] OGH 15 Os 88/96, ÖJZ 1996/146.
[31] OGH 13.08.1980, 11 Os 96/80.
[32] § 1 UWG.
[33] § 1a UWG.
[34] § 2 UWG.
[35] § 7 UWG.
[36] § 11 UWG.
[37] §§ 133 ff UWG.
[38] OGH 4 Ob 127/08t, ÖBl 2009/22 (Mildner).
[39] OGH 4 Ob 299/99w, MR 2000, 107.
[40] OGH 4 Ob 27/00z, ÖBl 2000, 213.
[41] OGH 4 Ob 123/04y, ÖBl 2005/5 (Gamerith).
[42] Heidinger in Wiebe/Kodek, UWG (2009) § 1 Rz 90 mwN; OGH 4 Ob 299/99w, MR 2000, 107.
[43] OGH 4 Ob 24/06t, MR 2006, 209. Im konkreten Fall wurde der bewusste Eingriff einer Fachgruppe der Wirtschaftskammer in den Wettbewerb ihrer Mitglieder als Förderung fremden Wettbewerbs angesehen.
[44] Siehe dazu auch Beitrag „Datenschutz in der Gig-Economy“.
[45] Siehe dazu insbesondere Berka, Welchen Beitrag leistet das Datenschutzrecht zum Persönlichkeitsschutz?, in Berka/Grabenwarter/Holoubek, Persönlichkeitsschutz in elektronischen Massenmedien (2012) 79.
[46] Grundsätzlich ist jede EDV-Textverarbeitung mit personenbezogenen Daten eine „Datenanwendung“ (siehe etwa Drobesch/Grosinger, Das neue österreichische Datenschutzgesetz [2000] 122 unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien).
[47] § 4 Z 8 DSG 2000.
[48] § 4 Z 9 DSG 2000.
[49] § 4 Z 12 DSG 2000.
[50] Worunter gemäß § 4 Z 12 DSG 2000 auch das Veröffentlichen von Daten zu verstehen ist.
[51] „Sensible Daten“ wären gemäß § 4 Z 2 DSG 2000 Daten natürlicher Personen über ihre rassische und ethnische Herkunft, politische Meinung, Gewerkschaftszugehörigkeit, religiöse oder philosophische Überzeugung, Gesundheit oder ihr Sexualleben.
[52] § 8 Abs 1 Z 4 DSG 2000.
[53] Der/Die BetreiberIn einer Website ist nur hinsichtlich eigener Beiträge „AuftraggeberIn“ iSd § 4 Z 4 DSG 2000. Hinsichtlich Beiträge externer UserInnen ist er/sie lediglich „DienstleisterIn“ iSd § 4 Z 5 DSG 2000, während hier der/die jeweilige UserIn hinsichtlich seines/ihres geposteten Beitrages „AuftraggeberIn“ ist (dazu OLG Linz 3 R 1010/09g, MR 2009, 306 [Koukal] und DSK 120.819/006-DSK/2003, MR 2004, 51 [Knyrim]). Richtigerweise wird man aber das Posten einzelner Beiträge nicht als „Aufnahme einer Datenanwendung“ iSd § 17 DSG 2000, die zu einer Meldepflicht durch den/die einzelnen/einzelne UserIn führen würde, ansehen können.
[54] Zu beachten ist, dass beispielsweise Websites von NGOs, Unternehmen außerhalb der Medienbranche, von Behörden oder politischen Parteien sowie von Privaten nicht durch § 48 DSG 2000 privilegiert sind, auch wenn diese publizistisch tätig sind, was in der Lehre als verfassungs- und europarechtlich fragwürdig gesehen wird (siehe dazu insbesondere Berka in Berka/Grabenwarter/Holoubek, Persönlichkeitsschutz in elektronischen Massenmedien 84 mwN).
[55] Host-Provider sind zwar keine „BetreiberInnen von öffentlichen Kommunikationsdiensten“ iSd § 3 Z 3 TKG 2003, weshalb die datenschutzrechtlichen Bestimmungen des TKG 2003 grundsätzlich nicht anwendbar sind (OGH 6 Ob 119/11k, JusGuide 2012/28/10154). Sie sind jedoch „AnbieterIn eines Dienstes der Informationsgesellschaft iSd § 3 Z 1 ECG“, weshalb die Bestimmung des § 96 Abs 3 TKG 2003 auch auf sie anwendbar ist.
[56] Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (ABl L 119 vom 04.05.2016).
[57] Koziol, Providerhaftung nach ECG und MedienG, in Berka/Grabenwarter/Holoubek, Persönlichkeitsschutz in elektronischen Massenmedien (2012) 42 mwN.
[58] OGH 6 Ob 133/13x, MR 2014, 59.
[59] Zankl, ECG2 (2016) § 16 Rz 259.
[60] EGMR 64569/09, MR-Int 2015, 53; kritisch dazu Frötschl, Die Entscheidung Delfi des EGMR: Der Einfluss der Grundrechte auf das Host-Provider-Haftungsprivileg, ecolex 2015, 827, und Zankl, ECG2, § 16 Rz 189.
[61] OGH 6 Ob 218/03g, ecolex 2004/240.
[62] OGH 6 Ob 188/14m, MR 2015, 19.
[63] OGH 6 Ob 178/04a, MR 2007, 79.
[64] OLG Graz 10 Bs 172/11m, MR 2011, 255 (drei Tage); OLG Wien 18 Bs 247/07s, MR 2007, 370 („mehrere Tage“).
[65] OGH 6 Ob 178/04a, MR 2007, 79.
[66] Zankl, ECG2 § 16 Rz 275.
[67] OGH 6 Ob 178/04a, MR 2007, 79.
[68] OGH 6 Ob 218/03g, ecolex 2004/20.
[69] Zankl, ECG2 § 18 Rz 373.
[70] Koziol, Providerhaftung nach ECG und MedienG, in Berka/Grabenwarter/Holoubek, Persönlichkeitsschutz in elektronischen Massenmedien (2012) 54 f mwN.
[71] Somit Vorname, Zuname, Postanschrift und E-Mail-Adresse (OGH 6 Ob 188/14m, MR 2015, 19; 6 Ob 104/11d, MR 2011, 323).
[72] Zankl, ECG2 § 18 Rz 356.
[73] OGH 6 Ob 188/14m, MR 2015, 19.
[74] OGH 6 Ob 133/13x, MR 2014, 59.
[75] OGH 6 Ob 145/14p, MR 2015, 137.
[76] OGH 6 Ob 58/14v, VbR 2014/97; 6 Ob 104/11d, MR 2011, 323.
[77] OGH 6 Ob 188/14m, MR 2015, 19; 6 Ob 145/14p, MR 2015, 137.
[78] Dies sind MedieninhaberInnen, HerausgeberInnen, MedienmitarbeiterInnen und ArbeitnehmerInnen eines Medienunternehmens oder Mediendienstes.
[79] OGH 6 Ob 188/14m, MR 2015, 19.
[80] § 24 MedienG.
[81] § 25 MedienG.
[82] §§ 6 Abs 2 Z3a, 7 Abs 2 Z 5, 7a Abs 3 Z 5, 7b Abs 2 Z 5, 7c Abs 2 MedienG.
[83] Berka in Berka/Heindl/Höhne/Noll, Mediengesetz3 (2012) § 6 Rz 41.
[84] Berka in Berka/Heindl/Höhne/Noll, Mediengesetz3 § 6 Rz 43.
[85] Dieser Anspruch besteht gemäß § 9 Abs 1 MedienG dann nicht, wenn die Gegendarstellung unwahr oder ihre Veröffentlichung aus anderen Gründen ausgeschlossen ist.
[86] Üble Nachrede gemäß 111 StGB.
[87] Einschränkungen bestehen jeweils, wenn der höchstpersönliche Lebensbereich betroffen
[88] § 6 Abs 2 Z 2 lit b, 29 MedienG.
[89] OGH 6 Ob 291/00p, MR 2001, Siehe Abschnitt „Ehrenbeleidigung/Kreditschädigung (§ 1330 ABGB)“.
[90] OGH 15 Os 125/08h, 15 Os 126/08f, 15 Os 127/08b, MR 2009, 124.
[91] Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Noll, Mediengesetz3 § 29 Rz 18 mwN.
[92] OGH 15 Os 125/08h, 15 Os 126/08f, 15 Os 127/08b, MR 2009, 124.
[93] Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Noll, Mediengesetz3 29 Rz 7 mwN.
[94] Noll in Berka/Heindl/Höhne/Noll, Mediengesetz3 1 Rz 25 mwN.
[95] Verordnung (EU) Nr 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.
[96] EuGH 30.11.1976, 21/76, Bier/Mines de Potasse, Slg 1976, 1735.
[97] Siehe etwa zuletzt EuGH 03.2014, C-548/12, Marc Brogsitter/Fabrication de Montres Normandes EURL, ÖJZ 2015/126 (Brosch).
[98] Dessen Bestimmung bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen Probleme bereiten
[99] Neumayr in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB4 48 IPRG Rz 2 mwN.
[100] Neumayr in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB4 48 IPRG Rz 3 mwN.
[101] Verordnung (EG) Nr 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl 2007 L 199, S 40–49.
[102] Nicht jedoch außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerb gemäß Art 6 iVm Art
[103] Verordnung (EG) Nr 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.06.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl 2008 L 177, S
[104] Thiede, Persönlichkeitsrechtsschutz 0 – Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, in Berka/Grabenwarter/Holoubek, Persönlichkeitsschutz in elektronischen Massenmedien (2012) 101 mwN.
[105] Siehe etwa am Beispiel einer großen Tageszeitung: Windhager, Online-Medien und Persönlichkeitsschutz, in Berka/Grabenwarter/Holoubek, Persönlichkeitsschutz in elektronischen Massenmedien (2012) 71 ff.

Kapitel 12 – Gewerkschaftliche Organisationsmaßnahmen und alternative Kampfmaßnahmen

Inhaltsverzeichnis

Rechtliche „Fallstricke“ und Lösungsansätze

Mag. Martin Müller

Crowdwork ist auch aus gewerkschaftlicher Sicht ein Phänomen, das gewisse Fragen der Organisation und des Aktivismus in neuem Licht erscheinen lässt. Darüber hinaus ist die Problematik des Vertretungsanspruchs für die Gruppe der CrowdworkerInnen aufzuwerfen, insbesondere dann, wenn diese nicht als ArbeitnehmerInnen im herkömmlichen Sinne anzusehen sein sollten. In diesem Beitrag werden Lösungsansätze für diese Problemstellungen in rechtlicher wie auch in organisatorischer Hinsicht diskutiert.

1. Problemaufriss

1.1 Entwicklung und Rahmenbedingungen für gewerkschaftliche Organisation

Gewerkschaftliche Organisation hat in Österreich eine lange Tradition. Je nach Betrachtungsweise geht die Geschichte der Gewerkschaften in Österreich auf das Revolutionsjahr 1848, auf das Koalitionsgesetz von 1870 oder gar auf die Knappschaften des Mittelalters zurück.[1]Siehe dazu Autengruber, Geschichte der österreichischen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1945 (2016); Klenner/Pellar, Die österreichische Gewerkschaftsbewegung. Von den Anfängen bis 19992 (1999).

Die heutigen Gewerkschaften sind zweifellos ein Produkt der Industrialisierung und damit verbunden dem Entstehen eines Industrieproletariats. Die Industrialisierung führte dazu, dass hunderte, ja tausende Menschen an einem Ort zusammenkamen, die vor allem durch ihre soziale und ökonomische Situation miteinander verbunden waren. Sie verkauften ihre Arbeitskraft, da dies die einzige Möglichkeit war, zu überleben. Da das Angebot an Arbeitskräften regelmäßig die Nachfrage danach überstieg, reichte der für die Arbeitskraft erzielbare Preis in der Regel gerade einmal dazu, das eigene tägliche Überleben zu finanzieren. Wenn jedoch so viele Menschen, die dasselbe Schicksal teilen, auf engem Raum zusammenkommen und sich über dieses Schicksal austauschen können, dann ist es naheliegend, dass diese Menschen zum Ergebnis kommen, dass sie sich solidarisch zusammenschließen, um ihre Situation gemeinsam zu verbessern.

Lange Zeit sahen sich diese selbstorganisierten Zusammenschlüsse staatlichen Repressionen – bis hin zur Androhung langjähriger Gefängnisstrafen – ausgesetzt. Dies konnte jedoch nicht verhindern, dass es immer wieder zu solidarischer Organisation kam und die Zusammenschlüsse immer weitere Bereiche umfassten. Die Legalisierung von Gewerkschaften war letztlich Ausdruck dessen, dass es auf längere Sicht unmöglich ist, die Gründung derartiger Vereinigungen dauerhaft zu verhindern.

Bald zeigte sich auch, dass ein sehr wesentliches Ergebnis des Zusammenschlusses des Proletariats die Forderung nach einer Regelung von Mindestlöhnen war. Der Preis der Ware Arbeitskraft soll somit kartelliert und der Logik von Angebot und Nachfrage weitgehend entzogen werden. Und die VerkäuferInnen der Ware Arbeitskraft hatten auch ein wirksames Mittel zur Durchsetzung dieser Forderung – den Streik und sonstige Formen des Arbeitskampfes. Daher gab es schon lange vor der gesetzlichen Regelung der Kollektivverträge kollektive Tarifregelungen, die das Ergebnis der Selbstorganisation und des solidarischen Arbeitskampfes waren.

Erst mit Gründung der ersten Republik und der drohenden Gefahr des sozialrevolutionären Umsturzes wurden auch gesetzliche Instrumente geschaffen, um den sich so darstellenden Klassenkampf zu verrechtlichen. Das Kollektivvertragsgesetz[2]Gesetz über die Errichtung von Einigungsämtern und über kollektive Arbeitsverträge, StGBl 16/1920., das Betriebsrätegesetz 1919[3]Gesetz betreffend die Errichtung von Betriebsräten, StGBl 283/1919. und das Arbeiterkammergesetz 1920[4]Gesetz über die Errichtung von Kammern für Arbeiter und Angestellte (Arbeiterkammern), StGBl 100/1920. waren Ausdruck dieser Bestrebungen.

Vor allem die gewerkschaftliche Organisation in der zweiten Republik in einem einheitlichen, überparteilichen Gewerkschaftsbund (dem ÖGB) ist getragen vom Gedanken, die Gewerkschaften über die Betriebsratskörperschaften in den Betrieben zu verankern. Dieser Gedanke hatte zur Folge, dass die Gewerkschaften in großen Unternehmen und dem öffentlichen Sektor immer vergleichsweise gut organisiert waren. Die Bereiche, die für die Gewerkschaften erfahrungsgemäß immer schon schwierig zu organisieren waren, sind jene, in denen die Strukturen eher kleinteilig, die Beschäftigten eher vereinzelt sind. Erfahrungsgemäß ist dies in Kleinbetrieben und etwa im Dienstleistungssektor wie dem Gastgewerbe und dem Handel der Fall. Im Ergebnis bedeutet das allerdings auch, dass eher jene Beschäftigten erreicht werden, die sich in stabilen, langjährigen Beschäftigungsverhältnissen befinden als jene in kurzzeitiger, etwa saisonaler Beschäftigung. Es werden eher Vollzeitbeschäftigte als Teilzeitbeschäftigte erreicht. Und als ein Ergebnis all dieser Faktoren werden auch eher männliche als weibliche Beschäftigte angesprochen. So sind zum Beispiel nur 35,5 % aller Gewerkschaftsmitglieder Frauen.[5]http://www.oegb.at/cms/S06/S06_2.1.2/ueber-uns/wir-machen/oegb-in-zahlen (19.12.2016).

Auch der größte Teil der gewerkschaftlichen Mitbestimmungsstruktur stellt auf die betriebliche Organisation über Betriebsräte, Jugendvertrauensräte und Personalvertretungen ab. Wer kein Betriebsratsmitglied oder Mitglied der Personalvertretung oder des Jugendvertrauensrats ist, der/ die hat nur wenig Chancen, in die gewerkschaftlichen Gremien gewählt zu werden und an der gewerkschaftlichen Willensbildung teilzuhaben.

1.2 Fallbeispiel: Güterverkehr

Als Beispiel für den Einfluss der äußeren Strukturen auf die gewerkschaftliche Organisation sei hier der Güterverkehr angeführt: Zum einen werden Güter mit der Bahn transportiert, wo es größere Organisationseinheiten gibt und vergleichsweise viele Personen in diesen Einheiten beschäftigt sind. Die Beschäftigten kommen bei der Arbeit immer wieder an zentralen Orten zusammen und kennen einander. Es gibt starke betriebliche Organisationsstrukturen über Personalvertretungen, Jugendvertrauensräte und Betriebsräte. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad unter den Beschäftigten des Güterverkehrs auf der Schiene ist überdurchschnittlich hoch (derzeit über 85 %). Die VertreterInnen der Bahn-Beschäftigten sind in bedeutenden gewerkschaftlichen Positionen; im Dezember 2016 wurde beispielsweise der Konzernbetriebsratsvorsitzende der ÖBB, Roman Hebenstreit, zum Vorsitzenden der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida gewählt.[6]http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20161205_OTS0122/roman-hebenstreit-zum-neuen-vida-vorsitzen-den-gewaehlt (19.12.2016).

Zum anderen findet der Güterverkehr auf der Straße statt. Die Organisationseinheiten sind vergleichsweise klein. Manchmal besteht die Einheit aus nicht mehr als einem LKW. Die Beschäftigten kommen kaum miteinander in Kontakt und es gibt nur sehr selten betriebliche Organisationsstrukturen. Erfahrungsgemäß besteht in nur wenigen Speditionsbetrieben ein Betriebsrat – und wenn, dann eher in größeren Betrieben. Auch der gewerkschaftliche Organisationsgrad unter den Beschäftigten des Güterverkehrs auf der Straße ist erfahrungsgemäß unterdurchschnittlich und beträgt derzeit etwa 20 %. Es findet sich kaum ein/eine LKW-FahrerIn unter den GewerkschaftsfunktionärInnen.

Dieses Beispiel soll vor Augen führen, dass die starke Fokussierung der Gewerkschaften auf die betriebliche Organisation ihre Stärken hat, aber in einigen Bereichen auch bisher schon ihre Schwächen offenbarte.

1.3 Konkrete Problematiken in der Gig-Economy

Diese soeben beschriebene Problemlage verschärft sich, je vereinzelter die Betroffenen ihre Arbeit verrichten, je weniger sie in betriebliche oder betriebsähnliche Strukturen eingebunden sind. Nun ist gerade diese Vereinzelung eines der typischen Merkmale der internetbasierten, plattformbasierten Arbeit in der Gig-Economy. Gerade in diesem Bereich fehlen klassische betriebliche Strukturen oft gänzlich oder die Beschäftigten sind in diese nicht oder nur ganz am Rand eingebunden. Somit ist diese Gruppe schon alleine vom äußeren Setting für die Gewerkschaften schwer zu erreichen und auch nur schwer einzubinden.

Ein weiterer für die Gewerkschaften relevanter Aspekt ist die nach wie vor unklare arbeitsrechtliche Stellung der verschiedenen Beschäftigten im Bereich der plattformbasierten Arbeit in der Gig-Economy.[7]Siehe dazu Beitrag „(Arbeits-)Rechtliche Aspekte der Gig-Economy“. So sind einige dieser Beschäftigten ganz eindeutig als ArbeitnehmerInnen zu qualifizieren. Andere sind wohl eindeutig Selbständige – obwohl sich auch diese Gruppe in durchaus prekären Verhältnissen befinden kann. Dazwischen finden wir eine nicht unbeachtliche Gruppe, die nicht eindeutig zuordenbar ist und wo sich die Beurteilung der Zuordnung unter Umständen sogar täglich ändern kann. Selbst ein alleiniges Abstellen auf das Kriterium der wirtschaftlichen Abhängigkeit würde nicht immer zu einer befriedigenden und eindeutigen Lösung führen.

Nicht zuletzt betreiben viele CrowdworkerInnen ihre über Internetplattformen vermittelte Tätigkeit nebenberuflich. Auch das trägt dazu bei, dass der Leidensdruck prekärer Verhältnisse und der Wunsch, an diesen Verhältnissen etwas zu ändern, geringer ist als bei jenen Menschen, die ihr gesamtes Einkommen aus derartigen Beschäftigungen beziehen.

So stehen die Gewerkschaften vor der Herausforderung, wie sie mit einer nicht eindeutig als ArbeitnehmerInnen zu qualifizierenden Gruppe umgehen sollen. Diese Frage konnte auch bisher – bei Beschäftigten, die sich auch ganz ohne Computer und Internet in dieser unklaren Situation befinden – nur teilweise beantwortet werden.

1.4 Crowdwork im Gefüge der österreichischen Interessensvertretung

Das österreichische System der Interessensvertretung ist sehr stark durch die gesetzlichen und somit staatlich eingerichteten Interessensvertretungen geprägt. Dies findet nicht zuletzt auch darin Ausdruck, dass die Einrichtung selbstverwalteter SozialpartnerInnenorganisationen in der Bundesverfassung (Art 120a Abs 2 B-VG[8]Bundes-Verfassungsgesetz BGBl Nr 1/1930 idF BGBl I 2/2008.) vorgesehen ist.

Somit stellen sich jedoch auch auf dieser Ebene gewisse Abgrenzungsfragen. Denn je nach Beantwortung dieser Fragen ergibt sich die Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesetzlichen Interessensvertretung oder unter Umständen keine Zugehörigkeit zu einer gesetzlichen Interessensvertretung.

Selbständige, die der Gewerbeordnung (GewO) unterliegen sind gemäß § 2 Abs 2 WKG[9]Wirtschaftskammergesetz 1998 BGBl I 103/1998 idF BGBl I 50/2016. jedenfalls Mitglieder der Wirtschaftskammer. In den Arbeiterkammern sind gemäß § 10 Abs 1 AKG[10]Arbeiterkammergesetz 1992 BGBl Nr 626/1991 idF BGBl I Nr 46/2014. alle ArbeitnehmerInnen organisiert. Das Gesetz definiert diesen Begriff jedoch nicht genauer. Unbestreitbar fallen jedenfalls jene Personen darunter, die DienstnehmerInnen iSd § 4 Abs 2 ASVG sind. Weiters sind in § 10 Abs 1 Z 1 bis 7 AKG weitere Personengruppen genannt, die Mitglieder der Arbeiterkammern sind. Darunter etwa auch freie DienstnehmerInnen gemäß § 4 Abs 4 ASVG und HeimarbeiterInnen.

Die Gruppe der sogenannten „neuen Selbständigen“ gehört jedoch keiner der vorgenannten Gruppen an. Sie erzielt Einkünfte aus selbständiger Arbeit, ohne jedoch dem Gewerberecht zu unterliegen. Dadurch ergibt sich, dass sie weder der gesetzlichen Interessensvertretung der ArbeitnehmerInnen noch jener der gewerblichen Wirtschaft angehören. Es entsteht somit eine Lücke in der gesetzlichen Interessenvertretung.

Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) organisiert laut seinem Statut „alle unselbständig Erwerbstätigen (ArbeiterInnen, Angestellte, öffentlich Bedienstete, einschließlich der in einem Lehr- oder ähnlichem Verhältnis stehenden Personen beiderlei Geschlechts)“. Darüber hinaus werden folgende Personengruppen vertreten: „[…] Angehörige sonstiger Berufsgruppen (wie zum Beispiel freischaffend, freiberuflich Tätige, atypisch oder prekär Beschäftigte), soweit sie von ihrer Tätigkeit her mit den unselbständig Erwerbstätigen vergleichbar sind,[…]“.[11]1 Abs 1 Statuten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes 2009. Somit knüpft auch der ÖGB die Mitgliedschaft an ein einem Arbeitsverhältnis zumindest nahekommendes Beschäftigungsverhältnis. Selbständige Tätigkeit ist kein Anknüpfungspunkt für eine Mitgliedschaft im ÖGB.

Der arbeitsrechtliche Status spielt somit sowohl bei der gesetzlichen Interessensvertretung als auch bei der gewerkschaftlichen Organisation eine zentrale Rolle.

Daraus ergeben sich jedoch auch Fragestellungen in Zusammenhang mit kollektiver Entgeltfindung. So sind Kollektivverträge iSd §§ 2 ff ArbVG grundsätzlich dann anwendbar, wenn es sich um ArbeitnehmerInnen handelt. Ist dieser Status umstritten, so ist auch die Anwendung eines Kollektivvertrages schwer möglich.

Kollektive Entgeltvereinbarungen abseits des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG), also für Personengruppen, die nicht als ArbeitnehmerInnen anzusehen sind, sind mit wenigen Ausnahmen nicht vorhanden. Die Ausnahmen sind ausdrücklich gesetzlich geregelt und betreffen klar umgrenzte Gruppen in einer sehr speziellen Arbeitssituation. So gibt es Instrumente kollektiver Entgeltsetzung in §§ 17 ff JournG[12]Journalistengesetz StGBl 88/1920 idgF. (Gesamtverträge), §§ 34 ff HeimAG[13]Heimarbeitsgesetz 1960 BGBl 105/1961 idF BGBl I 44/2016. (Heimarbeitstarife) und §§ 43 ff HeimAG (Heimarbeitsgesamtverträge). Beiden Gruppen, den „freien“ JournalistInnen wie auch den HeimarbeiterInnen ist gemein, dass sie zwar keine ArbeitnehmerInnen im engeren Sinn, jedoch in gewisser Weise ArbeitnehmerInnen ähnlich sind. Es ist interessant, dass selbst in Deutschland, wo seit 1974 in § 12a Tarifvertragsgesetz[14]Dazu Reinecke/Rachor in Däubler, Tarifvertragsgesetz4 (2016) § 12a Rz 7 ff. die generelle Möglichkeit zum Abschluss von Tarifverträgen (Kollektivverträgen nach österreichischer Terminologie) für arbeitnehmerInnenähnliche Beschäftigung besteht, sich diese wesentlich auf den Medienbereich beschränken.[15]Gemäß BMAS, Weißbuch Arbeiten 0, 174, handelt es sich bei 40 der 44 bestehenden Tarifverträge für arbeitnehmerInnenähnliche Personen um Firmentarifverträge in Rundfunkt und Fernsehen. Dies zeigt, dass rechtliche Möglichkeit selbst noch zu keinen kollektiven Regelungen führen.

Besonders problematisch ist die Situation in dieser Hinsicht vor allem dann, wenn die Tätigkeit des Crowdworkers/der Crowdworkerin eindeutig unter das Gewerberecht fällt. Denn dann wäre er/sie gewerbetreibend und somit Mitglied in der Wirtschaftskammer. Denn Wirtschaftskammermitglied zu sein, heißt ja nicht gleichzeitig, ArbeitgeberIn zu sein. Der/Die RequesterIn ist jedoch in vielen Fällen auch Mitglied in der Wirtschaftskammer. Es ergibt sich die Situation, dass somit unklar ist, wer mit wem als wessen VertreterIn kollektive Entgeltvereinbarungen abschließen kann. Am wenigsten wohl die Wirtschaftskammer mit sich selbst. Zu möglichen Lösungen auf diese Fragen siehe die Beiträge „(Arbeits-)Rechtliche Aspekte der Gig-Economy“ sowie „Gute Arbeitsbedingungen in der Gig-Economy – was tun?“.

2. Lösungsansätze

Nachdem die klassische Form gewerkschaftlicher Organisation und des auch betrieblich orientierten gewerkschaftlichen Kampfes im Bereich des internetbasierten, plattformorientierten Arbeitens in der Gig-Economy wohl nur eingeschränkt funktionieren wird, ist es notwendig, neue Organisations- und Kampfformen zu entwickeln.

Die in Folge vorgestellten Ideen sind als Beiträge zur beginnenden Diskussion zu verstehen.

2.1 Name-and-shame-Aktionen

Mit „name and shame“ (benennen und anprangern) werden Methoden bezeichnet, die das Ziel verfolgen, einzelne Personen oder Institutionen öffentlich bloßzustellen. Diese Methoden sind teilweise menschenverachtend und viele derartiger Aktionen sind aus meiner Sicht eindeutig abzulehnen. In gewissen Bereichen und in bestimmte Bahnen gelenkt, können derartige Ansätze jedoch durchaus sinnvoll sein.

Das Internet eignet sich durchaus als Ort für Name-and-shame-Aktionen und bietet dabei gleich mehrere Vorteile.

Zum einen ist dort das Erreichen einer größeren Öffentlichkeit wesentlich einfacher als über andere Medien. Die über das Internet veröffentlichten Informationen erreichen potenziell alle Menschen mit Internetanschluss. Dass sich nicht alle Personen, die die Möglichkeit haben, auch für diese Inhalte interessieren werden, liegt natürlich auf der Hand. Jedoch auch für die eigentliche Zielgruppe sind im Internet zugängliche Informationen leicht abrufbar.

Zum anderen können Inhalte sehr schnell und ohne großen technischen Aufwand verändert, ergänzt und aktualisiert werden. Das ist gerade dann, wenn während einer Kampagne durch immer mehr und neue Information der Druck erhöht werden soll, von unschätzbarem Vorteil. Werden diese Inhalte auch noch über soziale Medien wie Facebook und Twitter verbreitet, können diese in kurzer Zeit eine sehr große Reichweite erzielen, da sie von den UserInnen immer weiter geteilt und verbreitet werden.

Darüber hinaus bietet das Internet auch die Möglichkeit der aktiven Teilnahme der InformationsempfängerInnen. In Foren können CrowdworkerInnen selbst die Inhalte mitgestalten. Durch die aktive Teilnahme der Betroffenen erhalten entsprechende Plattformen auch größere Authentizität und Verbreitung.

Beispiele für Name-and-shame-Plattformen sind www.watchlist-praktikum.at und www.watchlist-prekär.at, beide Seiten betrieben von der Gewerkschaft GPA-djp.

Die Plattform www.watchlist-praktikum.at wurde im Jahr 2014 ins Leben gerufen. Seither haben nach Auskunft der GPA-djp bis Ende 2016 über 100.000 Personen auf die Seite zugegriffen.

Betroffene können sich über die Plattform anonym an die GPA-djp wenden und mitteilen, wie das Praktikum in einem bestimmten Unternehmen organisiert ist. Unter anderem werden auch Inserate für Praktika veröffentlicht, die aus ihrer Beschreibung ein Dienstverhältnis nahelegen. Dies dient dazu, Druck auf die betreffenden Unternehmen auszuüben. Denn in weiterer Folge können sich Betroffene auch an die GPA-djp wenden, die anhand eines Fragebogens das eventuelle Vorliegen eines Dienstverhältnisses prüft und die Informationen an die Gebietskrankenkasse zur Überprüfung weiterleitet. In über 350 Fällen führten die Meldungen über Missstände in Praktika zu Nachforderungen durch die Sozialversicherung. Auch konnten mit einigen Unternehmen Vergleiche geschlossen werden. In vielen Fällen wollen Betroffene allerdings aus Angst vor Nachteilen in der Zukunft keine rechtlichen Schritte einleiten.

Die Plattform www.watchlist-prekaer.at wurde im Jahr 2015 ins Leben gerufen. Seither haben nach Auskunft der GPA-djp bis Ende 2016 rund 25.000 Personen auf die Seite zugegriffen.

Auf dieser Plattform werden unter anderem Inserate von Unternehmen veröffentlicht, die BewerberInnen für prekäre Beschäftigungsverhältnisse suchen. Durch die Veröffentlichung soll den Unternehmen aufgezeigt werden, dass die GPA-djp derartige Beschäftigungsverhältnisse in der Regel als Umgehungskonstruktionen zur Vermeidung echter Dienstverhältnisse sieht. Die Betroffenen haben auch die Möglichkeit, mittels eines Fragebogens anonym den Sachverhalt zu schildern, welcher von der Gewerkschaft der Gebietskrankenkasse zur Prüfung weitergeleitet wird. Darüber hinaus bietet die GPA-djp den Betroffenen Beratung an. In vielen Fällen wollen allerdings auch hier prekär Beschäftigte aus Angst vor Nachteilen in der Zukunft keine rechtlichen Schritte einleiten.

Jedenfalls zeigen die Zugriffszahlen beider Seiten und das mediale Echo[16]So zB https://kurier.at/wirtschaft/ausbeutung-von-praktikanten-watchlist-macht-dreiste-inserate-publik/109.245.198 (28.12. 2016); http://derstandard.at/2000008596099/Gewerkschaft-zu-Praktika-Problematik-groesser-als-befuerchtet (28.12.2016); http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/3859714/OeGBPlattform-watchlistpraktikum-mit-17000-Zugriffen (28.12.2016); http://fm4.orf.at/stories/1760523/ (28.12.2016). ein gewisses Interesse an diesen Themen. Auch die Wirtschaftskammer reagiert mit Stellungnahmen auf die Aktivitäten der GPA-djp[17]Siehe https://www.wko.at/Content.Node/branchen/oe/sparte_iuc/Unternehmensberatung-und-Informationstechnologie/Zahlen/Fachverband-UBIT—Obmann-Harl-fordert-Rechtssicherheit-be.html (28.12.2016)., was darauf schließen lässt, dass sie diese ernst nehmen.

2.2 Bewertungsplattformen

Eine weitere Möglichkeit der Nutzung des Internets ist es, den in der Gig-Economy Arbeitenden, den CrowdworkerInnen, eine Plattform zu bieten, auf der Crowdwork-Plattformen und die dort agierenden AnbieterInnen (RequesterInnen) bewertet werden können. Die CrowdworkerInnen können sich dort austauschen, von ihren Erfahrungen mit AnbieterInnen berichten und Bewertungen über sie abgeben.

Ein Beispiel für Selbstorganisation in diesem Bereich ist das Internet-Tool „turkopticon“ (turkopticon.ucsd.edu).[18]Irani/Silberman, Turkopticon, in Brenner, Crowdwork – Zurück in die Zukunft (2015) 131 ff. Es ist ein kleines, von CrowdworkerInnen und AktivistInnen selbst programmiertes und weiterentwickeltes Programm, mit dessen Hilfe die CrowdworkerInnen die RequesterInnen auf der Plattform Amazon Mechanical Turk bewerten können. Denn im Regelfall werden ja auf den Plattformen nur die CrowdworkerInnen bewertet. Durch positive Bewertungen werden für die CrowdworkerInnen neue und unter Umständen qualifiziertere und besser bezahlte Aufgaben zugänglich. Dieses System ist aber einseitig und bisweilen willkürlich. Die CrowdworkerInnen haben in der Regel keine Möglichkeit, sich gegen schlechte Bewertungen zu wehren. Sie sind daher den Bewertungen der RequesterInnen ausgeliefert. Das Tool turkopticon möchte diese Logik umkehren und der einseitigen Bewertung durch die RequesterInnen etwas entgegensetzen. Mit diesem Tool haben nun die CrowdworkerInnen ein Instrument in der Hand, um vor einem Auftrag auch etwas über den/die RequesterIn zu erfahren, etwa Informationen zu Kommunikation und Zahlungsmoral des Gegenübers. Es dreht somit die Logik der Bewertung um. Dahinter steht natürlich auch der Gedanke, dass RequesterInnen – bereits die Möglichkeit einer schlechten Bewertung befürchtend – unter Umständen ihr Verhalten gegenüber den CrowdworkerInnen entsprechend verbessern.[19]Irani/Silberman, in Brenner, Crowdwork 151.

Ein weiteres Beispiel ist die von der deutschen Gewerkschaft IG-Metall betriebene Plattform www.faircrowdwork.org. Diese Seite bietet eine von ExpertInnen erstellte Bewertung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der in Deutschland bedeutendsten Crowdwork-AnbieterInnen.

Weiters können CrowdworkerInnen die angebotene Vergütung mit anderen vergleichen; außerdem können die CrowdworkerInnen die Arbeitsbedingungen bewerten. Auch sehr umfassende Frequently Asked Questions (FAQ) werden geboten und schließlich gibt es auch ein Forum, in dem sich die CrowdworkerInnen austauschen können. Darüber hinaus bietet die IG-Metall eine Gratis-Telefonhotline für Rechtsberatung an. Die Seite befindet sich derzeit in Überarbeitung und soll im Frühjahr 2017 als Gemeinschaftsprojekt der IG-Metall mit anderen europäischen Gewerkschaften relaunched werden.

Ein großer Vorteil von Internet-Plattformen besteht zweifellos auch darin, dass damit eine Vernetzung der CrowdworkerInnen über die nationalen Grenzen hinweg möglich ist. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass die Angebote dann mehrsprachig sein müssen, da sie ansonsten bestimmte CrowdworkerInnen von vornherein von der Teilnahme ausschließen. Ebenso sind unterschiedliche Rechtslagen in den verschiedenen Staaten zu berücksichtigen. Eine Rechtsauskunft für den einen Staat muss für den anderen nicht gelten. Um Verwirrung und Verunsicherung zu vermeiden, muss hier mit äußerster Sorgfalt vorgegangen werden.

Zu Internetforen zum Meinungsaustausch siehe Abschnitt „Online-Betreuungsangebot“.

2.3 Einbeziehen der KonsumentInnen

Gewerkschaftsmitglieder sind nicht nur ArbeitnehmerInnen, die dadurch Druck erzeugen können, dass sie ihre Arbeitskraft zurückhalten. Sie sind auch KonsumentInnen, die dadurch Druck aufbauen können, dass sie ihr Kaufverhalten steuern.

Das bietet Gewerkschaften die Möglichkeit – auch in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen der Zivilgesellschaft –, auf Probleme in bestimmten Branchen und Unternehmen hinzuweisen. Somit sind die Beschäftigten dieser Bereiche nicht auf sich alleine gestellt, sondern können in den KundInnen Verbündete sehen.

Prominentes Beispiel der jüngeren Vergangenheit ist hier die Kampagne der deutschen Gewerkschaft ver.di betreffend die Arbeitssituation beim Onlinehändler Amazon.[20]https://www.amazon-verdi.de (19.12.2016). In der Auseinandersetzung um einen einheitlichen Tarifvertrag[21]https://www.amazon-verdi.de/21 (19.12.2016). setzt ver.di ganz bewusst auch auf die Einbeziehung der KonsumentInnen. So wurde etwa ein Rücksendeetikett gestaltet, das eine Solidaritätsbotschaft an die Beschäftigten und eine an den Geschäftsführer gerichtete Kritik an den Arbeitsbedingungen beinhaltete.[22]https://www.amazon-verdi.de/4606 (19.12.2016).

Eine denkbare und von ver.di auch bereits angewandte Variante dieser Aktion besteht darin, das Etikett nicht nur dann zu verwenden, wenn die Sendung tatsächlich nicht den Erwartungen entspricht und zurückgeschickt werden soll. So könnten Waren ausschließlich zu dem Zweck bestellt werden, um sie mit dem Aufkleber versehen zurückschicken zu können.[23]https://www.amazon-verdi.de/5177 (19.12.2016). Dies würde dem Unternehmen gleich mehrfach auffallen. Denn zu den Rücksendekosten kämen die massiven Unmutsäußerungen der KundInnen, die dazu noch Solidaritätserklärungen für die Beschäftigten enthalten, die somit Unterstützung in ihren Anliegen erfahren. Mittelfristig wird sich das betroffene Unternehmen die Frage stellen müssen, ob die Umsetzung der Forderungen der Beschäftigten – auch in Hinblick auf das Image in der Öffentlichkeit – betriebswirtschaftlich nicht die bessere Variante darstellt.

2.4 Gütesiegel

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, jene Unternehmen besonders zu benennen, die sich in Bezug auf die Arbeitsbedingungen positiv von anderen abheben. So könnten „Gütesiegel“ entwickelt und beworben werden, die die KonsumentInnen darauf hinweisen, dass bestimmte Unternehmen faire Arbeitsbedingungen bieten und auf bestimmte unerwünschte Praktiken verzichten. In Bezug auf fairen Handel[24]https://de.wikipedia.org/wiki/Fairer_Handel (19.12.2016)., biologischen Landbau[25]https://de.wikipedia.org/wiki/Bio-Siegel (19.12.2016). oder umweltschonende Produktion[26]https://de.wikipedia.org/wiki/Blauer_Engel (19.12.2016). gibt es derartige Gütesiegel bereits. Ein Beispiel, wie dies auch in Bezug auf Arbeitsbedingungen funktionieren kann, ist die US-amerikanische Plattform www.fairhotel.org, die eine Smartphone-App anbietet, mit deren Hilfe Hotels gefunden werden können, die gute Arbeitsbedingungen bieten. So können sich KonsumentInnen auch bewusst dafür entscheiden, Waren und Dienstleistungen von jenen Unternehmen zu beziehen, die auch faire Arbeitsbedingungen bieten.

Selbstverständlich muss dabei auch bedacht werden, dass Gütesiegel alleine noch keine Garantie dafür bieten, dass die beworbenen Standards auch eingehalten werden. Die Organisationen, die diese Gütesiegel vergeben, müssen dies auch laufend überprüfen, wollen sie nicht Gefahr laufen, dass ihr Gütesiegel gleichsam wertlos wird.[27]Zur Kritik an Gütesiegeln vgl https://utopia.de/stiftung-warentest-nachhaltigkeitssiegel-vertrauen-17737/ (19.12.2016).

Die Gewerkschaften haben über ihre Medien auch die Möglichkeit, die Gütesiegel speziell zu bewerben, um bei den Gewerkschaftsmitgliedern auch das Bewusstsein zu schaffen, dass diese auch als KonsumentInnen über Marktmacht verfügen. Dies bedeutet natürlich, dass auch von den Gewerkschaften eine entsprechende Qualitätskontrolle vorgenommen werden müsste. Ansonsten verlieren sie an Glaubwürdigkeit, wenn herauskommt, dass es nicht gelingt, beworbene Standards zu gewährleisten.

2.5 Verhaltenskodex für Unternehmen

In Deutschland haben die PlattformbetreiberInnen selbst erkannt, dass sie an ihrem Image arbeiten müssen. Sie haben sich eine Art Verhaltenskodex auferlegt, der unter www.crowd-sourcing-code.de eingesehen und heruntergeladen werden kann. Darin verpflichten sich die unterzeichnenden Unternehmen und Verbände zu fairer Bezahlung, Einhaltung des Datenschutzes etc. Abgesehen davon, dass die angeführten Punkte selbstverständlich sein sollten, liegt das Problem bei jeder Art von Selbstverpflichtung darin, dass die Einhaltung nicht kontrolliert wird und die Verletzung der Selbstverpflichtung zu keinen Sanktionen führt. Derartige Erklärungen werden demgegenüber von PlattformbetreiberInnen jedoch oft als Argument zur Ablehnung gesetzlicher Regelungen verwendet. Sie meinen, dass diese Selbstverpflichtung reiche, um faire Bedingungen zu garantieren.

Das Problem mit derartigen Absichtserklärungen ist meines Erachtens jedoch offensichtlich. Weder sind Sanktionen vorgesehen, falls ein Unternehmen die Selbstverpflichtung nicht einhält noch kann die Einhaltung der selbstgegebenen Regeln überhaupt überprüft werden. Somit dienen derartige Kodizes meiner Meinung nach wohl eher der eigenen Imagepflege als der fairen Gestaltung von Arbeitsverhältnissen.

2.6 Online-Betreuungsangebot

Ein Problem im Bereich der vereinzelt und in der eigenen Wohnung arbeitenden Menschen ist zweifellos, dass diese für Gewerkschaften mit herkömmlichen Organisationsstrategien nur sehr schwer erreichbar sind.

Nun sind CrowdworkerInnen zwar physisch vereinzelt an unterschiedlichen Orten, zumeist wohl in ihren eigenen vier Wänden. Aber gleichzeitig befinden sie sich im virtuellen Raum des Internets. Und dort sind sie ansprechbar und erreichbar. Das ist ein Umstand, der auch dazu genutzt werden kann, diese Personen zu erreichen und ihnen Angebote zu machen. Hier ist zu erwähnen, dass die CrowdworkerInnen zu einem großen Teil auch schon über Internetforen vernetzt sind, die zum Teil von den Plattformen zur Verfügung gestellt werden, zum Teil auch selbstorganisiert sind. Diese Plattformen können auch von Gewerkschaften dafür genutzt werden, um auf das eigene Angebot aufmerksam zu machen.

Um diesen Personen ein sehr niederschwelliges Beratungs- und Betreuungs-Angebot zu bieten, ist es auch denkbar, für diese Beratung und Betreuung eigene Internet-Plattformen einzurichten. Anzudenken sind hier etwa offene Internetforen oder solche, die nur für registrierte CrowdworkerInnen zugänglich sind. Auch könnte der Zugang auf Mitglieder einer Gewerkschaft oder eines CrowdworkerInnen-Vereins eingeschränkt werden. Dort könnten etwa Fragen gestellt werden, die dann zum einen von der Community selbst oder aber auch von professionellen ModeratorInnen beantwortet werden können.

Offene Foren haben dabei den Vorteil, sehr viele Menschen zu erreichen, die von Diskussionen profitieren können, ohne sich auch daran zu beteiligen. Geschlossene Foren bieten demgegenüber die Möglichkeit, viel gezielter und individueller auf Problemstellungen einzugehen. Es ist auch zu vermuten, dass in geschlossenen Foren die Bereitschaft der Betroffenen größer sein wird, Probleme auch offen anzusprechen. Denn – trotz aller scheinbarer Anonymität im Internet – können in offenen Foren Probleme auftreten. Das kann beginnen mit unglücklich formulierten Darstellungen, durch die sich jemand zu Unrecht beschuldigt fühlt.[28]Siehe dazu Beitrag „Rechtsprobleme alternativer Organisationsstrategien“. Das kann aber auch so weit gehen, dass durch gezielte und bewusste Provokationen versucht wird, die Diskussionen und Fragebeantwortung zu stören (trolling).

Je eingeschränkter der Zugang zu Beratungs- und Betreuungsplattformen gestaltet wird – etwa durch Anmelde- und Klarnamenpflicht bis hin zur kostenpflichtigen Mitgliedschaft –, desto schwieriger wird es, die CrowdworkerInnen zu erreichen. Je offener die Gestaltung erfolgt, desto schwieriger wird es, Beratung und Betreuung in guter Qualität anzubieten.

2.7 Unterstützung bei Selbstorganisation

Eine Möglichkeit der Unterstützung der CrowdworkerInnen durch die Gewerkschaften kann auch darin bestehen, sie bei der Selbstorganisation zu unterstützen. Dieser Gedanke birgt mehrere Vorteile:

Zum einen stellt sich erst gar nicht die Frage des arbeitsrechtlichen Status und somit der Zugehörigkeit zu einer gesetzlichen Vertretung der CrowdworkerInnen. Ob sie nun zur Zielgruppe gewerkschaftlicher Organisation gehören oder ob sie eher als Selbständige gelten, ist bei einer eigenen Vereinigung, die selbst nicht den Anspruch stellt eine „Gewerkschaft“ im herkömmlichen Sinne zu sein, völlig ohne Belang.

Zum anderen fallen auch die oben genannten stark betrieblich orientierten gewerkschaftlichen Strukturen nicht ins Gewicht. Es handelt sich um eine Organisation außerhalb dieser Strukturen.

Darüber hinaus bedeutet eine Organisation außerhalb der Gewerkschaften nicht, dass dies das Potenzial an Mitgliedern für die Gewerkschaften selbst verringern würde. Im Gegenteil: Vor allem jene CrowdworkerInnen, die unstrittig als ArbeitnehmerInnen zu qualifizieren sind, können über eine derartige Zielgruppenorganisation näher an die Gewerkschaft herangeführt werden und so auch als Mitglied gewonnen werden.

Im Konkreten wurde auch schon bislang Unterstützung bei der Selbstorganisation durch die Gewerkschaften in vielerlei Hinsicht gewährt. Schon bei der Gründung einer Organisation kann rechtliches und organisatorisches Know-how zur Verfügung gestellt werden. In weiterer Folge kann die Förderung auch in der zur Verfügungstellung von Räumlichkeiten, Material und auch Personal bestehen. Wichtig ist jedenfalls die starke Einbeziehung der Betroffenen selbst. Gerade die Selbstorganisation von Personen, die ihre gemeinsamen Interessen formulieren, birgt großes Potenzial, auch zu praxisgerechten Antworten und Lösungen zu kommen.

Unterstützung bei kollektiver Entgeltfindung kommt jedenfalls insoweit infrage, als die betroffenen CrowdworkerInnen als „ArbeitnehmerInnen“ oder als „Scheinselbständige“ zu qualifizieren sind.

3. Ergebnis und Ausblick

Insgesamt komme ich zum Ergebnis, dass Crowdwork die Gewerkschaften vor gewisse Herausforderungen stellt, wobei diese Herausforderungen jedoch in vielen Aspekten nicht neu sind.

Sie treten im Zusammenhang mit Crowdwork in neuer Erscheinungsform wieder an die Oberfläche. Ich habe versucht darzulegen, dass es eine ganze Reihe von Möglichkeiten gibt, auch innerhalb der jetzigen gewerkschaftlichen Strukturen Wege zu finden, um den Herausforderungen zu begegnen.

Insgesamt müssen sich die Gewerkschaften meiner Ansicht nach jedenfalls überlegen, ob eine sehr auf betriebliche Strukturen ausgerichtete Organisation auch noch dann passend ist, wenn diese immer kleinteiliger werden oder sogar ganz verschwinden.

Ich sehe jedoch auch Möglichkeiten, zumindest in manchen Bereichen von Crowdwork, auf rechtlicher Ebene zu reagieren. Es können Rahmenbedingungen geschaffen werden, die auch für CrowdworkerInnen faire Arbeitsbedingungen gewährleisten.

In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich auf die von Warter[29]Warter, Crowdwork (2016) 331 ff. vorgeschlagene Möglichkeit der Einbindung der (virtuellen) CrowdworkerInnen in das HeimAG hinweisen. Der Gedanke ist insofern spannend, als hierbei auf einen vorhandenen rechtlichen Rahmen aufgesetzt werden kann. Somit bedürfte es keinen weitreichenden Änderungen im Arbeitsrecht. Auch stünde dies im Einklang mit dem Übereinkommen über Heimarbeit der International Labour Organization (ILO).[30]Home Workers Convention 1996, Nr 177–C177; Warter, Crowdwork 344.

Um einen möglichst breiten arbeitsrechtlichen Schutz gewährleisten zu können, wäre eine weitgehende Einbeziehung aller arbeitnehmerInnenählichen Beschäftigten wie der freien DienstnehmerInnen in das Arbeitsrecht, insbesondere auch das kollektive Arbeitsrecht, wünschenswert. Somit wäre auch dieser Bereich durch die Mindestentgeltregelungen der Kollektivverträge erfasst. Die Frage eigener Instrumente kollektiver Entgeltfindung würde sich in diesem Bereich nicht mehr stellen.

In Deutschland hat man sich dieses Problems seit den 1970er-Jahren in § 12a Tarifvertragsgesetz (TVG) angenommen. Hier wird normiert, dass die Regelungen für Tarifverträge auch für Personen anzuwenden sind, die „[…] wirtschaftlich abhängig und vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig sind (arbeitnehmerähnliche Personen), wenn sie auf Grund von Dienst- oder Werkverträgen für andere Personen tätig sind, die geschuldeten Leistungen persönlich und im Wesentlichen ohne Mitarbeit von Arbeitnehmern erbringen […]“. Diese Bestimmung ist interessant, da in der Konsequenz jene Personen umfasst werden, die sich in arbeitnehmerInnenähnlichen Beschäftigungsverhältnissen befinden.

Leider ist diese Lösung nicht eins zu eins auf die österreichische Rechtslage anwendbar, da die Ausgangssituation eine andere ist: In Deutschland stehen nämlich auf beiden Seiten des Tarifvertrags freiwillige Verbände. Gesetzliche Interessenvertretungen fehlen im Wesentlichen. Die ArbeitgeberInnenverbände haben dabei ArbeitgeberInneninteressen zu vertreten. Die Mitglieder der ArbeitgeberInnenverbände sind auch tatsächlich ArbeitgeberInnen. Wie im Abschnitt „Crowdwork im Gefüge der österreichischen Interessensvertretung“ beschrieben, ist die Situation in Österreich durch die gesetzliche Interessensvertretung ein wenig anders. Die Wirtschaftskammer vertritt die Interessen der gewerblichen Wirtschaft. Ihre Mitglieder sind zu einem Teil selbst ArbeitgeberInnen. Zum überwiegenden Teil sind sie jedoch selbst keine ArbeitgeberInnen; der Anteil der Ein-Personen-Unternehmen (EPU) betrug im Dezember 2015 bereits 58,9 %.[31]https://www.wko.at/Content.Node/Interessenvertretung/EPU/zahlen/Zahlen,_Daten,_Fakten.html (22.12.2016) Oft auch sind sie AuftragnehmerInnen anderer Mitglieder der Wirtschaftskammer. Ein von der Wirtschaftskammer geschlossener Kollektivvertrag kann aber immer nur arbeitgeberInnenseitig für Wirtschaftskammermitglieder gelten. Ansonsten würde ja die von § 4 Abs 1 ArbVG geforderte GegnerInnenunabhängigkeit verloren gehen. Dies ist im Verhältnis zu reinen ArbeitnehmerInnenorganisationen unproblematisch, da es zu keinen Überschneidungen der Zielgruppen kommt. Eine dem § 12a TVG nachgebildete Regelung müsste daher so gestaltet werden, dass sie nur für arbeitnehmerInnenähnliche Personen gilt, die selbst keine Mitglieder der Wirtschaftskammer sind.

Alternativ könnte eine derartige Regelung vorsehen, dass derartige Vereinbarungen nur von freiwilligen Berufsvereinigungen auf beiden Seiten geschlossen werden können. Damit wäre das Problem aber nicht gelöst, sondern nur verschoben. Denn eine Regelung zwischen einer freiwilligen Organisation tatsächlich selbständiger CrowdworkerInnen und einer Organisation ihrer gewerblichen AufraggeberInnen, würde gleichsam eine Vereinbarung zwischen Unternehmerverbänden darstellen. Dies scheint aber im Lichte des Kartellrechts fragwürdig.

Abschließend heißt das, dass eine weitgehende Einbeziehung arbeitnehmerInnenähnlicher CrowdworkerInnen in das Arbeitsrecht jedenfalls wünschenswert ist. Offen bleibt hier jedoch jedenfalls die Frage der Abgrenzung. Denn jene CrowdworkerInnen, die weniger arbeitnehmerInnenähnlich und mehr unternehmerInnenähnlich sind, sind meines Erachtens nur dann und nur insoweit miterfassbar, als sie wegen ihrer Schutzwürdigkeit in andere Schutzgesetze, wie etwa das HeimAG, miteinbeziehbar sind.

[1] Siehe dazu Autengruber, Geschichte der österreichischen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1945 (2016); Klenner/Pellar, Die österreichische Gewerkschaftsbewegung. Von den Anfängen bis 19992 (1999).
[2] Gesetz über die Errichtung von Einigungsämtern und über kollektive Arbeitsverträge, StGBl 16/1920.
[3] Gesetz betreffend die Errichtung von Betriebsräten, StGBl 283/1919.
[4] Gesetz über die Errichtung von Kammern für Arbeiter und Angestellte (Arbeiterkammern), StGBl 100/1920.
[5] http://www.oegb.at/cms/S06/S06_2.1.2/ueber-uns/wir-machen/oegb-in-zahlen (19.12.2016).
[6] http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20161205_OTS0122/roman-hebenstreit-zum-neuen-vida-vorsitzen-den-gewaehlt (19.12.2016).
[7] Siehe dazu Beitrag „(Arbeits-)Rechtliche Aspekte der Gig-Economy“.
[8] Bundes-Verfassungsgesetz BGBl Nr 1/1930 idF BGBl I 2/2008.
[9] Wirtschaftskammergesetz 1998 BGBl I 103/1998 idF BGBl I 50/2016.
[10] Arbeiterkammergesetz 1992 BGBl Nr 626/1991 idF BGBl I Nr 46/2014.
[11] 1 Abs 1 Statuten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes 2009.
[12] Journalistengesetz StGBl 88/1920 idgF.
[13] Heimarbeitsgesetz 1960 BGBl 105/1961 idF BGBl I 44/2016.
[14] Dazu Reinecke/Rachor in Däubler, Tarifvertragsgesetz4 (2016) § 12a Rz 7 ff.
[15] Gemäß BMAS, Weißbuch Arbeiten 0, 174, handelt es sich bei 40 der 44 bestehenden Tarifverträge für arbeitnehmerInnenähnliche Personen um Firmentarifverträge in Rundfunkt und Fernsehen.
[16] So zB https://kurier.at/wirtschaft/ausbeutung-von-praktikanten-watchlist-macht-dreiste-inserate-publik/109.245.198 (28.12. 2016); http://derstandard.at/2000008596099/Gewerkschaft-zu-Praktika-Problematik-groesser-als-befuerchtet (28.12.2016); http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/3859714/OeGBPlattform-watchlistpraktikum-mit-17000-Zugriffen (28.12.2016); http://fm4.orf.at/stories/1760523/ (28.12.2016).
[17] Siehe https://www.wko.at/Content.Node/branchen/oe/sparte_iuc/Unternehmensberatung-und-Informationstechnologie/Zahlen/Fachverband-UBIT—Obmann-Harl-fordert-Rechtssicherheit-be.html (28.12.2016).
[18] Irani/Silberman, Turkopticon, in Brenner, Crowdwork – Zurück in die Zukunft (2015) 131 ff.
[19] Irani/Silberman, in Brenner, Crowdwork 151.
[20] https://www.amazon-verdi.de (19.12.2016).
[21] https://www.amazon-verdi.de/21 (19.12.2016).
[22] https://www.amazon-verdi.de/4606 (19.12.2016).
[23] https://www.amazon-verdi.de/5177 (19.12.2016).
[24] https://de.wikipedia.org/wiki/Fairer_Handel (19.12.2016).
[25] https://de.wikipedia.org/wiki/Bio-Siegel (19.12.2016).
[26] https://de.wikipedia.org/wiki/Blauer_Engel (19.12.2016).
[27] Zur Kritik an Gütesiegeln vgl https://utopia.de/stiftung-warentest-nachhaltigkeitssiegel-vertrauen-17737/ (19.12.2016).
[28] Siehe dazu Beitrag „Rechtsprobleme alternativer Organisationsstrategien“.
[29] Warter, Crowdwork (2016) 331 ff.
[30] Home Workers Convention 1996, Nr 177–C177; Warter, Crowdwork 344.
[31] https://www.wko.at/Content.Node/Interessenvertretung/EPU/zahlen/Zahlen,_Daten,_Fakten.html (22.12.2016)

Kapitel 11 – Crowdwork mit Auslandsbezug

Inhaltsverzeichnis

Anwendbares Recht und Gerichtsstände

Dr. Wolfgang Kozak

Gerade das plattformbasierte Arbeiten insbesondere in seiner virtuellen Form ermöglicht viel schneller und leichter als bei der traditionellen Arbeitsverrichtung das Entstehen internationaler Vertragsbeziehungen. Welches nationalstaatliche Recht bei einer solchen Beziehung zur Anwendung kommt, regelt das internationale Privatrecht; vor welchem Gericht geklagt werden kann, das internationale Gerichtsstandsrecht.

Liegen Gerichtsstand und somit der Ort der Entscheidung und Vollstreckungsort in verschiedenen Staaten, sind internationale Abkommen zur Entscheidungsvollstreckung notwendig, dass Exekution geführt werden kann.

Zur Verdeutlichung der in diesem Beitrag angesprochenen Fragen sollen folgende Beispiele dienen (die Darstellung der Rechtsfolgen findet sich bei den jeweiligen Abschnitten):

Beispiel 1: A erbringt auf Basis eines Arbeitsvertrages Arbeitsleistungen für die Plattform make your fortune. Der Sitz der Arbeitgeberin liegt in London, Großbritannien. A erbrachte die geforderte Arbeitsleistung in Wien. A erhielt den Zuschlag für die Erstellung eines Bauplanes für 3D-Hobby-Drucker für eine Gegenleistung von 500 Euro. Als Rechtswahl wurde englisches Recht vereinbart, eine Gerichtsstandsvereinbarung lautete auf den ausschließlichen Gerichtsstand London. Nach Übersenden der fertigen Pläne kam kein Kontakt mehr mit der Plattform zustande, das vereinbarte Entgelt wurde nicht überwiesen.

Bei diesem Sachverhalt stellen sich nun die Fragen

  • nach dem anwendbaren Recht,
  • wo A ihren Anspruch einklagen kann bzw
  • wo eine eventuelle Exekution möglich wäre.

Noch komplizierter wird es, wenn der Sitz der Plattform als Vertragspartnerin und präsumptive beklagte Partei nicht in einem EU-Mitgliedstaat liegt. In diesem Fall sind die unionsrechtlichen Zuständigkeitsnormen nicht anwendbar. Es muss in den nationalen Rechtsordnungen nach einer Lösung gesucht werden. So unterscheiden sich die Rechtsfolgen zu obigem Sachverhalt bereits entscheidend, wenn der Sitz der Plattform in den USA, im Silicon Valley, statt in London liegt.

Beispiel 2: A erbringt Arbeitsleistungen auf Basis eines Arbeitsvertrages für die Plattform make your fortune. Der Sitz der Arbeitgeberin liegt im Silicon Valley, USA. A erbrachte die geforderte Arbeitsleistung in Wien. A erhielt den Zuschlag für die Erstellung eines Bauplanes für 3D-Hobby-Drucker für eine Gegenleistung von 500 US-Dollar. Als Rechtswahl wurde kalifornisches Recht vereinbart, eine Gerichtsstandsvereinbarung lautete auf den ausschließlichen Gerichtsstand in San José. Nach Übersenden der fertigen Pläne kam kein Kontakt mehr mit der Plattform zustande, das vereinbarte Entgelt wurde nicht überwiesen.

1. Was ist internationales Privatrecht?

Als internationales Privatrecht (IPR) werden jene Rechtsnormen bezeichnet, die bei internationalen Sachverhalten regeln, welches nationale Recht insgesamt oder in Teilbereichen zur Anwendung kommen soll.[1]Vgl Czernich/Heiss, EVÜ – Das Europäische Schuldvertragsübereinkommen (1999) Einleitung Rz 3. Grundsätzlich sind bzw waren dies Kollisionsnormen, die dem nationalen Recht der jeweiligen Staaten entstammen bzw entstammten. Es herrschte daher Rechtszersplitterung. Die Europäischen Gemeinschaften (EG) setzten ab 1967 Initiativen, dieses Kollisionsrecht für die Mitgliedstaaten der mittlerweile zur Union gewordenen Gemeinschaft zu vereinheitlichen.[2]Verschraegen in Rummel, ABGB3 Vor Art 1 EVÜ Rz 1 (Stand 01.2004, rdb.at). Der vorläufige Abschluss dieser Vereinheitlichungstendenz fand sich in der Erlassung einer Kollisionsnormenverordnung des Europäischen Parlaments und des Rates, der sogenannten Rom I-Verordnung (in der Folge kurz Rom I-VO) die unmittelbar ihre Rechtswirkungen in den einzelnen Mitgliedstaaten entfaltet.[3]Rom I-VO: VO (EG) 2008/593, ABl L 2008/177, 6; Kühteubl/Kozak, Arbeitnehmerentsendung (2010) Rz 4. Kollisionsnormen finden sich für alle Rechtsgebiete des Privatrechts. Da plattformbasiertes Arbeiten typischerweise unter die vertraglichen Schuldverhältnisse in Zivilsachen eingeordnet wird, finden in weiterer Folge nur die in diesem Bereich maßgeblichen Kollisionsregeln Beachtung.

Trotz des nationenübergreifenden Phänomens des plattformbasierten Arbeitens kann aus Umfangsgründen in diesem Beitrag aber nur auf die Unionsrechtslage der Rom I-VO eingegangen werden. Ist ein/eine VertragspartnerIn außerhalb eines Mitgliedstaates der Union zu lokalisieren, ist zu prüfen, inwieweit die Kollisionsnormen der Rom I-VO weiterhin zur Anwendung kommen bzw sonstige völkerrechtliche Verträge oder drittstaatliche Kollisionsnormen zu beachten sind, die auch auf Recht außerhalb der Union verweisen können. Wie komplex sich solche Sachverhalte entwickeln können, zeigt auch die Tatsache von Staaten, die keine einheitliche Rechtsordnung haben, sondern sogenannte Mehrrechtsstaaten sind wie Großbritannien oder die USA. Zusätzlich stellt sich dann auch das Problem des Zugangs des Rechts, wenn Staaten kein international zugängliches Rechtsinformationssystem bieten, oder/und aufgrund verschiedener Rechtssysteme (zB dem Case-law-System) nur eine im Vergleich zu zentraleuropäischen Rechtsordnungen (zB von Österreich oder Deutschland) geringe Dichte von Gesetzen aufweisen.

2. Anwendung der unionsrechtlichen Kollisionsnormen

2.1 Vorliegen eines internationalen Sachverhaltes

Kollisionsnormen können grundsätzlich nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein staatsgrenzenüberschreitender, also ein internationaler Sachverhalt vorliegt.[4]Vgl zum EVÜ Czernich/Heiss, EVÜ – Das Europäische Schuldvertragsübereinkommen (1999) Art 1 Rz 5; Art 1 Abs 1 Rom I-VO. Dies ist auch für den Anwendungsbereich der Rom I-VO ausdrücklich in dieser Weise normiert. Für das Vorliegen eines internationalen Sachverhaltes reicht es beispielsweise aus, dass der (Wohn-)Sitz der VertragspartnerInnen und der regelmäßige Arbeitsort in verschiedenen Staaten liegt. Hierbei kommt es jedoch auf den Ort der faktischen Arbeitsleistung an und nicht auf jenen Ort, an welchem diese wirksam wird. Auch unterschiedliche Staatsangehörigkeiten können eine ausreichende Auslandsberührung in vertraglichen Zivil- und Handelsrechtssachen darstellen,[5]Verschraegen in Rummel, ABGB3 Art 1 EVÜ Rz 2. wobei zu beachten ist, dass bei Sachverhalten, die sich im selben Gerichtsstaat verwirklichen, keine Auslandsberührung im Sinne der unionsrechtlichen Kollisionsnormen gegeben ist.[6]Verschraegen in Rummel, ABGB3 Art 1 EVÜ Rz 2. Einen Spezialfall stellt die Rechtswahl im Rahmen eines Vertrages dar, die zwar eine Anwendung der Kollisionsnormen begründet,[7]Vgl Ganglberger, Der Übergang vom IPRG zum EVÜ bei Arbeitsverhältnissen mit Auslandsbezug (2001) 123 f. aber bei ansonsten fehlendem Auslandsbezug nur eingeschränkte Rechtsfolgen (bei Vornahme eines Günstigkeitsvergleiches nur in Bezug auf die einzelnen Normen) auslöst. Dies wird als Rechtswahl bei reinem Inlandsbezug bezeichnet.

Ist eine ausreichende Auslandsberührung gegeben, dann sind die maßgeblichen Kollisionsnormen – insbesondere die Rom I-VO – zu beachten.

Rechtsfolge der unionsrechtlichen Kollisionsnormen ist die endgültige Zuweisung des Sachverhaltes an eine bestimmte Rechtsordnung. Sonstige innerstaatliche Kollisionsnormen konnten und können auch Rück- bzw Weiterverweisungen vorsehen. Aufgrund der Rechtszersplitterung von internationalen Privatrechten außerhalb des Unionsrechts kann zur geforderten Stärke der Auslandsbeziehung eines Sachverhaltes im Rahmen des internationalen Privatrechts von Drittstaaten keine generelle Aussage getroffen werden.

2.2 Räumlicher Geltungsbereich der Rom I-VO

Liegt ein ausreichender internationaler Bezug eines Sachverhaltes vor, muss jedoch, damit die Rom I-VO zur Anwendung kommt, der Sachverhalt in einem Mitgliedsstaat geltend gemacht (dh eingeklagt) werden, oder das IPR eines Drittstaates auf die Kollisionsnormen der Rom I-VO verweisen. Der Anwendung der Kollisionsnormen kommt daher in Bezug auf den Ort der Geltendmachtung bzw der Rechtsbetrachtungen relativer Charakter zu. Ist die Rom I-VO anwendbar, kommt ihr ohne Gegenseitigkeitserfordernis gegenüber Drittstaaten eine universelle Geltung zu. Solange CrowdworkerInnen in einem EU-Mitgliedstaat klagen bzw geklagt werden, findet immer die Rom I-VO Anwendung.[8]Jan van Hein in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Einl Rom I-VO Rz 33; zu unterscheiden davon ist die Frage, ob in einem Mitgliedstaat der Union überhaupt geklagt werden kann (siehe Abschnitt „Internationale Gerichtszuständigkeit“). Festzuhalten ist, dass die Rom I-VO nicht auf die EWR-Staaten Island, Lichtenstein und Norwegen anzuwenden ist.[9]Jan van Hein in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Art 1 Rom I-VO Rz 74. Daher wird, falls Klage in diesen Staaten geführt wird, das anzuwendende Recht nicht nach dieser Unions-VO, sondern nach dem jeweils national anzuwendenden internationalen Privatrecht bestimmt.

2.3 Sachlicher Anwendungsbereich der Rom I-VO

Wie bereits unter Abschnitt „Was ist internationales Privatrecht?“ ausgeführt, regeln die Kollisionsnormen der Rom I-VO vertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelsrechtssachen. Grundsätzlich sind unter diesem Überbegriff alle jene Verträge zu subsumieren, die für eine Regelung plattformbasierten Arbeitens infrage kommen können.

2.4 Sondernormen für Arbeitsverträge

Die unionsrechtlichen Kollisionsnormen sehen unterschiedliche Regelungen für spezifische Vertragstypen und Geschäfte vor. Ansatzpunkt für diese Sonderregeln ist typischerweise das Ziel, regelmäßig schwächere VertragspartnerInnen vor Übervorteilung zu schützen. So wurde das Kollisionsrecht zB für VerbraucherInnen- und Arbeitsverträge spezifisch unter Beachtung des VerbraucherInnen- bzw ArbeitnehmerInnenschutzes ausgestaltet.[10]Vgl bereits zum EVÜ Czernich/Heiss, EVÜ – Das Europäische Schuldvertragsübereinkommen (1999) Art 6 Rz 1.

Da die Anwendung der Sondernormen für VerbraucherInnen in gegenständlichem Zusammenhang auszuschließen ist,[11]Risak, Crowdwork, ZAS 2015/3, 17. bleibt das Vorliegen einer ArbeitnehmerInneneigenschaft zu prüfen, um feststellen zu können, ob die Sondernormen von Art 8 ff Rom I-VO zur Anwendung kommen. Der ArbeitnehmerInnenbegriff der Rom I-VO ist autonom, das bedeutet nur unter Beachtung des Unionsrechts einheitlich auszulegen.[12]Junker, Einflüsse des europäischen Rechts auf die personelle Reichweite des Arbeitnehmerschutzes – Der Arbeitnehmerbegriff in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, EuZA 2/2016, 86; zuletzt EuGH 09.2015, Rs C-47/14, Spies v. Büllesheim, ECLI:EU:C:2015:574 Rz 36 f.

Das Unionsrecht selbst definiert jedoch keinen eigenen einheitlichen ArbeitnehmerInnenbegriff. Art 45 AEUV bzw dessen Vorgängerbestimmung verwenden lediglich den Begriff ArbeitnehmerIn in Bezug auf das Recht der Freizügigkeit. Es ist daher auf die Judikatur des EuGH zurückzugreifen, um eine Prüfungsmodalität bzw Begriffsdefinition für Inhalt und Reichweite festmachen zu können.[13]Vgl unter Anführung der Judikatur: Windisch-Graetz in Mayer/Stöger, EUV/AEUV, Art 45 AEUV Rz 9 ff (Stand: August 2012, at). Junker weist jedoch zu Recht darauf hin, dass eine einheitliche Auslegung des ArbeitnehmerInnenbegriffes noch nicht bedeutet, dass im Unionsrecht ein einheitlicher ArbeitnehmerInnenbegriff existiert.[14]Junker, EuZA 2016, 190. Es muss deshalb ermittelt werden, welche Auslegung im Zusammenhang mit welchem ArbeitnehmerInnenbegriff den unionsrechtlichen Sonderkollisionsnormen zugrunde liegt.

2.4.1 Unionsrechtlicher ArbeitnehmerInnenbegriff

Grundsätzliches: In letzter Zeit äußerte sich der EuGH zum ArbeitnehmerInnenbegriff der EuGVVO.[15]EuGH, Spies v. Büllesheim. Da dieser derselbe Begriff ist, wie er der Rom I-VO zugrunde liegt, kann auf diese Judikatur zurückgegriffen werden.[16]Junker, EuZA 2016, 186; Mankowski in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Art 18 Brüssel I-VO Rz 3.

Nach den Ausführungen des Gerichtshofes ist dann im Bereich des Kollisionsrechtes der ArbeitnehmerInnenbegriff erfüllt, wenn

  • Leistungen aufgrund von Weisungen durch eine bestimmte Zeit erbracht werden,
  • eine Vergütung als Gegenleistung bestimmt ist sowie
  • eine dauerhafte Beziehung zwischen den Beteiligten bestand, durch die eine Eingliederung in den Betrieb erfolgte.

Der EuGH weist darauf hin, dass gerade das Unterordnungsverhältnis im Einzelfall anhand „aller Gesichtspunkte und aller Umstände, die die Beziehungen zwischen den Beteiligten kennzeichnen“,[17]EuGH, Spies Büllesheim, unter Verweis auf EuGH 09.07.2015, Rs C-229/14, Balkaya, ECLI:EU:C:2015:455 Rz 37 (zu Massenentlassungs-RL) und in weiterer Folge auf EuGH 11.11.2010, Rs 232/09, Danosa, ECLI:EU:C:2010:674 Rz 46 (zum Mutterschutz). also in einem beweglichen System das Vorliegen einer unionsrechtlichen ArbeitnehmerInneneigenschaft geprüft werden muss.

Die Anforderungen, die an den ArbeitnehmerInnenbegriff im Rahmen des Kollisionsrechtes vom EuGH gestellt werden, gehen also über die Kernelemente der sogenannten „Lawrie-Blum-Formel“[18]Junker, EuZA 2016, 198.hinaus, da nun zusätzlich eine dauerhafte Beziehung bestehen muss, die zu einer Eingliederung in den Betrieb führt.[19]Ebenso Junker, EuZA 2016, 191.

Zu beachten ist, dass dieser Rückgriff des EuGH auf eine ältere Judikatur[20]EuGH 15.01.1987, Rs C-266/85, Shenavai, ECLI:EU:C:1987:11, Rn 16. zwei Elemente enthält (die durch die Konjunktion „und“ verbunden sind): (1.) Jenes der Eingliederung in den Betrieb, das jedenfalls funktional aufgefasst werden kann, sowie die (2.) Art der Beziehung des Arbeitsvertrages, die (für die Beurteilung der Zuständigkeit) den räumlichen Bezugspunkt der Tätigkeit definiert. In dieser Lesart ist der kollisionsrechtliche ArbeitnehmerInnenbegriff jedenfalls nicht enger als der österreichische aufzufassen. Und dieser würde, wenn man auf die virtuelle organisatorische Eingliederung in eine Plattform abstellt, auch in diesem Bereich zur Anwendung kommen, wenn die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind.

Anwendung auf Crowdworksachverhalte: Damit die besonderen Kollisionsnormen für Personen des plattformbasierten Arbeitens zur Anwendung kommen, sind also folgende Sachverhaltselemente Voraussetzung:

  • Erbringung einer Leistung aufgrund eines Unterordnungsverhältnisses,
  • aufgrund einer Vergütung und
  • im Rahmen einer dauerhaften Beziehung,
  • die im Rahmen der (virtuellen) Eingliederung in den Betrieb (die Plattformorganisation) erfolgte.

In diesem Zusammenhang ist zusätzlich auf die zum österreichischen Betriebsverfassungsrecht hinsichtlich Betriebszugehörigkeit zu einem traditionellen Betriebsbegriff ergangene Judikatur bei internationalen Sachverhalten zu verweisen. So bleibt nach Rechtsansicht des OGH die Betriebszugehörigkeit bei einer Entsendung erhalten, wenn eine entsprechend enge Beziehung durch moderne Kommunikationsmittel aufrechterhalten wird.[21]OGH 03.1997, 9 ObA 88/97z; Kühteubl/Kozak Arbeitnehmerentsendung, Rz 419 f. Umgelegt auf die Organisation plattformbasierten Arbeitens bedeutet dies, dass bei einer entsprechend engen Einbindung trotz dislozierter Einzelarbeitsplätze eine enge Beziehung und Eingliederung entstehen kann.

Inwieweit konkrete Sachverhalte wie zB die Leistungserbringung zu beurteilen ist, siehe Beitrag „Virtuelles Crowdwork: Clickworker“ und Beitrag „Transportdienstleistungen: Uber“.

Diese Rechtsauffassung ist hinsichtlich des Schutztelos der arbeitsrechtlichen Kollisionsnormen jedenfalls auch beim kollisionsrechtlichen ArbeitnehmerInnenbegriff zu beachten.[22]Vgl Erwägung 35 der Rom I-VO.

2.4.2 Funktionaler ArbeitgeberInnenbegriff

Inwieweit sowohl der nationale traditionelle als auch der vom EuGH entwickelte ArbeitnehmerInnenbegriff die Entwicklung des plattformbasierten Arbeitens auffangen kann, ist noch nicht absehbar, da eine Weiterentwicklung dieses Begriffs höchstwahrscheinlich nur durch Richterrecht geschehen wird. Aufgrund der Auflösung traditioneller Arbeitsformen sollte aber bei der Annahme von ArbeitnehmerInneneigenschaft auf die geänderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen Rücksicht genommen und der ArbeitnehmerInnenbegriff an die neuen Gegebenheiten angepasst werden, auch wenn dafür die traditionellen Prüfansätze aufgegeben bzw überwunden werden müssen. Gerade traditionelle Betriebsbegriffe, die auf eine räumlich abgegrenzte Einheit,[23]Vgl Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht II5 (2015) § 34 Rz 1. eine Arbeitsstätte, abstellen, sind den neuen Anforderungen anzupassen. Gänzlich andere Ansätze bietet eine funktionale Betrachtungsweise für das Feststellen der ArbeitgeberInneneigenschaft, wie sie von Prassl entwickelt wurde.[24]Prassl, The Concept of the Employer (2015); für Crowdworksachverhalte angewendet in Prassl/Risak, Uber, Taskrabbit, and : platforms as employers? Rethinking the legal analysis of crowdwork, Comparative Labour Law and Policy Journal 2016, 646 ff. Nach dieser Theorie wird auf folgende ArbeitgeberInnenfunktionen abgestellt:

  • Begründung und Beendigung des Vertragsverhältnisses,
  • Recht auf Leistungserbringung und Recht auf deren Ergebnisse,
  • Bereitstellung von Arbeit und Bezahlung des Arbeitsentgelts,
  • Management des unternehmensinternen Markts, in Form von Koordination und Kontrolle aller Produktionsfaktoren, einschließlich der Möglichkeit der Bestimmung der Art der Leistungserbringung,
  • Management des unternehmensexternen Marktes und Tragung des Unternehmerrisikos[25]Vgl auch Anführung bei Schörghofer, Grenzfälle der Arbeitskräfteüberlassung – langfristige Überlassung, Payrolling und die Abgrenzung vom Werkvertrag (2015) 160..[26]Zitiert nach Risak, What’s law got to do with it, Kurswechsel 2/2016, 32 ff (38 f ).

Die Ausübung dieser Funktionen begründet letztlich die ArbeitgeberInneneigenschaft und ermöglicht es, CrowdworkerInnen als ArbeitnehmerInnen anzusehen. Eine in diesem Sinne ergänzend vorgenommene Prüfung, um ArbeitnehmerInneneigenschaft iSd Kollisionsrechts feststellen zu können, würde dem Schutzzweck der Sonderkollisionsnormen jedenfalls entsprechen und kann daher zu einer befriedigenden Lösung wertvolle Beiträge leisten.

3. Anzuwendendes Recht bei Geltung der Rom I-VO

Typischerweise können sich internationale Sachverhalte bei einer plattformbasierten Arbeitsweise dadurch ergeben, dass sich die entgegennehmenden VertragspartnerInnen in einem anderen Staat als die leistungserbringenden befinden. Sachverhalte, in denen LeistungserbringerInnen eine internationale Reisebewegung tätigen, während sie plattformbasiert arbeiten, sind meines Erachtens von eher theoretischem Wert und werden daher nicht weiter untersucht. Ebenso können aus Gründen des beschränkten Umfangs dieses Beitrags nur Rechtslagen untersucht werden, denen die Rom I-VO zugrunde liegt.

3.1 Anknüpfungsmerkmale nach der Rom I-VO für Individualarbeitsverträge

Welches Recht – unabhängig von einer getätigten Rechtswahl – anzuwenden ist (das sogenannte gesetzliche Vertragsstatut), wird durch Anknüpfungsmerkmale bestimmt. Neben dem gewöhnlichen Arbeitsort[27]Art 8 Abs 2 Rom I-VO. ist die einstellende Niederlassung das zweite Anknüpfungsmerkmal,[28]Art 8 Abs 3 Rom I-VO. welches die Rom I-VO vorsieht. Ist mit diesen keine sachgerechte Lösung zu erzielen, so ist die Ausweichklausel in Anwendung zu bringen.[29]Art 8 Abs 4 Rom I-VO; EuGH 09.2013, Rs C-64/12, Schlecker, ECLI:EU:C:2013:551 Rz 42. Diese Merkmale sind ebenfalls autonom auszulegen.[30]Vgl dazu Jan van Hein in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Art 8 Rom I-VO Rz 65.

3.1.1 Der gewöhnliche Arbeitsort

Das Anknüpfungsmerkmal des gewöhnlichen Arbeitsortes stellt auf den Ort der regelmäßigen Leistungserbringung ab. Das bedeutet, dass die Feststellung, welches Recht als gesetzliches Vertragsstatut zur Anwendung kommt, unabhängig davon ist, wo das Arbeitsergebnis faktisch wirksam wird.

Wird beispielsweise laufend Arbeit an einem Computer in Österreich geleistet und der Arbeitserfolg nach Fertigstellung nach Belgien geschickt bzw sogar in einem Netzwerk auf einer in Belgien beheimateten Serverlösungen online gearbeitet, liegt der gewöhnliche Arbeitsort trotz alledem in Österreich.[31]Jan van Hein in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Art 8 Rom I-VO Rz 41. Es kommt nämlich darauf an, wo ArbeitnehmerInnen sich bei der Arbeitserbringung physisch befinden. Dies ergibt sich aus Art 8 Abs 2 1. Fall Rom I-VO. Damit stellt im Fall von in Österreich arbeitenden CrowdworkerInnen das österreichische Recht das gesetzliche Vertragsstatut dar.

3.1.2 Die einstellende Niederlassung

Ist kein gewöhnlicher Arbeitsort feststellbar, so stellt die einstellende Niederlassung ein subsidiäres Anknüpfungsmoment dar (Art 8 Abs 3 Rom I-VO).[32]Jan van Hein in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Art 8 Rom I-VO Rz 59. Als Anknüpfungsmoment reicht hier eine bloße Betriebsstätte oder ein Betriebsteil aus. Regelmäßig wird aber dieser subsidiäre Anknüpfungsmoment durch die sogleich darzustellende sogenannte Ausweichklausel nach Art 8 Abs 4 Rom I-VO verdrängt werden.

3.1.3 Die Ausweichklausel der engeren Verbindung

Hier kommt im Wege der Einzelfallgerechtigkeit jenes Recht zur Anwendung, zu dem der Vertrag eine engere Verbindung aufweist, als dies nach den Anknüpfungsmomenten des gewöhnlichen Arbeitsortes und der einstellenden Niederlassung der Fall wäre. Die Prüfung, ob die Ausweichklausel zur Anwendung kommt, ist jedenfalls regelmäßig und nicht nur in Ausnahmesituationen vorzunehmen.[33]Kühteubl/Kozak, Arbeitnehmerentsendung Rz 165. Diese Rechtsansicht wurde vom EuGH in der Rs Schlecker[34]EuGH, Schlecker, Rz 36, 39, 42. bestätigt. Für die Feststellung der engsten Beziehung sind nach der Rechtsansicht des EuGH sämtliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die das Arbeitsverhältnis kennzeichnen und maßgeblich sind.

Dazu gehören folgende wichtige Parameter:

  • das Land, in welchem von den ArbeitnehmerInnen Steuern und Abgaben aus ihrer Tätigkeit entrichtet werden,
  • das Land, in welchem die Sozialversicherung mit Renten-/Unfalls- und Erwerbsunfähigkeitsregeln gelegen ist,
  • das Land, das für jene Parameter maßgeblich ist, die mit der Bestimmung des Gehalts und den Arbeitsbedingungen zusammenhängen.

Vorstellbar wären im Rahmen der Gig-Economy-Sachverhalte, in welchen ArbeitnehmerInnen ihre Arbeitsorte international (zB je nach Jahreszeiten) selbständig wählen, sodass diese einen Hauptbezugspunkt zu Österreich dann nie verlieren, wenn der Lebens- und insbesondere Arbeitsmittelpunkt trotzdem weiterhin in Österreich liegt. Ob das Schwergewicht einer Arbeitsvertragsbeziehung noch in Österreich angenommen werden kann, wenn die gesamte Abwicklung des Arbeitsverhältnisses im Ausland stattfindet (sechsmonatiger Aufenthalt in Portugal über die Wintermonate), ist jedoch stark zu bezweifeln.

Bedeutung für die Beispiele 1 und 2: Da in beiden Beispielen der gewöhnliche Arbeitsort in Wien liegt, kommt als objektives Vertragsstatut österreichisches Recht zur Anwendung. Da aber eine Rechtswahl vorliegt, ist bei entstehenden Rechtsfragen eine Günstigkeitsprüfung vorzunehmen. So ist in Österreich kein allgemeiner, gesetzlicher Mindestlohntarif statuiert. Nach englischem[35]https://www.gov.uk/national-minimum-wage-rates (15.11.2016). und kalifornischem[36]https://en.wikipedia.org/wiki/Minimum_wage_in_the_United_States (15.11.2016). Recht gibt es aber einen staatlichen Mindestlohn. Würde das vereinbarte Entgelt diesen Mindestlohn unterschreiten, hätte A zumindest Anspruch auf den jeweiligen Mindestlohn.

3.2 Sonstige Anknüpfungsmerkmale nach der Rom I-VO

Liegt kein Individualarbeitsvertrag vor, so sind die Anknüpfungsmerkmale des Art 4 Rom I-VO anzuwenden. Dieser sieht je nach angeführtem Vertragstyp unterschiedliche Anknüpfungsmomente vor.[37]Thorn in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Art 4 Rom I-VO Rz 22. Ist kein vorgegebener Vertragstyp erfüllt, gibt es einen Auffanganknüpfungstatbestand.

In gegenständlichem Beitrag sind in den angeführten Kategorien nur Dienstleistungsverträge (Art 4 Abs 1 lit b Rom I-VO) bzw der Auffangtatbestand in Art 4 Abs 2 Rom I-VO von Bedeutung, wobei die autonome Auslegung zu beachten ist. Durch den Umstand, dass sowohl beim Auffangtatbestand als auch beim Dienstleistungsvertrag an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Dienstleistungserbringers/der Dienstleistungserbringerin bzw des Erbringers/der Erbringerin der charakteristischen Vertragsleistung angeknüpft wird, ist die Unterscheidung der Vertragsarten aufgrund der in diesem Falle gleichen Rechtsfolgen von überwiegend akademischer Bedeutung.[38]Vgl die Einschätzung von Thorn in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Art 4 Rom I-VO Rz 19.

3.2.1 Dienstleistungsvertrag iSv Art 4 Abs 1 lit b Rom I-VO

In der Rs Falco Privatstiftung[39]EuGH 04.2009 Rs C-533/07, Falco Privatstiftung, ECLI:EU:C:2009:257. führte der EuGH zu Art 5 Abs 1 EuGVVO aus, dass das Unionsrecht keinen einheitlichen Begriff des Dienstleistungsvertrages verwendet.[40]EuGH, Falco Privatstiftung Rz 33 ff. Die betreffende Bestimmung ist als eigener Begriff eng auszulegen. Demnach ist ein Vertrag, der lediglich die Nutzung am geistigen Eigentum gegen Entgelt einräumt, kein Dienstleistungsvertrag, da ein Dienstleistungsvertrag nur dann vorliegt, wenn jemand gegen Entgelt eine bestimmte Tätigkeit durchführt.[41]EuGH, Falco Privatstiftung Rz 29, 44. Diese Ansicht bekräftigte der EuGH 2013 und stellte fest, dass eine Einlagerung von Waren einen Dienstleistungsvertrag darstellt.[42]

3.2.2 Charakteristische Leistung iSv Art 4 Abs 2 Rom I-VO

Der Begriff der „charakteristischen Leistung“ eines Vertrages wird in der Verordnung nicht definiert. Es ist aber davon auszugehen, dass jene Leistung, die den Schwerpunkt des Vertrages bildet und diesen von anderen Austauschverträgen unterscheidet, als charakteristisch gelten kann.[43]Vgl Thorn in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Art 4 Rom I-VO Rz 78. Bei gegenseitigen Verträgen soll dies die Leistung sein, die nicht in Geld besteht.[44]Vgl noch zum EVÜ: Verschraegen in Rummel, ABGB3 Art 4 EVÜ Rz 16.

Im Rahmen der Erbringung der auf einer Plattform akquirierten Arbeit ist also das Recht jenes Staates anzuwenden, in welchem der/die die Arbeit leistende VertragspartnerIn seinen/ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.

3.3 Rechtswahl

Grundsätzlich geht die Rechtssetzung bei den Kollisionsnormen davon aus, dass die Vertragsparteien eine Rechtswahl treffen. Es herrscht also das Primat der Rechtswahl.

Hat dies bei sonstigen Verträgen zur Folge, dass jenes Recht, welches ohne Rechtswahl auf den Vertrag zur Anwendung käme, vollständig abgewählt wird, ist dies bei Arbeitsverträgen nicht der Fall. Da die Sonderkollisionsnormen Schutznormen für den verhandlungsschwächeren Teil (also typischerweise die ArbeitnehmerInnen sind), darf durch eine Rechtswahl diesem der Schutz des Niveaus des gesetzlichen Vertragsstatutes, also jenes Rechtes, welches ohne Rechtswahl zu Anwendung käme, nicht entzogen werden. Dieser Schutz bezieht sich auf Normen, die zwingend oder lediglich einseitig dispositiv sind.[45]Kühteubl/Kozak, Arbeitnehmerentsendung Rz 184. Es muss also bei einer gültigen Rechtswahl bei einem Arbeitsverhältnis zwingend das gesetzliche Vertragsstatut festgestellt werden, um in einem Gruppenvergleich mit dem gewählten Recht feststellen zu können, welches die für die ArbeitnehmerInnen günstigere Rechtslage darstellt. Neben der Notwendigkeit einer komplexen Prüfung kann durch die Rechtswahl bei Arbeitsverträgen auch ein schwer festzustellendes Mischrecht entstehen.

3.4 Ergebnis

Unabhängig ob im Sinne der Rom I-VO ArbeitnehmerInneneigenschaft vorliegt oder nicht, ist bei plattformbasiertem Arbeiten davon auszugehen, dass der Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes regelmäßig und typischerweise auch den gewöhnlichen Arbeitsort darstellt und daher faktisch die engste Beziehung zum Recht dieses Staates bildet. Der gravierende Unterschied zwischen ArbeitnehmerInnen und sonstigen LeistungserbringerInnen liegt darin, dass durch Rechtswahl lediglich ArbeitnehmerInnen nicht dem Schutz des gesetzlichen Vertragsstatuts entzogen werden können.

4. Internationale Gerichtszuständigkeit

Ebenso wie die Kollisionsnormen, die regeln, welches Recht auf einen Vertrag zur Anwendung kommt, hat die EU im Rahmen einer Verordnung die Gerichtszuständigkeit bei internationalen Sachverhalten geregelt, und zwar mit der EuGVVO (alt).[46]VO EG/44/2001, ABl L 12 vom 16.01.2001, S 1–23 . Diese ist mittlerweile novelliert worden (EuGVVO)[47]VO EU/1215/2012, ABl L 351 vom 12.12.2012, S 1–32. und seit 10.01.2015 in Kraft.

4.1 Internationaler Sachverhalt

Wie bei den Kollisionsnormen ist für die Anwendung der EuGVVO ein internationaler Sachverhalt Voraussetzung. Als Inlandssachverhalte sind also iSd EuGVVO jene anzusehen, deren relevante Sachverhaltselemente für die Bestimmung des Gerichtsstandes alle in einem Staat gelegen sind. Es kann also auch bei einem gewissen Auslandsbezug ein Binnensachverhalt vorliegen.[48]Czernich in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3 (2009) Art 1 Rz 4. Geprüft werden kann dieses Element jedoch nur bei einer Festlegung des Klägers/der Klägerin auf einen bestimmten Gerichtsstand.[49]Czernich in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3 Art 1 Rz 4a.

4.2 Räumlicher und sachlicher Anwendungsbereich

Spiegelbildlich zur Rom I-VO ist die EuGVVO lediglich in Zivil- und Handelssachen anwendbar.[50]Czernich in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3 Art 1 Rz 1. Die VO gilt für alle Mitgliedstaaten der Union inklusive Dänemark.[51]Vgl das Abkommen zwischen der Europäische Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl L 79/4 vom 21.03.2013.

Als weitere Voraussetzung für die Anwendung der EuGVVO muss aber der (Wohn-)Sitz der beklagten Partei (für Arbeitsrechtssachen ist auch eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin ausreichend) in einem Mitgliedstaat gelegen sein, sonst ist auch lediglich Drittstaatsbezug gegeben.[52]Mankowski in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Vorbem Art 2 Brüssel I-VO Rz 10 f und Art 18 Brüssel I-VO Rz 10 ff. Ohne Erfüllung dieser Voraussetzung kommen die Zuständigkeitsregeln der EuGVVO nicht zur Anwendung. Eine Klage in einem Mitgliedstaat der Union wäre dann nicht möglich, es sei denn, dass aufgrund nationaler Zuständigkeitsnormen eine Zuständigkeit der Gerichte des betreffenden Staates gegeben wäre.

Rechtsfolge Beispiel 1: Da der Sitz der Plattform in einem Mitgliedstaat gelegen ist, kommen die Zuständigkeitsnormen der EuGVVO zur Anwendung.

Rechtsfolge Beispiel 2: Da der Sitz der Plattform nicht in einem Mitgliedsstaat der Union gelegen ist, kommt die EuGVVO nicht zur Anwendung. Es sind daher die nationalen Rechtsvorschriften zu beachten.[53]Vgl Neumayr in ZellKomm2 4 ASGG Rz 6 (Stand 01.09.2011, rdb.at). A kann daher jedenfalls in Österreich am gewöhnlichen Arbeitsort und am Wohnsitz gemäß § 4 Abs 1 Z 1 lit a und c ASGG Klage einbringen.[54]Neumayr in ZellKomm2 4 ASGG Rz 9, 11. Ob und wie Klage in den USA, Kalifornien eingebracht werden kann, richtet sich nach dem jeweilig anwendbaren Recht in den USA.

4.3 Sondernormen für Individualarbeitsverträge

Wie in der Rom I-VO bestehen Sonderregeln für die Bestimmung der Gerichtsstände für Individualarbeitsverträge. Der unionsrechtliche, autonom auszulegende ArbeitnehmerInnenbegriff der im Rahmen der EuGVVO und der Rom I-VO gleichen sich.[55]Vgl noch zum EVÜ Czernich in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3 (2009) Art 18 Rz 4; nunmehr Art 22. Es kann daher in der Behandlung im Rahmen des Gerichtsstandrechts auf Abschnitt „Sondernormen für Arbeitsverträge“ verwiesen werden. Weiters muss es sich um Ansprüche aus einem Individualarbeitsvertrag handeln, damit die Sondernormen zur Anwendung kommen können. Dies umfasst auch alle aus dem Arbeitsverhältnis abgeleiteten Ansprüche, die auch nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses (und somit auch vor dessen Beginn) aufgrund des Arbeitsvertrages entstehen können.[56]Vgl noch zur EuGVVO (alt) Czernich in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3 Art 18 Rz 9c u 9d; nunmehr Art 21.

5. Zuständiges Gericht bei Geltung der EuGVVO neu

Im Weiteren werden, ebenso wie bei den Ausführungen zum europäischen Kollisionsrecht, nur jene Fälle näher dargestellt, bei denen die EuGVVO zur Anwendung kommt. Ebenfalls wird nur auf grundsätzliche Gerichtsstände eingegangen, Sonderregelungen für Streitgenossenschaften oder Widerklagen werden ebenfalls nicht behandelt.

5.1 Anknüpfungsmerkmale für Gerichtsstände bei Individualarbeitsverträgen

5.1.1 Klagen gegen ArbeitgeberInnen

Die EuGVVO unterscheidet bei diesen Sondernormen zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen. ArbeitgeberInnen können ArbeitnehmerInnen nur an deren gewöhnlichem Wohnsitz klagen.[57]Art 20 EuGVVO alt, nunmehr Art 22; Kozak, Kein Wohnsitz im Inland, kein nationaler Gerichtsstand, RdW 2016, 259 ff. Umgekehrt stehen den ArbeitnehmerInnen mehrere sogenannte Wahlgerichtsstände zu Verfügung, das bedeutet, dass sie sich für die Klagseinbringung zwischen mehreren an sich zuständigen (in verschiedenen Staaten gelegenen Gerichten) entscheiden können.[58]Noch zur EuGVVO (alt) Czernich, in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3 Art 19 Rz 1; Mankowski in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Vorbem Art 2 Brüssel I-VO Rz 18. Für ArbeitnehmerInnen ist also die Möglichkeit des forum shopping gegeben.

Als Wahlgerichtsstände kommen folgende Gerichte in Betracht: das Gericht,

  • in welchem der/die ArbeitgeberIn seinen/ihren (Wohn-)Sitz hat,
  • der gewöhnliche Arbeitsort (des Arbeitsverhältnisses),
  • bei Nichtvorliegen eines gewöhnlichen Arbeitsortes: die einstellende Niederlassung,
  • die Zweigniederlassung.

Im Unterschied zu den Anknüpfungsmerkmalen der Rom I-VO stellt die EuGVVO keine Ausweichklausel zu Verfügung. Ein Abgehen von obigen Wahlgerichtsständen aufgrund eines Grundsatzes der engsten Beziehung ist also rechtlich nicht vorgesehen und daher nicht möglich.

5.1.2 Klagen gegen ArbeitnehmerInnen

Im Gegensatz dazu können (wie bereits angeführt) ArbeitgeberInnen – außer bei Widerklagen gegen von ArbeitnehmerInnen erhobene Klagen – diese nur an deren Wohnsitz, unabhängig vom gewöhnlichen Arbeitsort klagen. In diesem Fall bestimmt dann die lex fori, also das Recht des Gerichtsstaates, die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Gerichtes.[59]Noch zur EuGVVO (alt): Czernich in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3 Art 20 Rz 2.

Rechtsfolge Beispiel 1: Da der Sitz der Plattform in einem EU-Mitgliedstaat gelegen ist, kommen die Zuständigkeitsnormen der EuGVVO zur Anwendung. Da A Arbeitnehmerin ist, ist die Vereinbarung des ausschließlichen Gerichtsstandes London aufgrund der Anordnung der EuGVVO unwirksam. A kann also bei Vorliegen eines Arbeitsvertrages Klage sowohl am gewöhnlichen Arbeitsort, also in Wien, als auch in London, am Sitz des Unternehmens einbringen.

5.2 Sonstiger Gerichtsstand aufgrund der EuGVVO

Liegt kein Arbeitsvertrag vor, so ist der allgemeine Gerichtsstand der (Wohn-)Sitz der beklagten Partei, wobei gerade bei Plattformen die Schwierigkeit darin liegt, herauszufinden, wer die Vertragspartei ist, die erfolgreich geklagt werden kann.[60]Noch zur EuGVVO (alt): Czernich in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3 Art 2 Rz 3; nunmehr Art 4 Abs 1. Der Wohnsitz selbst ist vom gewöhnlichen Aufenthalt einer Person zu unterscheiden.[61]Noch zur EuGVVO (alt): Mankowski in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Art 2 Brüssel I-VO Rz 2. Grundsätzlich ist für die Feststellung, ob ein Wohnsitz im Sinne der EuGVVO vorliegt, das nationale Recht des Gerichtstaates anzuwenden, wenn sich der Wohnsitz der Partei in diesem befindet. Ist dies nicht der Fall so ist das nationale Recht des Mitgliedstaates anzuwenden, in welchem die Partei ihren Wohnsitz hat.[62]Zur EuGVVO (alt): Staudinger in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Art 59 Rz 2 f; Kozak, RdW 2016, 259. Bei juristischen Personen und Gesellschaften ist der Wohnsitz nach Definition der EuGVVO der Ort, an dem sich entweder

  • der satzungsmäßige Sitz,
  • die Hauptverwaltung oder
  • die Hauptniederlassung befindet.

Dies kann dazu führen, dass diese Definition auch zu mehreren möglichen Gerichtsständen führt (Art 63 EuGVVO).[63]Zur EuGVVO (alt): Czernich in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3 Art 60 Rz 4.

Als Wahlgerichtsstand, das ist jener Gerichtsstand, der KlägerInnen zum Einbringen der Klage zur Verfügung steht, ist, wenn keine Vereinbarung vorliegt, der Ort der Verpflichtungserfüllung vorgesehen bzw bei Dienstleistungsverträgen[64]Siehe Abschnitt „Sonstige Anknüpfungsmerkmale nach der Rom I-VO“. Diese Ausführungen gelten auch für die EuGVVO. der Ort, an dem die Dienstleistung erbracht wurde oder erbracht hätte werden müssen.[65]Noch zur EuGVVO (alt): Czernich in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3 Art 5 Rz 41 f, 45; nunmehr Art 7 Z 1. Die sonstigen Wahlgerichtsstände sind für den Bereich des plattformbasierten Arbeitens ohne Bedeutung.

Rechtsfolge Beispiel 1: Unterstellt man bei diesem Sachverhalt, dass kein Arbeitsvertrag vorliegt, dann verändert sich das Ergebnis wie folgt: Da eine Gerichtsstandsvereinbarung vorliegt, kann A lediglich in London klagen.

5.3 Gerichtsstandsvereinbarung

Auch hier unterscheidet die EuGVVO zwischen Arbeitsverträgen und sonstigen Verträgen:

  • In Arbeitsverträgen kann eine (internationale) Gerichtsstandsvereinbarung nur nach Entstehung der Streitigkeit vereinbart Vor dem Entstehen einer Streitigkeit sind nur jene Vereinbarungen rechtswirksam, welche allein den ArbeitnehmerInnen zusätzliche Gerichtsstände einräumen.[66]Noch zur EuGVVO (alt): Czernich in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3Art 21 Rz 2 f. Eine Gerichtsstandsvereinbarung kann im Arbeitsverhältnis überdies nur schriftlich oder mündlich mit nachfolgender schriftlicher Bestätigung getroffen werden.[67]Noch zur EuGVVO (alt): Mankowski in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Art 21 Brüssel I-VO Rz 6; nunmehr Art 23.
    Eine Vereinbarung zusätzlicher Gerichtsstände durch ArbeitnehmerInnen erscheint jedoch ohne realistischen Anwendungsbereich. Lediglich, wenn gewöhnlicher Arbeitsort und Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin auseinanderfallen, könnte eine nachträglich getroffene Gerichtsstandsvereinbarung Erleichterungen bringen. Es ist dann jedoch fraglich, ob ArbeitgeberInnen einer solchen Vereinbarung zustimmen werden.
  • Außerhalb des Arbeitsverhältnisses können Gerichtsstandsvereinbarungen auch für zukünftige Rechtsstreitigkeiten vereinbart werden, was auch für eine Vereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) gilt. Diese haben ausschließende Wirkung, es sei denn, es wurde etwas anderes

5.4 Ergebnis

Gerade im Bereich des Zuständigkeitsrechtes zeigt sich der gegenüber sonstigen Verträgen ausgebildete Schutz für ArbeitnehmerInnen in Arbeitsverträgen. So ist durch die zahlreichen möglichen Aktivgerichtsstände die Chance für diese erhöht, bei internationalen Sachverhalten Klage führen zu können. Sind die Voraussetzungen für die ArbeitnehmerInneneigenschaft hingegen nicht erfüllt, können die VertragspartnerInnen bei dem typischerweise vorliegenden Verhandlungsungleichgewicht dafür sorgen, dass bereits eine Klagsführung unabhängig von Durchsetzungsmöglichkeiten rechtskräftiger Urteile deutlich erschwert wird.

6. Vollstreckung von Urteilen

Im Bereich der Europäischen Union werden rechtskräftig ergangene Entscheidungen ohne zusätzliches Verfahren anerkannt (Art 36 Abs 1 EuGVVO). Wurde daher das Verfahren aufgrund Vorliegens eines gewöhnlichen Arbeitsortes zB in Österreich durch den/die ArbeitnehmerIn geführt und gewonnen, so ist es möglich, im Sitzstaat des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin (zB Deutschland) die Vollstreckung ebenfalls ohne weiteres Verfahren durchzuführen (Art 39 EuGVVO). Es ist daher bei den Gerichten des Vollstreckungsstaates das nationale Verfahren für eine Exekution einzuleiten.[68]Zur EuGVVO (alt): Kodek in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3 Art 38 Rz 2. Trotz dieser Erleichterung sind insgesamt internationale Verfahren aber ohne qualifizierte Vertretung selten erfolgreich zu führen, ebenso sind Vertretungspflichten vor den Gerichten nach den jeweilig nationalen Prozessrechten zu beachten.

Die Vollstreckbarkeit von (ausländischen) Urteilen in Drittstaaten ist davon abhängig, ob völkerrechtliche Vereinbarungen vorliegen, die eine solche ermöglichen, und die Materie der Vollstreckungsregelungen ist jedenfalls komplexer als jene innerhalb der Union.

Rechtsfolgen für die Beispiele 1 und 2: In Österreich selbst liegen keine Vermögenswerte der Plattform. Eine Vollstreckung muss also in den Ländern durchgeführt werden, wo Vermögenswerte vorhanden sind (also typischerweise am Sitz der Vertragspartnerin). Deshalb ist die Vollstreckung jedenfalls im internationalen Verfahren abzuwickeln. Zu beachten ist hierbei, dass die Streitwertsummen aus typischerweise geringfügigen Betragshöhen bestehen werden. Eine Kosten-/Nutzenbetrachtung wird bei geringen Beträgen daher regelmäßig dazu führen, dass die Exekutionsverfahren (bzw bereits die Leistungsverfahren) trotz bestehender Ansprüche nicht angestrengt werden.

7. Resümee

Wie auch im nationalen Recht ist das Schutzniveau im internationalen Kollisions- und Gerichtsstandsrecht für Arbeitsverträge deutlich höher. Gleichzeitig ist die Wahrscheinlichkeit bei plattformbasiertem Arbeiten, namentlich bei virtuellem Crowdwork, im Vergleich zum sonstigen Arbeitsrecht höher, dass sich internationale Sachverhalte verwirklichen. Aufgrund dieses eminenten Schutzniveauunterschiedes ist es auch beim unionsrechtlichen Kollisions- und Gerichtsstandsrecht sozialpolitisch unabdingbar, Personen, die plattformbasiert arbeiten, diesem Schutzniveau zu unterstellen. Unabhängig von Schutzniveaus liegt die besondere Gefährdung Einzelner im Rahmen der Gig-Economy und ihrer typischen staatenübergreifenden Erscheinungsform darin, dass selten Vermögenswerte in jenem Staat liegen, in welchem CrowdworkerInnen ihren Lebensmittelpunkt haben. Somit vervielfacht sich das Risiko – es handelt sich zumeist um nominell geringe –, Ansprüche im internationalen Rechtsweg durchzusetzen, da mit den Rechtsgängen jedenfalls ein nicht unerhebliches Kostenrisiko einhergeht, das im Rahmen einer wirtschaftlichen Risikobetrachtung oftmals zur Aufgabe der Durchsetzung offener Ansprüche führt. Ebenso wichtig wie die Anpassung eines ArbeitnehmerInnenbegriffes wäre es daher, das Kostenrisiko für abhängig tätige Personen im Rahmen der internationalen Rechtsdurchsetzung zu minimieren.

Bewegen sich diese Sachverhalte im Bereich der Europäischen Union, ist zumindest das Kollisionsrecht und Gerichtsstandsrecht einheitlich. Verwirklichen sich Sachverhalte mit Drittstaaten, ohne dass das internationale Privatrecht der Union zur Anwendung kommt, nehmen Durchsetzungsrisiken und Rechtsintransparenz nochmals stark zu.

[1] Vgl Czernich/Heiss, EVÜ – Das Europäische Schuldvertragsübereinkommen (1999) Einleitung Rz 3.
[2] Verschraegen in Rummel, ABGB3 Vor Art 1 EVÜ Rz 1 (Stand 01.2004, rdb.at).
[3] Rom I-VO: VO (EG) 2008/593, ABl L 2008/177, 6; Kühteubl/Kozak, Arbeitnehmerentsendung (2010) Rz 4.
[4] Vgl zum EVÜ Czernich/Heiss, EVÜ – Das Europäische Schuldvertragsübereinkommen (1999) Art 1 Rz 5; Art 1 Abs 1 Rom I-VO.
[5] Verschraegen in Rummel, ABGB3 Art 1 EVÜ Rz 2.
[6] Verschraegen in Rummel, ABGB3 Art 1 EVÜ Rz 2.
[7] Vgl Ganglberger, Der Übergang vom IPRG zum EVÜ bei Arbeitsverhältnissen mit Auslandsbezug (2001) 123 f.
[8] Jan van Hein in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Einl Rom I-VO Rz 33; zu unterscheiden davon ist die Frage, ob in einem Mitgliedstaat der Union überhaupt geklagt werden kann (siehe Abschnitt „Internationale Gerichtszuständigkeit“).
[9] Jan van Hein in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Art 1 Rom I-VO Rz 74.
[10] Vgl bereits zum EVÜ Czernich/Heiss, EVÜ – Das Europäische Schuldvertragsübereinkommen (1999) Art 6 Rz 1.
[11] Risak, Crowdwork, ZAS 2015/3, 17.
[12] Junker, Einflüsse des europäischen Rechts auf die personelle Reichweite des Arbeitnehmerschutzes – Der Arbeitnehmerbegriff in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, EuZA 2/2016, 86; zuletzt EuGH 09.2015, Rs C-47/14, Spies v. Büllesheim, ECLI:EU:C:2015:574 Rz 36 f.
[13] Vgl unter Anführung der Judikatur: Windisch-Graetz in Mayer/Stöger, EUV/AEUV, Art 45 AEUV Rz 9 ff (Stand: August 2012, at).
[14] Junker, EuZA 2016, 190.
[15] EuGH, Spies v. Büllesheim.
[16] Junker, EuZA 2016, 186; Mankowski in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Art 18 Brüssel I-VO Rz 3.
[17] EuGH, Spies Büllesheim, unter Verweis auf EuGH 09.07.2015, Rs C-229/14, Balkaya, ECLI:EU:C:2015:455 Rz 37 (zu Massenentlassungs-RL) und in weiterer Folge auf EuGH 11.11.2010, Rs 232/09, Danosa, ECLI:EU:C:2010:674 Rz 46 (zum Mutterschutz).
[18] Junker, EuZA 2016, 198.
[19] Ebenso Junker, EuZA 2016, 191.
[20] EuGH 15.01.1987, Rs C-266/85, Shenavai, ECLI:EU:C:1987:11, Rn 16.
[21] OGH 03.1997, 9 ObA 88/97z; Kühteubl/Kozak Arbeitnehmerentsendung, Rz 419 f.
[22] Vgl Erwägung 35 der Rom I-VO.
[23] Vgl Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht II5 (2015) § 34 Rz 1.
[24] Prassl, The Concept of the Employer (2015); für Crowdworksachverhalte angewendet in Prassl/Risak, Uber, Taskrabbit, and : platforms as employers? Rethinking the legal analysis of crowdwork, Comparative Labour Law and Policy Journal 2016, 646 ff.
[25] Vgl auch Anführung bei Schörghofer, Grenzfälle der Arbeitskräfteüberlassung – langfristige Überlassung, Payrolling und die Abgrenzung vom Werkvertrag (2015) 160.
[26] Zitiert nach Risak, What’s law got to do with it, Kurswechsel 2/2016, 32 ff (38 f ).
[27] Art 8 Abs 2 Rom I-VO.
[28] Art 8 Abs 3 Rom I-VO.
[29] Art 8 Abs 4 Rom I-VO; EuGH 09.2013, Rs C-64/12, Schlecker, ECLI:EU:C:2013:551 Rz 42.
[30] Vgl dazu Jan van Hein in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Art 8 Rom I-VO Rz 65.
[31] Jan van Hein in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Art 8 Rom I-VO Rz 41.
[32] Jan van Hein in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Art 8 Rom I-VO Rz 59.
[33] Kühteubl/Kozak, Arbeitnehmerentsendung Rz 165.
[34] EuGH, Schlecker, Rz 36, 39, 42.
[35] https://www.gov.uk/national-minimum-wage-rates (15.11.2016).
[36] https://en.wikipedia.org/wiki/Minimum_wage_in_the_United_States (15.11.2016).
[37] Thorn in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Art 4 Rom I-VO Rz 22.
[38] Vgl die Einschätzung von Thorn in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Art 4 Rom I-VO Rz 19.
[39] EuGH 04.2009 Rs C-533/07, Falco Privatstiftung, ECLI:EU:C:2009:257.
[40] EuGH, Falco Privatstiftung Rz 33 ff.
[41] EuGH, Falco Privatstiftung Rz 29, 44.
[42] Der Inhalt eines Lagervertrags besteht darin, Waren entgegenzunehmen, sie an einem sicheren Ort aufzubewahren und sie der anderen Vertragspartei in angemessenem Zustand zurückzugeben. EuGH 11.2013, Rs C-469/12, Krejci Lager Umschlagbetriebs GmBH, ECLI:EU:C:2013:788, Rz 26.
[43] Vgl Thorn in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Art 4 Rom I-VO Rz 78.
[44] Vgl noch zum EVÜ: Verschraegen in Rummel, ABGB3 Art 4 EVÜ Rz 16.
[45] Kühteubl/Kozak, Arbeitnehmerentsendung Rz 184.
[46] VO EG/44/2001, ABl L 12 vom 16.01.2001, S 1–23 .
[47] VO EU/1215/2012, ABl L 351 vom 12.12.2012, S 1–32.
[48] Czernich in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3 (2009) Art 1 Rz 4.
[49] Czernich in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3 Art 1 Rz 4a.
[50] Czernich in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3 Art 1 Rz 1.
[51] Vgl das Abkommen zwischen der Europäische Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl L 79/4 vom 21.03.2013.
[52] Mankowski in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Vorbem Art 2 Brüssel I-VO Rz 10 f und Art 18 Brüssel I-VO Rz 10 ff.
[53] Vgl Neumayr in ZellKomm2 4 ASGG Rz 6 (Stand 01.09.2011, rdb.at). [54] Neumayr in ZellKomm2 4 ASGG Rz 9, 11.
[55] Vgl noch zum EVÜ Czernich in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3 (2009) Art 18 Rz 4; nunmehr Art 22.
[56] Vgl noch zur EuGVVO (alt) Czernich in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3 Art 18 Rz 9c u 9d; nunmehr Art 21.
[57] Art 20 EuGVVO alt, nunmehr Art 22; Kozak, Kein Wohnsitz im Inland, kein nationaler Gerichtsstand, RdW 2016, 259 ff.
[58] Noch zur EuGVVO (alt) Czernich, in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3 Art 19 Rz 1; Mankowski in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Vorbem Art 2 Brüssel I-VO Rz 18.
[59] Noch zur EuGVVO (alt): Czernich in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3 Art 20 Rz 2.
[60] Noch zur EuGVVO (alt): Czernich in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3 Art 2 Rz 3; nunmehr Art 4 Abs 1.
[61] Noch zur EuGVVO (alt): Mankowski in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Art 2 Brüssel I-VO Rz 2.
[62] Zur EuGVVO (alt): Staudinger in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Art 59 Rz 2 f; Kozak, RdW 2016, 259.
[63] Zur EuGVVO (alt): Czernich in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3 Art 60 Rz 4.
[64] Siehe Abschnitt „Sonstige Anknüpfungsmerkmale nach der Rom I-VO“. Diese Ausführungen gelten auch für die EuGVVO.
[65] Noch zur EuGVVO (alt): Czernich in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3 Art 5 Rz 41 f, 45; nunmehr Art 7 Z 1.
[66] Noch zur EuGVVO (alt): Czernich in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3Art 21 Rz 2 f.
[67] Noch zur EuGVVO (alt): Mankowski in Rauscher, EuZPR/EuIPR2 Art 21 Brüssel I-VO Rz 6; nunmehr Art 23.
[68] Zur EuGVVO (alt): Kodek in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht3 Art 38 Rz 2.

Kapitel 10 – Sozialversicherung in der Gig-Economy

Inhaltsverzeichnis

Mag.a Caroline Krammer, Mag.a Sarah Bruckner

Der vorliegende Beitrag beschreibt, unter welchen Voraussetzungen CrowdworkerInnen nach österreichischem Recht sozialversichert sind, welche Ansprüche aus der Sozialversicherung ihnen zustehen und auf welche Weise und von wem die Versicherungsbeiträge zu entrichten sind. Aufgrund der speziellen Relevanz für die Gig-Economy wird ein besonderes Augenmerk auf geringfügige und fallweise Beschäftigung gelegt.

1. Viel Freiheit, wenig Sicherheit?

Bin ich nach österreichischem Recht sozialversichert? Bin ich überhaupt sozialversichert? Für CrowdworkerInnen ist es anders als für außerhalb der Gig-Economy Beschäftigte keineswegs einfach, Antworten auf diese Fragen zu bekommen. Trotz umfangreicher FAQ und AGB schweigen viele Plattformen zu Fragen der Sozialversicherung.[1]Heiling/Kuba, Arbeit für/durch die Plattform, Kurswechsel 2/2016
Auch die bislang veröffentlichte rechtswissenschaftliche Literatur greift dieses Thema kaum auf, da der Fokus meist auf zivilrechtliche Aspekte des Crowdwork gerichtet wird. Grund genug, sich mit dem „blinden Fleck“ Sozialversicherung in der Gig-Economy auseinanderzusetzen.

Aufgrund der technologischen Entwicklungen und des digitalen Wandels der Wirtschaft tun sich derzeit Defizite in der sozialen Absicherung auf, weil die bestehende Rechtslage nicht auf die neuen Beschäftigungsformen „zugeschnitten“ ist. Wenngleich der vorliegende Beitrag gegenwarts- und zukunftsbezogene Rechtsfragen behandelt, ist eingangs mit Blick auf die Vergangenheit festzuhalten, dass solcherart stattfindende Prozesse – nämlich nicht aufhaltbare gesellschaftliche Veränderungen, denen die rechtlichen Entwicklungen hinterherhinken – dem Sozialversicherungsrecht immanent sind und in dessen Geschichte bereits mehrmals vorgekommen sind. Bereits die Einführung der ersten Sozialversicherungsgesetze in Österreich erfolgte nicht synchron zu den Bedürfnissen des wachsenden Industrieproletariats, sondern zu einem Zeitpunkt, als das Elend in den Städten bereits unsägliche Ausmaße angenommen hatte und die ArbeiterInnenbewegung zunehmend stärker wurde. In Österreich gab es ab etwa 1775 erste Industrieansiedlungen, mit denen auch sofort die für diese Phase charakteristischen sozialen Missstände eintraten.[2]Hofmeister, Ein Jahrhundert Sozialversicherung in Österreich (1981) Es dauerte allerdings bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, bis die ersten Sozialversicherungsgesetze in Österreich eingeführt wurden.

Da nunmehr die Digitalisierung der Arbeitswelt erneut einen gesellschaftlichen Wandel mit sich bringt, mit dem die Gefahr von Defiziten in der sozialen Absicherung einhergeht, dient die Auseinandersetzung mit sozialversicherungsrechtlichen Fragestellungen der Gig-Economy nicht nur dem Benennen konkreter Rechtsprobleme, sondern im besten Fall auch der Verkürzung der „Latenzzeit“ in Bezug auf allenfalls erforderliche Anpassungen im Sozialversicherungsrecht als Reaktion auf die teilweise bereits eingetretene Realität der digitalisierten Arbeitswelt.

2. Sozialversicherung für CrowdworkerInnen

2.1 System der Pflichtversicherung

Die österreichische Sozialversicherung umfasst die Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung. Auch die Arbeitslosenversicherung zählt zum Sozialversicherungssystem, wobei diese im Gegensatz zu den anderen Versicherungszweigen nicht durch einen eigenen Versicherungsträger in Selbstverwaltung, sondern durch den Bund (Arbeitsmarktservice) abgewickelt wird. Es besteht ein System der Pflichtversicherung. Hinsichtlich der Sozialversicherung existiert keine Wahlmöglichkeit (Ausnahme: Arbeitslosenversicherung für selbständig Erwerbstätige).

Alle selbständig und unselbständig Erwerbstätigen sind in allen Versicherungszweigen von Gesetzes wegen versichert, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind. Auch CrowdworkerInnen unterliegen der Pflichtversicherung in der Sozialversicherung. Ausgenommen sind CrowdworkerInnen, deren Einkommen unter der Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs 2 ASVG[3]Monatliche Geringfügigkeitsgrenze 2017: 425,70 Euro.) liegt; diese unterliegen nur der Teilversicherung in der Unfallversicherung (§ 7 Z 3 ASVG).

Aufgrund des oftmals niedrigen Einkommens ist davon auszugehen, dass die Geringfügigkeitsgrenze in vielen Fällen nicht überschritten wird, wodurch keine umfassende sozialversicherungsrechtliche Absicherung gegeben ist. Die Tätigkeit als CrowdworkerIn stellt jedoch oft nicht die einzige Einkommensquelle dar. In diesen Fällen stellen sich Fragen zur Zusammenrechnung der Einkommen, die in Abschnitt „Geringfügigkeit“ behandelt werden.

Die Pflichtversicherung knüpft an das Vorliegen einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit an. CrowdworkerInnen müssen entweder der einen oder der anderen Gruppe zugeordnet werden, um deren soziale Absicherung jeweils anhand der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen darstellen zu können. In der zivilrechtlichen Literatur werden CrowdworkerInnen großteils als selbständig Erwerbstätige qualifziert,[4]Zur deutschen Rechtslage: Däubler, Crowdworker – Schutz auch außerhalb des Arbeitsrechts? in Benner (Hrsg), Crowdwork – Zurück in die Zukunft? (2014). jedoch gibt es auch differenzierte Ansätze, die auf die konkrete Art und Weise des Tätigwerdens der Plattform sowie auf die konkrete Art und Weise des Tätigwerdens der CrowdworkerInnen abstellen.[5]Zur österreichischen Rechtlage: Risak, Crowdwork, ZAS 2015, 11 ff; Warter, Crowdwork (2016). Wenngleich Crowdwork als „moderne Heimarbeit“ betrachtet werden kann, so sind CrowdworkerInnen wegen des eingeschränkten Anwendungsbereiches des Heimarbeitsgesetzes dennoch nicht als HeimarbeiterInnen zu qualifizieren[6]Risak, ZAS 2015, 17., weshalb im Folgenden auf das Heimarbeitsgesetz nicht weiter eingegangen wird. Zu einer gänzlich alternativen Betrachtungsweise (funktionales DienstgeberInnenkonzept nach Prassl/Risak) siehe Abschnitt „Exkurs: Funktionales DienstgeberInnen-Konzept und Sozialversicherung“.

Der vorliegende Beitrag geht insbesondere auf die sozialversicherungsrechtliche Zuordnung der CrowdworkerInnen, auch in Abgrenzung zum Zivilrecht, ein. Es erfolgt eine Zuordnung zu einer der drei Gruppen: 1.) echte DienstnehmerInnen 2.) freie DienstnehmerInnen 3.) selbständig Erwerbstätige. Ist der/die CrowdworkerIn selbständig erwerbstätig, so steht ihm/ihr je nach Geschäftsmodell entweder die Plattform oder der/die RequesterIn (Person, die eine Dienstleistung über eine Plattform anfordert) als AuftraggeberIn gegenüber. Ist der/die CrowdworkerIn echter/echte oder freier/freie DienstnehmerIn, so steht ihm/ihr je nach Geschäftsmodell entweder die Plattform oder der/die RequesterIn als DienstgeberIn gegenüber.[7]Während Däubler (zur deutschen Rechtslage) ein Vertragsverhältnis zwischen RequesterIn und CrowdworkerInnen in der Regel ausschließt (Däubler in Benner, Crowdwork – Zurück in die Zukunft? 246 ), vertreten Risak und Warter (zur österreichischen Rechtslage) die Ansicht, dass bei bestimmten Plattform-Modellen ein Vertragsverhältnis zwischen RequesterIn und CrowdworkerInnen besteht (Risak, ZAS 2015, 15; Warter, Crowdwork 115).

2.2 Zum DienstgeberInnen-Begriff nach § 35 ASVG

Der DienstgeberInnen-Begriff ist von großer Relevanz für die Feststellung der Pflichtversicherung nach ASVG. Julcher bezieht sich auf die Rechtsprechung des VwGH[8]VwGH 16.11.2005, 2005/08/0096.: „Ob ein die Pflichtversicherung auslösendes Beschäftigungsverhältnis vorliegt, ist immer nur in Bezug auf eine andere Person, nämlich den Dienstgeber iSd § 35 Abs 1 zu prüfen […]. In einem die Pflichtversicherung feststellenden Bescheid muss daher auch ausgesprochen werden, welche konkrete Person der Dienstgeber des Beschäftigten ist, wobei die Dienstgeber-Eigenschaft voraussetzt, dass die betreffende Person Träger der einschlägigen Rechte und Pflichten sein kann, insoweit also zumindest teilrechtsfähig ist.[9]Julcher in Mosler/Müller/Pfeil (Hrsg), Der SV-Komm 35 Rz 5. Der VwGH lässt allerdings auch die Bezeichnung einer nicht rechtsfähigen Entität genügen, wenn dadurch kein Zweifel entsteht, welcher natürlichen oder juristischen Person die DienstgeberInnen-Eigenschaft zukommen soll.[10]VwGH 23.01.2008, 2007/08/0223.

Nach Julcher[11]Julcher in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 35 Rz 6. kann die DienstgeberInnen-Eigenschaft für sich alleine zwar – mangels rechtlichem Interesse oder rechtlicher Grundlage zur Feststellung – kein Gegenstand eines rechtsfeststellenden Bescheides sein.[12]VwGH 22.06.1993, 92/08/0256. Die verbindliche Feststellung eines der Pflichtversicherung unterliegenden Beschäftigungsverhältnisses umfasst jedoch auch die verbindliche Feststellung der DienstgeberInnen-Eigenschaft. So kann in diesem Fall die Eigenschaft als BeitragsschuldnerIn nicht mit dem Argument der fehlenden DienstgeberInnen-Eigenschaft bekämpft werden.[13]VwGH 16.03.1999, 97/08/0001. Wem diese Eigenschaft zukommt, unterliegt weder einer gemeinsamen Willenserklärung der VertragskontrahentInnen noch wird diese Frage nach dem in Erscheinung tretenden Sachverhalt bestimmt. Vielmehr definiert sich die DienstgeberInnen-Eigenschaft nach der im Gesetzeswortlaut des § 35 ASVG geforderten Berechtigung und Verpflichtung desjenigen/derjenigen, für dessen/deren Rechnung der Betrieb geführt wird.[14]Vgl zB VwGH 02.04.2008, 2007/08/0240. „Maßgeblich sind dabei“, so Julcher, „stets die rechtlichen Verhältnisse, nicht der nach außen in Erscheinung tretende Sachverhalt.[15]Julcher in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 35 Rz 13.

Im Zusammenhang mit der Frage, wem die Rolle des Dienstgebers/der Dienstgeberin zukommen kann, ist auf den Wortlaut des § 35 Abs 1 ASVG zu verweisen:[16]Julcher in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 35 Rz 13. Die Einstellung durch Mittelspersonen bzw die Verweisung auf Leistungen Dritter anstelle des Entgelts, ändert an der DienstgeberInnen-Eigenschaft der Person, die das Risiko des Betriebes im Gesamten trägt, nichts. Dies ist auch im Bereich des plattformbasierten Arbeitens zu beachten.

2.3 Sozialversicherung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten

Der vorliegende Beitrag behandelt die Sozialversicherung von CrowdworkerInnen ausschließlich nach österreichischem Sozialversicherungsrecht. Da in der Gig-Economy häufig grenzüberschreitende Sachverhalte anzutreffen sind, ist vorab stets die Frage zu klären, ob österreichisches Sozialversicherungsrecht anwendbar ist.

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten innerhalb des EWR (und Schweiz) ist das anzuwendende Sozialversicherungsrecht nach der VO (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (idF kurz KoordinierungsVO) zu ermitteln. Gemäß Art 11 Abs 3 lit a KoordinierungsVO unterliegt eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats. Eine in Österreich ausgeübte Tätigkeit als Neuer Selbständiger/Neue Selbständige gilt auch im Hinblick auf die in der KoordinierungsVO determinierten Regelungen als selbständige Erwerbstätigkeit, eine in Österreich ausgeübte Tätigkeit als freier/freie DienstnehmerIn gilt als Beschäftigung.[17]Neumann in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm 2 GSVG Rz 114. Der Sitz (Wohnsitz, Niederlassung oder Betriebsstätte) des/der DienstgeberIn ist für die Frage, welche nationale Rechtsordnung anwendbar ist, unerheblich.[18]Müller/Spiegel in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm 3 Rz 58. Für die Frage, von wem Sozialversicherungsbeiträge einzuheben sind, wer also BeitragsschuldnerIn im Sinne des ASVG ist, ist der Sitz des Dienstgebers/der Dienstgeberin hingegen sehr wohl von Bedeutung. Siehe Abschnitt „Melde- und Beitragspflichten in der Sozialversicherung“. Ein/Eine CrowdworkerIn, der/die als DienstnehmerIn eines deutschen Unternehmens seine/ihre Tätigkeit ausschließlich von einem Computer an seinem/ihrem Wohnsitz in Österreich ausübt, unterliegt dem österreichischen Sozialversicherungsrecht.

Auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten mit Staaten außerhalb des EWR (und Schweiz) gilt der Grundsatz, dass das Sozialversicherungsrecht jenes Staates anwendbar ist, in dem die Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Art 6 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika im Bereich der Sozialen Sicherheit[19]BGBl Nr 511/1991. regelt, dass für eine Person, die im Gebiet eines Vertragsstaates unselbständig oder selbständig erwerbstätig ist, hinsichtlich dieser Erwerbstätigkeit ausschließlich die Rechtsvorschriften dieses Vertragsstaates gelten. Weiters ist festgelegt, dass dies auch dann gilt, wenn sich der Sitz des Dienstgebers/der Dienstgeberin im Gebiet des anderen Vertragsstaates befindet. Andere zwischenstaatliche Abkommen enthalten ähnliche Bestimmungen. Österreich hat im Verhältnis zu folgenden 18 Staaten außerhalb des EWR (und Schweiz) derzeit bilaterale Abkommen geschlossen: Australien, Bosnien-Herzegowina, Chile, Indien, Israel, Kanada, Republik Korea, Kosovo (teilweise suspendiert), Mazedonien, Moldau, Montenegro, Philippinen, Serbien, Tunesien, Türkei, USA, Uruguay.[20]Liste nach https://www.sozialministerium.at/cms/site/attachments/0/9/1/CH3434/CMS1470041431373/abkommensuebersicht_1-7-2016.pdf (20.12.2016).

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten mit Staaten, die nicht im Anwendungsbereich der KoordinationsVO liegen und mit denen Österreich auch kein bilaterales Abkommen abgeschlossen hat, ist § 1 ASVG bzw § 1 GSVG maßgeblich, wonach bei einer Beschäftigung im Inland (§ 1 ASVG) bzw bei einer Erwerbstätigkeit im Inland (§ 1 GSVG) österreichisches Sozialversicherungsrecht anwendbar ist. In Bezug auf das Vorliegen einer Beschäftigung im Inland nimmt § 3 ASVG eine Konkretisierung vor. Die praktische Bedeutung von § 3 ASVG ist gering, da diese Bestimmung ausschließlich für jene Staaten gilt, die nicht im Anwendungsbereich der KoordinationsVO liegen und mit denen Österreich auch kein bilaterales Abkommen abgeschlossen hat.[21]Müller/Spiegel in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm 3 Rz 4. Gemäß § 3 Abs 1 ASVG gelten unselbständig Erwerbstätige als im Inland beschäftigt, wenn deren Beschäftigungsort im Inland gelegen ist. § 3 Abs 3 ASVG enthält einige Sonderbestimmungen, zB in Bezug auf ausländische Betriebe, die im Inland keine Betriebsstätte (Niederlassung, Geschäftsstelle, Niederlage) unterhalten: DienstnehmerInnen solcher Betriebe gelten nur dann als im Inland beschäftigt, wenn sie ihre Tätigkeit von einem im Inland gelegenen Wohnsitz aus ausüben und sie nicht aufgrund dieser Beschäftigung einem System der sozialen Sicherheit im Ausland unterliegen. Freie DienstnehmerInnen solcher Betriebe gelten nur dann als im Inland beschäftigt, wenn sie ihre Tätigkeit von einem im Inland gelegenen Wohnsitz oder einer im Inland gelegenen Arbeitsstätte (Kanzlei, Büro) aus ausüben.

CrowdworkerInnen, die ihre Tätigkeit ausschließlich oder zumindest überwiegend in Österreich ausüben, unterliegen dem österreichischen Sozialversicherungsrecht. Dies gilt in der Regel auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten (zB Plattform mit Firmensitz im Ausland).

2.4 Übersicht: Wann besteht Sozialversicherungs-Pflicht nach österreichischem Recht für CrowdworkerInnen?

Legende:

√ bedeutet: CrowdworkerIn (mit Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze) ist nach österreichischem Recht pflichtversichert (bei einem Einkommen unter der Geringfügigkeitsgrenze nur Unfallversicherung).

*) Bei einem freien Dienstverhältnis liegt eine Pflichtversicherung gemäß ASVG nur dann vor, wenn auf Seiten des Dienstgebers/der Dienstgeberin ein „Geschäftsbetrieb“ besteht (§ 4 Abs 4 Z 1 ASVG). Bei Plattformen wird in der Regel ein „Geschäftsbetrieb“ bestehen. Ist die Plattform die Dienstgeberin, so ist demnach der/die CrowdworkerIn pflichtversichert gemäß ASVG. Ist hingegen der/die RequesterIn der/die DienstgeberIn, so ist zu differenzieren: Besteht bei dem/der RequesterIn ein „Geschäftsbetrieb“, so ist der/die CrowdworkerIn pflichtversichert gemäß ASVG. Handelt es sich bei dem/der RequesterIn um eine Privatperson ohne „Geschäftsbetrieb“, so ist der/die CrowdworkerIn nicht pflichtversichert gemäß ASVG.

**) DienstnehmerInnen eines ausländischen Betriebes, der in Österreich keine Betriebsstätte unterhält, gelten nur dann als in Österreich beschäftigt, wenn sie ihre Tätigkeit von einem Wohnsitz in Österreich aus ausüben und sie nicht aufgrund dieser Beschäftigung einem System der sozialen Sicherheit im Ausland unterliegen.

***) Freie DienstnehmerInnen eines ausländischen Betriebes, der in Österreich keine Betriebsstätte unterhält, gelten nur dann als in Österreich beschäftigt, wenn sie ihre Tätigkeit von einem Wohnsitz oder einer Arbeitsstätte (Kanzlei, Büro) in Österreich aus ausüben.

3. Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung

3.1 Sozialversicherung als unselbständig Erwerbstätiger/Erwerbstätige

3.1.1 CrowdworkerInnen als DienstnehmerInnen nach ASVG

DienstnehmerInnen sind gemäß § 4 Abs 1 Z 1 ASVG pflichtversichert. Sie unterliegen der Vollversicherung, dh sie sind kranken-, pensions- und unfallversichert. Außerdem unterliegen sie der Versicherung nach § 1 Abs 1 AlVG, sind also arbeitslosenversichert.

Der Begriff des Dienstnehmers/der Dienstnehmerin ist in § 4 Abs 2 ASVG definiert:

4 Abs 2 ASVG idF BGBl 2012/17:
„(2) Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.“

Dieser sozialversicherungsrechtliche DienstnehmerInnen-Begriff zieht den Kreis der AdressatInnen weiter als der arbeitsrechtliche Begriff des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin:

61 Abs 1 ABGB: „Wenn jemand sich auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen verpflichtet, so entsteht ein Dienstvertrag; […]“

Die Tatbestandselemente des Arbeitsverhältnisses gemäß § 1151 Abs 1 ABGB sind:

  • Erbringen von Diensten auf eine gewisse Zeit,
  • Verpflichtung auf vertraglicher Grundlage sowie
  • Fremdbestimmtheit – für einen anderen in persönlicher Abhängigkeit.

Rechtsprechung und Lehre haben als wesentliches Element das Erfordernis der persönlichen Erbringung der Dienstleistung in persönlicher Abhängigkeit herausgearbeitet.[22]Rebhahn in ZellKomm² 1151 ABGB Rz 55; Krejci in Rummel (Hrsg), ABGB³ § 1151, Rz 36.

Sozialversicherungsrechtlich besteht darüber hinaus – zumindest dem Wortlaut nach – das Erfordernis der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die in § 4 Abs 2 ASVG geforderte Entgeltlichkeit des Beschäftigungsverhältnisses, die der Möglichkeit der Unentgeltlichkeit nach § 1151 ABGB entgegensteht. Außerdem sind geringfügige Beschäftigungsverhältnisse nach § 5 Abs 1 Z 2 iVm § 5 Abs 2 ASVG nur zum Teil in die Sozialversicherung einbezogen, während eine solche Entgeltgrenze für die Anwendbarkeit des Arbeitsrechts kein Abgrenzungskriterium darstellt.[23]Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm 4 Rz 66.

Eine Frage, die sich in diesem Zusammenhang in der Praxis oft stellt, ist die der Rolle der arbeitsvertraglichen Grundlage im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Qualifikation des Dienstverhältnisses. Der arbeitsrechtlichen Vertragsgrundlage kommt in der Praxis freilich eine wesentliche Rolle zu. Im ASVG ist jedoch die faktische Beschäftigung – unabhängig vom gültigen Zustandekommen des Vertrags – für das Bestehen und den Beginn einer Pflichtversicherung von Bedeutung. § 4 Abs 2 ASVG verlangt keinen gültigen oder mangelfreien Vertrag. Es entspricht dem Schutzzweck des Sozialversicherungsrechts, den Eintritt der Pflichtversicherung auch dann zu bejahen, wenn das Arbeitsverhältnis tatsächlich begonnen wurde, auch wenn die entsprechende Vereinbarung nicht zu einem gültigen Vertrag geführt hat. Die Pflichtversicherung knüpft an den Einstellungsakt an, ein rechtswirksamer Verpflichtungsakt ist nicht maßgeblich.[24]VwGH 04.12.1957, 1836/56. Darüber hinaus kommt es bei der Beurteilung von Sachverhalten auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt und nicht auf die äußere Erscheinungsform an.[25]Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 4 Rz 66.

Die in AGB auf CrowdworkerInnen-Plattformen vorgesehenen Formulierungen, die CrowdworkerInnen als unabhängige KontraktorInnen bezeichnen, sind rechtlich unbeachtlich. Sie haben lediglich Indizwirkung.[26]Warter, Crowdwork 157.

3.1.1.1 Krankenversicherung als DienstnehmerInnen

Unter der Voraussetzung, dass eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung eintritt (dh bei einem Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze[27]Vgl § 5 Abs 2 ASVG.), haben DienstnehmerInnen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung[28]Vgl § 117 ASVG.. Diese bestehen in Geldleistungen (Krankengeld) und Sachleistungen (zB Krankenbehandlung).

Im Krankheitsfall haben DienstnehmerInnen üblicherweise ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegenüber dem/der DienstgeberIn.[29]Unter Entgelt ist nicht nur Lohn und Gehalt zu verstehen, sondern auch aliquotierte regelmäßige Überstunden oder Die Dauer der Entgeltfortzahlung hängt unter anderem von der Dauer der Betriebszugehörigkeit ab. Zunächst zahlt daher der/die DienstgeberIn für zumindest sechs Wochen (bzw für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses) das Entgelt in voller Höhe weiter, danach besteht für vier Wochen Anspruch auf die Hälfte des Entgelts (zu den Details siehe § 8 AngG, §§ 2 ff EFZG). Sobald der/die DienstgeberIn nur mehr die Hälfte des Entgelts zahlt, kann beim zuständigen Krankenversicherungsträger ein Antrag auf Krankengeld[30]Vgl § 138 ASVG. gestellt werden. Wird keine Entgeltfortzahlung durch den/die DienstgeberIn geleistet, kann erst ab dem vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit Krankengeld bezogen werden. Krankengeld gebührt grundsätzlich nur, wenn der Versicherungsfall (Krankheit) während der aufrechten Pflichtversicherung, dh während des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses eintritt.[31]122 ASVG normiert darüber hinaus weitere Tatbestände, bei deren Verwirklichung Krankengeld gebührt. Die Höhe des Krankengeldes richtet sich nach dem letzten vollen Erwerbseinkommen[32]Vgl 125 ASVG. (brutto) vor Eintritt des Versicherungsfalls (der Erkrankung). Krankengeld gebührt bis zum 42. Tag der Krankheit in Höhe von 50 % und ab dem 43. Tag der Krankheit in Höhe von 60 % des letzten vollen Bruttomonatseinkommens.[33]Vgl § 141 ASVG.

Wird der/die versicherte CrowdworkerIn nach Ende der Pflichtversicherung erwerbslos, erstreckt sich gemäß § 122 Abs 2 Z 2 ASVG die sogenannte Schutzfrist in der Krankenversicherung auf sechs Wochen, sofern die „Wartezeit“ erfüllt ist. Die Voraussetzung ist eine gewisse Mindestversicherungszeit. Innerhalb der letzten 12 Monate muss der/die CrowdworkerIn mindestens 26 Wochen pflichtversichert gewesen sein. Es reicht aber auch, wenn der/die CrowdworkerIn vor Ende des Beschäftigungsverhältnisses wenigstens sechs Wochen versichert war. Personen, deren Pflichtversicherung in der Krankenversicherung endet, haben sechs Wochen danach Anspruch auf Sachleistungen.[34]Betroffen sind insbesondere Personen, die erwerbslos geworden sind und (noch) keinen Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung Tritt der Krankheitsfall innerhalb der ersten drei Wochen nach Ende der Pflichtversicherung ein, kann auch Krankengeld beantragt werden.[35]122 Abs 2 Z 2 iVm §138 ASVG

Gemäß § 122 Abs 3a ASVG sind über die Bestimmungen des Abs 2 hinaus Leistungen aus dem Versicherungsfall der Krankheit (Sachleistungen) zu gewähren, wenn Versicherungsschutz aufgrund einer Pflichtversicherung (oder einer Anspruchsberechtigung als Angehöriger/Angehörige) bestanden hat, die Erkrankung innerhalb von sechs Wochen nach dem Ende der Anspruchsberechtigung eintritt und kein anderer Anspruch auf Leistungen einer gesetzlichen Krankenversicherung gegeben ist. Das Vorliegen einer Mindestversicherungszeit wird in diesem Fall nicht vorausgesetzt!

Beispiel 1:

Ein/Eine CrowdworkerIn erhält für die Erledigung eines task im Rahmen eines Dienstverhältnisses (Dauer: ein Tag) von seiner/ihrer DienstgeberIn (zB RequesterIn) eine Geldleistung in Höhe von 500 Euro. Geht man davon aus, dass diese Geldleistung Entgelt iSd ASVG[36]Unter Entgelt sind die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der/die pflichtversicherte DienstnehmerIn aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus aufgrund des Dienstverhältnisses von dem/der DienstgeberIn oder von einem/einer Dritten erhält (…). (§ 49 Abs 1 ASVG) darstellt, so ist der/die CrowdworkerIn für diesen einen Tag in der Krankenversicherung pflichtversichert. Wird der/die CrowdworkerIn an diesem Tag krank, so stehen ihm/ihr Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankengeld, Krankenbehandlung) auch über das Ende des Dienstverhältnisses hinaus zu. Erkrankt der/die CrowdworkerIn nach Ende des Dienstverhältnisses, so greift die Schutzfrist in der Krankenversicherung.

Beispiel 2:

Ein/Eine CrowdworkerIn erhält für die Erledigung eines task im Rahmen eines Dienstverhältnisses (Dauer: ein Tag) von seinem/ihrem DienstgeberIn (zB RequesterIn) eine Geldleistungen in Höhe von 5 Euro. Geht man davon aus, dass diese Geldleistung Entgelt iSd ASVG darstellt, so tritt trotzdem KEINE Pflichtversicherung in der Krankenversicherung ein, da der/die CrowdworkerIn die Geringfügigkeitsgrenze iSd § 5 Abs 2 ASVG nicht überschreitet. In diesem Fall ist die Crowdworkerin nur in der Unfallversicherung teilversichert.[37]Besondere Probleme ergeben sich seit 01.2017 durch den Wegfall der täglichen Geringfügigkeitsgrenze. Dadurch wird der Eintritt der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung erschwert. Bei Vorliegen mehrerer Dienstverhältnisse siehe Abschnitt „Geringfügigkeit“.

3.1.1.2 Pensionsversicherung als DienstnehmerInnen

Bei einer Erwerbstätigkeit im Rahmen eines Dienstverhältnisses und einem Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze iSd § 5 Abs 2 ASVG sind DienstnehmerInnen in der Pensionsversicherung pflichtversichert.

Ein Anspruch auf eine österreichische Pensionsleistung besteht (vereinfacht gesagt) dann, wenn (in Österreich) genügend Beitragsmonate erworben wurden und das gesetzliche Pensionsantrittsalter erreicht wird.[38]Daneben gibt es die Möglichkeit vorzeitiger Pensionsantritte wegen langer Versicherungsdauer bzw aus gesundheitlichen Gründen. Wann die Pension angetreten werden kann und wie die Pensionshöhe berechnet wird, hängt unter anderem vom Geburtsdatum des/der Versicherten ab. Es kommen unterschiedliche Rechtslagen zur Anwendung, je nachdem, ob jemand vor 1955 oder nach 1955 geboren wurde.

Für Personen, die bis 31.12.1954 geboren wurden, beträgt das Regelpensionsalter für Männer 65 Jahre und für Frauen 60 Jahre. Zum Pensionsstichtag (für die Alterspension) müssen mindestens folgende Versicherungszeiten erworben worden sein: 180 Beitragsmonate (15 Jahre) der Pflichtversicherung oder freiwilligen Versicherung oder 300 Versicherungsmonate (25 Jahre, dazu zählen zum Beispiel auch Zeiten des Arbeitslosengeld- oder Notstandshilfebezuges) oder 180 Versicherungsmonate (15 Jahre) in den letzten 360 Kalendermonaten (30 Jahre).

Für Personen, die ab 01.01.1955 geboren wurden, beträgt das Regelpensionsalter für Männer 65 Jahre und für Frauen 60 Jahre. Ab dem Jahr 2024 wird das Frauenpensionsalter stufenweise angehoben und dem Männerpensionsalter angeglichen. Ab 2033 gilt ein einheitliches Regelpensionsalter von 65 Jahren für Männer und Frauen. Zum Pensionsstichtag (für die Alterspension) müssen mindestens 180 Versicherungsmonate[39]Versicherungszeiten nach dem ASVG gelten für Personen, die bis 12.1954 geboren sind. Für ab dem 01.01.1955 geborene Personen kommen diese Versicherungszeiten nur bis zum 31.12.2004 in Betracht, ab dem 01.01.2005 kommen die Normen über Versicherungszeiten nach dem APG zur Anwendung. Sind die nach alter Rechtslage anzuwendenden Wartezeitregelungen günstiger für den Versicherten/die Versicherte, so sind nach dem Günstigkeitsprinzip diese anzuwenden. (15 Jahre) erworben werden. Davon müssen mindestens 84 Versicherungsmonate (7 Jahre) aufgrund einer Erwerbstätigkeit erworben worden sein.

Wesentlich für den Erwerb eines Pensionsanspruches ist also das Erreichen einer ausreichenden Anzahl an Beitragszeiten aufgrund von Erwerbstätigkeit.

Jeder Kalendermonat, in dem mindestens Versicherungszeiten in der Dauer von 15 Tagen liegen, ist ein Versicherungsmonat in der Pensionsversicherung. Einzelne Tage der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung werden vereinfacht gesagt zu „Resttagemonaten“ zusammengefasst.[40]Vgl § 231 ASVG.

Die Pensionshöhe hängt von der Anzahl der Versicherungsmonate und der Einkommenshöhe ab. Seit der Einführung des Pensionskontos werden alle Beschäftigungszeiten für die Berechnung der Pension herangezogen. CrowdworkerInnen sind aufgrund der flexiblen Beschäftigungsstrukturen in besonderem Maße davon betroffen: Arbeitsunterbrechungen bzw Einkommen unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze und Teilzeitarbeit wirken sich negativ auf die Pensions(höhe) aus.

3.1.1.3 Unfallversicherung als DienstnehmerInnen

Auch geringfügig beschäftigte DienstnehmerInnen müssen von ihren DienstgeberInnen beim zuständigen Versicherungsträger gemeldet werden. Demnach sind DienstnehmerInnen auch bei sehr geringem Einkommen in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert.

Leistungen aus der Unfallversicherung gliedern sich in Geld- und Sachleistungen.[41]Vgl § 173 ASVG. Zu den wichtigsten Leistungen der Unfallversicherung zählen die Unfallheilbehandlung (§§ 189 bis 194 und 197 ASVG) sowie die Versehrtenrente (§§ 203 bis 205a, 207 bis 210 ASVG). Die Unfallversicherung wird leistungspflichtig, wenn ein Versicherungsfall iSd § 174 ASVG eintritt (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit). Jedenfalls muss es sich um einen Schaden an Körper oder Gesundheit handeln. Ein Arbeitsunfall, bei dem ein Sachschaden entsteht, der/die DienstnehmerIn aber keinen Gesundheitsschaden erleidet, ist sozialversicherungsrechtlich ohne Bedeutung.[42]Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm §§174–177 Rz 7.

Arbeitsunfälle sind Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen.[43]Vgl § 175 ASVG. Dh die Leistungen der Unfallversicherung stehen nur dann zu, wenn ein Unfall tatsächlich als Arbeitsunfall anerkannt wird. Während der Nachweis dafür bei Unfällen am Firmengelände oder im Büro relativ leicht zu erbringen ist, stellt sich dies bei Unfällen zB auf dem Arbeitsweg (hier muss belegt werden, dass die gewählte Route die direkte und dienstlich notwendige war und nicht ein „privater Abstecher“ vorliegt) oder in der eigenen Wohnung (zB wenn die Arbeit von zu Hause aus am eigenen PC ausgeübt wird) schwieriger dar. Ein Arbeitsunfall liegt also vor, wenn sich unmittelbar bei der versicherten Beschäftigung ein Unfall ereignet und dieser nicht (kausal) auf private Ursachen zurückzuführen ist. Bei unfallversicherten DienstnehmerInnen ist dies anzunehmen, wenn der Unfall auf folgende Zurechnungskriterien zurückzuführen ist:[44]Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm §174–177 Rz 21 ff.

  • in Erfüllung des Dienstvertrages oder
  • bei Anordnung einer Tätigkeit durch den/die DienstgeberIn oder
  • während der Ausübung von dem Betrieb dienlichen Tätigkeiten,
  • bzw wenn der/die Versicherte das Vorliegen einer dieser Situationen vertretbar annehmen konnte.

Aber auch dann, wenn sich der Unfall nicht direkt bei der Ausübungshandlung der versicherten Beschäftigung ereignet, sondern kraft Ausstrahlungswirkung mit den Risiken der versicherten Tätigkeit in Zusammenhang steht, greift der Unfallversicherungsschutz. Denkbar sind zB Arbeitskollegen, KundInnen oder Dienstreisen.

Für CrowdworkerInnen ist die gesetzliche Unfallversicherung in zweierlei Hinsicht besonders relevant. Einerseits unterliegen sie – selbst bei geringem Einkommen – dem Versicherungsschutz. Auf der anderen Seite stellt sich insbesondere aufgrund des Tätigwerdens außerhalb eines Betriebes die Frage, inwieweit der Nachweis eines Arbeitsunfalles gelingen kann.

Im Bereich des Crowdwork sind Unfälle, die sich in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausübung der versicherten Tätigkeit (zB während der Erledigung eines task am Computer) ereignen und daher gemäß § 175 Abs 1 ASVG eine Leistungspflicht der gesetzlichen Unfallversicherung auslösen können, schwer festzumachen. Jedenfalls außerhalb des Schutzbereichs liegen „eigenwirtschaftliche Tätigkeiten“, also Unfälle im Zuge der Verrichtung von Tätigkeiten im alleinigen Privatinteresse des/der CrowdworkerIn die keinen Bezug zur versicherten Beschäftigung aufweisen. Dazwischen liegen Tätigkeiten, die sowohl betrieblichen als auch privaten Interessen dienen können[45]175 ASVG: Konstellationen, in denen trotz eigenwirtschaftlichen Interessen eine geschützte Tätigkeit angenommen werden kann.. Diese liegen einzelfallbezogen unter Umständen außerhalb des Schutzbereiches der gesetzlichen Unfallversicherung. Wird ein Unfallversicherungsschutz angenommen, „neigt die Judikatur eher dazu“, die Sondertatbestände des § 175 Abs 2 ASVG „als (ihrerseits eng auszulegende) konstitutive Ergänzungen der Generalklausel zu deuten.[46]Schrattbauer, UV-Schutz bei Wegunfall in der Mittagspause, ZAS 2016,

3.1.2 CrowdworkerInnen als freie DienstnehmerInnen nach ASVG

Neben den echten DienstnehmerInnen bezieht das ASVG auch dienstnehmerInnenähnliche freie DienstnehmerInnen in die Pflichtversicherung ein. Dabei handelt es sich um Personen, die sich auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur entgeltlichen Erbringung von Dienstleistungen für einen/eine DienstgeberIn im Rahmen dessen/deren Geschäftsbetriebes (also nicht im privaten Bereich) verpflichten, sofern sie die Dienstleistungen im Wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen (§ 4 Abs 4 ASVG).

Wie bereits ausgeführt, sind freie DienstnehmerInnen nur dann nach ASVG pflichtversichert, wenn auf Seiten ihrer VertragspartnerInnen ein Geschäftsbetrieb vorliegt.

Dies ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut des § 4 Abs 4 Z 1 ASVG:

„Den Dienstnehmern stehen im Sinne dieses Bundesgesetzes Personen gleich, die sich aufgrund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten, und zwar für

1. einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes, seiner Gewerbeberechtigung, seiner berufsrechtlichen Befugnis (Unternehmen, Betrieb usw.) […]“

Laut Mosler ist diese Bestimmung „rechtspolitisch nicht unproblematisch […]. So ist der bei einem privaten Hauseigentümer mittels freiem Dienstvertrag beschäftigte Hausbetreuer nicht nach § 4 Abs 4 ASVG, sondern als Selbständiger nach GSVG versichert, auch wenn die Tätigkeit unter gleichen organisatorischen Rahmenbedingungen stattfindet und obwohl die sozialpolitische Schutzbedürftigkeit keine andere ist. Der offenkundige Zweck der Ausnahme, private DG nicht mit den administrativen Mühen des Melde- und Beitragsrechts der SV zu belasten, ist deshalb fragwürdig, weil dieselben DG nicht entlastet werden, wenn es sich um Dienstverhältnisse im privaten Bereich handelt. § 4 Abs 2 ASVG enthält nämlich keine entsprechende Ausnahmevorschrift.“ [47]Mosler, Die sozialversicherungsrechtliche Stellung freier Dienstnehmer, DRdA 2005,

In jüngeren Entscheidungen spricht der VwGH[48]VwGH 25.04.2007, 205/08/0082. von der Verpflichtung aus einem freien Dienstvertrag in der Form von gattungsmäßig umschriebenen Arbeiten, die von Seiten des Bestellers/der Bestellerin konkretisiert werden und wiederholt einige Zeit hindurch auszuführen sind.

Die Abgrenzung zu den unternehmerischen freien DienstnehmerInnen erfolgt insbesondere nach dem Kriterium der „wesentlichen Betriebsmittel“. Dieser Begriff ist nach den wirtschaftlichen Verhältnissen bei freien DienstnehmerInnen zu beurteilen.

Ein Betriebsmittel ist dann für eine (unternehmerische) Tätigkeit wesentlich, wenn

  • es nicht bloß ein geringwertiges Wirtschaftsgut ist,
  • es in das Betriebsvermögen aufgenommen ist oder
  • in erster Linie der betrieblichen Tätigkeit dient,
  • wenn es sich um ein Sachmittel handelt,

das für die konkrete Tätigkeit des/der freien Dienstnehmers/Dienstnehmerin wesentlich ist.[49]VwGH 11.06.2014, 2012/08/0245: „Grundsätzlich wird ein Betriebsmittel dann für seine (dadurch als unternehmerisch zu beurteilende) Tätigkeit wesentlich sein, wenn es sich nicht bloß um ein geringwertiges Wirtschaftsgut handelt und wenn es der freie Dienstnehmer entweder durch Aufnahme in das Betriebsvermögen (und der damit einhergehenden steuerlichen Verwertung als Betriebsmittel) der Schaffung einer unternehmerischen Struktur gewidmet hat oder wenn es seiner Art nach von vornherein in erster Linie der in Rede stehenden betrieblichen Tätigkeit zu dienen bestimmt Dabei ist stets vorausgesetzt, dass es sich um ein Sachmittel handelt, welches für die konkret in Rede stehende Tätigkeit des freien Dienstnehmers wesentlich ist.

Im Bereich des plattformbasierten Arbeitens können zB Computer, PKW oder Reinigungsmaterialien als Betriebsmittel infrage kommen. Während Computer und PKW unter Umständen nicht in erster Linie der betrieblichen Tätigkeit zu dienen bestimmt sind, handelt es sich bei Reinigungsmaterialien üblicherweise um geringwertige Güter. Know-how ist jedenfalls nicht als Sachmittel zu qualifizieren.[50]Tomandl, Die Rechtsprechung des VwGH zum Dienstnehmerbegriff, ZAS 2016, Damit verfügen freie DienstnehmerInnen in den meisten Konstellationen der Gig-Economy über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel iSd § 4 Abs 4 ASVG und sind deshalb unter diesem Aspekt als dienstnehmerInnenähnlich anzusehen und somit ASVG-versichert.

Grundsätzlich sind freie DienstnehmerInnen, die nach ASVG versichert sind, sozialversicherungsrechtlich den echten DienstnehmerInnen gleichgestellt. Unternehmerische freie DienstnehmerInnen (die über wesentliche eigene Betriebsmittel verfügen) sind hingegen nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG versichert. Das Vorhandensein einer Gewerbeberechtigung (zB für Botendienste oder Reinigungsdienstleistungen; siehe Beiträge „Haushaltsnahe Dienstleistungen: Book a Tiger“ sowie „Essenszustellung: foodora“) bewirkt jedenfalls eine Pflichtversicherung gemäß GSVG. Eine Pflichtversicherung als freier/freie DienstnehmerIn ist in diesem Fall nicht möglich. Dies ergibt sich aus § 2 Abs 1 Z 1 GSVG, wonach Mitglieder der Wirtschaftskammern pflichtversichert sind gemäß GSVG. Da der Besitz einer Gewerbeberechtigung gleichzeitig eine Mitgliedschaft in der Wirtschaftskammer bewirkt, zieht dies eine Pflichtversicherung gemäß GSVG nach sich. Eine Pflichtversicherung als freier/freie DienstnehmerIn gemäß ASVG ist in diesem Fall ausgeschlossen, da diese subsidiär zur Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs 1 Z 1 GSVG ist (siehe § 4 Abs 4 lit a ASVG).

Freie DienstnehmerInnen sind wie echte DienstnehmerInnen zur persönlichen Dienstleistung auf (bestimmte oder unbestimmte) Zeit verpflichtet. Sie unterscheiden sich von echten DienstnehmerInnen dadurch, dass sie von ihren DienstgeberInnen nicht in jenem Ausmaß persönlich abhängig sind, das die echten DienstnehmerInnen auszeichnet. Im Falle des Vorliegens eines Dauerschuldverhältnisses mit persönlicher Arbeitspflicht muss das Vorliegen der persönlichen Arbeitspflicht, das zu einer Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit über die eigene Arbeitskraft führt, geprüft werden, um festzustellen, ob ein Dienstverhältnis oder ein freies Dienstverhältnis vorliegt.[51]Tomandl, ZAS 2016, Näheres siehe unter Abschnitt „Abgrenzung echter Dienstvertrag/freier Dienstvertrag/selbständige Erwerbstätigkeit“.

3.1.2.1 Krankenversicherung freier DienstnehmerInnen

Als freie DienstnehmerInnen sind CrowdworkerInnen bei Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze in der Krankenversicherung pflichtversichert. Auch ihnen stehen – wie echten DienstnehmerInnen – Geld- und Sachleistungen aus der Krankenversicherung zu. Bei Erkrankung eines/einer freien Dienstnehmers/Dienstnehmerin ergeben sich dennoch massive arbeitsrechtliche Unterschiede im Leistungsbezug. Während echte DienstnehmerInnen zunächst Anspruch auf Entgeltfortzahlung in voller Höhe durch ihre ArbeitgeberInnen haben, ist dies bei freien DienstnehmerInnen nicht der Fall. Sie können daher erst ab dem vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit gegenüber der zuständigen Krankenkasse einen Anspruch auf Krankengeld geltend machen.

Beispiel: Ein/Eine als freier/freie DienstnehmerIn beschäftigter/beschäftigte CrowdworkerIn erkrankt während seiner/ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung. Für die ersten drei Tage der Arbeitsunfähigkeit erhält er/sie KEINE Geldleistung.

Auch bei der Berechnung des Krankengeldes bestehen Unterschiede zu den echten DienstnehmerInnen. Bei freien DienstnehmerInnen ist die Bemessungsgrundlage aus dem Durchschnitt der drei letzten Beitragszeiträume (Kalendermonate) zu bilden. Liegen solche Beitragszeiträume nicht vor, so ist der laufende Beitragszeitraum (Kalendermonat) maßgebend.[52]Vgl 125 ASVG.

Die Ausnahme für „private DienstgeberInnen“ nach § 4 Abs 4 Z 2 ASVG kann für CrowdworkerInnen problematisch werden, wenn eine vertragliche Beziehung zu einem/einer RequesterIn vorliegt, der/die den/die CrowdworkerIn im Privathaushalt (zB Reinigungskraft über Book a Tiger) beschäftigt. In diesem Fall kommt es auch bei Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze NICHT zum Eintritt der Vollversicherung nach ASVG.

3.1.2.2 Pensionsversicherung freier DienstnehmerInnen

An dieser Stelle wird auf die Ausführungen in Abschnitt „Pensionsversicherung als DienstnehmerInnen“ verwiesen.

3.1.2.3 Unfallversicherung freier DienstnehmerInnen

Besonderheiten für CrowdworkerInnen ergeben sich beim Versicherungsschutz bei häuslichen und nicht betrieblichen Arbeiten iSd § 175 Abs 2 Z 3 ASVG: Dieser besteht nicht bei Personen, deren Pflichtversicherung nur bei Tätigkeit im Betrieb des Dienstgebers/der Dienstgeberin eintritt, also bei Menschen, die als freie DienstnehmerInnen beschäftigt sind.[53]Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm 175 Rz 236.

3.2 Sozialversicherung als selbständig Erwerbstätiger/Erwerbstätige[54]Auf genaue Ausführungen zu Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung wird in diesem Beitrag Sehr ausführlich und praxisnah: Korn, Werkverträge freie Dienstverträge7 (2016).

Neue Selbständige und Selbständige mit Gewerbeschein unterliegen unter bestimmten Voraussetzungen der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach GSVG. Der Unfallversicherungsschutz ist im ASVG geregelt.

3.2.1 Selbständig Erwerbstätige mit Gewerbeschein

Natürliche Personen, die Mitglieder der Wirtschaftskammer sind, unterliegen der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs 1 Z 1 GSVG grundsätzlich unabhängig von der Einkommenshöhe. Da der Besitz einer Gewerbeberechtigung gleichzeitig eine Mitgliedschaft in der Wirtschaftskammer bewirkt, unterliegen CrowdworkerInnen mit Gewerbeberechtigung der Pflichtversicherung in der Kranken- und Unfallversicherung gemäß GSVG. Der Beitrag zur Unfallversicherung nach §§ 8 Abs 1 Z 3 lit a iVm 74 Abs 1 ASVG ist ein festgesetzter Betrag ebenfalls unabhängig von der Einkommenshöhe (2017: 9,33 Euro).

Eine Ausnahme von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung besteht unter anderem für Kleingewerbetreibende iSd § 4 Abs 1 Z 7 GSVG, die sich – sofern in den letzten 60 Monaten nicht mehr als 12 Monate eine Pflichtversicherung im GSVG bestanden hat – auf Antrag von der Versicherungspflicht befreien lassen können, wenn sie die zwölffache Geringfügigkeitsgrenze[55]2017: 5.108,40 Euro. nicht übersteigen. Ausnahmen sind unter bestimmten Voraussetzungen auch für Personen, die das Regelpensionsalter erreichen bzw das 57. Lebensjahr vollendet haben, sowie für BezieherInnen von Kinderbetreuungsgeld möglich. Eine weitere relevante Ausnahmebestimmung betrifft Personen, die das Ruhen ihres Gewerbes bei der Wirtschaftskammer angezeigt haben.

Die Pflichtversicherung beginnt gemäß §§ 6, 7 GSVG mit dem Tag der Erlangung einer die Pflichtversicherung begründenden berufsrechtlichen Berechtigung und endet mit dem Ende des Kalendermonats, in dem die die Pflichtversicherung begründende Berechtigung erloschen ist.

Eine Gewerbeberechtigung nach GSVG schließt jedoch eine Pflichtversicherung als DienstnehmerInnen nach dem ASVG nicht aus, wenn bei Ausübung der tatsächlichen Tätigkeit die Merkmale persönlicher Arbeit überwiegen.[56]VwGH 02.09.2015, 2015/08/0078. Ein Vorrang der GSVG-Versicherung besteht jedoch bei freien DienstnehmerInnen, die eine Gewerbeberechtigung besitzen.[57]4 Abs 4 lit a ASVG.

3.2.2 Neue Selbständige

Nach GSVG pflichtversichert in der Kranken- und Pensionsversicherung sind auch „selbständig erwerbstätige Personen, die aufgrund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn aufgrund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist.[58]2 Abs 1 Z 4 GSVG.

Unter die Pflichtversicherung als neue Selbständige fallen alle Personen, die – wie dem Wortlaut des § 2 Abs 1 Z 4 GSVG zu entnehmen ist – Einkünfte aus Gewerbebetrieb iSd § 23 EStG oder selbständiger Tätigkeit iSd § 22 EStG erzielen und nicht bereits einer Pflichtversicherung nach GSVG (Erwerbstätige mit Gewerbeschein) oder ASVG (insbesondere als dienstnehmerInnenähnliche freie DienstnehmerInnen iSd § 4 Abs 4 ASVG) unterliegen. Neue Selbständige sind unter anderem Personen, die aufgrund eines freien Dienstvertrages tätig sind, über wesentliche Betriebsmittel verfügen oder ihre Tätigkeit im Wesentlichen nicht persönlich erbringen, bzw Personen, deren ArbeitgeberIn im freien Dienstvertrag eine Privatperson ist. Auch Personen, die im Rahmen von Werkverträgen iSd § 1151 ABGB tätig werden, sind mit ihren selbständigen Einkünften aus betrieblicher Tätigkeit als neue Selbständige pflichtversichert, sofern nicht eine Pflichtversicherung als „alte“ Selbständige mit Gewerbeberechtigung vorliegt.[59]Vgl Korn, Werkverträge freie Dienstverträge7, 132 ff.

Der Eintritt der Pflichtversicherung neuer Selbständiger ist abhängig von der Überschreitung der Versicherungsgrenze (Gewinn im Kalenderjahr) nach § 4 Abs 1 Z 5 und 6 GSVG. „Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, daß seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die Versicherungsgrenze übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im nachhinein festzustellen.“[60]2 Abs 1 Z 4 GSVG.

Die Pflichtversicherung als neue Selbständige beginnt gemäß § 6 Abs 4 GSVG grundsätzlich mit dem Tag der Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit. Allerdings unter der Voraussetzung, dass die Versicherungsgrenze überschritten wird, bzw eine sogenannte Überschreitungserklärung beim zuständigen Versicherungsträger abgegeben wird. Die Versicherungsgrenze ist nunmehr einheitlich die zwölffache Geringfügigkeitsgrenze nach ASVG (2017 somit 5.108,40 Euro).[61]25 Abs 4 GSVG.

Neue Selbständige haben den Eintritt der Voraussetzungen für den Beginn und das Ende der Pflichtversicherung binnen eines Monats nach deren Eintritt dem/der VersicherungsträgerIn zu melden (§ 18 GSVG). Hat jedoch der/die Versicherte die erforderliche Meldung nicht innerhalb der Frist gemäß § 18 GSVG erstattet, beginnt die Pflichtversicherung bereits mit Beginn des Kalenderjahres, in dem die Einkünfte die Versicherungsgrenze übersteigen, es sei denn, der/die Versicherte macht glaubhaft, dass er/sie die betriebliche Tätigkeit zu einem späteren Zeitpunkt begonnen hat.

Für neue Selbständige, die gemäß § 3 Abs 1 Z 2 GSVG freiwillig in die Krankenversicherung optieren, beginnt die Pflichtversicherung mit dem Tag der Antragstellung bei dem/der zuständigen VersicherungsträgerIn, sofern die Voraussetzungen (Unterschreiten der Versicherungsgrenze, Nichtvorliegen einer Pflichtversicherung nach GSVG oder einem anderen Bundesgesetz) vorliegen.

Die Pflichtversicherung endet gemäß § 7 Abs 4 GSVG mit dem letzten Tag des Kalendermonats, in dem die Beendigung der betrieblichen Tätigkeit erfolgt, die berufsrechtliche Berechtigung wegfällt oder der/die neue Selbständige erklärt, dass seine/ihre Einkünfte die Versicherungsgrenze nicht überschreiten werden.

Grundsätzlich geht die SVA (Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft) als zuständige Sozialversicherungsträgerin von einer kontinuierlichen Erwerbstätigkeit aus. In der Regel berücksichtigt sie Unterbrechungen der Tätigkeit während des Kalenderjahres nicht. Sie geht nur dann von einer tatsächlichen Beendigung der Erwerbstätigkeit aus, wenn die Einstellung der Tätigkeit endgültig ist. In Fällen bloß zeitweiser Untätigkeit, in denen keine Aufträge vorhanden sind, geht die SVA von einer bloß vorläufigen Beendigung aus, die Versicherungspflicht bleibt also aufrecht.[62]Korn, Werkverträge freie Dienstverträge7, 158

4. Geringfügigkeit

4.1 Allgemeines

CrowdworkerInnen mit einem Einkommen unter der Geringfügigkeitsgrenze sind von der Vollversicherung ausgenommen; es besteht nur eine Teilversicherung in der Unfallversicherung. An dieser Stelle wird das Vorliegen von Geringfügigkeit bei unselbständig tätigen CrowdworkerInnen behandelt. Näheres zu selbständig tätigen CrowdworkerInnen siehe Abschnitt „Sozialversicherung als selbständig Erwerbstätige“.

Ein Beschäftigungsverhältnis gilt als geringfügig, wenn daraus im Kalendermonat kein höheres Entgelt als 425,70 Euro (Wert 2017) gebührt (§ 5 Abs 2 ASVG).[63]Mit 01.2017 gehört die tägliche Geringfügigkeitsgrenze der Vergangenheit an. Ab diesem Zeitpunkt ist daher für die Beurteilung, ob ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, nur mehr die monatliche Geringfügigkeitsgrenze heranzuziehen.

Kein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis liegt vor, wenn das im Kalendermonat gebührende Entgelt den Betrag nur deshalb nicht übersteigt, weil die für mindestens einen Monat oder auf unbestimmte Zeit vereinbarte Beschäftigung im Laufe des betreffenden Kalendermonates begonnen oder geendet hat oder unterbrochen wurde.

Es ist zu prüfen:

a) Für welchen Zeitraum wurde das Dienstverhältnis vereinbart? (mindestens für einen Monat oder kürzer)
b) Wann beginnt oder endet das Dienstverhältnis?
c) Wie hoch ist das im Kalendermonat gebührende Entgelt?

Ad a)

Bei CrowdworkerInnen, die Leistungen von kurzer Dauer (Microtasks) erbringen, sind in zivilrechtlicher Hinsicht kurze, befristete, zulässige Kettenverträge anzunehmen. Dies gilt auch für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung (Beginn und Ende der Pflichtversicherung).

Ad b)

Hier ist insbesondere beachtlich, ob ein (befristetes) Dienstverhältnis innerhalb eines Kalendermonats beginnt und endet. Wird die Kalendermonatsgrenze überschritten, ist jeder Kalendermonat hinsichtlich des Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze gesondert zu betrachten.

Ad c)

CrowdworkerInnen erhalten in der Regel Entgelt pro task (dh pro kurzem, befristeten Dienstvertrag). In den meisten Fällen wird die Erledigung des tasks (das Dienstverhältnis) kürzer als ein Kalendermonat dauern. Bei unbefristeten bzw für mindestens ein Monat[64]„Zumindest für einen Monat vereinbart“ bedeutet: gesamter Kalendermonat von Monatserstem bis Monatsletzten (zB 01.06. bis 06.), bei Überschreitung der Kalendermonatsgrenze bemisst sich ein „Monat“ zB wie folgt: 07.02. bis 06.03. oder 17.11. bis 16.11. befristeten Dienstverhältnissen ist für die Feststellung des Vorliegens von Geringfügigkeit das vereinbarte Entgelt für den gesamten Kalendermonat maßgeblich („Hochrechnung“ auf das gesamte vereinbarte Monatsentgelt, vgl § 5 Abs 2 ASVG). Bei für kürzer als ein Monat befristeten Dienstverhältnissen ist für die Feststellung des Vorliegens von Geringfügigkeit nur das für die Dauer des Dienstverhältnisses vereinbarte Entgelt maßgeblich (keine „Hochrechnung“ auf das Monatsentgelt, vgl § 5 Abs 3 zweiter Satz ASVG).

Zusammenrechnung von Einkommen

Das Entgelt aus zwei oder mehreren geringfügigen Dienstverhältnissen (niemals aber das Entgelt aus einem vollversicherten Dienstverhältnis und einem geringfügigen Dienstverhältnis) ist gemäß §§ 471f ff ASVG zusammenzurechnen. Wenn deren monatliche allgemeine Beitragsgrundlagen insgesamt die Geringfügigkeitsgrenze übersteigen, kommt es zum Eintritt der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung, niemals jedoch zum Eintritt einer Pflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung. Einkommen aus selbständiger und unselbständiger Tätigkeit werden nicht zusammengerechnet.

4.2 Beispiele[65]Die folgende Darstellung entspricht zum Teil dem NÖDIS Beitrag (http://bit.ly/2gyfTL6; 01.2017). Sie wurde durch eigene Beispiele ergänzt und zusätzlich erläutert. Die Ergebnisse sind mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger abgestimmt.

4.2.1 Für kürzer als einen Monat vereinbarte Crowdwork-Tätigkeit (Dienstverhältnis)

Es ist immer jenes Entgelt heranzuziehen, das für die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses gebührt bzw gebührt hätte. Wird die Kalendermonatsgrenze überschritten, sind beide Kalendermonate hinsichtlich des Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze gesondert zu betrachten.

Beispiel:

Befristetes Dienstverhältnis (task) vom 03.08. bis 05.08. (kürzer als ein Monat). Das Entgelt beträgt 90,– Euro (unter der Geringfügigkeitsgrenze).

Lösung: Geringfügige Beschäftigung vom 03.08. bis 05.08., Unfallversicherung vom 03.08. bis 05.08, aber keine Kranken-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung.

Variante zum Beispiel:

Befristetes Dienstverhältnis (task) vom 31.7. bis 29.8., Entgelt im Juli (ein Tag) 50,– Euro. Entgelt im August 1.450,– Euro (29 Tage).

Lösung: geringfügig beschäftigt im Juli[66]Keine Hochrechnung auf das für einen ganzen Kalendermonat vereinbarte Entgelt, da kein unbefristetes bzw für mindestens einen Monat vereinbartes Dienstverhältnis und Pflichtversicherung vom 01.08. bis 29.08[67]11 ASVG.. Die Geringfügigkeitsgrenze wird im Juli nicht überschritten.

4.2.2 Mehrere befristete Crowdwork-Tätigkeiten (Dienstverhältnisse) bei demselben/derselben DienstgeberIn (Kettenverträge)

Liegen mehrere Dienstverhältnisse zum/zur selben DienstgeberIn vor, sind diese stets getrennt zu betrachten. Zu prüfen ist jedoch, ob durch diese geringfügige Beschäftigungen in einem Kalendermonat insgesamt die Geringfügigkeitsgrenze überschritten wird.

Beispiel 1:

Befristetes Dienstverhältnis zu DienstgeberIn A (Plattform/RequesterIn) vom 04.10. bis 10.10. (kürzer als ein Monat). Das Entgelt vom 04.10. bis 10.10. beträgt 174,– Euro (unter der Geringfügigkeitsgrenze).

Befristetes Dienstverhältnis zu DienstgeberIn A (Plattform/RequesterIn) vom 18.10. bis 24.10. (kürzer als ein Monat). Das Entgelt vom 18.10. bis 24.10. beträgt 174,– Euro (unter der Geringfügigkeitsgrenze).

Befristetes Dienstverhältnis zu DienstgeberIn A (Plattform/RequesterIn) vom 29.10. bis 30.10. (kürzer als ein Monat). Das Entgelt vom 29.10. bis 30.10. beträgt 58,– Euro (unter der Geringfügigkeitsgrenze).

Lösung: Es liegen drei geringfügige Beschäftigungen vor und es wird auch insgesamt die monatliche Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten (174+174+58=406). Unfallversicherung vom 04.10. bis 10.10., vom 18.10. bis 24.10. und vom 29.10. bis 30.10, aber keine Kranken-, Pensions-, Arbeitslosenversicherung.

Beispiel 2:

Befristetes Dienstverhältnis vom 25.02. bis 07.03. (also kürzer als einen Monat). Entgelt in jedem Monat 350,– Euro (unter der Geringfügigkeitsgrenze).

Lösung: Geringfügige Beschäftigung vom 25.02. bis 07.03., Unfallversicherung vom 25.02. bis 07.03., aber keine Kranken-, Pensions-, Arbeitslosenversicherung.

4.2.3 Mehrere befristete Crowdwork-Tätigkeiten (Dienstverhältnisse) bei unterschiedlichen DienstgeberInnen

Liegen mehrere Dienstverhältnisse zu verschiedenen DienstgeberInnen vor, sind diese stets getrennt zu betrachten. Hinsichtlich des Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze sind diese jedoch gemeinsam zu bewerten.

Beispiel 1:

Unbefristetes Dienstverhältnis zu DienstgeberIn A (nicht Crowdwork), Beginn 01.01., Ende 05.03. (einvernehmliche Lösung). Vereinbartes Entgelt für einen ganzen Kalendermonat 1.200,– Euro (über der Geringfügigkeitsgrenze).

Befristetes Dienstverhältnis (Crowdwork) zu DienstgeberIn B (Plattform/RequesterIn) vom 24.02. bis 26.02. (also kürzer als einen Monat), Entgelt 50,– Euro (unter der Geringfügigkeitsgrenze).

Lösung: Vollversicherung vom 01.01. bis 05.03.; Vollversicherte, die zusätzlich in einem geringfügigen Dienstverhältnis (hier: 50,– Euro) stehen, sind auch mit dem Einkommen aus dem geringfügigen Dienstverhältnis kranken- und pensionsversichert (§ 53a Abs 3 ASVG).

Beispiel 2:

Unbefristetes Dienstverhältnis zu DienstgeberIn A (nicht Crowdwork), Beginn 01.01., Ende 05.03. (einvernehmliche Lösung). Vereinbartes Entgelt für einen ganzen Kalendermonat 1.200,– Euro (über der Geringfügigkeitsgrenze).

Befristetes Dienstverhältnis (Crowdwork) zu DienstgeberIn B (Plattform/RequesterIn) vom 02.03. bis 08.03. (also kürzer als einen Monat), Entgelt 200,– Euro (= unter der Geringfügigkeitsgrenze).

Lösung: Vollversicherung vom 01.01. bis 05.03. § 417f ASVG kommt nicht zur Anwendung, da sich diese Bestimmung nur auf mehrere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse bezieht. Hier wird die Geringfügigkeitsgrenze im Dienstverhältnis zu DienstgeberIn A nur deshalb nicht überschritten, weil das Dienstverhältnis im Laufe des Kalendermonats endet. Dennoch sind Vollversicherte, die zusätzlich in einem geringfügigen Dienstverhältnis stehen, auch mit dem Einkommen aus dem geringfügigen Dienstverhältnis krankenund pensionsversichert (§ 53a Abs 3 ASVG). Kranken- und Pensionsversicherung liegen für den gesamten Kalendermonat (01.03. bis 31.03.) vor.

Beispiel 2 Variante:

Unbefristetes Dienstverhältnis zu DienstgeberIn A (nicht Crowdwork), Beginn 01.01., Ende 05.03. (einvernehmliche Lösung). Vereinbartes Entgelt für einen ganzen Kalendermonat 1.200,– Euro (über der Geringfügigkeitsgrenze).

Befristetes Dienstverhältnis (Crowdwork) zu DienstgeberIn B (Plattform/RequesterIn) vom 07.03. bis 09.03. (also kürzer als einen Monat), Entgelt 200,– Euro (unter der Geringfügigkeitsgrenze).

Lösung: Vollversicherung vom 01.01. bis 05.03. § 417f ASVG kommt nicht zur Anwendung, da sich diese Bestimmung nur auf mehrere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse bezieht. Eine Beitragsvorschreibung nach § 53a Abs 3 ASVG kommt nicht in Betracht, weil die vollversicherte Beschäftigung vor dem Beginn der geringfügigen Beschäftigung endet. In diesem Fall ist die vollversicherte Person, die zusätzlich in einem geringfügigen Dienstverhältnis steht, mit dem Einkommen aus dem geringfügigen Dienstverhältnis nicht kranken- und pensionsversichert (§ 53a Abs 3 ASVG), da keine zeitliche Überschneidung vorliegt.

Beispiel 3:

Befristetes Dienstverhältnis zu DienstgeberIn A (Palttform/RequesterIn), Beginn: 2.02., Ende 5.02., Vereinbartes Entgelt: 20,– Euro (unter der Geringfügigkeitsgrenze).

Befristetes Dienstverhältnis zu DienstgeberIn B (Plattform/RequesterIn), Beginn: 17.02., Ende 19.02., vereinbartes Entgelt: 20,– Euro (unter der Geringfügigkeitsgrenze).

Lösung: Unfallversicherung von 02.02. bis 05.02. sowie von 17.02. bis 19.02, keine Kranken-, Pensions-, Arbeitslosenversicherung.

Beispiel 4:

Befristetes Dienstverhältnis zu DienstgeberIn A (Plattform/RequesterIn) vom 04.10. bis 10.10. (kürzer als ein Monat). Das Entgelt vom 04.10. bis 10.10. beträgt 200,– Euro (unter der Geringfügigkeitsgrenze).

Befristetes Dienstverhältnis zu DienstgeberIn A (Plattform/RequesterIn) vom 18.10. bis 24.10. (also kürzer als ein Monat). Das Entgelt vom 18.10. bis 24.10. beträgt 200,– Euro (unter der Geringfügigkeitsgrenze).

Befristetes Dienstverhältnis zu DienstgeberIn A (Plattform/RequesterIn) vom 29.10. bis 30.10. (also kürzer als ein Monat). Das Entgelt vom 29.10. bis 30.10. beträgt 58,– Euro (unter der Geringfügigkeitsgrenze).

Lösung: Es liegen drei geringfügige Beschäftigungen im selben Kalendermonat vor. Insgesamt wird in einem Kalendermonat ein Entgelt in Höhe von 458 Euro erzielt. Dadurch wird die Geringfügigkeitsgrenze (2017: 425,70 Euro) überschritten. Pflichtversicherung in der Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung von 04.10. bis 31.10. (siehe § 471h ASVG), aber keine Arbeitslosenversicherung[68]§ 471f ff ASVG. (siehe §§ 471f ff ASVG).

5. Abgrenzung echter Dienstvertrag/freier Dienstvertrag/selbständige Erwerbstätigkeit

5.1 Abgrenzungskriterien des VwGH

Ob der VwGH ein bestimmtes entgeltliches Beschäftigungsverhältnis im Bereich der Gig-Economy als sozialversicherungsrechtliches Dienstverhältnis qualifizieren würde, ob also die wesentlichen Elemente, die ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ausmachen (persönliche Arbeitspflicht, Vorschriften über Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten, sowie darauf bezogene Weisungs- und Kontrollunterworfenheit des/der Beschäftigten) vorliegen, lässt sich nur sehr schwer voraussagen.[69]Tomandl, ZAS 2016, 271. Im Folgenden wird ein Überblick über die Rsp des VwGH gegeben.

5.1.1 Dienstleistung oder Werk?

Dienstleistungen als gattungsmäßig umschriebene Leistungen, die seitens der BestellerInnen laufend konkretisiert werden, stellen die konstante Zurverfügungstellung der Arbeitskraft in den Mittelpunkt, möglich ist dies sowohl in persönlicher Abhängigkeit als auch in Unabhängigkeit von dem/der BestellerIn.[70]VwGH 24.04.2014, 2012/08/0081.

Wenn Dienstleistungen abstrakt in einzelne zeitlich oder mengenmäßig beschränkte Abschnitte („Werke“ oder „Tasks“) zerlegt werden, ändert dies allein noch nichts am Vorliegen eines Dienstvertrages.[71]VwGH 24.04.2014, 2013/08/0258.

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist auch die Entscheidung des VwGH, in der der Inhaber einer Gewerbeberechtigung für das „Verspachteln von Ständerwänden zur Beseitigung von Unebenheiten und Stößen“, der nur für ein einziges Unternehmen arbeitete und von diesem montierte Gipskartonplatten verspachtelte, als Dienstnehmer qualifiziert wurde. Die Frage, ob der Beschäftigte als selbständiger Subunternehmer zu qualifizieren sei, wies der Gerichtshof zurück, da der Beschäftigte über keine eigene betriebliche Organisation und, abgesehen vom benützten Werkzeug, über keine beachtenswerten Betriebsmittel verfügt und ausschließlich seine eigene Arbeitskraft eingebracht hatte. Ein Werkvertrag müsste sich auf die entgeltliche Herstellung eines Werkes als eine individualisierte, konkretisierte und gewährleistungstaugliche Leistung beziehen, die eine in sich geschlossene Einheit bildet. Werden unter den vorliegenden Umständen (Fehlen einer eigenen betrieblichen Organisation und Beschränkung auf die Disposition über die eigene Arbeitskraft) laufend zu erbringende (Dienst-) Leistungen nur in (zeitliche oder nach Mengen definierte) Abschnitte zerlegt und zu „Werken“ erklärt, um diese zum Gegenstand der Leistungsverpflichtung zu machen, so ist dies bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§ 539a ASVG) für die Beurteilung der Pflichtversicherung nicht maßgebend […]“.[72]VwGH 02.07.2013, 2013/08/0106.

Die kurze Dauer eines Vertragsverhältnisses (wie es für die Erbringung von Microtasks beim virtuellen Crowdwork üblich ist), schließt nicht aus, dass es sich dabei um ein Dienstverhältnis handelt.[73]VwGH 14.02.2013, 2011/08/0115.

Ein Werkvertrag als Zielschuldverhältnis liegt demgegenüber dann vor, wenn eine Verpflichtung besteht, eine genau umrissene Leistung, auf die sich das Interesse des Werkbestellers/der Werkbestellerin richtet, zu erbringen. Das Endprodukt steht im Mittelpunkt.[74]VwGH 29.04.2015, 2013/08/0196. Das Vertragsverhältnis endet mit Erbringung der Leistung.[75]VwGH 20.05.1980, 2397/79.

5.1.2 Persönliche Arbeitspflicht

Die persönliche Arbeitspflicht als Grundvoraussetzung für das Vorliegen persönlicher Abhängigkeit ist zu verneinen, wenn übernommene Dienste ohne Sanktionen durch den/die DienstgeberIn (Plattform, RequesterIn) abgelehnt werden können. „Essenziell ist hier, dass bereits zugesagte Dienstleistungen jederzeit abgesagt werden können, der Auftraggeber also nicht verlässlich mit der Arbeitsleistung rechnen kann. Ein solches Ablehnungsrecht kommt somit nur (ausnahmsweise) dann in Betracht, wenn der Betrieb so organisiert ist, dass der DG jederzeit Ersatzkräfte heranziehen kann. Erforderlich ist demnach in der Regel ein entsprechend großer Arbeitskräftepool, wobei meist nur einfache Arbeiten einer jederzeitigen „Ersetzbarkeit“ zugänglich sein werden[76]VwGH 15.07.2013, 2013/08/0124..[77]Auer-Mayer, Abgrenzung Werkvertrag-Dienstvertrag-freier Dienstvertrag aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht, ZAS 2016,

Der Arbeitskräftepool steht auf vielen Crowdwork-Plattformen zur Verfügung, auch die jederzeitige Inanspruchnahme anderer CrowdworkerInnen entspricht der Organisationsstruktur vieler Plattformen. CrowdworkerInnen haben aber häufig mit Sanktionen in Form von schlechter oder fehlender Reputation zu rechnen, wenn sie angebotene Tasks nicht annehmen (so zB bei Uber, Beitrag „Transportdienstleistungen: Uber“) bzw diese nicht innerhalb der vorgegebenen gewissen Zeitspanne bearbeiten (so zB bei Clickworker, Beitrag „Virtuelles Crowdwork: Clickworker“), weshalb hier nicht von einer sanktionslosen Ablehnung gesprochen werden kann.

Ähnliches geht auch aus der Entscheidung des VwGH vom 01.10.2015 hervor[78]VwGH 01.10.2015, 2015/08/0020.: Wenn einer Dienstgeberin für einfache Aushilfsarbeiten ein Pool vergleichbarer Arbeitskräfte zur Verfügung steht, die jederzeit abrufbar sind und es nicht relevant ist, von welcher Person die Arbeiten verrichtet werden, wobei den Mitgliedern des Pools gestattet ist, jederzeit einzelne Arbeitsleistungen nach Gutdünken sanktionslos ablehnen zu können oder wenn diese Möglichkeit dem DienstnehmerInnen bekannt war, liegt kein durchgehendes Beschäftigungsverhältnis vor.[79]Vgl Tomandl, ZAS 2016, 264.

Anders ist der Fall jedoch zu beurteilen, wenn innerhalb einer Rahmenvereinbarung angebotene Beschäftigungsmöglichkeiten abgelehnt werden können und daher von vornherein keine durchgängige Arbeitspflicht vorliegt. Können Beschäftigte selbst frei und sanktionslos entscheiden, ob sie die jeweils angebotene Arbeitsmöglichkeit annehmen, ist der Rahmenvertrag alleine noch kein (durchgehendes) Dienstverhältnis.[80]VwGH 21.12.2005, 2004/08/0066.

Bei einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis iSd § 4 Abs 2 ASVG kommt – anders als im Falle einer Tätigkeit aufgrund eines freien Dienstvertrages iSd § 4 Abs 4 ASVG […] in Fällen, in denen erst die Übernahme einer konkreten Arbeitsverpflichtung eine Arbeitspflicht begründet, kein durchgehendes, jedoch eventuell ein tageweises oder periodisch wiederkehrendes Dienstverhältnis in Frage. Liegt keine (für ein durchgehendes Beschäftigungsverhältnis erforderliche) ausdrückliche oder iSd § 863 ABGB schlüssige Vereinbarung über eine im Voraus (schon vor dem Abschluss der jeweiligen Einzelverträge) bestimmte periodische Leistungspflicht des Dienstnehmers, dh über seine Verpflichtung, an bestimmten oder doch bestimmbaren Tagen Arbeit zu leisten, und über eine korrespondierende Verpflichtung des Dienstgebers, den Dienstnehmer zu beschäftigen bzw ihm zumindest Entgelt für im Voraus vereinbarte Beschäftigungen zu bezahlen, vor, oder besteht zwar eine Rahmenvereinbarung über grundsätzliche Verpflichtungen dieser Art, aber mit dem (durchgehende Beschäftigungsverhältnisse ausschließenden) Recht des Dienstnehmers, die Übernahme ihm angebotener einzelner Aufträge abzulehnen, ist von nur einzelnen Be- schäftigungsverhältnissen des Dienstnehmers mit dem Dienstgeber an den jeweiligen Beschäftigungstagen auszugehen, sofern die zur Rede stehenden konkreten Arbeitsleistungen in persönlicher Abhängigkeit erbracht werden. Eine tatsächlich feststellbare periodisch wiederkehrende Leistung ist ein Indiz für die genannte schlüssige Vereinbarung (vgl das hg Erkenntnis vom 14. Februar 2013, 2012/08/0268).[81]VwGH 17.12.2015, 2013/08/0222.

Für die Frage, ob sich CrowdworkerInnen im Rahmen ihrer Tätigkeit in einem durchgehenden Beschäftigungsverhältnis befinden, ist darauf abzustellen, ob eine (schlüssige) Pflicht zum Tätigwerden bzw eine feststellbare, periodisch wiederkehrende Leistung vorliegt.

Ein weiteres Ausschlusskriterium persönlicher Arbeitspflicht ist die Möglichkeit, sich generell und jederzeit vertreten zu lassen.[82]VwGH 11.06.2014, 2012/08/0157. Nicht ausreichend ist dafür, dass sich mehrere bei dem/der VertragspartnerIn beschäftigte Personen gegenseitig vertreten können.[83]Auer-Mayer, ZAS 2016, 130.

Ein solches generelles Vertretungsrecht ist im Bereich des plattformbasierten Arbeitens nicht anzunehmen, da CrowdworkerInnen Tasks in der Regel selbst ausführen. Übernehmen andere auf der Plattform registrierte CrowdworkerInnen diesen task, so ist nicht von einem generellen Vertretungsrecht auszugehen.

5.1.3 Persönliche Abhängigkeit

Bei Vorliegen persönlicher Arbeitspflicht wird in einem zweiten Schritt geprüft, ob die Merkmale persönlicher Abhängigkeit überwiegen. Neben der Bindung an Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten, ist hier insbesondere auf Weisungs- und Kontrollbefugnisse hinzuweisen.[84]VwGH 14.10.2015, 2013/08/0226. Während der Bindung an Arbeitsort und Arbeitszeit nur dann eigenständige Indizienwirkung für die Frage des Vorliegens persönlicher Abhängigkeit zukommen, wenn nicht aus der Art der Tätigkeit selbst eine solche Bindung folgt, kommt der Weisungs- und Kontrollbefugnis eine erhebliche Bedeutung zu.

Bei Beurteilung der Weisungsgebundenheit kommt es in erster Linie nicht auf fachliche Weisungen, sondern auf die Gebundenheit in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten an […], weil Weisungen in Bezug auf das Arbeitsverfahren in der Realität des Arbeitslebens nicht immer erwartet werden können, da sich schon bei einer geringen Qualifikation des Arbeitenden ein gewisser eigener fachlicher Entscheidungsbereich findet, der sich mit steigender Qualifikation entsprechend erweitert […]. Das Fehlen von Weisungen in Bezug auf das Arbeitsverfahren spricht daher für sich genommen nicht gegen eine Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit […]. Im Übrigen ist es aber gerade bei leitenden Angestellten häufig der Fall, dass eine Überwachung im Sinne des Weisungs- und Kontrollrechtes des Dienstgebers von diesem nicht stets nach außen erkennbar ausgeübt wird. In diesem Fall muss aber für den Arbeitgeber zumindest die Möglichkeit der Ausübung des Weisungs- und Kontrollrechtes bestanden haben“.[85]VwGH 19.02.2014, 2013/08/0160.

Für die Gig-Economy bekräftigt dies als ein weiteres Argument die Annahme des Vorliegens eines Dienstverhältnisses, da Plattformen häufig mit umfassenden Kontrollmechanismen ausgestattet sind, und damit für die ArbeitgeberInnen (wenn die PlattformbetreiberIn als solche verstanden werden) also zumindest die Möglichkeit eines Weisungs- und Kontrollrechtes besteht.

Wenn oben genannte Kriterien keine endgültige Einordnung möglich machen, kommen nach der Rsp folgende Hilfskriterien zur Anwendung: die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, Weisungsrechte in Bezug auf Arbeitsverfahren, Konkurrenzverbote oder die Art der Entgeltleistung.[86]VwGH 29.04.2015, 2013/08/0198.Die geschilderten Kriterien spielen dabei häufig dann eine Rolle, wenn eine Person nicht in eine Betriebsorganisation ieS eingegliedert ist, sondern, wie etwa ein Vertreter, Außendienstmitarbeiter oder Taxifahrer, ‚im delegierten Aktionsbereich eines Unternehmens‘ (VwGH 2012/08/0261[87]VwGH 14.02.2013, 2012/08/0261.) tätig wird.“ [88]Auer-Mayer, ZAS 2016, 132.

Bei dislozierten Beschäftigungsverhältnissen, bei denen die Beschäftigten ihre Tätigkeit in Abwesenheit der DienstgeberInnen außerhalb der jeweiligen Betriebsorganisation ausüben, zeigt sich die persönliche Abhängigkeit regelmäßig in einer die persönliche Bestimmungsfreiheit einschränkende Kontrollmöglichkeit oder durch persönliche Weisungen der DienstgeberInnen.

Bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, kann bei einer solchen Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers – in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte – das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden“.[89]VwGH 25.06.2013, 2013/08/0093; so auch Tomandl, ZAS 2016, 265.

5.1.4 Wirtschaftliche Abhängigkeit

Wirtschaftliche Abhängigkeit liegt vor, wenn der/die Beschäftigte über keine eigenen Betriebsmittel verfügt, keine Verfügungsgewalt über die Unternehmensstruktur besteht und der wirtschaftliche Erfolg dem/der DienstgeberIn zugutekommt. Wirtschaftliche Abhängigkeit ist nicht gleichzusetzen mit Lohnabhängigkeit. Insbesondere bedeutet das Vorliegen einer hauptberuflichen Tätigkeit nicht, dass eine wirtschaftliche Abhängigkeit von einer Nebentätigkeit deshalb zu verneinen ist, weil auch aus der hauptberuflichen Tätigkeit ein Entgelt bezogen wird.[90]VwGH 31.01.2007, 2005/08/0177.

Wenn Crowdwork als „Nebenbeschäftigung“ ausgeübt wird, spricht das nicht gegen das Vorliegen des Kriteriums der wirtschaftlichen Abhängigkeit.

Spezifische Relevanz erlangt die wirtschaftliche Abhängigkeit allerdings, wenn die persönliche Abhängigkeit verneint und ein freier Dienstvertrag angenommen wird. Verfügt der Betroffene in einem solchen Fall über keine Gewerbeberechtigung und wird für einen von § 4 Abs 4 ASVG erfassten Auftraggeber tätig, hängt die Abgrenzung der Pflichtversicherung als freier DienstnehmerInnen iS des ASVG und ‚Neuer Selbständiger‘ iS des GSVG nach dem Gesagten davon ab, ob dieser die Arbeitsleistung im Wesentlichen persönlich und ohne wesentliche eigene Betriebsmittel erbringt.“ [91]Auer-Mayer, ZAS 2016, 132. Dazu siehe oben Abschnitt „Persönliche Abhängigkeit“.

5.2 Das Scheingeschäft und der wahre wirtschaftliche Gehalt

Die „Scheinselbständigkeit“ als Flucht aus dem Arbeits- und Sozialrecht ist kein neues Phänomen, soll aber im Kontext mit dem plattformbasierten Arbeiten nicht außer Acht gelassen werden. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass zum Teil versucht wird, sozialversicherungsrechtliche Melde- und Beitragspflichte durch entsprechende Vertragsgestaltung auf die CrowdworkerInnen zu überwälzen. Dem begegnet die Judikatur mit der Bezugnahme auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt. Auszugehen ist grundsätzlich von der vertraglichen Gestaltung, für die die Vermutung der Richtigkeit spricht,[92]VwGH 18.08.2015, 2013/08/0121.
sofern nicht Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Scheinvertragsverhältnisses vorliegen. Für die Beurteilung von Sachverhalten nach dem ASVG ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend.[93]Vgl § 539a Abs 1 ASVG. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Beurteilung maßgebend. Telos dieser Bestimmung ist unter anderem die Sicherung der Beiträge in der Sozialversicherung – speziell im Umlagesystem.[94]Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm 539a Rz 1. Wenn also kein Vertrag vorliegt oder die tatsächliche Abwicklung des Beschäftigungsverhältnisses dem konkreten oder konkludenten Vertragsinhalt zuwiderläuft, dann ist iS der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise der tatsächliche Vollzug desselben maßgeblich. Im Ergebnis kommt es also auf die tatsächlich gelebten Verhältnisse an.

Die tatsächliche Abwicklung der Beschäftigungsverhältnisse von CrowdworkerInnen – und nicht der (schriftliche) Vertrag oder Bestimmungen in den AGB der Plattform – sind für die Beurteilung der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung maßgebend.

Im Falle eines Zeitungskolporteurs, dem vertraglich die Berechtigung eingeräumt wurde, einzelne Arbeitsleistungen abzulehnen, entschied der VwGH, dass diese Befugnis mit dem tatsächlich gelebten straff organisierten Vertriebssystems nicht vereinbar gewesen wäre.[95]VwGH 31.01.1995, 92/08/0213.

Vergleichbar ist die in den AGB der Crowdwork-Plattformen eingeräumte Möglichkeit, einzelne Tasks abzulehnen. Die Ablehnung von Arbeit hat im Rahmen des konkreten Geschäftsmodelles und des engmaschigen Bewertungssystems der Plattformen bisweilen erhebliche Konsequenzen für die Beschäftigten. In einem solchen Fall ist bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise von der Möglichkeit, eine derartige Befugnis tatsächlich in Anspruch nehmen zu können, nicht auszugehen.

Vereinbarungen, durch die die Anwendung des ASVG zum Nachteil der Versicherten im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt werden, sind unwirksam. § 539 ASVG steht jedoch einer Gestaltung der vertraglichen Beziehungen in Form eines freien Dienstvertrages bzw eines Werkvertrages nicht per se entgegen. „Das Abstellen auf die tatsächliche und nicht auf die vertraglich vereinbarte Art der Beschäftigung hat Auswirkungen auch bei nichtigen Vereinbarungen. Sozialversicherungsrechtlich ändert diese Nichtigkeit nämlich nichts an der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses, solange dieses tatsächlich durchgeführt wird. So kann etwa die Überwälzung des Wirtschaftsrisikos auf den Beschäftigten die Gesamtnichtigkeit des jeweiligen Vertrags zur Folge haben, dennoch besteht die Sozialversicherungspflicht, solange die Beschäftigung in persönlicher Abhängigkeit tatsächlich erfolgt, weil es ‘bei der gebotenen Mitberücksichtigung der Verträge auf die darin zum Ausdruck kommende willentliche Gestaltung der Parteien ankommt […], wenn die Beschäftigung entsprechend dieser willentlichen Gestaltung abläuft‘ (VwGH 31. 1. 1995, 92/08/0213).“ [96]Tomandl, ZAS 2016,

Während also isolierte Vereinbarungen mit dem Inhalt der Abbedingung versicherungs- bzw beitragsrechtlicher Bestimmungen unter den Anwendungsbereich des § 539 ASVG fallen, unterliegt die Gestaltung eines Vertragsverhältnisses, das eine ASVG-Versicherungspflicht von vornherein nicht begründet, allenfalls § 539a ASVG.

In den meisten Fällen ist jedoch davon auszugehen, dass kein Einvernehmen zwischen den VertragspartnerInnen über den Abschluss eines Scheingeschäfts vorliegt, sondern der Vertragsinhalt vielmehr von den (vertragsgestaltenden) DienstgeberInnen ausgeht, weshalb nicht von einem einvernehmlichen Scheingeschäft gesprochen werden kann, sondern vielmehr unrichtig bezeichnete Dienstverträge vorliegen. Die Intention der DienstgeberInnen ist in Wahrheit eine Intensität der Verfügbarkeit der Beschäftigten, die einem Dienstvertrag entspricht und nicht einem Werkvertrag.[97]Vgl Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm 539a Rz 38.

5.3 Dauer des Beschäftigungsverhältnisses

5.3.1 Allgemeines

Bei CrowdworkerInnen, die Leistungen von kurzer Dauer (sogenannte Microtasks) erbringen, stellt sich die Frage, ob jeder task ein befristetes Dienstverhältnis darstellt oder ob während der Dauer des Zurverfügungstehens auf der Plattform ein durchgängiges Dienstverhältnis vorliegt. Wird ein/eine CrowdworkerIn über einen längeren Zeitraum immer wieder tageweise beschäftigt, sind in zivilrechtlicher Hinsicht in der Regel kurze, befristete (zulässige!) Kettenverträge anzunehmen.[98]Risak, ZAS 2015, 17. Dies gilt auch für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung (Beginn und Ende der Pflichtversicherung). Diesfalls kommen (unter der Annahme, dass auch die anderen Voraussetzungen erfüllt sind) die Bestimmungen über die tageweise (fallweise) Beschäftigung (§§ 471a ff ASVG) zur Anwendung.

Liegt jedoch eine Vereinbarung über ein durchgängiges Beschäftigungsverhältnis vor, so finden die Regelungen über Beginn und Ende der Pflichtversicherung (§§ 10, 11 ASVG)[99]471h ASVG bestimmt als Spezialnorm zu §§ 10, 11 ASVG wann die Pflichtversicherung beginnt bzw endet. und Beitragszeitraum (§ 44 ASVG) Anwendung. Fehlt eine ausdrückliche Vereinbarung, stellt der VwGH[100]ZB VwGH 21.11.2001, 97/08/0395; 07.09.2005, 2002/08/0215. darauf ab, ob eine periodisch wiederkehrende Leistung, die im Vorhinein verbindlich festgelegt wurde (zB durch einen Dienstplan), vorliegt. Eine solche periodisch wiederkehrende Leistung kann ausdrücklich oder iSd § 863 ABGB schlüssig vereinbart werden. Darunter sind „Vereinbarungen über eine im Voraus (schon vor dem Abschluss der jeweiligen Einzelverträge) bestimmte periodische Leistungspflicht des Dienstnehmers, dh über seine Verpflichtung, an bestimmten oder doch bestimmbaren Tagen Arbeit zu leisten, und über eine korrespondierende Verpflichtung des Dienstgebers, den Dienstnehmer zu beschäftigen bzw. ihm zumindest Entgelt für im Voraus vereinbarte Beschäftigungen zu bezahlen“ [101]VwGH 17.12.2015, 2013/08/0222., zu verstehen. Wenn keine Vereinbarung über eine periodisch wiederkehrende Leistung vereinbart ist oder zwar eine „Rahmenvereinbarung über grundsätzliche Verpflichtungen dieser Art, aber mit dem (durchgehende Beschäftigungsverhältnisse ausschließenden) Recht des Dienstnehmers, die Übernahme ihm angebotener einzelner Aufträge abzulehnen“[102]VwGH 17.12.2015, 2013/08/0222., sind nur die reinen Beschäftigungszeiten als Beschäftigungsverhältnisse anzusehen. Dann kommen die Regelungen der §§ 471a–471e ASVG zur Anwendung.[103]VwGH 07.09.2005, 2002/08/0215. Das ist nach Mosler>[104]Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 471c Rz 4. vor allem unter der Voraussetzung anzunehmen, dass angebotene Aufträge grundlos abgelehnt werden können und der Leistungszeitpunkt von den Beschäftigten weitgehend oder gänzlich selbst zu bestimmen ist.

5.3.2 Fallweise Beschäftigung

Von fallweiser Beschäftigung spricht man, wenn Personen in unregelmäßiger Folge tageweise bei demselben/derselben DienstgeberIn beschäftigt werden, sofern die Beschäftigung für eine kürzere Zeit als eine Woche vereinbart ist. Dies wird bei CrowdworkerInnen in vielen Fällen zutreffen. Es gelten die Sonderbestimmungen der §§ 471a ff ASVG.[105]Die § 471a bis e ASVG treten am 31.12.2017 außer Kraft. Wenn das Beschäftigungsverhältnis für eine Woche oder länger vereinbart ist, ist eine fallweise Beschäftigung ausgeschlossen, ebenso bei periodisch wiederkehrenden Arbeitseinsätzen (zB jede Woche ein Tag von 8.00 bis 12.00 Uhr). Eine Beschäftigung von mehreren Tagen hintereinander fällt auch dann nicht unter die §§ 471a ff ASVG, wenn das Beschäftigungsverhältnis weniger als eine Woche dauert.[106]Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm 471c Rz 3.

Die Frage, ob die §§ 471a ff ASVG auch für freie DienstnehmerInnen iSd § 4 Abs 4 ASVG zur Anwendung kommen, bejaht Mosler. Zwar lässt der Begriff „fallweise beschäftigte Personen“ die Einbeziehung der freien DienstnehmerInnen zu, jedoch ist in § 471c ASVG nur von „Dienstnehmer“ die Rede. Beschäftigungsverhältnisse (auch geringfügig Beschäftigte) nach § 4 Abs 4 ASVG sind aber denen nach § 4 Abs 2 ASVG grundsätzlich gleichgestellt. Daher ist laut Mosler im Zweifel davon auszugehen, dass nicht nur – soweit das ASVG keine Abweichungen vorsieht – die allg Bestimmungen zum Melde- und Beitragsrecht für freie DienstnehmerInnen gelten sondern auch die Meldevereinfachungen für fallweise Beschäftigte.“ [107]Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm 471c Rz 5. Der VwGH[108]VwGH 17.12.2015, 2013/08/0222. unterscheidet hingegen sehr wohl zwischen Dienstverträgen und freien Dienstverträgen: Bei einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis iSd § 4 Abs 2 ASVG kommt – anders als im Falle einer Tätigkeit aufgrund eines freien Dienstvertrages iSd § 4 Abs 4 ASVG – in Fällen, in denen erst die Übernahme einer konkreten Arbeitsverpflichtung eine Arbeitspflicht begründet, kein durchgehendes, aber möglicherweise ein tageweises oder periodisch wiederkehrendes Dienstverhältnis infrage. Ist eine periodisch wiederkehrende Leistung tatsächlich feststellbar, so ist dies ein Indiz für eine schlüssige Vereinbarung.[109]VwGH 04.08.2014, 2013/08/0272.

Bei fallweise Beschäftigten ist jeder Arbeitstag als eigenständiges Dienstverhältnis zu betrachten. Nur dann, wenn das dem/der DienstnehmerIn im betreffenden Kalendermonat gebührende Entgelt die Geringfügigkeitsgrenze (den nach § 5 Abs 2 ASVG geltenden Betrag) übersteigt, kommt es zu einer Pflichtversicherung.[110]471c ASVG, RV SVÄG 2016. Andernfalls sind fallweise Beschäftigte nur nach § 7 Z 3 ASVG in der Unfallversicherung pflichtversichert.

Die Beitragsgrundlagen (Entgelt) der geringfügigen (fallweisen) Beschäftigungen in einem Kalendermonat werden zusammengerechnet. Übersteigt das tägliche Entgelt die tägliche Höchstbeitragsgrundlage[111]2017: 166,– Euro., so wird dennoch maximal diese herangezogen.[112]Siehe auch Abschnitt „Sozialversicherung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten“. Übersteigt dieser Betrag die Geringfügigkeitsgrenze (den nach § 5 Abs 2 ASVG geltenden Betrag), so tritt eine Pflichtversicherung ein. Diese beginnt mit dem ersten Tag der fallweisen Beschäftigung und dauert bis zum Ende des jeweiligen Kalendermonats (§ 471h ASVG).

5.3.3 Beispiele

Beispiel 1:

10.01. Entgelt 200,– Euro = unter der Geringfügigkeitsgrenze (2017: 425,70 Euro)

15.01. Entgelt 200,– Euro = unter der Geringfügigkeitsgrenze

27.01. Entgelt 200,– Euro = unter der Geringfügigkeitsgrenze

Lösung: Die tägliche Höchstbeitragsgrundlage von 166,– Euro wird an allen drei Tagen überschritten. Zählt man gemäß § 471f ASVG die Beitragsgrundlagen (nicht die Entgelte!) der drei Tage zusammen, ergibt sich ein Betrag von 498,– Euro, damit wird die Geringfügigkeitsgrenze überschritten und es tritt gemäß § 471h eine Pflichtversicherung von 10.01. bis 31.01. ein. Die Pflichtversicherung von 10.01. bis 31.01. wird erst im Folgejahr von der zuständigen Krankenkasse festgestellt. Dh diese ist nicht sofort, sondern erst nachträglich bei dem/der VersicherungsträgerIn vermerkt. Dennoch können Leistungen (zB Arztbesuch) sofort in Anspruch genommen werden. Dafür muss der/die DienstnehmerIn mit der zuständigen Krankenkasse Kontakt aufnehmen und die anfallenden Beiträge im Vorhinein leisten.

Beispiel 2:

05.01. Entgelt 100,– Euro= unter der Geringfügigkeitsgrenze (2017: 425,70 Euro)

06.01. Entgelt 100,– Euro = unter der Geringfügigkeitsgrenze

18.01. Entgelt 500,– Euro = über der Geringfügigkeitsgrenze

20.01. Entgelt 500,– Euro = über der Geringfügigkeitsgrenze

Lösung: Am 18.01. und am 20.01. tritt Vollversicherung ein. Eine Zusammenrechnung mit den geringfügigen Beschäftigungen (05.01. und 06.01.) findet nicht statt, weil sich die Regelung in § 471f ASVG nur auf mehrere geringfügige Dienstverhältnisse bezieht und nicht auf die Zusammenrechnung von einem vollversicherten Dienstverhältnisse mit einem geringfügigen. Hierfür gibt es eine Regelung in § 53a ASVG, aber nur für die überschneidenden Zeiträume des vollversicherten Dienstverhältnisses mit dem geringfügigen Dienstverhältnis.
Variiert man das Beispiel, indem am 18.01. und am 20.01. ein Entgelt von jeweils 150,– Euro verdient wird, entsteht eine durchgehende Pflichtversicherung in der Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung von 05.01. bis 31.01.

Beispiel 3:

a) DienstnehmerIn 1 beschäftigt bei DienstgeberIn A

04.02., Entgelt 300,– Euro = unter der Geringfügigkeitsgrenze 17.02., Entgelt 150,– Euro = unter der Geringfügigkeitsgrenze

Lösung: Obwohl das Entgelt insgesamt 450,– Euro beträgt, tritt keine Vollversicherung ein. Die Beitragsgrundlagen der zwei Tage sind bis zur täglichen Höchstbeitragsgrundlage (166,– Euro) zusammenzurechnen (166 x 2 = 332). Damit wird die monatliche Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten (keine Vollversicherung).

b) DienstnehmerIn 2 beschäftigt bei DienstgeberIn A

10.02., Entgelt 200,– Euro = unter der Geringfügigkeitsgrenze 15.02., Entgelt 200,– Euro = unter der Geringfügigkeitsgrenze 17.02., Entgelt 500,– Euro = über der Geringfügigkeitsgrenze

Lösung: Am 17.02. tritt Vollversicherung ein. Eine Zusammenrechnung mit den geringfügigen Beschäftigungen (10.02., 15.02.) findet nicht statt, weil sich § 471f ASVG nur auf mehrere geringfügige Dienstverhältnisse bezieht.

Vergleich Beispiel 3 a) und b):

Beträgt das Entgelt am 17.02. 200,– Euro, so kommt es zu einer Zusammenrechnung gemäß § 471f ASVG; in diesem Fall besteht eine Pflichtversicherung von 10.02. bis 28.02.

Beträgt das Entgelt am 17.02. 500,– Euro, so erfolgt keine Zusammenrechnung (des vollversicherten Einkommens mit dem geringfügigen Einkommen); eine Vollversicherung liegt in diesem Fall nur am 17.02. vor. Es besteht also ein (sozialpolitisch fragwürdiger) Gestaltungsspielraum.

6. Melde- und Beitragspflichten in der Sozialversicherung

6.1 Meldepflichten

Gemäß § 33 Abs 1 ASVG haben die DienstgeberInnen die Anmeldung beim zuständigen Krankenversicherungsträger, dessen Zuständigkeit sich in der Regel nach dem Beschäftigungsort richtet (§ 30 ASVG), vorzunehmen. Seit 01.01.2008 hat die Anmeldung gemäß § 33 Abs 1 und Abs 1a ASVG[113]IdF BGBl I 2007/31. vor Arbeitsantritt zu erfolgen. Dies gilt mit Abweichungen auch für fallweise beschäftigte Personen (§§ 471a–471e ASVG). Die Versicherungspflicht tritt aber unabhängig von der Erstattung von Meldungen oder deren Richtigkeit und Vollständigkeit bei Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen ein. Die Abmeldung hat binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung zu erfolgen. Verstöße gegen die Meldepflichten sind gemäß § 111 ASVG zu sanktionieren. Gemäß § 4 Abs 3 AlVG gelten die An- und Abmeldungen arbeitslosenversicherungspflichtiger Personen zur gesetzlichen Krankenversicherung auch als Meldungen zur Arbeitslosenversicherung. Für freie Dienstverträge iSd § 4 Abs 4 ASVG gelten die gleichen Bestimmungen wie für echte Dienstverträge. Die Verpflichtung zur An- und Abmeldung der freien DienstnehmerInnen beim zuständigen Versicherungsträger trifft den/die DienstgeberIn. Hat der/die DienstgeberIn den Sitz im Ausland, so gelten mitunter abweichende Melde- und Beitragspflichten (siehe dazu Abschnitt „Exkurs: Funktionales DienstgeberInnen-Konzept und Sozialversicherung“). Bei selbständiger Erwerbstätigkeit ist der/die CrowdworkerIn selbst meldepflichtig.

6.2 Beitragspflichten

Der/Die DienstgeberIn hat die Versicherungsbeiträge abzuführen und ist berechtigt, den auf den/die Versicherten/Versicherte entfallenden Beitragsteil vom Entgelt abzuziehen (§ 60 ASVG).[114]Auch für die Abfuhr des Arbeitslosenversicherungs-Beitrages und des Sonderbeitrages (§ 2 Abs 1 und 2 AMPFG) gelten die Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung über den Abzug des Versicherungsbeitrages vom Der/Die DienstgeberIn haftet auch für die Abfuhr der Beiträge. Wird kein Dienstverhältnis angenommen, so trifft die Plattform bzw den/die RequesterIn keine Verpflichtung zur Beitragsabfuhr. Dieser Umstand trägt mitunter zur Wahl des Werkvertragskonstruktes bei. BeitragsschuldnerIn für DienstgeberInnen- und DienstnehmerInnen-Anteile ist ausschließlich der/die DienstgeberIn (§ 58 Abs 2 ASVG). Wesentliche Intention des sozialversicherungsrechtlichen DienstgeberInnen-Begriffs ist es, sicherzustellen, dass die Beitragspflichten (§ 58 ASVG) denjenigen/diejenige treffen, dem/der die Leistungen der Beschäftigten wirtschaftlich zugutekommen. Wird ein Dienstverhältnis angenommen, so trifft die Beitragspflicht im Bereich des plattformbasierten Arbeitens entweder die Plattform oder den/die RequesterIn als DienstgeberIn. Wird kein Dienstverhältnis angenommen, so trifft die Beitragspflicht den/die selbständige CrowdworkerIn.

7. Exkurs: Funktionales DienstgeberInnen-Konzept und Sozialversicherung

7.1 Allgemeines

Eine Sonderstellung in der zivilrechtlichen Literatur nimmt das von Prassl/Risak entwickelte Konzept des/der funktionalen Arbeitgebers/Arbeitgeberin (aufgrund des sozialversicherungsrechtlichen Kontextes an dieser Stelle „Konzept des/der funktionalen Dienstgebers/Dienstgeberin“) ein.[115]Risak, What´s law got to do with it?, Kurswechsel 2/2016, 32–41; Prassl/Risak, Uber, Taskrabbit, & Co: Platforms as Employers? Rethinking the Legal Analysis of Crowdwork, Comparative Labour Law & Policy Journal 2016, Dieses Konzept bricht mit der klassischen zivilrechtlichen Dichotomie DienstnehmerIn/DienstgeberIn. Crowdwork wird in der Regel über dreipersonale Verhältnisse (Plattform, CrowdworkerIn, RequesterIn) erbracht. Das funktionale DienstgeberInnen-Konzept besagt, dass nicht alle gesetzlichen Bestimmungen und insbesondere Verpflichtungen, die den/die DienstgeberIn betreffen, nur eine Person treffen müssen. Die DienstgeberInnen-Rechte und -Pflichten können je nach Funktion, die die betreffenden Personen in einem Mehrpersonenverhältnis erfüllen, unter Umständen auf zwei oder sogar mehrere Personen des Crowdwork-Verhältnisses aufzuteilen sein. Diesem Konzept zufolge erfüllen DienstgeberInnen jedenfalls fünf Funktionen:

  1. Begründung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses,
  2. Recht auf Arbeit, dh auf Leistungserbringung und deren Ergebnisse,
  3. Bereitstellung von Arbeit und Bezahlung des Arbeitsentgelts,
  4. Management des unternehmensinternen Markts im Sinne der Koordination und Kontrolle aller Produktionsfaktoren, einschließlich der Möglichkeit, zu bestimmen, welche Leistungen wie zu erbringen sind,
  5. Management des unternehmensexternen Markts, dh die wirtschaftliche Leitung des Unternehmens und die Tragung des

Dieser funktionelle Ansatz kann für jeden/jede CrowdworkerIn zu einer Reihe von potenziellen DienstgeberInnen führen, wobei nicht alle der gesamten Bandbreite an arbeitsrechtlichen Verpflichtungen ausgesetzt sind, sondern nur jenen, die der Ausübung der jeweiligen DienstgeberInnen-Funktion entsprechen. Es zählt alleine die Ausübung einer bestimmten Funktion, um Verantwortung auszulösen – spezifisch begrenzt auf den jeweiligen Bereich.

Nach der derzeitigen Rechtslage schuldet der/die DienstgeberIn die auf den/die Versicherten/Versicherte entfallenden Beiträge und hat diese auch an den Versicherungsträger abzuführen (vgl § 58 ASVG). Im Geltungsbereich der KoordinierungsVO gilt dies auch dann, wenn keine Betriebsstätte in Österreich vorliegt. Außerhalb des Geltungsbereichs der KoordinierungsVO trifft hingegen den/die DienstnehmerIn die unmittelbare Beitragspflicht, wenn der/die DienstgeberIn seinen/ihren Sitz außerhalb des Geltungsbereichs der KoordinierungsVO hat (vgl § 53 Abs 3 lit b ASVG, zB Plattform mit Sitz in den USA, CrowdworkerIn in Österreich). Die Frage, wer dem/der CrowdworkerIn als DienstgeberIn gegenübertritt und wo die Betriebsstätte des/der jeweiligen Dienstgebers/Dienstgeberin liegt, spielt also eine wesentliche Rolle für die sozialversicherungsrechtlichen Melde- und Beitragspflichten.

Die Dienstgebereigenschaft ist ein Tatbestandselement sowohl für die Feststellung der Versicherungspflicht als auch für die Verpflichtung zur Entrichtung von Beiträgen. Sie kann aber nicht Gegenstand einer isolierten Rechtsfeststellung sein, weil dafür – anders als bei der Feststellung der Versicherungspflicht als Vorfrage in Bezug auf die Beitragspflicht – weder ein rechtliches Interesse noch eine besondere gesetzliche Grundlage besteht.[116]VwGH 16.03.1999, 97/08/0001. Bescheidgegenstand kann aber des Bestehen einer Versicherungspflicht ( § 410 Abs 1 Z 1 ASVG) und die Haftung für Beitragsschulden (§ 410 Abs 1 Z 4 ASVG) sein. Es liegt also nahe, das rechtliche Interesse des/der Versicherten an der Einbeziehung in die Pflichtversicherung und die Abfuhr der entsprechenden Beiträge von einem (für den Bereich des plattformbasierten Arbeitens) zu sperrigen DienstnehmerInnenbegriff zu entkoppeln. Im Folgenden wird das funktionale DienstgeberInnen-Konzept anhand der sozialversicherungsrechtlichen Melde- und Beitragspflichten dargestellt.

7.2 Meldepflichten

Im Sinne des funktionellen DienstgeberInnen-Konzepts nach Prassl/Risak trifft in einem mehrpersonalen Verhältnis jene Person die Verpflichtung, die Meldung zur Sozialversicherung vorzunehmen, der die Funktion „Begründung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ zukommt.

Das ist im Falle des digitalen Crowdworks der/die BetreiberIn der Plattform, die sowohl bei Registrierung der (in Österreich tätigen) CrowdworkerInnen auf der Plattform als auch bei der Aufnahme einer konkreten Tätigkeit eine entsprechende Meldung an den zuständigen Sozialversicherungsträger erstatten muss.

7.3 Beitragspflichten

Im Sinne des funktionellen DienstgeberInnen-Konzepts trifft jene Person die Verpflichtung, die Versicherungsbeiträge abzuführen, die die Verpflichtung zur Bereitstellung von Arbeit und Bezahlung des Arbeitsentgelts trifft. Im Bereich des digitalen plattformbasierten Arbeitens sind dies die Plattform-BetreiberInnen, die sowohl die Bezahlung als auch die Auswahl und Vergabe von tasks an die einzelnen CrowdworkerInnen organisieren.

Dem entspräche auch eine analoge Anwendung des AÜG[117]Vgl 5 Abs 1 AÜG: Pflichten des AG, „insbesondere im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften“ werden durch die Überlassung nicht berührt.: Der Überlasser ist der/die sozialversicherungsrechtliche DienstgeberIn des Leiharbeitnehmers/der Leiharbeitnehmerin, wobei eine unmittelbare vertragliche Rechtsbeziehung zwischen ArbeitnehmerIn und BeschäftigerIn fehlt. [118]Julcher in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm 35 Rz 34., [119]VwGH 17.01.1995, 93/08/0182.

8. Arbeitslosenversicherung

8.1 Allgemeines

Die Arbeitslosenversicherung ist jener Zweig der Sozialversicherung, der vor Existenzproblemen aufgrund des Verlustes der Erwerbstätigkeit schützen soll. Wenngleich Crowdwork in Österreich bis dato nur einer kleinen Minderheit als einzige bzw wichtigste Einnahmequelle dient[120]Huws/Joyce, Österreichs Crowdworkszene, https://media.arbeiterkammer.at/wien/PDF/studien/digitalerwandel/Oester-reichs_Crowdworkszene_2016.pdf (02.11.2016). , ist die Frage der Existenzsicherung dennoch eine entscheidende. Darüber hinaus ist Crowdwork auch als Nebentätigkeit arbeitslosenversicherungsrechtlich von Relevanz.

Die wichtigsten Versicherungsleistungen bei Arbeitslosigkeit sind das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe. Die bedarfsorientierte Mindestsicherung ist keine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung und wird im Folgenden nicht behandelt. Es werden nunmehr drei Fragen behandelt:

  1. Wann haben CrowdworkerInnen Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung?
  2. Ist Crowdwork eine zulässige Zuverdienstmöglichkeit für arbeitslose Personen?
  3. Wann kommt es zu einer Rückforderung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung?

Da in Zusammenhang mit Crowdwork oft grenzüberschreitende Sachverhalte vorliegen (zB Plattform mit Sitz im Ausland), ist vorab stets zu prüfen, ob österreichisches Arbeitslosenversicherungsrecht überhaupt anwendbar ist (siehe Abschnitt „Sozialversicherung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten“).

Ebenso wie in den anderen Zweigen der Sozialversicherung gilt auch in der Arbeitslosenversicherung das Prinzip der Pflichtversicherung, allerdings nur für unselbständig Erwerbstätige. Seit 01.01.2009 steht die Arbeitslosenversicherung auch selbständig Erwerbstätigen offen. Diese können freiwillig die Einbeziehung in die Arbeitslosenversicherung wählen („opting in“)[121]3 AlVG; Näheres dazu siehe Pfeil in Pfeil (Hrsg), Der Arbeitslosenversicherung-Komm § 3., sie unterliegen jedoch ex lege nicht der Pflichtversicherung.

Da die arbeitslosenversicherungsrechtlichen Bestimmungen hinsichtlich unselbständig und selbständig Erwerbstätiger sehr unterschiedlich ausgestaltet sind, müssen CrowdworkerInnen entweder der einen oder der anderen Gruppe zugeordnet werden, um die Arbeitslosenversicherung betreffende Rechtsfragen beantworten zu können. Das AlVG enthält keine eigenen Legaldefinitionen unselbständiger bzw selbständiger Erwerbstätigkeit, es verweist auf das ASVG und auf das GSVG. Die Arbeitslosenversicherungspflicht (§ 1 AlVG) tritt ein, wenn drei Tatbestandselemente kumulativ gegeben sind:

  1. Vorliegen eines Dienstverhältnisses iSd 4 Abs 2 ASVG bzw eines freien Dienstverhältnisses iSd § 4 Abs 4 ASVG,
  2. Vorliegen einer gesetzlichen Krankenversicherung (…),
  3. kein Ausnahmetatbestand (§ 1 Abs 2 AlVG).[122]Darüber hinaus unterliegen noch bestimmte Personengruppen der Arbeitslosenversicherungs-Pflicht (§ 1 Abs 1 lit b bis h AlVG), wobei diese für das gegenständliche Thema ebenso wenig relevant sind wie die Ausnahmetatbestände, weshalb nicht näher auf diese eingegangen wird.

Bei einem Einkommen unter der Geringfügigkeitsgrenze (2017: monatlich 425,70 Euro) besteht demnach mangels Krankenversicherungspflicht auch keine Arbeitslosenversicherungspflicht. Auch mehrfach geringfügig Beschäftigte, deren Gesamteinkommen die Geringfügigkeitsgrenze überschreitet, unterliegen nicht der Pflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung, sehr wohl aber der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung (§ 53a Abs 3 ASVG; siehe Abschnitt „Geringfügigkeit“). Ob ein arbeitslosenversicherungspflichtiges (freies) Dienstverhältnis vorliegt oder nicht, ist grundsätzlich vom Krankenversicherungsträger zu beurteilen. In dieser Frage ist das Arbeitsmarktservice (AMS) an einen rechtskräftigen Bescheid des Krankenversicherungsträgers gebunden.[123]VwGH 30.06.1998, 98/08/0129. Liegt kein Bescheid vor, so hat das AMS die Frage des Vorliegens eines arbeitslosenversicherungspflichtigen Dienstverhältnisses zu beurteilen.[124]VwGH 20.12.2000, 98/08/0269.

Die freiwillige Einbeziehung in die Arbeitslosenversicherung von selbständig erwerbstätigen CrowdworkerInnen (§ 3 AlVG) ist möglich, wenn aufgrund der Erwerbstätigkeit eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG vorliegt oder wenn gemäß § 5 GSVG (Zugehörigkeit zu einer gesetzlichen beruflichen Vertretung [Kammer]) eine Ausnahme von der Pflichtversicherung besteht. De facto machen bis dato nur wenige selbständig Erwerbstätige von der Möglichkeit der freiwilligen Einbeziehung in die Arbeitslosenversicherung Gebrauch. Im Jahresdurchschnitt 2015 waren in Österreich rund 867 selbständig Erwerbstätige freiwillig nach AlVG versichert.[125]Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr 10072/J durch den BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, GZ: BMASK-431.004/0140-VI/B/1/2016 vom 17.10.2016 https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_09635/ pdf (02.11.2016). Der Eintritt in die freiwillige Arbeitslosenversicherung bewirkt eine Bindung für acht Jahre (§ 3 Abs 6 AlVG). Als Beitragsgrundlage für die Arbeitslosenversicherungs-Beiträge wird wahlweise ein Viertel, die Hälfte oder drei Viertel der Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 48 GSVG herangezogen (§ 2 Abs 1 AMPFG).

Hinsichtlich der Einbeziehung selbständig Erwerbstätiger in die Arbeitslosenversicherung bestehen meines Erachtens mit Pfeil grundsätzlich-systemische Einwände: Das Risiko für Selbständige, dass das Geschäft „schlecht läuft“, sei weit entfernt vom Risiko der Arbeitslosigkeit bei unselbständig Erwerbstätigen. Die Umverteilung des Risikos der selbständig Erwerbstätigen zu Lasten der gesamten Versicherungsgemeinschaft sei daher rechtspolitisch problematisch. Der verfassungsrechtliche Kompetenztatbestand „Sozialversicherungswesen“ sei überschritten und das aus dem Gleichheitssatz abzuleitende Erfordernis der Bildung homogener Risikogemeinschaften sei verletzt worden.[126]Pfeil in Pfeil, Der Arbeitslosenversicherung-Komm 3 Rz 6. Eine rechtliche Einordnung der CrowdworkerInnen als selbständig Erwerbstätige würde daher eine weitere Ausdehnung der bereits bestehenden Widersprüche (heterogene Risikogemeinschaft) in der Arbeitslosenversicherung zur Folge haben.

Die Beitragspflicht fällt unterschiedlich aus für unselbständig und selbständig tätige CrowdworkerInnen. Bei unselbständig Erwerbstätigen (echte und freie Dienstverhältnisse) ist der Arbeitslosenversicherungsbeitrag vom/von der Versicherten und vom/von der DienstgeberIn zu gleichen Teilen zu tragen (§ 2 Abs 1 iVm Abs 3 AMPFG); der/die DienstgeberIn muss den gesamten Arbeitslosenversicherungs-Beitrag (sowohl beim echten als auch beim freien Dienstverhältnis) abführen. Selbständig Erwerbstätige, die sich freiwillig in der Arbeitslosenversicherung versichern, haben den Arbeitslosenversicherungs-Beitrag zur Gänze allein zu tragen (§ 2 Abs 1 iVm Abs 5 AMPFG) und abzuführen.

8.2 Wann haben CrowdworkerInnen Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung?

Um Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe beziehen zu können, müssen neben der Einhaltung verfahrensrechtlicher Schritte (Antragstellung beim AMS) fünf Voraussetzungen erfüllt sein. Diese Voraussetzungen gelten selbstverständlich auch für CrowdworkerInnen. Anspruch auf Arbeitslosenversicherungs-Leistungen haben Personen, die

a) arbeitslos,
b) arbeitsfähig,
c) arbeitswillig und
d) verfügbar sind sowie

die Anwartschaft erfüllt haben (oder einen unverbrauchten Restleistungsanspruch haben).

Ad a) Arbeitslosigkeit (§ 12 AlVG):

Gemäß § 12 Abs 1 AlVG gilt als arbeitslos, wer eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat und keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt. Ebenso gilt als arbeitslos, wer eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit mit einem Einkommen unter der Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs 2 ASVG) ausübt (§ 12 Abs 6 lit a und c AlVG).

Arbeitslosigkeit als Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosenversicherungs-Leistungen ist aber noch weiter gefasst als der Begriff auf den ersten Blick nahelegt. Arbeitslos ist beispielsweise nicht, wer der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt (§ 12 Abs 1 Z 2 AlVG). Damit sind selbständig erwerbstätige CrowdworkerInnen, die einer Pflichtversicherung gemäß GSVG unterliegen, vom Anspruch auf Arbeitslosenversicherungs-Leistungen ausgeschlossen (bei unselbständig Beschäftigten fällt das Ende der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung in der Regel ohnehin mit dem Ende der Beschäftigung zeitlich zusammen). Arbeitslos ist auch nicht, wer eine geringfügige Beschäftigung ausübt und zuvor bei demselben/derselben DienstgeberIn vollversichert beschäftigt war, wenn zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung nicht ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen ist (§ 12 Abs 3 lit h AlVG). Bei Vorliegen bestimmter, in § 12 AlVG taxativ aufgezählter Lebenssituationen ist Arbeitslosigkeit und damit der Anspruch auf Arbeitslosenversicherungs-Leistungen ebenfalls ausgeschlossen (Mitarbeit im Familienbetrieb, Ausbildung, Freiheitsstrafe bzw Anhaltung, Sommerferien bei Lehrbeauftragten).

Wer Crowdwork auf Basis einer selbständigen Erwerbstätigkeit verrichtet, für den/die kann es mitunter schwierig sein, Arbeitslosigkeit nachzuweisen. Durch eine faktische Einstellung der Tätigkeit, zB aufgrund fehlender Aufträge, wird die Erwerbstätigkeit nämlich nicht beendet. Bei einem echten Dienstverhältnis hingegen kann die Beendigung zumeist aufgrund der Abmeldung von der Sozialversicherung auf einfache Weise nachgewiesen werden. Nach der Rsp des VwGH verlangt die Beendigung der selbständigen Erwerbstätigkeit die Zurücklegung des Gewerbescheines oder die Anzeige des Ruhens des Gewerbes.[127]VwGH 30.09.1994, 93/08/0202. Bei neuen Selbständigen wird eine glaubwürdige Erklärung des/der Selbständigen gegenüber dem AMS ausreichen.[128]Krapf/Keul, Praxiskommentar zum AlVG12, 12 Rz 307. Die Last der substantiierten Glaubhaftmachung für eine Beendigung liegt ausschließlich bei dem/der Versicherten.[129]VwGH 25.06.2013, 2013/08/0035.

Bei einer vorübergehenden Nichtausübung der Tätigkeit kommt es bei der Beurteilung der Frage, ob eine durchgehende oder eine beendete und wieder neu aufgenommene selbständige Erwerbstätigkeit vorliegt, (anders als bei echten und freien DienstnehmerInnen) nicht auf den/die VertragspartnerIn, sondern auf die Art der Tätigkeit an. Wird eine inhaltlich gleiche Tätigkeit für mehrere AuftraggeberInnen ausgeübt, so stellt die Beendigung der Tätigkeit für einen/eine AuftraggeberIn noch keine Beendigung der selbständigen Erwerbstätigkeit dar. Wird aber eine inhaltlich andere, von der zuvor ausgeübten klar unterscheidbaren Tätigkeit neu aufgenommen, so ist von einer Beendigung auszugehen.[130]VwGH 15.11.2000, 96/08/0183. Dies ist insofern erwähnenswert, als einige CrowdworkerInnen in Österreich einer großen Vielfalt von Tätigkeiten nachgehen.[131]Huws/Joyce, Österreichs Crowdworkszene, https://media.arbeiterkammer.at/wien/PDF/studien/digitalerwandel/Oesterreichs_Crowdworkszene_2016.pdf (02.11.2016).

Ad b) Arbeitsfähigkeit (§ 8 AlVG):

Arbeitsfähig ist, wer nicht invalid bzw nicht berufsunfähig im Sinne der pensionsrechtlichen Bestimmungen des ASVG ist. Krankenstand oder Schwangerschaft schließen Arbeitsfähigkeit im arbeitslosenversicherungsrechtlichen Sinn nicht aus.

Ad c) Arbeitswilligkeit (§ 9 AlVG):

Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als DienstnehmerIn iSd des § 4 Abs 2 ASVG anzunehmen, sich nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

Darf das AMS Crowdwork-Tätigkeiten an arbeitslose Personen vermitteln? Muss die Bereitschaft, Crowdwork-Tätigkeiten anzunehmen, vorhanden sein, um als arbeitswillig im Sinne des AlVG zu gelten? Bei der Beantwortung dieser Fragen ist auf die Rechtsform des Crowdwork abzustellen. Arbeitswilligkeit bezieht sich gemäß § 9 Abs 1 AlVG explizit auf ein „Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer iSd § 4 Abs 2 ASVG“. Damit ist klargestellt, dass keine Bereitschaft zur Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit und auch keine Bereitschaft zur Aufnahme eines freien Dienstverhältnisses[132]BVwG 19.08.2015, L503 2108584-1. verlangt wird. Insoweit es sich um ein echtes Dienstverhältnis handelt, ist eine Zuweisung zu einer Crowdwork-Tätigkeit durch das AMS zulässig, sofern die Tätigkeit zumutbar ist. Zumutbarkeit ist gemäß § 9 Abs 2 AlVG unter anderem dann gegeben, wenn die Tätigkeit den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet und angemessen entlohnt ist, wobei grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung gemeint ist. Eine Vermittlung in eine geringfügig entlohnte Crowdwork-Tätigkeit ist nicht zulässig, in eine Teilzeittätigkeit hingegen schon (dazu gleich). Der dem AlVG primär zugrunde liegende Gesetzeszweck ist es, „Arbeitsuchende (…) existenziell abzusichern und durch Vermittlung einer (…) zumutbaren Beschäftigung wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern und (…) so wieder in die Lage zu versetzen, (den) Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu bestreiten“.[133]Krapf/Keul, Praxiskommentar zum AlVG § 9 Rz 200.

Ad d) Verfügbarkeit (§ 7 AlVG):

Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden, zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält. Als solche gilt ein Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von mindestens 20 Stunden. Personen mit Betreuungsverpflichtungen für Kinder bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr oder behinderte Kinder, für die nachweislich keine längere Betreuungsmöglichkeit besteht, erfüllen die Voraussetzung auch dann, wenn sie sich für ein Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von mindestens 16 Stunden bereithalten (§ 7 Abs 3 Z 1 iVm Abs 7 AlVG). Das AMS kann auch eine Beschäftigung mit einer höheren Stundenanzahl vermitteln. Die Bereitschaft des/der Arbeitslosen, eine Vollbeschäftigung anzunehmen, ist aber in Zusammenhang mit der Arbeitswilligkeit iSd § 9 AlVG und nicht bei der Prüfung der Verfügbarkeit zu beurteilen.[134]VwGH 20.10.1999, 97/08/0485. Nichtösterreichische StaatsbürgerInnen sind nur dann als verfügbar anzusehen, wenn ein berechtigter Aufenthalt mit Zugang zum Arbeitsmarkt vorliegt (§ 7 Abs 3 Z 2 AlVG).

Verfügbarkeit bezieht sich auf das „Bereithalten“ zur Annahme einer Beschäftigung im Umfang von mindestens 20 bzw 16 Stunden/Woche. Diese Anspruchsvoraussetzung ist erfüllt, wenn eine Beschäftigung jederzeit aufgenommen werden kann, ohne dass eine zeitliche Inanspruchnahme durch andere Dinge (Erwerbstätigkeit, Ausbildung, ehrenamtliche Tätigkeit, Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen) entgegensteht. Wenn Crowdwork als Zuverdienst zu Arbeitslosenversicherungs-Leistungen verrichtet wird (siehe Abschnitt „Beitragspflichten“), ist daher nicht nur die Einkommenshöhe beachtlich, sondern auch der Zeitaufwand. Wenn ein Einkommen unter der Geringfügigkeitsgrenze erzielt wird, die Crowdwork-Tätigkeit aber so zeitintensiv ist, dass ein Bereithalten für die Aufnahme einer Beschäftigung im Umfang von 20 bzw 16 Stunden/Woche nicht mehr möglich ist, so ist keine Verfügbarkeit gegeben. Die EB zur RV des BGBl 1996/201 führen zur Verfügbarkeit aus, dass mit dieser Regelung verhindert werden sollte, dass Personen, die zB selbständig unter der Geringfügigkeitsgrenze erwerbstätig sind, von dieser Tätigkeit jedoch dermaßen in Anspruch genommen werden, dass eine Beschäftigungsaufnahme ausgeschlossen ist, Arbeitslosengeld erhalten.[135]Krapf/Keul, Praxiskommentar zum AlVG 7 Rz 165. Die Bereitschaft, die Crowdwork-Tätigkeit im Falle einer Vermittlung einer Beschäftigung durch das AMS jederzeit zu beenden, beseitigt somit nicht eine allenfalls mangelnde Verfügbarkeit. Im Gegensatz zur Arbeitswilligkeit (§ 9 AlVG), die sich auf die subjektive Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme bezieht, also auch auf die individuelle Bereitschaft, eine die Verfügbarkeit einschränkende anderweitige Inanspruchnahme im Vermittlungsfall erforderlichenfalls zu beenden, kommt es bei der Verfügbarkeit nur auf das Ausmaß der Tätigkeit während des Zeitraumes, für den Arbeitslosenversicherungs-Leistungen beansprucht werden, und nicht erst auf die anderweitige Inanspruchnahme im konkreten Vermittlungsfall, an.[136]VwGH 13.04.1999, 99/08/0005.

Ad e) Anwartschaft (§ 14 AlVG):

Bei der erstmaligen Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der/die Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war („große Anwartschaft“). Handelt es sich jedoch um einen/eine Arbeitslosen/Arbeitslose, der/die das Arbeitslosengeld vor Vollendung des 25. Lebensjahres beantragt, ist die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld auch dann erfüllt, wenn der/die Arbeitslose in den letzten zwölf Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 26 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war (§ 14 Abs 1 AlVG).

Bei jeder weiteren Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der/die Arbeitslose in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 28 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war („kleine Anwartschaft“) oder die große Anwartschaft erfüllt wurde (§ 14 Abs 2 AlVG).

Ebenso kann die Anwartschaft aufgrund einer selbständigen Erwerbstätigkeit erworben werden, sofern es sich um Zeiten handelt, die der freiwilligen Einbeziehung in die Arbeitslosenversicherung unterliegen (§ 14 Abs 8 AlVG).

In vielen Fällen wird es nicht möglich sein, aufgrund einer Crowdwork-Tätigkeit die Anwartschaft für den Anspruch auf Arbeitslosengeld zu erwerben, weil die geforderten Zeiträume nicht erreicht werden oder weil keine freiwillige Einbeziehung in die Arbeitslosenversicherung erfolgt. Zeiten einer geringfügigen selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit sind ebenfalls keine Anwartschaftszeiten. Sofern Crowdwork auf Basis einer selbständigen Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, sind diese Zeiten für das Erreichen der Anwartschaft aber dennoch von Bedeutung, da sie zur Rahmenfristerstreckung herangezogen werden können. Die Rahmenfrist, innerhalb derer die Anwartschaftszeiten liegen müssen, kann von 12 bzw 24 Monaten (§ 14 AlVG) auf einen längeren Zeitraum erstreckt werden, und zwar um Zeiträume einer der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegenden oder gemäß § 5 GSVG von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung ausgenommenen Erwerbstätigkeit (§ 15 Abs 5 AlVG). Es kann so auf allenfalls vorhandene, länger als 12 bzw 24 Monate zurückliegende arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungszeiten, zurückgegriffen werden. Die Verlängerung kann in unbeschränktem Ausmaß erfolgen, wenn davor mindestens fünf Jahre arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung liegen, ansonsten kann die Rahmenfrist um höchstens fünf Jahre erstreckt werden. Wird Crowdwork im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung ausgeübt, so können diese Zeiten ebenso zur Verlängerung der Rahmenfrist um höchstens fünf Jahre herangezogen werden (§ 15 Abs 1 Z 1 AlVG).

Arbeitslose, die den Anspruch auf Arbeitslosengeld erschöpft haben, haben Anspruch auf Notstandshilfe (§ 33 Abs 1 AlVG). Für die Notstandshilfe gelten im Wesentlichen dieselben Voraussetzungen wie für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Zusätzlich erfolgt eine Beurteilung der Notlage, bei der die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigt werden, dh sowohl das eigene als auch das Einkommen des Ehegatten/der Ehegattin, eingetragenen Partners/Partnerin oder Lebensgefährten/Lebensgefährtin.

8.3 Ist Crowdwork eine zulässige Zuverdienstmöglichkeit für arbeitslose Personen?

Crowdwork-Tätigkeit, aus der ein Einkommen unter der Geringfügigkeitsgrenze erzielt wird, schließt Arbeitslosigkeit (§ 12 AlVG) nicht aus und ist, sofern ausreichende Verfügbarkeit (§ 7 AlVG) gegeben ist, zusätzlich zum Bezug von Arbeitslosenversicherungs-Leistungen zulässig.

Geringfügigkeit kann bei einem echten Dienstverhältnis in der Regel auf einfache Weise nachgewiesen werden aufgrund der monatlichen Lohn- bzw Gehaltsabrechnung sowie der Anmeldung zur Sozialversicherung (keine Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung). Bei selbständiger Erwerbstätigkeit – sowie bei freien DienstnehmerInnen – wird das Einkommen hingegen nicht monatsweise, sondern in Bezug auf das gesamte Kalenderjahr festgestellt. Maßgeblich für den Anspruch auf Arbeitslosenversicherungs-Leistungen ist das Einkommen laut Einkommensteuerbescheid. Da der Einkommensteuerbescheid immer erst im Nachhinein vorliegt, müssen selbständig Erwerbstätige, um bereits vor dem Vorliegen des Einkommensteuerbescheides Arbeitslosenversicherungs-Leistungen beziehen können, dem AMS monatlich Einkommensnachweise vorlegen, anhand derer das Vorliegen von Geringfügigkeit vorläufig beurteilt wird (§ 36a Abs 7 AlVG). Stellt sich nachträglich aufgrund des Einkommensteuerbescheides heraus, dass Geringfügigkeit nicht vorlag, so sind allenfalls bereits bezogene Arbeitslosenversicherungs-Leistungen wieder zurückzubezahlen (siehe sogleich).

Ein Zuverdienst zu Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung ist auch auf Basis einer vorübergehenden Erwerbstätigkeit zulässig. § 21a Abs 1 AlVG definiert Beschäftigungen, die für weniger als vier Wochen vereinbart wurden bzw selbständige Erwerbstätigkeiten, die weniger als vier Wochen lang ausgeübt werden, als vorübergehende Erwerbstätigkeit. Bei einer vorübergehenden Erwerbstätigkeit kann ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze erzielt werden, ohne dass die gesamte Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für den jeweiligen Monat wegfällt, es kommt lediglich zu einer Anrechnung des Einkommens auf die Leistung.

Wer neben dem Bezug von Arbeitslosenversicherungs-Leistungen ein geringfügiges Einkommen erzielt, ist verpflichtet, dies dem Arbeitsmarktservice zu melden. Gemäß § 50 Abs 1 AlVG ist jede für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruches auf Leistungen nach dem AlVG maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen.

Wer neben dem Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung als CrowdworkerIn tätig ist, muss bei jedem Tätigwerden eine Meldung an das AMS erstatten! Eine einmalige Meldung zu Beginn ist nicht ausreichend.

Dies ergibt sich aus Rsp des BVwG und VwGH zu § 50 AlVG. Im Fall einer geringfügig beschäftigten Dienstnehmerin, die das geringfügige Dienstverhältnis dem AMS gemeldet hatte, hat das BVwG entschieden, sie habe die Meldepflicht gemäß § 50 AlVG verletzt, weil sie dem AMS die Leistung von Mehrarbeitsstunden nicht gemeldet habe. Es spiele keine Rolle, ob die Meldung nach Auffassung der Arbeitslosen den Leistungsanspruch zu beeinflussen vermag oder nicht. Es sei auch nicht beachtlich, ob sie erkennen konnte oder nicht, dass die Geringfügigkeitsgrenze überschritten wird, „denn die Meldeplicht traf sie jedenfalls durch eine Steigerung ihre Arbeitszeit“.[137]BVwG 17.10.2014, W218 2009658-1. Der VwGH hat die Entscheidung bestätigt.[138]VwGH 23.12.2014, Ra 2014/08/0061. Diese Rsp ist insofern bemerkenswert, als die Praktikabilität zu bezweifeln ist. Würden sämtliche arbeitslose Personen, die zusätzlich zum Bezug von Arbeitslosenversicherungs-Leistungen einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen, dem AMS jede geleistete Mehrstunde melden, so wären die Telefonleitungen des AMS wohl heillos überlastet. Dennoch lässt sich aus der Rsp nur der Schluss ableiten, dass CrowdworkerInnen dem AMS jedes einzelne Tätigwerden melden müssen, um sich keine Meldepflichtverletzung gemäß § 50 AlVG zuschulden kommen zu lassen.

8.4 Wann kommt es zu einer Rückforderung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung?

Stellt sich nachträglich heraus, dass eine Arbeitslosenversicherungs-Leistung zu Unrecht bezogen wurde (das ist dann der Fall, wenn nicht alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt waren), so ist die Zuerkennung rückwirkend zu widerrufen (§ 24 Abs 2 AlVG). Da die Vorhersehbarkeit der Einkommenshöhe aufgrund der auf Plattformen oft intransparent gestalteten Bestimmungen in vielen Fällen kaum gegeben ist, sind geringfügig (selbständig oder unselbständig) erwerbstätige CrowdworkerInnen, die parallel Arbeitslosenversicherungs-Leistungen beziehen, im Speziellen der Gefahr des Widerrufs der Arbeitslosenversicherungs-Leistung ausgesetzt, wenn nachträglich eine Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze festgestellt wird.

Wenn sich bei einem/einer geringfügig selbständig erwerbstätigen CrowdworkerIn, der/die parallel Arbeitslosenversicherungsleistungen bezieht, aufgrund des nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, dass die Geringfügigkeitsgrenze überschritten wurde, so trifft den/die CrowdworkerIn unabhängig von einem allfälligen Verschulden eine Rückzahlungsverpflichtung (§ 25 Abs 1 dritter Satz AlVG). Bei unselbständig geringfügig erwerbstätigen CrowdworkerInnen hängt die Rückzahlungsverpflichtung bei einer rückwirkend festgestellten Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze (beispielsweise aufgrund einer Entgeltnachzahlung) hingegen vom Verschulden ab. Gemäß § 25 Abs 1 erster Satz AlVG besteht eine Rückzahlungsverpflichtung, wenn der Bezug der Arbeitslosenversicherungsleistung durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt wurde oder wenn der/die arbeitslose Person erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Meldepflichtverletzungen (§ 50 AlVG) rechtfertigen jedenfalls eine Rückforderung.

Eine Rückzahlungsverpflichtung kann für maximal fünf Jahre[139]Ab 05.2017 wird der Rückforderungszeitraum auf drei Jahre verkürzt (SVÄG 2017). rückwirkend, gerechnet ab Kenntnis des maßgeblichen Sachverhaltes durch die regionale Geschäftsstelle des AMS auferlegt werden (§ 25 Abs 6 AlVG). Der Umfang der Rückforderung bei Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze fällt bei selbständig und unselbständig tätigen CrowdworkerInnen unterschiedlich aus:

Da sich der Einkommen- bzw Umsatzsteuerbescheid auf das gesamte Kalenderjahr bezieht, müssen selbständig erwerbstätige CrowdworkerInnen bei Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze die im gesamten Kalenderjahr (bzw ab Aufnahme der selbständigen Erwerbstätigkeit) bezogene Arbeitslosenversicherungs-Leistung zurückzahlen; eine monatsweise Betrachtung ist nicht möglich. Der Rückforderungsbetrag ist mit der Höhe des erzielten Einkommens „gedeckelt“ (§ 25 Abs 1 dritter Satz AlVG).

Bei unselbständig tätigen CrowdworkerInnen wird hingegen auf einzelne Kalendermonate abgestellt. Wird die Geringfügigkeitsgrenze überschritten, so ist im Falle von Verschulden die im jeweiligen Kalendermonat bezogene Arbeitslosenversicherungs-Leistung zur Gänze zurückzubezahlen. Der Rückforderungsbetrag ist nicht gedeckelt. Unselbständig erwerbstätige CrowdworkerInnen, die parallel Arbeitslosenversicherungs-Leistungen beziehen, müssen darüber hinaus insbesondere auf § 12 Abs 3 lit h AlVG Acht geben. Arbeitslosenversicherungsleistungen sind gemäß dieser Bestimmung nämlich auch für Kalendermonate zu widerrufen, in denen die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten wurde – nämlich dann, wenn zuvor bei demselben/derselben DienstgeberIn eine vollversicherte Beschäftigung vorlag und wenn zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung nicht ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen ist.

8.5 Beispiele

8.5.1 Für kürzer als einen Monat vereinbarte Crowdwork-Tätigkeit (Dienstverhältnis)

Beispiel im Abschnitt „Geringfügigkeit“ (4.2.1)

Lösung: Für das betreffende Kalendermonat (01.08. bis 31.08.) liegt Arbeitslosigkeit (§ 12 AlVG) vor. Ein geringfügiges Dienstverhältnis während des Bezuges von Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe ist zulässig. Das geringfügige Dienstverhältnis muss dem AMS gemeldet werden.

Beispiel-Variante im Abschnitt „Geringfügigkeit“ (4.2.1)

Lösung: Am 31.07. liegt Arbeitslosigkeit (§ 12 AlVG) vor. Von 01.08. bis 29.08. liegt keine Arbeitslosigkeit (§ 12 AlVG) vor.

8.5.2 Mehrere befristete Crowdwork-Tätigkeiten (Dienstverhältnisse) bei demselben/derselben DienstgeberIn (Kettenverträge)

Beispiel 1 im Abschnitt „Geringfügigkeit“ (4.2.2)

Lösung: Für das betreffende Kalendermonat (01.10. bis 31.10.) liegt Arbeitslosigkeit (§ 12 AlVG) vor. Mehrere geringfügige Dienstverhältnisse während des Bezuges von Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe sind zulässig, sofern die Geringfügigkeitsgrenze in Summe im Kalendermonat nicht überschritten wird. Jedes einzelne Dienstverhältnis muss dem AMS gemeldet werden.

Beispiel-Variante im Abschnitt „Geringfügigkeit“ (4.2.1)

Lösung: Am 31.07. liegt Arbeitslosigkeit (§ 12 AlVG) vor. Von 01.08. bis 29.08. liegt keine Arbeitslosigkeit (§ 12 AlVG) vor.

Beispiel 2 im Abschnitt „Geringfügigkeit“ (4.2.2)

Lösung: Für die betreffenden Kalendermonate (01.02. bis 28.02. und 01.03. bis 31.03.) liegt Arbeitslosigkeit (§ 12 AlVG) vor. Ein geringfügiges Dienstverhältnis während des Bezuges von Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe ist zulässig. Das geringfügige Dienstverhältnis muss dem AMS gemeldet werden.

8.5.3 Mehrere befristete Crowdwork-Tätigkeiten (Dienstverhältnisse) bei unterschiedlichen DienstgeberInnen

Beispiel 1 im Abschnitt „Geringfügigkeit“ (4.2.3)

Lösung: Arbeitslosigkeit (§ 12 AlVG) liegt ab 06.03. vor.

Beispiel 2 im Abschnitt „Geringfügigkeit“ (4.2.3)

Lösung: Arbeitslosigkeit (§ 12 AlVG) liegt ab 06.03. vor (siehe VwGH-Erkenntnis 2011/08/0190 vom 14.02.2013). § 12 Abs 3 lit h AlVG kommt nicht zur Anwendung, da es sich um zwei verschiedene DienstgeberInnen handelt.

Beispiel 2-Variante im Abschnitt „Geringfügigkeit“ (4.2.3)

Lösung: Arbeitslosigkeit (§ 12 AlVG) liegt ab 06.03. vor. § 12 Abs 3 lit h AlVG kommt nicht zur Anwendung, da es sich um zwei verschiedene DienstgeberInnen handelt.

Beispiel 3 im Abschnitt „Geringfügigkeit“ (4.2.3)

Lösung: Für das betreffende Kalendermonat (01.10. bis 31.10.) liegt Arbeitslosigkeit (§ 12 AlVG) vor. Mehrere geringfügige Dienstverhältnisse während des Bezuges von Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe sind zulässig, sofern die Geringfügigkeitsgrenze in Summe im Kalendermonat nicht überschritten wird. Jedes einzelne Dienstverhältnis muss dem AMS gemeldet werden.

Beispiel 4 im Abschnitt „Geringfügigkeit“ (4.2.3)

Lösung: Die Zusammenrechnung der Entgelte (200 + 200 + 58) ergibt einen Betrag, der über der Geringfügigkeitsgrenze liegt. Von 04.10. bis 10.10., 18.10. bis 24.10. und 29.10. bis 30.10. liegt daher Arbeitslosigkeit (§ 12 AlVG) nicht vor. Es handelt sich bei den befristeten Dienstverhältnissen jeweils um eine vorübergehende Erwerbstätigkeit gemäß § 21a AlVG. Für die verbleibenden Tage des Kalendermonats besteht Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe, es erfolgt jedoch eine Anrechnung des Nettoeinkommens (458,– Euro). Jedes einzelne Dienstverhältnis muss dem AMS gemeldet werden.

8.5.4 Fallweise Beschäftigung

Beispiel 1 im Abschnitt „Dauer des Beschäftigungsverhältnisses“ (5.3.3)

Lösung: Die Zusammenrechnung der Entgelte (200 + 200 + 200) ergibt einen Betrag, der über der Geringfügigkeitsgrenze liegt. Am 10.01., 15.01. und 27.01. liegt daher Arbeitslosigkeit (§ 12 AlVG) nicht vor. Es handelt sich bei den tageweisen Beschäftigungen jeweils um eine vorübergehende Erwerbstätigkeit gemäß § 21a AlVG. Für die verbleibenden Tage des Kalendermonats besteht Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe, es erfolgt jedoch eine Anrechnung des Nettoeinkommens (600,– Euro). Jedes einzelne Dienstverhältnis muss dem AMS gemeldet werden.

Im Folgejahr kommt es zu einer nachträglichen Feststellung der Pflichtversicherung von 10.01. bis 31.01. Diese nachträgliche Feststellung gemäß § 471f ASVG hat jedoch keine Auswirkung auf den Leistungsbezug. Es erfolgt weder ein Widerruf noch eine Rückforderung.

Beispiel 2 im Abschnitt „Dauer des Beschäftigungsverhältnisses“ (5.3.3)

Lösung: Am 18.01. und 20.01. kommt es von vornherein zu einer Vollversicherung, weshalb Arbeitslosigkeit (§ 12 AlVG) an diesen Tagen nicht vorliegt. Für die Beurteilung der Arbeitslosigkeit (§ 12 AlVG) erfolgt keine Zusammenrechnung der vollversicherten Beschäftigungen mit den geringfügigen Beschäftigungen. Es werden nur die Entgelte der geringfügigen Beschäftigungen vom 05.01. und 06.01. zusammengerechnet (100 + 100). Da die Summe aus den geringfügigen Beschäftigungen die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreitet, liegt am 05.01. und 06.01. Arbeitslosigkeit (§ 12 AlVG) vor.

Es handelt sich bei allen vier tageweisen Beschäftigungen jeweils um eine vorübergehende Erwerbstätigkeit gemäß § 21a AlVG. Es besteht Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe mit Ausnahme des 18.01. und 20.01., es erfolgt jedoch eine Anrechnung des Nettoeinkommens (1.200,– Euro). Jedes einzelne Dienstverhältnis muss dem AMS gemeldet werden.

Beispiel 3 a) im Abschnitt „Dauer des Beschäftigungsverhältnisses“ (5.3.3)

Lösung: Die Zusammenrechnung der Entgelte (300 + 150) ergibt einen Betrag, der über der Geringfügigkeitsgrenze liegt. Am 04.02. und 17.02. liegt daher Arbeitslosigkeit (§ 12 AlVG) nicht vor (Achtung! Hier ist nicht wie bei der Sozialversicherung die tägliche Höchstbeitragsgrundlage maßgeblich). Es handelt sich bei den tageweisen Beschäftigungen jeweils um eine vorübergehende Erwerbstätigkeit gemäß § 21a AlVG. Für die verbleibenden Tage des Kalendermonats besteht Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe, es erfolgt jedoch eine Anrechnung des Nettoeinkommens (450,– Euro). Jedes einzelne Dienstverhältnis muss dem AMS gemeldet werden.

Beispiel 3 b) im Abschnitt „Dauer des Beschäftigungsverhältnisses“ (5.3.3)

Lösung: Am 17.02. kommt es von vornherein zu einer Vollversicherung, weshalb Arbeitslosigkeit (§ 12 AlVG) an diesem Tag nicht vorliegt. Für die Beurteilung der Arbeitslosigkeit (§ 12 AlVG) erfolgt keine Zusammenrechnung der vollversicherten Beschäftigung mit den geringfügigen Beschäftigungen. Es werden nur die Entgelte der geringfügigen Beschäftigungen vom 10.02. und 15.02. zusammengerechnet (200 + 200). Da die Summe aus den geringfügigen Beschäftigungen die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreitet, liegt am 10.02. und 9. 15.02. Arbeitslosigkeit (§ 12 AlVG) vor.

Es handelt sich bei allen drei tageweisen Beschäftigungen jeweils um eine vorübergehende Erwerbstätigkeit gemäß § 21a AlVG. Es besteht Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe mit Ausnahme des 17.02., es erfolgt jedoch eine Anrechnung des Nettoeinkommens (900,– Euro). Jedes einzelne Dienstverhältnis muss dem AMS gemeldet werden.

9. Resümee

Die erhöhte Flexibilität von Arbeitsbeziehungen auf einem potenziell globalen Arbeitsmarkt führt verstärkt zu instabilen Beschäftigungsverhältnissen. Es wird zunehmend schwieriger, Höhe und Dauer von Sozialversicherungsleistungen an Beschäftigungsperioden zu koppeln.

Durch die zunehmende Digitalisierung, Globalisierung und Diversifikation der Beschäftigungsformen wird der (österreichische) Arbeitsmarkt mit weitreichenden Herausforderungen − vor allem im Bereich des Arbeits- und Sozialversicherungsrechtes − konfrontiert. Neue Beschäftigungsformen, die nicht dem klassischen Normalarbeitsverhältnis der unbefristeten, arbeits- und sozialrechtlich abgesicherten Vollzeitbeschäftigung entsprechen oder als traditionelle selbständige Tätigkeit qualifiziert werden, nehmen an Bedeutung zu. Die Organisation von Arbeit und Arbeitsbeziehungen richtet sich neu aus. Teilzeitarbeit, geringfügige Beschäftigung, freie Dienstverträge und Arbeitskräfteüberlassung prägen zunehmend die Arbeitswelt. Die arbeits- und sozialrechtliche Abgrenzung zwischen unselbständiger Beschäftigung und Selbständigkeit wird unscharf.

Die soziale Absicherung abhängig Erwerbstätiger durch die Einbindung in ein bestehendes Sozialversicherungssystem steht – neben der rechtlichen Einordnung der CrowdworkerInnen – auch vor der Herausforderung, dass die einzelnen AkteurInnen beim plattformbasierten Arbeiten nicht an nationale Grenzen gebunden sind. Insbesondere bleibt die Frage der faktischen Rechtsdurchsetzung (Abfuhr der Versicherungsbeiträge) bei im Ausland ansässigen PlattformbetreiberInnen offen.

Die neuen Erwerbsformen in der Gig-Economy tragen neben dem Versprechen höherer Autonomie in der Erwerbsarbeit ebenso das Risiko der Prekarität in sich. Die Auslagerung von Arbeit an (schein)selbständige Arbeitskräfte mit atypischen Vertragsgrundlagen erscheint kaum als eine Arbeitsform, die ein existenzsicherndes Einkommen, geschweige denn eine ausreichende sozialstaatliche Absicherung gegen Risiken wie Alter, Krankheit und Arbeitslosigkeit in Aussicht stellt. Plattformen werben mit Vorteilen für AuftraggeberInnen, wie einer „24/7-Verfügbarkeit“ von Arbeitskräften und der Möglichkeit, nur Arbeit zu bezahlen, die auch gefällt. Entgeltbestandteile für die Sozialversicherung müssen von AuftraggeberInnen nicht mitkalkuliert werden. Dieser Anreiz der Gewinnmaximierung gefährdet nicht nur die soziale Absicherung der/des Einzelnen, sondern auch die langfristige Erhaltung der sozialen Sicherungssysteme.

Wie sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt hat, verlieren neue Beschäftigungsformen als „Flucht aus dem Arbeitsrecht“ an Attraktivität, sobald sie in bestehende Sicherungssysteme integriert werden. Als politischer Lösungsansatz diente bisher die Einbeziehung aller (atypisch) Erwerbstätigen in die Sozialversicherung mit dem Ziel, eine Erosion sozialer Sicherungssysteme zu verhindern. So wurden in den letzten Jahren erfolgreich Maßnahmen getroffen, um die Finanzierung solidarischer Sicherungssysteme zu gewährleisten. Zum Beispiel wurde der ArbeitnehmerInnenbegriff konkretisiert, der Begriff des freien Dienstvertrages neu gefasst und die neuen Selbständigen als „Auffangtatbestand“ eingeführt.

Auch für die Zukunft besteht die Herausforderung darin, ein solidarisches System sozialer Absicherung bei Einkommenslosigkeit, Krankheit und im Alter für alle Erwerbstätigen zu ermöglichen, damit die zunehmenden Anforderungen des digitalisierten Arbeitens bewältigt werden können.

[1] Heiling/Kuba, Arbeit für/durch die Plattform, Kurswechsel 2/2016
[2] Hofmeister, Ein Jahrhundert Sozialversicherung in Österreich (1981)
[3] Monatliche Geringfügigkeitsgrenze 2017: 425,70 Euro.
[4] Zur deutschen Rechtslage: Däubler, Crowdworker – Schutz auch außerhalb des Arbeitsrechts? in Benner (Hrsg), Crowdwork – Zurück in die Zukunft? (2014).
[5] Zur österreichischen Rechtlage: Risak, Crowdwork, ZAS 2015, 11 ff; Warter, Crowdwork (2016).
[6] Risak, ZAS 2015, 17.
[7] Während Däubler (zur deutschen Rechtslage) ein Vertragsverhältnis zwischen RequesterIn und CrowdworkerInnen in der Regel ausschließt (Däubler in Benner, Crowdwork – Zurück in die Zukunft? 246 ), vertreten Risak und Warter (zur österreichischen Rechtslage) die Ansicht, dass bei bestimmten Plattform-Modellen ein Vertragsverhältnis zwischen RequesterIn und CrowdworkerInnen besteht (Risak, ZAS 2015, 15; Warter, Crowdwork 115).
[8] VwGH 16.11.2005, 2005/08/0096.
[9] Julcher in Mosler/Müller/Pfeil (Hrsg), Der SV-Komm 35 Rz 5.
[10] VwGH 23.01.2008, 2007/08/0223.
[11] Julcher in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 35 Rz 6.
[12] VwGH 22.06.1993, 92/08/0256.
[13] VwGH 16.03.1999, 97/08/0001.
[14] Vgl zB VwGH 02.04.2008, 2007/08/0240.
[15] Julcher in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 35 Rz 13.
[16] Julcher in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 35 Rz 13.
[17] Neumann in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm 2 GSVG Rz 114.
[18] Müller/Spiegel in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm 3 Rz 58. Für die Frage, von wem Sozialversicherungsbeiträge einzuheben sind, wer also BeitragsschuldnerIn im Sinne des ASVG ist, ist der Sitz des Dienstgebers/der Dienstgeberin hingegen sehr wohl von Bedeutung. Siehe Abschnitt „Melde- und Beitragspflichten in der Sozialversicherung“.
[19] BGBl Nr 511/1991.
[20] Liste nach https://www.sozialministerium.at/cms/site/attachments/0/9/1/CH3434/CMS1470041431373/abkommensuebersicht_1-7-2016.pdf (20.12.2016).
[21] Müller/Spiegel in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm 3 Rz 4.
[22] Rebhahn in ZellKomm² 1151 ABGB Rz 55; Krejci in Rummel (Hrsg), ABGB³ § 1151, Rz 36.
[23] Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm 4 Rz 66.
[24] VwGH 04.12.1957, 1836/56.
[25] Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 4 Rz 66.
[26] Warter, Crowdwork 157.
[27] Vgl § 5 Abs 2 ASVG.
[28] Vgl § 117 ASVG.
[29] Unter Entgelt ist nicht nur Lohn und Gehalt zu verstehen, sondern auch aliquotierte regelmäßige Überstunden oder Die Dauer der Entgeltfortzahlung hängt unter anderem von der Dauer der Betriebszugehörigkeit ab.
[30] Vgl § 138 ASVG.
[31] 122 ASVG normiert darüber hinaus weitere Tatbestände, bei deren Verwirklichung Krankengeld gebührt.
[32] Vgl 125 ASVG.
[33] Vgl § 141 ASVG.
[34] Betroffen sind insbesondere Personen, die erwerbslos geworden sind und (noch) keinen Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung
[35] 122 Abs 2 Z 2 iVm §138 ASVG
[36] Unter Entgelt sind die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der/die pflichtversicherte DienstnehmerIn aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus aufgrund des Dienstverhältnisses von dem/der DienstgeberIn oder von einem/einer Dritten erhält (…). (§ 49 Abs 1 ASVG)
[37] Besondere Probleme ergeben sich seit 01.2017 durch den Wegfall der täglichen Geringfügigkeitsgrenze. Dadurch wird der Eintritt der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung erschwert.
[38] Daneben gibt es die Möglichkeit vorzeitiger Pensionsantritte wegen langer Versicherungsdauer bzw aus gesundheitlichen Gründen.
[39] Versicherungszeiten nach dem ASVG gelten für Personen, die bis 12.1954 geboren sind. Für ab dem 01.01.1955 geborene Personen kommen diese Versicherungszeiten nur bis zum 31.12.2004 in Betracht, ab dem 01.01.2005 kommen die Normen über Versicherungszeiten nach dem APG zur Anwendung. Sind die nach alter Rechtslage anzuwendenden Wartezeitregelungen günstiger für den Versicherten/die Versicherte, so sind nach dem Günstigkeitsprinzip diese anzuwenden.
[40] Vgl § 231 ASVG.
[41] Vgl § 173 ASVG.
[42] Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm §§174–177 Rz 7.
[43] Vgl § 175 ASVG.
[44] Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm §174–177 Rz 21 ff.
[45] 175 ASVG: Konstellationen, in denen trotz eigenwirtschaftlichen Interessen eine geschützte Tätigkeit angenommen werden kann.
[46] Schrattbauer, UV-Schutz bei Wegunfall in der Mittagspause, ZAS 2016,
[47] Mosler, Die sozialversicherungsrechtliche Stellung freier Dienstnehmer, DRdA 2005,
[48] VwGH 25.04.2007, 205/08/0082.
[49] VwGH 11.06.2014, 2012/08/0245: „Grundsätzlich wird ein Betriebsmittel dann für seine (dadurch als unternehmerisch zu beurteilende) Tätigkeit wesentlich sein, wenn es sich nicht bloß um ein geringwertiges Wirtschaftsgut handelt und wenn es der freie Dienstnehmer entweder durch Aufnahme in das Betriebsvermögen (und der damit einhergehenden steuerlichen Verwertung als Betriebsmittel) der Schaffung einer unternehmerischen Struktur gewidmet hat oder wenn es seiner Art nach von vornherein in erster Linie der in Rede stehenden betrieblichen Tätigkeit zu dienen bestimmt Dabei ist stets vorausgesetzt, dass es sich um ein Sachmittel handelt, welches für die konkret in Rede stehende Tätigkeit des freien Dienstnehmers wesentlich ist.
[50] Tomandl, Die Rechtsprechung des VwGH zum Dienstnehmerbegriff, ZAS 2016,
[51] Tomandl, ZAS 2016,
[52] Vgl 125 ASVG.
[53] Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm 175 Rz 236.
[54] Auf genaue Ausführungen zu Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung wird in diesem Beitrag Sehr ausführlich und praxisnah: Korn, Werkverträge freie Dienstverträge7 (2016).
[55] 2017: 5.108,40 Euro.
[56] VwGH 02.09.2015, 2015/08/0078.
[57] 4 Abs 4 lit a ASVG.
[58] 2 Abs 1 Z 4 GSVG.
[59] Vgl Korn, Werkverträge freie Dienstverträge7, 132 ff.
[60] 2 Abs 1 Z 4 GSVG.
[61] 25 Abs 4 GSVG.
[62] Korn, Werkverträge freie Dienstverträge7, 158
[63] Mit 01.2017 gehört die tägliche Geringfügigkeitsgrenze der Vergangenheit an. Ab diesem Zeitpunkt ist daher für die Beurteilung, ob ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, nur mehr die monatliche Geringfügigkeitsgrenze heranzuziehen.
[64] „Zumindest für einen Monat vereinbart“ bedeutet: gesamter Kalendermonat von Monatserstem bis Monatsletzten (zB 01.06. bis 06.), bei Überschreitung der Kalendermonatsgrenze bemisst sich ein „Monat“ zB wie folgt: 07.02. bis 06.03. oder 17.11. bis 16.11.
[65] Die folgende Darstellung entspricht zum Teil dem NÖDIS Beitrag (http://bit.ly/2gyfTL6; 01.2017). Sie wurde durch eigene Beispiele ergänzt und zusätzlich erläutert. Die Ergebnisse sind mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger abgestimmt.
[66] Keine Hochrechnung auf das für einen ganzen Kalendermonat vereinbarte Entgelt, da kein unbefristetes bzw für mindestens einen Monat vereinbartes Dienstverhältnis
[67] 11 ASVG.
[68] § 471f ff ASVG.
[69] Tomandl, ZAS 2016, 271.
[70] VwGH 24.04.2014, 2012/08/0081.
[71] VwGH 24.04.2014, 2013/08/0258.
[72] VwGH 02.07.2013, 2013/08/0106.
[73] VwGH 14.02.2013, 2011/08/0115.
[74] VwGH 29.04.2015, 2013/08/0196.
[75] VwGH 20.05.1980, 2397/79.
[76] VwGH 15.07.2013, 2013/08/0124.
[77] Auer-Mayer, Abgrenzung Werkvertrag-Dienstvertrag-freier Dienstvertrag aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht, ZAS 2016,
[78] VwGH 01.10.2015, 2015/08/0020.
[79] Vgl Tomandl, ZAS 2016, 264.
[80] VwGH 21.12.2005, 2004/08/0066.
[81] VwGH 17.12.2015, 2013/08/0222.
[82] VwGH 11.06.2014, 2012/08/0157.
[83] Auer-Mayer, ZAS 2016, 130.
[84] VwGH 14.10.2015, 2013/08/0226.
[85] VwGH 19.02.2014, 2013/08/0160.
[86] VwGH 29.04.2015, 2013/08/0198.
[87] VwGH 14.02.2013, 2012/08/0261.
[88] Auer-Mayer, ZAS 2016, 132.
[89] VwGH 25.06.2013, 2013/08/0093; so auch Tomandl, ZAS 2016, 265.
[90] VwGH 31.01.2007, 2005/08/0177.
[91] Auer-Mayer, ZAS 2016, 132.
[92] VwGH 18.08.2015, 2013/08/0121.
[93] Vgl § 539a Abs 1 ASVG.
[94] Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm 539a Rz 1.
[95] VwGH 31.01.1995, 92/08/0213.
[96] Tomandl, ZAS 2016,
[97] Vgl Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm 539a Rz 38.
[98] Risak, ZAS 2015, 17.
[99] 471h ASVG bestimmt als Spezialnorm zu §§ 10, 11 ASVG wann die Pflichtversicherung beginnt bzw endet.
[100] ZB VwGH 21.11.2001, 97/08/0395; 07.09.2005, 2002/08/0215.
[101] VwGH 17.12.2015, 2013/08/0222.
[102] VwGH 17.12.2015, 2013/08/0222.
[103] VwGH 07.09.2005, 2002/08/0215.
[104] Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 471c Rz 4.
[105] Die § 471a bis e ASVG treten am 31.12.2017 außer Kraft.
[106] Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm 471c Rz 3.
[107] Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm 471c Rz 5.
[108] VwGH 17.12.2015, 2013/08/0222.
[109] VwGH 04.08.2014, 2013/08/0272.
[110] 471c ASVG, RV SVÄG 2016.
[111] 2017: 166,– Euro.
[112] Siehe auch Abschnitt „Sozialversicherung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten“.
[113] IdF BGBl I 2007/31.
[114] Auch für die Abfuhr des Arbeitslosenversicherungs-Beitrages und des Sonderbeitrages (§ 2 Abs 1 und 2 AMPFG) gelten die Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung über den Abzug des Versicherungsbeitrages vom
[115] Risak, What´s law got to do with it?, Kurswechsel 2/2016, 32–41; Prassl/Risak, Uber, Taskrabbit, & Co: Platforms as Employers? Rethinking the Legal Analysis of Crowdwork, Comparative Labour Law & Policy Journal 2016,
[116] VwGH 16.03.1999, 97/08/0001.
[117] Vgl 5 Abs 1 AÜG: Pflichten des AG, „insbesondere im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften“ werden durch die Überlassung nicht berührt.
[118] Julcher in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm 35 Rz 34.
[119] VwGH 17.01.1995, 93/08/0182.
[120] Huws/Joyce, Österreichs Crowdworkszene, https://media.arbeiterkammer.at/wien/PDF/studien/digitalerwandel/Oester-reichs_Crowdworkszene_2016.pdf (02.11.2016). [121] 3 AlVG; Näheres dazu siehe Pfeil in Pfeil (Hrsg), Der Arbeitslosenversicherung-Komm § 3.
[122] Darüber hinaus unterliegen noch bestimmte Personengruppen der Arbeitslosenversicherungs-Pflicht (§ 1 Abs 1 lit b bis h AlVG), wobei diese für das gegenständliche Thema ebenso wenig relevant sind wie die Ausnahmetatbestände, weshalb nicht näher auf diese eingegangen wird.
[123] VwGH 30.06.1998, 98/08/0129.
[124] VwGH 20.12.2000, 98/08/0269.
[125] Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr 10072/J durch den BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, GZ: BMASK-431.004/0140-VI/B/1/2016 vom 17.10.2016 https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_09635/ pdf (02.11.2016).
[126] Pfeil in Pfeil, Der Arbeitslosenversicherung-Komm 3 Rz 6.
[127] VwGH 30.09.1994, 93/08/0202.
[128] Krapf/Keul, Praxiskommentar zum AlVG12, 12 Rz 307.
[129] VwGH 25.06.2013, 2013/08/0035.
[130] VwGH 15.11.2000, 96/08/0183.
[131] Huws/Joyce, Österreichs Crowdworkszene, https://media.arbeiterkammer.at/wien/PDF/studien/digitalerwandel/Oesterreichs_Crowdworkszene_2016.pdf (02.11.2016). [132] BVwG 19.08.2015, L503 2108584-1.
[133] Krapf/Keul, Praxiskommentar zum AlVG § 9 Rz 200.
[134] VwGH 20.10.1999, 97/08/0485.
[135] Krapf/Keul, Praxiskommentar zum AlVG 7 Rz 165.
[136] VwGH 13.04.1999, 99/08/0005.
[137] BVwG 17.10.2014, W218 2009658-1.
[138] VwGH 23.12.2014, Ra 2014/08/0061.
[139] Ab 05.2017 wird der Rückforderungszeitraum auf drei Jahre verkürzt (SVÄG 2017).

Kapitel 9 – Datenschutz in der Gig-Economy

Inhaltsverzeichnis

Spezifische Datenschutz-Problemlagen bei CrowdworkerInnen

Mag. Dr. Wolfgang Goricnik, Mag. Thomas Riesenecker-Caba

Neben den in diesem Band behandelten wirtschaftlichen, sozialen, soziologischen und rechtlichen Problemfeldern der Gig-Economy erscheint die Bearbeitung des rechtlichen Unter-Themas „Datenschutz“ auf den ersten Blick exotisch. Tatsächlich können aber einige der schon aufgezeigten strukturellen Problematiken für CrowdworkerInnen (auch) dort verortet werden. Dementsprechend soll dieses Kapitel ausgewählte Datenschutz-Probleme in Bezug auf CrowdworkerInnen näher darstellen und auch datenschutzrechtliche Lösungsmöglichkeiten entwickeln. Dies soll in der Form einer getrennten technischen und datenschutzrechtlichen Darstellung erfolgen. Damit kann auch der Fragestellung nachgegangen werden, ob trotz der Vielgestaltigkeit der plattformbasierten Abwicklung von Dienstleistungen die als überprüfenswert erachteten datenschutzrechtlichen Aspekte der Stellung der CrowdworkerInnen auf grundsätzlich ähnliche Problematiken hinauslaufen. Das würde nämlich dafür sprechen, dass Crowdwork auch ein spezifisch datenschutzrechtliches Strukturproblem aufweist.

1. Technische Grundlagen unter besonderer Berücksichtigung ausgewählter Anwendungsfälle (Riesenecker-Caba)

Das letzte Jahrzehnt war geprägt von einer Vielzahl an technischen (Weiter-)Entwicklungen, die das Privat- und Berufsleben der Menschen nachhaltig verändert haben.

An erster Stelle ist hier jedenfalls das Internet als neuer Markt- und Arbeitsplatz (e-Services, Cloud-Computing) zu nennen. Dank schnellerer Breitbandverbindung können in kürzerer Zeit Daten verarbeitet und übermittelt werden, wodurch die Zusammenarbeit über Ort- und Zeitgrenzen hinweg verbessert werden konnte und neue Geschäftsmodelle (durchaus auch disruptiver Art) entstanden. Aber auch im Bereich der elektronischen „sozialen“ Interaktion der Menschen – begünstigt durch die massive Verbreitung mobiler Endgeräte (Smartphones, Tablets, Wearables) – werden einerseits soziale virtuelle Netzwerke gebildet und Informationen in Gruppen geteilt (Sharing) und wird andererseits die gestiegene Kommunikationsbereitschaft vor allem jüngerer Personen zur Herausbildung neuer Formen der Bewertung von Dienstleistungen und Produkten in Bewertungsplattformen (digital reputation mechanism) herangezogen.

Auch abseits menschlicher Interaktion wurde der Datenaustausch in Informations- und Kommunikationssystemen massiv vorangetrieben. Neue Kommunikationsstandards wie das Internetprotokoll IPv6 ermöglichen es, den bisher beschränkten Adressierungsraum in eine neue Dimension zu erweitern (bei IPv4 mit 232 [das sind ca 4,3 Milliarden] auf 2128 [das sind ca 340 Sextillionen] mögliche IP-Adressen), und dank der Vernetzung von smarten Endgeräten wird dem Internet der Dinge/Dienste neben rasanten Wachstumsraten auch großes Veränderungspotenzial in unternehmerischen Prozessen prognostiziert. Die Gartner Group[1]http://www.tinyurl.com/jcxw7cp (20.09.2016) schätzt, dass 2020 schon 21 Milliarden Geräte (aller Art) bis hin zu einfachen Gegenständen (zB Werkstücke) vernetzt sein werden. Diese Geräte bzw Gegenstände können dank ihrer Sensorik Betriebszustände bzw Umgebungsdaten erheben und übermitteln, um so betriebliche Prozesse dank besserer Datenlage zu beschleunigen und teilweise oder ganz zu automatisieren. Verarbeitet werden diese Datenberge in sogenannten Big-Data-Systemen, die es nicht nur ermöglichen, strukturierte (aus relationalen Datenbanken) und unstrukturierte (zB Bilder) Daten miteinander zu verbinden, sondern daraus auch – so der Wunsch der EntwicklerInnen – Prognosen zukünftigen Verhaltens (predictive analytics) abzuleiten.

In der Folge werden auf Basis dieser technischen Entwicklungen und Gestaltungsmöglichkeiten technische Grundlagen ausgewählter Anwendungsfälle von Crowdwork im Rahmen der „Gig-Economy“ näher beschrieben, bevor anschließend daraus resultierende datenschutzrechtliche Aspekte beleuchtet und bewertet werden.

1.1. Uber

Uber versteht sich als Anbieter einer Technologie-Plattform, „die es Benutzern der mobilen Anwendungen oder Webseiten von Uber (jeweils eine ‚Anwendung‘) als Teil der Dienstleistungen ermöglicht, von unabhängigen Drittanbietern dieser Dienstleistungen, einschließlich unabhängiger Drittbeförderungsanbieter und unabhängiger Drittlogistikanbieter, die einen Vertrag mit Uber oder mit bestimmten mit Uber verbundenen Gesellschaften haben (‚unabhängige Leistungsanbieter‘), angebotene Beförderungs- bzw Logistikdienstleistungen zu organisieren und zu planen.“ [2]https://www.uber.com/legal/terms/at/ (15.07.2016).

Um als Anbieter einer Dienstleistung die Plattform nutzen zu können,[3]Wie schon in anderen Kapiteln angeführt, können in Österreich Privatpersonen keine Dienstleistungen über Uber anbieten, siehe insbesondere Kapitel „Transportdienstleistungen: Uber“. werden vorab, während und nach der Dienstleistung Informationen (auch personenbezogene Daten der FahrerInnen) manuell oder automationsunterstützt erhoben.

Laut Datenschutzerklärung für (Nicht-US-)FahrerInnen[4]https://www.uber.com/legal/privacy/drivers-non-us/de/ (07.10.2016) – in Kraft seit 15.07.2015. können dazu Stammdaten wie „Name, E-Mail, Telefonnummer, Postanschrift, Profilbild, Zahlungsangaben, Kraftfahrzeugzulassungsinformationen, Versicherungsinformationen, führerscheinbezogene Informationen und andere Informationen gehören, die Sie uns gegebenenfalls vorlegen möchten.“ [5]https://www.uber.com/legal/privacy/drivers-non-us/de/ (07.10.2016). Aber es wird auch die Möglichkeit geboten „einer Leumundsprüfung zustimmen“. Die hier suggerierte Freiwilligkeit besitzt jedoch in der Praxis keine Bedeutung, denn ohne An-/Abgabe dieser Informationen werden mögliche FahrerInnen nicht in die Plattform aufgenommen.

Neben den Stammdaten verpflichten sich diese Dienstleister, Informationen in den folgenden generellen Kategorien[6]Die Datenschutzerklärung dürfte an mehreren Stellen bewusst vage formuliert sein, um mögliche Implikationen mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen im Vorhinein zu verhindern. während der Dienstleistungserbringung über die Uber-Plattform zur Verfügung zu stellen:

  • Standortinformationen: „Sobald die Uber-App mithilfe des von Ihrem mobilen Betriebssystem (‚Plattform‘) verwendeten Berechtigungssystems die Erlaubnis erhält, auf Standortdienste zuzugreifen, erfassen wir den präzisen Standort Ihres Geräts, wenn die App im Vorder- oder Hintergrund läuft. Wir können Ihren ungefähren Standort auch aus Ihrer IP-Adresse ableiten.“ [7]https://www.uber.com/legal/privacy/drivers-non-us/de/ (07.10.2016).
  • Kontaktangaben: Kontaktangaben des Adressbuchs, auf dem die Uber-App installiert ist
  • Transaktionsinformationen: Art der geleisteten Serviceleistung, das Datum und die Uhrzeit, zu der die Serviceleistung ausgeführt wurde, den berechneten Betrag, die zurückgelegte Strecke und andere zugehörige Transaktionsdetails.
  • Nutzungs- und Präferenzinformationen: Informationen, wie die Uber-Webseite genutzt wird
  • Geräteinformationen des mobilen Endgeräts
  • Anruf- und SMS-Daten zur Kommunikationen zwischen NutzerInnen und FahrerInnen
  • Log-Informationen

Schlussendlich, und dies stellt eine wesentliche Veränderung zur bisherigen Praxis des Angebots von Transportdienstleistungen dar, haben KundInnen die Möglichkeit, ihre Zufriedenheit mit dem Service online zu bewerten und diese Angaben sind auch für Dritte (zB andere KundInnen) einsehbar. Aber auch FahrerInnen haben die Möglichkeit, Feedback zu KundInnen abzugeben; sollten diese gegen die AGB verstoßen, können sie von Uber ausgeschlossen werden.[8]https://www.uber.com/de/drive/safety/ (20.09.2016). Uber sieht in seiner „Datenschutzerklärung für (Nicht-US-)Fahrer“ auch vor, diese Daten in die USA und in andere Länder zu übermitteln, um diese dort für eigene Zwecke weiterzuverarbeiten.[9]https://www.uber.com/legal/privacy/drivers-non-us/de/ (07.10.2016).

NutzerInnen der Dienstleistung werden folgende Informationen zur Verfügung gestellt: „Namen, persönliche Fotos, Fahrzeugfotos, Fahrzeugzulassungen, Fahrzeugmarken und -modelle, den genauen oder ungefähren Standort, die von Nutzern eingereichte Durchschnittsbewertung sowie bestimmte Kontaktangaben (in Abhängigkeit von Ihrem Standort und geltendem Recht).“ [10]https://www.uber.com/legal/privacy/drivers-non-us/de/ (07.10.2016).

1.2. clickworker

Die clickworker GmbH ist eine der AnbieterInnen, die nach dem Crowdsourcing-Prinzip Aufträge von KundInnen abarbeitet. Dazu werden größere Aufträge automationsunterstützt in Mikroaufträge (< 1 Euro) zerteilt, über die eigene Plattform angeboten und von sogenannten ClickworkerInnen[11]Auf der Webseite https://www.clickworker.de/ueber-uns/unsere-crowd-die-clickworker/ (15.07.2016) ist die Zahl der Clickworker mit über 700.000 (diese Zahl wurde übrigens schon für 2014 genannt) angegeben, davon 25 % mit Hochschul-/Universitätsabschluss. erledigt. Diese Mikroaufgaben (microtasks) sind in der Regel Tätigkeiten, die nicht automatisiert bearbeitet werden können.

„Die Clickworker arbeiten unabhängig und zeitlich flexibel von ihrem eigenen Computer aus. Über eine Standard-Webbrowser-Benutzeroberfläche arbeiten Sie auf Honorarbasis in sich abgeschlossene Aufgaben ab. Diese wiederum sind zumeist Teile eines komplexen Projektes. Koordiniert und zusammengeführt werden die Projekte über die Technologie von clickworker, ein internetbasiertes Workflow-System. Beispiele sind die Verarbeitung unstrukturierter Daten in großen Mengen wie Texte, Bilder, Videos – speziell deren Erstellung, Kategorisierung, Ergänzung, Erfassung, Übersetzung, etc.“ [12]https://www.clickworker.de/ueber-uns/ (15.07.2016).

Von potenziellen ClickworkerInnen sind im Bewerbungsverfahren neben der Angabe personenbezogener Daten auch einige Aufgaben zu erfüllen, um ihre Eignung nachzuweisen. Eine Unternehmenspräsentation aus dem Jahre 2016[13]https://www.clickworker.com/wp-content/uploads/2016/02/Unternehmenspraesentation-2016.pdf (15.07.2016). führt dazu folgenden fünfstufigen Qualitätsprozess aus:

  1. Personalisierung & Registrierung der ClickworkerInnen (zB Name, Adresse, E-Mail-Adresse, Steuerinformationen etc), freiwillige Angaben zu Qualifikation, Ausbildung, Alter usw)
  2. Qualifizierung und Einstufung der ClickworkerInnen durch Testaufgaben, Online-Trainings und Bewertungen der Arbeitsergebnisse
  3. Allokation der Jobs nach Qualifikation
  4. Einsatz von diversen Qualitätsmanagement-Maßnahmen
  5. Überprüfung der Arbeitsergebnisse

In der Plattform können darüber hinaus detaillierte Angaben über das Arbeitsverhalten nachvollzogen werden (Präsenzinformationen = Zeitpunkte und Dauer der Bearbeitung, aber auch präferierte Arbeitszeiten und -tage).

Eine der Qualitätssicherungsmaßnahmen beruht übrigens darauf, dass einzelne Jobs von mehreren ClickworkerInnen parallel bearbeitet werden (und Ergebnisse somit – in Teilbereichen auch automatisiert – verglichen werden können).

Über eine dokumentierte Schnittstellenbeschreibung[14]Clickworker (2016), Clickworker Marketplace API. Application Programming Interface Description, https://www.clickworker.com/wp-content/uploads/2016/01/Mktplace_API_Reference.pdf (15.07.2016).
können AuftraggeberInnen die Crowdsourcing-Plattform in ihre eigenen Anwendungen und Systeme integrieren.

„Durch die Integration können Sie Aufträge direkt über Ihr CMS, Ihren Blog oder jede beliebige andere Internetanwendung verwalten.“ [15]https://www.clickworker.de/datenubermittlung-via-api/ (20.09.2016).

Über die API (application programming interface – Programmierschnittstelle) haben KundInnen automatisierten Zugriff auf den kompletten Auftragsprozess (zB Auftragsstatus oder Ergebnisse abrufen, Anzahl der ClickworkerInnen in einer Region abfragen).

Aus Datenschutzgründen sollen aber Informationen über individuelle ClickworkerInnen nicht über die Marktplace API, dh gegenüber AuftraggeberInnen, öffentlich gemacht werden können.[16]Clickworker (2016), Clickworker Marketplace API. Application Programming Interface Description, https://www.clickworker.com/wp-content/uploads/2016/01/Mktplace_API_Reference.pdf, Seite 26 (15.07.2016).

1.3. Book a Tiger

Auch im Bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen wird mit dem Uber-Prinzip – Anbieten von Dienstleistungen über eine Online-Vermittlungsplattform – gearbeitet. Anbieter wie „Helpling“ (die ihre Dienstleistungen jedoch nicht mehr in Österreich anbieten) oder „Book a Tiger“ ermöglichen es KundInnen, über die Vermittlungsplattform selbständige Reinigungskräfte („Dienstleister“), die auf eigene Rechnung arbeiten, zu buchen. Ein jeweiliger Dienstleistungsvertrag kommt dabei zwischen dem Kunden/der Kundin und dem/der ReinigungsdienstleisterIn zustande.[17]https://www.bookatiger.com/at-de/agb (15.07.2016).

Um als Reinigungskraft Dienstleistungen anbieten zu können, bedarf es einer vorherigen Anmeldung über das Portal. Anzugeben sind dabei neben allgemeinen Angaben zur Person, Kommunikationsdaten, abrechnungsrelevante Daten und die gewerberechtliche Stellung (Gewerbeschein). In Folge wird „ein mehrstufiges Auswahlverfahren mit jeder Putzfrau bzw -mann durch[geführt]. Das heißt: persönliches Bewerbungsgespräch und Strafregisterbescheinigung“. [18]https://www.bookatiger.com/at-de/ (15.07.2016).

Ähnlich anderen Plattformen ist auch bei dieser Dienstleistung das Feedback der KundInnen von Bedeutung.

„Ihre Zufriedenheit steht für uns an erster Stelle. Wir freuen uns daher über jegliches Feedback zum Auftrag. Bitte nutzen Sie hierfür das Feedback-Formular, das Sie im Anschluss an die Reinigung per E-Mail von uns erhalten. Sollten Sie mit der Reinigungsleistung unzufrieden sein, bitten wir Sie uns dies innerhalb von 48h nach der Reinigung mitzuteilen. Wir werden uns dann schnellstmöglich um Ihr Anliegen kümmern.“[19]https://www.bookatiger.com/at-de/hilfe (15.07.2016).

Wie in der datenschutzrechtlichen Bewertung (siehe Abschnitt „Bewertung der CrowdworkerInnen“) noch ausgeführt wird, können mit der (negativen) Bewertung durch KundInnen, ohne die Möglichkeit entgegnen bzw sich selbst „im rechten Licht“ darstellen zu können, Reputationsprobleme entstehen.

Andere Plattformen, wie zB die Plattform Airbnb, der Online-Marktplatz für das Buchen und Vermieten von Unterkünften, sehen demgegenüber übrigens sehr wohl die Möglichkeit der gegenseitigen Bewertung von GastgeberInnen und Reisenden[20]https://www.airbnb.de/help/article/13/how-do-reviews-work (20.09.2016). (ohne vorher das andere Resultat zu kennen) vor, was zwar auch keinem Stellungnahmerecht zu einer Bewertung entspricht, negative Bewertungen aber immerhin zu relativieren vermag.

1.4. Foodora

Foodora ist ein im Jahre 2014 in Berlin (als Teil der „Rocket Internet Gruppe“) gegründetes Portal zur Vermittlung von Speisen- und Getränkelieferungen[21]https://www.foodora.at/contents/terms-and-conditions.htm (11.10.2016)., das seit Juni 2015 auch in Wien aktiv ist. (Qualitäts-)Restaurants, die bisher über keine eigene Auslieferung verfügten, können über die Foodora-Plattfom Speisen und Getränke anbieten und auf deren KurierfahrerInnen zurückgreifen. Foodora setzt FahrradkurierInnen ein, die mittels Foodora-App zum Restaurant und zum Kunden/zur Kundin gesteuert werden. FahrradkurierInnen, die bei Foodora arbeiten, müssen über ein GPS-fähiges Smartphone (Apple iPhone 4S oder Android 4.2 oder neuere Version) mit Internetflatrate und über ein Fahrrad verfügen. [22]https://www.foodora.at/ride4us?utm_source=foodora&utm_medium=website&utm_campaign=homepagebanner&utm_content=applynow (11.10.2016). Gesteuert werden die KurierInnen, so berichten[23]http://www.gruenderszene.de/allgemein/foodora-fahrer-interview (11.10.2016). diese, ausschließlich durch die App. Dabei wird jeweils nur der unmittelbar nächste Schritt angezeigt (zB anzufahrendes Restaurant). Erst nach dem Eintreffen beim Restaurant wird die KundInnenadresse angezeigt. Auf Grundlage der Fahrgeschwindigkeit (errechneter Durchschnittswert der vergangenen Fahrten) werden die KurierInnen für längere bzw kürzere Distanzen zum Kunden/zur Kundin eingeteilt[24]https://krautreporter.de/1503-abstrampeln-fur-foodora (11.10.2016).. Dieses Faktum führte aber auch dazu, dass KurierfahrerInnen – mit diesem Wissen ausgestattet –, langsamer fuhren: „Mein Ziel war es, die Geschwindigkeit immer unter 10 Stundenkilometer zu halten, weil ich dann viel kürzere Strecken bekommen habe, das war nicht so anstrengend und brachte mehr Trinkgeld.“[25]http://www.gruenderszene.de/allgemein/foodora-fahrer-interview/2 (11.10.2016). Denn die im Hintergrund agierende vollautomatisierte Disponenten-Software prüft entsprechend und soll gewährleisten, dass zwischen Übernahme der Ware im Restaurant und der Zulieferung beim Kunden/der Kundin maximal 30 Minuten liegen. Foodora verfügt neben den im Rahmen der Bewerbung angegebenen Stammdaten der FahrradkurierInnen sohin letztlich auch über deren genaue Tätigkeitsauswertungen, da die Foodora-App laufend Informationen zur zentralen Speicherung rückmeldet.

1.5. Generation Open

IBM hat bereits vor Jahren mit seiner Strategie „Generation Open“[26]https://www-935.ibm.com/services/au/gbs/consulting/workingintheopen.pdf (15.07.2016); ausführlich beschrieben in Boes et al (2014), Clowdworking und die Zukunft der Arbeit, freier Download unter: https://www.researchgate.net/publication/272475518_Cloudworking_und_die_Zukunft_der_Arbeit (11.10.2016). darauf hingewiesen, dass der Marktplatz Internet (bzw die Cloud) einen Möglichkeitsraum zur Vernetzung interner MitarbeiterInnen und externer ExpertInnen zur gemeinsamen Bearbeitung von Aufträgen darstellt. Soziale Kollaborationsplattformen werden in der Zwischenzeit von allen großen IT-Playern angeboten und ermöglichen Vernetzung und Kommunikation abseits von Unternehmensgrenzen und über unterschiedliche Devices (PC, Tablets, Smartphones). Microsoft Skype for Business, Workplace by Facebook oder SAP Jam sind prominente Beispiele dafür. IBM bietet in der Zwischenzeit die Lösung IBM Connections an, „auf deren Grundlage […] Unternehmen die richtigen Personen einbinden, Innovationen beschleunigen und Ergebnisse erzielen kann[27]http://www-03.ibm.com/software/products/de/conn (11.10.2016).. In all diesen Umgebungen können NutzerInnen ohne Orts- und Zeitgrenzen interagieren, Informationen austauschen und gemeinsame Aktivitäten planen und setzen. Dabei werden neben den Stammdaten der beteiligten Personen (wie Name oder E-Mail-Adresse) eine Vielzahl an Kommunikations- und Inhaltsdaten (wann werden Aufträge bearbeitet, wie lange dauert eine Antwort/Bearbeitung, welche Kommunikation – zB Chat – findet statt, wie lange dauert die Kommunikation bis zur Lösung eines Problems etc) verarbeitet. Diese Daten geben in ihrer Fülle ein umfassendes Bild über die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Beteiligten.

2. Datenschutzrechtliche Aspekte der Stellung der CrowdworkerInnen (Goricnik)

2.1. Allgemeines

Die plattformbasierte Abwicklung von Dienstleistungen bringt – unabhängig von ihrer vielfältigen konkreten Ausgestaltung – immer ein Zusammenspiel dreier Player mit sich:

Plattform / CrowdworkerIn / AuftraggeberIn (Kundschaft)

Zum Zustandekommen einer marktwerten Dienstleistung bedarf es im Rahmen dieses dreipersonalen (triadischen) Verhältnisses natürlich auch des Austausches personenbezogener bzw personenbeziehbarer Daten, womit das Datenschutzrecht adressiert wird.[28]So sind gemäß § 4 Z 1 DSG 2000 „personenbezogene Daten“ Angaben über Betroffene, deren Identität bestimmt oder bestimmbar ist. Für die Personenbeziehbarkeit reicht es aus, wenn der Bezug zwischen der Information und der Person mithilfe von Referenzdaten gegebenenfalls in mehreren Zwischenschritten möglich ist, zB indem Informationen aus einem Software-System in ein anderes über eine entsprechende Schnittstelle migriert werden; auch die (nicht mit einem unzumutbaren Aufwand verbundene) Nutzbarkeit von Zusatzwissen Dritter genügt dieser Definition. Weiters reicht dabei die bloße Möglichkeit der Zuordnung der Information zu einer Person aus, dass diese Information den Regelungen des Datenschutzes unterliegt (vgl Mittländer in Wedde [Hrsg], Handbuch Datenschutz und Mitbestimmung [2016] Rz 123 f). Auch mit Gültigkeit der DS-GVO wird sich daran nichts ändern (vgl Art 4 Z 1 DS-GVO: „identifizierbare natürliche Person“). Denn einerseits dient eine tiefschürfende Ermittlung möglichst vieler als brauchbar erachteter Kategorien von Daten sowohl der CrowdworkerInnen als auch der AuftraggeberInnen der Effizienz des Anbotes und der Erbringung der Dienstleistung. Andererseits kann die weitere Verarbeitung und allfällige Übermittlung dieser Daten (zB zu Zwecken der Evaluierung, der Hebung von Verbesserungspotenzialen, der Bewertung bzw Bewerbung der Dienstleistung, zu Zwecken eines Performance Trackings zur Leistungsmessung oder auch zum Zweck der Information von Aufsichts- oder Steuerbehörden) natürlich auch mit Datenschutzinteressen der Betroffenen konfligieren.

Deshalb sollen im Folgenden drei dieser Konfliktfelder vor dem Hintergrund des geltenden österreichischen Datenschutzgesetzes DSG 2000[29]Das DSG 2000 besteht im Wesentlichen aus dem im Verfassungsrang stehenden „Grundrecht auf Datenschutz“ des § 1 DSG 2000 und dessen einfachgesetzlichem Teil insbesondere mit der näheren Ausgestaltung der Betroffenenrechte (auf Auskunft, Richtigstellung und Löschung) und setzt es auch die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl L 1995/281, 31, um. (mit seiner unmittelbaren Drittwirkung gegen Eingriffe durch private Rechtsträger)[30]Vgl Jahnel, Datenschutzrecht (2010) 74 f mwN bzw zur Rechtslage nach der DSG-Novelle 2014 Jahnel, jusIT 2015/33. näher beleuchtet werden, wobei jeweils auch ein Ausblick auf die ab 25.05.2018 unmittelbar anwendbare EU-Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO)[31]Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl L 2016/119, 1. erfolgen soll (unbeschadet dessen, dass noch kein Entwurf der österreichischen Implementierung dieses neuen Datenschutz-Regimes, insbesondere dessen Öffnungsklauseln,[32]So können etwa die Mitgliedstaaten gemäß Art 88 Z 1 DS-GVO durch Rechtsvorschriften oder durch Kollektivvereinbarungen spezifischere Vorschriften zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext, insbesondere für Zwecke der Einstellung, der Erfüllung des Arbeitsvertrags einschließlich der Erfüllung von durch Rechtsvorschriften oder durch Kollektivvereinbarungen festgelegten Pflichten, des Managements, der Planung und der Organisation der Arbeit, der Gleichheit und Diversität am Arbeitsplatz, der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, des Schutzes des Eigentums der Arbeitgeber oder der Kunden sowie für Zwecke der Inanspruchnahme der mit der Beschäftigung zusammenhängenden individuellen oder kollektiven Rechte und Leistungen und für Zwecke der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses vorsehen. vorliegt).

Ausgegangen wird jeweils davon, dass dabei wohl die Plattform als „datenschutzrechtlicher Auftraggeber“ iSd § 4 Z 4 DSG 2000[33]Dieser Begriff ist von dem des (vertragsrechtlichen) Auftraggebers der Dienstleistung strikt zu trennen, mit anderen Worten ist der (vertragsrechtliche) Auftraggeber datenschutzrechtlich ein Betroffener iSd § 4 Z 3 DSG 2000, dessen Daten von der Plattform verwendet werden. Auch der (vertragsrechtliche) Dienstleister (= CrowdworkerIn) ist datenschutzrechtlich ein Betroffener iSd § 4 Z 3 DSG 2000 (und kein „datenschutzrechtlicher“ Dienstleister iSd § 4 Z 5 DSG 2000). Werden diese Betroffenen hingegen seitens der Plattform beauftragt bzw ersucht, Daten über den jeweils anderen Betroffenen zu ermitteln (zB über die Zahlungsmoral oder Seriosität des Auftraggebers bzw umgekehrt über die Servicequalität des Dienstleisters [siehe dazu Abschnitt „Bewertung der CrowdworkerInnen“]), wären sie diesfalls in diesem Umfang sogenannte „Ermittlungsdienstleister“ (vgl Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 [16. Erg.-Lfg.] § 4 Anm 5, S 71; VwGH 2010/17/0003 RdW 2012/643). (entspricht künftighin dem „Verantwortlichen“ iSd Art 4 Z 7 DS-GVO) anzusehen sein wird, da sie die Entscheidung getroffen hat bzw trifft, diese Daten (im umfassenden Sinn) zu verwenden und sie damit als „HerrIn der Daten[34]Dazu näher Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 (16. Erg.-Lfg.) § 4 Anm 5, und Knyrim, Datenschutzrecht3 (2015) 41 f. Da die Plattform auch eigene Marketing- und Verrechnungszwecke verfolgt (dazu näher Beitrag „Gig-Economy und Crowdwork – was ist das?„), kann also keinesfalls davon ausgegangen werden, dass sie (insbesondere im Sinne einer „Software-as-a-Service“-Lösung) bloß ein datenschutzrechtlicher Dienstleister des (vertragsrechtlichen) Auftraggebers oder des (vertragsrechtlichen) Dienstleisters (= CrowdworkerIn) wäre. fungiert und insbesondere, wenn sie so auch nach außen auftritt.[35]Diesen Aspekt des Außenauftrittes im Sinne des Interesses an einem effektiven Rechtsschutzsystem betont etwa die Entscheidung der DSK 16.10.2009, K121.533/0017-DSK/2009 (ua mit dem Kriterium der Inhaberschaft an der betreffenden Internet-Domain).

Um zur Anwendung des DSG 2000 bei internationalen Sachverhalten zu gelangen, muss gemäß § 3 Abs 1 leg cit weiters entweder von einer Verarbeitung der CrowdworkerInnen-Daten für Zwecke einer in Österreich gelegenen Haupt- oder Zweigniederlassung eines in- oder ausländischen Auftraggebers (mit oder ohne Sitz in einem EU-Mitgliedstaat) oder von einer Verarbeitung der CrowdworkerInnen-Daten in Österreich durch einen Auftraggeber ohne Sitz in einem EU-Mitgliedstaat ausgegangen werden;[36]Siehe zu konkreten Abgrenzungsbeispielen Knyrim, Datenschutzrecht 36 f, und Jahnel, Datenschutzrecht 93 f. Vgl weiters EuGH 01.10.2015, C-230/14, Weltimmo, RdW 2015/613 = ZIR 2016/2, 168 (Thiele) zum Betreiben einer Website mit einer hauptsächlich auf einen anderen EU-Mitgliedstaat (als den Sitzstaat) ausgerichteten Tätigkeit als ein Beurteilungskriterium für das Vorliegen einer Niederlassung iSd Art 4 Abs 1 lit a DSRL 95/46/EG. (nur) letzterenfalls kommt es also auf den Standort der Server an, auf denen die Datenverarbeitung erfolgt. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass es sich beim Datenschutzrecht um öffentliches Recht handelt, sodass eine davon abweichende Rechtswahl ausgeschlossen ist.[37]So auch Geuer, Die Niederlassung im datenschutzrechtlichen Sinne, ZIR 2013/3, 153 mwN.

Der (künftige) räumliche Anwendungsbereich der DS-GVO bezieht sich gemäß Art 3 Abs 1 leg cit (entsprechend Art 4 Abs 1 lit a DSRL 95/46/EG) auf die Verarbeitung personenbezogener Daten, soweit diese im Rahmen der Tätigkeiten einer Niederlassung eines Verantwortlichen oder eines Auftragsverarbeiters in der Union erfolgt, unabhängig davon, ob die Verarbeitung in der Union stattfindet.[38]Gemäß ErwGr 22 setzt eine solche „Niederlassung“ die effektive und tatsächliche Ausübung einer Tätigkeit durch eine feste Einrichtung voraus. Die Rechtsform einer solchen Einrichtung, gleich, ob es sich um eine Zweigstelle oder eine Tochtergesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit handelt, ist dabei nicht ausschlaggebend. Die DS-GVO wird aber überdies Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten von betroffenen Personen, die sich in der Union befinden, durch einen nicht in der Union niedergelassenen Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter finden, wenn die Datenverarbeitung im Zusammenhang damit steht, ihr Verhalten zu beobachten, soweit ihr Verhalten in der Union erfolgt (Art 3 Abs 2 lit b DS-GVO).[39]Ob eine Verarbeitungstätigkeit der Beobachtung des Verhaltens von betroffenen Personen gilt, sollte gemäß ErwGr 24 daran festgemacht werden, ob ihre Internetaktivitäten nachvollzogen werden, einschließlich der möglichen nachfolgenden Verwendung von Techniken zur Verarbeitung personenbezogener Daten, durch die von einer natürlichen Person ein Profil erstellt wird, das insbesondere die Grundlage für sie betreffende Entscheidungen bildet. Diese Voraussetzung scheint jedenfalls bei CrowdworkerInnen in der EU mit einem Online-Work-Mode (wie zB bei „ClickworkerInnen“ [dazu näher in Abschnitt „Clickworker“]) gegeben.

Den einzelnen Kapiteln vorangestellt werden soll auch die wichtige datenschutzrechtliche Aussage, dass eine Zustimmung des Crowdworkers/der Crowdworkerin zur Verwendung seiner/ihrer personenbezogenen Daten (in der Regel über die zustimmende Akzeptanz der AGB der Plattform) – ganz abgesehen von zivilrechtlichen Überlegungen zu den Voraussetzungen und zur Reichweite der Gültigkeit einer solchen Willenserklärung[40]Dazu näher Beitrag „Virtuelles Crowdwork: Clickworker„.nicht von der vorgelagerten (!) Prüfung der grundsätzlichen Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung iSd §§ 6 und 7 DSG 2000 enthebt.[41]Vgl DSK 16.11.2004, K120.951/0009-DSK/2004; Jahnel, Datenschutzrecht 52, 191; Goricnik in Grünanger/Goricnik, Arbeitnehmer-Datenschutz und Mitarbeiterkontrolle (2014) 161. Insbesondere sind die Grundsätze der Datensparsamkeit[42]Dazu näher etwa Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 (16.Erg.-Lfg.) § 6, S 98; Art 5 Abs 1 lit c DS-GVO spricht diesbezüglich vom Grundsatz der „Datenminimierung“. und der Verhältnismäßigkeit[43]Dazu näher Jahnel, Datenschutzrecht 73. jedenfalls immer zu beachten bzw einzuhalten; werden sie verletzt, führt das zur Rechtswidrigkeit der konkreten Datenverwendung. Diese Aussage spielt insbesondere im Abschnitt „Kontrolle der CrowdworkerInnen“ eine große Rolle.

2.2. Bewertung der CrowdworkerInnen

2.2.1. Feedback bzw Rating ohne Möglichkeit der Stellungnahme

Haben KundInnen die Möglichkeit, ihre Zufriedenheit mit der Dienstleistung zu bewerten und können diese Angaben auch für Dritte auf der Plattform einsehbar sein,[44]In aller Regel bieten Plattformen die Möglichkeit für die KundInnen, die erbrachte Dienstleistung zu bewerten (vgl Heiling/Kuba, Arbeit für/durch die Plattform, Kurswechsel 2/2016, 13 [20]. Siehe konkret Abschnitt „Uber“. kann diese Feedback-Möglichkeit der Kundschaft einerseits natürlich sowohl zur Evaluierung der Qualität der Dienstleistung und deren Verbesserung beitragen als auch der Bewertung der jeweiligen CrowdworkerInnen dienen.[45]Der „Preis“ dieser Bewerbungsmöglichkeit für den Dienstleister ist natürlich die Einbindung in ein anstrengendes „System der permanenten Selbstbewährung“ (so schon Risak, What`s law got to do with it? Kurswechsel 2/2016, 32 [34]). Andererseits haben die CrowdworkerInnen keine Möglichkeit, eine (aus welchen Gründen auch immer) unrichtige bzw unqualifizierte Bewertung (mitsamt ihrem daraus resultierenden Wettbewerbsnachteil) zu verhindern.[46]Auf dieses Datenschutzproblem weist schon Müller-Gemmeke, Wir brauchen soziale Leitplanken in der neuen Arbeitswelt, in Benner (Hrsg), Crowdwork – zurück in die Zukunft? (2015) 355 (360) hin.

Im Regelfall bietet die Plattform auch keine Möglichkeit, dass der/die CrowdworkerIn eine eigene Stellungnahme zu seiner/ihrer Bewertung abgibt und sie dadurch relativiert bzw sie in das richtige Licht rückt;[47]Das ist etwas fundamental anderes als die Möglichkeit, ein eigenes Feedback zu KundInnen abzugeben, vgl Abschnitt „Uber“. was das bedeutet, führen anschaulich Irani/Silberman am Beispiel der von Amazon betriebenen Plattform „Mechanical Turk“, einem System für hochgradig verteilte Mikroarbeit (microtasks), aus:[48]Irani/Silberman, Turkopticon, in Benner 131 (147 f).

Zu den Konsequenzen dieser Berufsrisiken gehören […] geminderte ‚Approval Ratings‘. Letztere sind eines der wenigen Werkzeuge, mit denen Auftraggeber die Arbeiter ausfiltern können. Immer dann, wenn ein Auftraggeber eine erledigte Aufgabe eines Arbeiters zurückweist, sinkt dessen Bewertungsquote. Dies passiert unabhängig davon, ob die Arbeit nicht den Ansprüchen genügte oder ob der Auftraggeber lediglich nicht zahlen wollte. Wenn die Bewertungsquote unter einen bestimmten Schwellenwert sinkt, versteckt Amazon Aufgaben, die ein hohes Rating erfordern.“

Irani/Silberman behandelt die fehlende Möglichkeit zum Re-Feedback an den bewertenden Auftraggeber (Kundschaft) unter dem Oberbegriff der „Fairness“.[49]Irani/Silberman in Benner 148.

2.2.2. Gebot der Datenverwendung nach Treu und Glauben

Das DSG 2000 spricht in diesem Zusammenhang von „Treu und Glauben“ als einem der Grundsätze einer (erlaubten) Datenverwendung (§ 6 Abs 1 Z 1 leg cit).[50]Vgl künftighin Art 5 Abs 1 lit a DS-GVO mit ua dem Grundsatz der „Verarbeitung nach Treu und Glauben“. Dabei ist zu betonen, dass nicht nur Identifizierungsmerkmale und Informationen im engeren Sinn, sondern auch Werturteile und Vermutungen über bestimmte oder bestimmbare Personen als personenbezogene Daten anzusehen sind.[51]Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 (16.Erg.-Lfg.) § 4 Anm 2, S 68; Jahnel, Datenschutzrecht 128, der diesbezüglich das Datum „Arbeitseinstellung“ nennt. Schließlich können auch Werturteile und (bloße) Mutmaßungen die Stellung bzw das Prestige einer Person genauso – wenn nicht durch die direkte Unüberprüfbarkeit sogar mehr! – beeinträchtigen.[52]Vgl Goricnik, jusIT 2009/82, 172 FN 35 mwN.

Das Gebot von Treu und Glauben des § 6 Abs 1 Z 1 DSG 2000 verpflichtet den datenschutzrechtlichen Auftraggeber nun nicht nur zu einer Verarbeitung „richtiger“ Daten, sondern auch zu deren Vollständigkeit, wenn er sie denn verarbeitet, da entsprechende Datenlücken letztlich ebenfalls zu einem unrichtigen Verarbeitungsergebnis führen können.[53]So schon Duschanek, Arbeitsverhältnis und Datenschutz, ZAS 1983, 88. In diesem Sinne sprach auch die (frühere) DSK zum Gebot der Datenverwendung nach Treu und Glauben aus, dass das Führen wesentlich nachteiliger Informationen über Betroffene nur zulässig sei, wenn alle vernünftigerweise einsetzbaren Vorkehrungen getroffen werden, um die Richtigkeit (und Vollständigkeit) der gespeicherten Daten zu bewirken. Dazu sei insbesondere auch eine ausreichende Information der Betroffenen notwendig, damit diese ihre Rechte (gegenüber dem/der datenschutzrechtlichen AuftraggeberIn) durchsetzen können, zB eben auch durch die Ersichtlichmachung eines sogenannten „Bestreitungsvermerkes“ im Falle einer begründeten Bestreitung. Dies erfordere im übrigen auch das Gebot der sachlichen Richtigkeit der Daten iSd § 6 Abs 1 Z 4 DSG 2000, das auch ein Gebot der Vollständigkeit von Informationen mitumfasse.[54]DSK 23.11.2001, K095.014/021-DSK/2001. In diesem Sinne auch Löschnigg, Datenermittlung im Arbeitsverhältnis (2009) 181, wonach die Richtigkeit der Daten auch dann nicht vorliegt, wenn aufgrund der nicht mitgespeicherten Datenumgebung der Informationsgehalt der Daten verändert wird, wenn also die Daten wegen des Kontextverlustes einen unrichtigen Eindruck erzeugen. Mit Entscheidung vom 15.12.2005 schloss sich auch der OGH ausdrücklich dieser Auffassung an und bekräftigte, dass der Grundsatz der Datenverwendung nach Treu und Glauben eben auch die Möglichkeit des Betroffenen impliziere, sich gegen eine seiner Meinung nach nicht gerechtfertigte Datenverwendung zur Wehr zu setzen.[55]OGH 6 Ob 275/05t ecolex 2006/211; weiters OGH 6 Ob 247/08d jusIT 2010/49 (Kastelitz/Leiter).

Die Auffangklausel von Treu und Glauben dient damit letztlich also der „Qualität der Daten“,[56]Siehe dazu näher Dammann/Simitis, EG-Datenschutzrichtlinie Erl 1.1 zu dem § 6 DSG zugrunde liegenden Art 6 DSRL 95/46/EG.
da bei einer automationsunterstützen Datenverarbeitung entsprechend hohe Maßstäbe anzulegen sind, weil das Gefährdungspotenzial für den Betroffenen ein höheres als bei bloß manuellen Daten (außerhalb einer Datei) ist, namentlich durch die leichte Abrufbarkeit „auf Tastendruck“ (noch einmal gesteigert durch die Abrufbarkeit im Internet) , durch den Kontextverlust (zB durch die Ersichtlichmachung der Datenkategorie eines unterdurchschnittlichen Arbeitsergebnisses ohne – mangels entsprechender Datenkategorie – Ersichtlichmachung des Begleitdatums unklarer Vorgaben) wie auch durch den Ausschluss des faktischen „Vergessens“, dh insbesondere durch die lange währende negative Beeinflussung von Durchschnittswerten.[57]So schon Löschnigg, Datenermittlung im Arbeitsverhältnis 36.

Was folgert daraus datenschutzrechtlich insbesondere für die Beifügung von (negativ gefärbten) Werturteilen – zB „unfreundliche Art“ bei einer persönlich erbrachten Leistung – über einen/eine CrowdworkerIn?

Der/Die CrowdworkerIn hat nach hier vertretener Ansicht unter Berufung auf das Gebot der Datenverwendung nach Treu und Glauben (und wohl auch als vertragsrechtliche Nebenpflicht) das Recht, zu verlangen, dass seine/ihre Stellungnahme, die ihm/ihr zB als Beweismittel für allfällige spätere rechtliche Auseinandersetzungen mit der Kundschaft oder einfach zur Relativierung der negativ gefärbten Beschreibung der eigenen Person zur Wiederherstellung seiner/ihrer Reputation dienen kann, in gleicher Art und Weise beim Feedback der Kundschaft aufscheint, um eine vollständige Gesamtinformation (als „Anhörung“ auch der gegenbeteiligten Partei) darzustellen.

Noch spezifischer datenschutzrechtlich formuliert, hat der/die CrowdworkerIn mangels Feststellbarkeit der Richtigkeit bzw Unrichtigkeit der Daten, was bei einer subjektiven Bewertung die Regel sein wird, das Recht, unter Berufung auf § 27 Abs 7 DSG 2000 die Beifügung eines sogenannten „Bestreitungsvermerkes“[58]Dazu näher Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 (16.Erg.-Lfg.) § 27 Anm 21 f, und Jahnel, Datenschutzrecht 421 f. durch die Plattform zu verlangen.[59]Die Plattform bleibt auch beim Einsatz eines sogenannten „Ermittlungsdienstleisters“ (hier der Kundschaft) verantwortlicher datenschutzrechtlicher Auftraggeber (vgl Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 [16. Erg.-Lfg.] § 4 Anm 5, S 71).

Praktisch kann man sich diesen Vorgang etwa dergestalt vorstellen, dass zB unmittelbar beim Datenfeld der (zB numerischen) Bewertung des Crowdworkers/der Crowdworkerin jedenfalls auch ein Textfeld vorhanden sein müsste, in das sowohl die Kundschaft als auch der/die CrowdworkerIn (allenfalls unter dem Titel „Bestreitungsvermerk im Sinne des § 27 Abs 7 DSG“) Einträge tätigen können (zB seitens des Crowdworkers/der Crowdworkerin des Inhaltes, dass er/sie diese oder jene Sachverhaltselemente und/oder die daraus abgeleitete Wertung der Kundschaft in Abrede stellt).

2.2.3. Mangelnde Übertragbarkeit der Reputation als berufliches Mobilitätshemmnis

Der Vollständigkeit halber sei im Zusammenhang mit dem Thema der Bewertung der CrowdworkerInnen auch noch auf das Problem hingewiesen, dass mangels entsprechender technischer und rechtlicher Vorkehrungen (zB durch das Einholen einer diesbezüglichen Einwilligung der Kundschaft) diese „digitale Reputation“, die zu attraktiveren und besser bezahlten Aufträgen verhilft, grundsätzlich nicht auf andere Plattformen übertragbar ist, was die Mobilität der CrowdworkerInnen hemmt.[60]Prassl/Risak, Uber, TaskRabbit, and Co.: Platforms as employers? Rethinking the legal analysis of Crowdwork, in Comparative Labour Law and Policy Journal Vol. 37 (2016) 619 (627), betonen zutreffend die daraus resultierende verschlechterte (wirtschaftliche) Verhandlungssituation der CrowdworkerInnen.

Art 20 DS-GVO sieht (künftig) zwar ein (neues) Recht auf Datenübertragbarkeit dergestalt vor, dass die betroffene Person das Recht hat, die sie betreffenden personenbezogenen Daten, die sie einem Verantwortlichen (= der bisherige datenschutzrechtliche Auftraggeber) bereitgestellt hat, in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format zu erhalten. Außerdem hat sie das Recht, diese Daten einem anderen Verantwortlichen ohne Behinderung durch den Verantwortlichen, dem die personenbezogenen Daten bereitgestellt wurden, zu übermitteln, aber eben nur unter der Voraussetzung, dass die betroffene Person die Daten „bereitgestellt“ hat; diese Voraussetzung liegt sohin bei einer Bewertung durch eine Kundschaft nicht vor.

Abgesehen davon wäre eine Portabilität von Bewertungen wohl auch nur dann hilfreich, wenn über die andere Plattform ähnliche Dienstleistungen angeboten würden (eine numerische Bewertung und selbst lobende Beschreibungen einer einzelnen Kundschaft sind eben nicht mit dem Informationsgehalt eines qualifizierten Dienstzeugnisses zu vergleichen).

2.3. Kontrolle der CrowdworkerInnen

Die Ermittlung von Standortinformationen (und deren auftragsbezogene Übermittlung an die Kundschaft) in Zusammenhang mit dem Anbot von Beförderungsleistungen (wie zB bei Uber, vgl Abschnitt „Uber“) oder die Dokumentation des Arbeitsfortschrittes des Crowdworkers/der Crowdworkerin können natürlich auch als Kontrollmittel eingesetzt werden. Insbesondere bei einem Online-Work-Mode (wie zB bei clickworker, vgl Abschnitt „Clickworker“) ist von einer engmaschigen digitalen Kontrollierbarkeit der Arbeitsaktivitäten der CrowdworkerInnen – auch seitens der Kundschaft[61]Im Fall der clickworker-Plattform wird zwar allgemein behauptet, dass der Datenschutz in Bezug auf die einzelnen ClickworkerInnen beachtet würde (https://www.clickworker.com/wp-content/uploads/2016/01/Mktplace_API_Reference.pdf, S 26 [15.07.2016]) – vgl Abschnitt „Clickworker“ –, ob und wie weitgehend das aber auch eingehalten wird, bedürfte aber einer genauen informationstechnischen Überprüfung. – auszugehen.

Zur entsprechenden datenschutzrechtlichen Bewertung ist auf das allgemeine Vertragsrecht des 26. Hauptstückes des ABGB zurückzugreifen:

Bei „echten“ Arbeitsverträgen schuldet der Arbeitnehmer wegen seiner bloßen Verpflichtung zur grundsätzlichen Zur-Verfügungstellung seiner Arbeitskraft für bestimmte Zeiträume nur sein Bemühen, aber nicht den gewünschten Erfolg seiner Dienstleistung,[62]ZB Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 (1998) 147. sodass eine entsprechende Kontrolle durch den für die bloße Zur-Verfügungstellung der Arbeitskraft entgeltpflichtigen Arbeitgeber ein Wesenselement des „echten“ Arbeitsverhältnisses iSd 26. Hauptstückes des ABGB ist.[63]Vgl Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I, 52. Für den Arbeitsvertrag ist das Recht des Arbeitgebers charakteristisch, laufend zu kontrollieren, ob der Arbeitnehmer die Bindungen – die aus Vertrag oder Weisung folgen – auch eingehalten hat. Zwar ist bei jedem Vertragstyp der Vertragspartner berechtigt, die Leistung des anderen zu kontrollieren.[64]ZB OGH 9 ObA 10/99g = ASoK 1999, 277 (Karl). Die Kontrollbefugnisse beim „echten“ Arbeitsvertrag erstrecken sich aber (auch) auf andere Elemente als bei einem Werk- oder freien Dienstvertrag, eben auf die persönliche Leistung zu bestimmter Zeit an bestimmtem Ort unter Einordnung in die fremde Arbeitsorganisation; diese – intensivenKontrollbefugnisse sind daher ein starkes Indiz für das Vorliegen eines Arbeitsvertrages.[65]Rebhahn in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1151 ABGB Rz 86 (Stand 01.6.2014, rdb.at). Ausreichend intensive Kontrollbefugnisse können – selbst bei verdünntem Weisungsrecht – die Qualifikation als Arbeitsvertrag auch allein tragen.[66]Rebhahn in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1151 ABGB Rz 86 (Stand 01.6.2014, rdb.at).

Demgegenüber schuldet der Werkunternehmer bei Werkverträgen iSd §§ 1165 ff ABGB einen Erfolg bzw Arbeitserfolg, während Arbeitnehmer eben bloß ein „Wirken“ schulden. Hauptpflicht des Werkunternehmers ist das vertragsgemäße Herstellen des körperlichen oder unkörperlichen Werkes. Wesentlich ist, dass die geschuldete Leistung nach den Umständen und Vorstellungen des anderen (Werkbesteller) herzustellen ist. Das Werk stellt das Ergebnis der vertragsgemäßen, zielgerichteten Tätigkeit des Unternehmers dar. Der Werkunternehmer schuldet dieses Ergebnis, nicht bloß das Bemühen darum. Tritt der geschuldete Erfolg nicht ein, so hat der Werkunternehmer nicht erfüllt und keinen Werklohnanspruch.[67]Rebhahn in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1151 ABGB Rz 107 (Stand 01.6.2014, rdb.at). Deshalb sind Kontrollen des Werkunternehmers grundsätzlich nur in Bezug auf das geschuldete Werk sachlich gerechtfertigt, nicht aber in Bezug auf seine Aktivitäten zur Herstellung dieses Werkes.

Laufende und intensive Kontrollen der CrowdworkerInnen durch die Plattform und/oder die Kundschaft bewegen sich also – pointiert formuliert – rechtlich zwischen Skylla und Charybdis: Entweder stellt die engmaschige Ermittlung und weitere Verarbeitung von (personenbezogenen) Daten der Arbeitsaktivitäten der CrowdworkerInnen bzw deren Übermittlung an die Kundschaft schon gar keinen Erlaubnistatbestand iSd § 8 Abs 3 Z 4 DSG 2000 dar (weil nicht für die Erfüllung eines Werkvertrages erforderlich)[68]Vgl entsprechend künftighin Art 6 Abs 1 lit b DS-GVO. bzw ist sie – wegen der den berechtigten Zweck überschießenden Datenermittlung – jedenfalls unverhältnismäßig iSd § 7 Abs 3 DSG 2000,[69]Vgl künftighin Art 5 Abs 1 lit c DS-GVO (Grundsatz der „Datenminimierung“). wofür die Plattform als datenschutzrechtlicher Auftraggeber verantwortlich zeichnet.[70]Das Auslagern der Kontrolle seitens der Plattform an die Kundschaft ändert nichts an der Beibehaltung der datenschutzrechtlichen Auftraggebereigenschaft der Plattform (die KundInnen sind diesfalls datenschutzrechtliche Dienstleister); integrieren die KundInnen entsprechende personenbezogene Daten in ihre eigenen Anwendungen und Systeme (vgl Abschnitt „Clickworker“), werden (auch) sie selbst zu datenschutzrechtlichen Auftraggeber. Oder dieses Kontrollausmaß könnte mit den (allenfalls) zugrunde liegenden Vertragsbedingungen (datenschutzrechtlich) zu rechtfertigen versucht werden, was aber nach dem Vorgesagten das Vorliegen eines „echten“ Arbeitsvertrages (mitsamt seiner persönlichen Abhängigkeit) zur Plattform und/oder zur Kundschaft indizieren würde (was idR nicht beabsichtigt ist).

Speziell zu Standortdaten der CrowdworkerInnen in Zusammenhang mit dem Anbot von Beförderungsleistungen ist anzumerken, dass auch diesfalls reine Nützlichkeitserwägungen keinen Erlaubnistatbestand zur entsprechenden Datenverwendung darstellen: Nur in wenigen Fällen wird die Verwendung dieser Daten iSd § 8 Abs 3 Z 4 DSG 2000 zur Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung erforderlich sein,[71]Vgl dazu allg Rebhahn, Mitarbeiterkontrolle am Arbeitsplatz (2009) 52. zB allenfalls zur Kontaktierung eines/einer in der Nähe der Kundschaft befindlichen Crowdworkers/Crowdworkerin , aber nicht zu den genauen Modalitäten der Anfahrt im Auftragsfall. Würde darüber hinaus die Berechtigung eines Kontrollinteresses an einer effizienten Fahrleistung behauptet, würde sich aber wiederum die grundsätzliche Vorfrage nach dem Typus des der Dienstleistung zugrunde liegenden Vertrages stellen.[72]In diesem Sinne schon Rebhahn, Mitarbeiterkontrolle am Arbeitsplatz 53, zur unterschiedlichen Kontrollbefugnis in Bezug auf freie Mitarbeiter einerseits und Arbeitnehmer andererseits.

Diese Vorfrage stellt sich natürlich auch dann, wenn eine umfassende Verwendung von Kommunikations- und Inhaltsdaten auf Kollaborationsplattformen (vgl Abschnitt „Generation Open“) erfolgt und zwar unterschiedslos, ob es sich um (interne) ArbeitnehmerInnen oder externe MitarbeiterInnen (ohne zugrunde liegenden Arbeitsvertrag) handelt – egal, ob es sich um den Verwendungszweck der Vertragserfüllung oder den eines Kontrollinteresses handelt.

Wie schon im Abschnitt „Allgemeines“ ausgeführt, können diese datenschutzrechtlichen Anforderungen auch nicht einfach durch eine Zustimmung des Crowdworkers/der Crowdworkerin zur entsprechenden Verwendung seiner/ihrer personenbezogenen Daten (in der Regel über die zustimmende Akzeptanz der AGB der Plattform) ausgehebelt werden, da auch eine solche Zustimmung nicht von der vorgelagerten (!) Prüfung der grundsätzlichen Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung iSd §§ 6 und 7 DSG 2000 enthebt.

Künftighin wird in diesem Zusammenhang auch das sogenannte „Koppelungsverbot“ des Art 7 Abs 4 DS-GVO eine wichtige Rolle spielen: Demnach muss bei der Beurteilung, ob eine Einwilligung freiwillig erteilt wurde, dem Umstand in größtmöglichem Umfang Rechnung getragen werden, ob unter anderem die Erfüllung eines Vertrages von der Einwilligung zu einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig ist, die für die Erfüllung des Vertrages nicht erforderlich sind; Vertragsklauseln, die eine Einwilligung in die Verarbeitung entsprechender „nicht erforderlicher“ Daten vorsehen, bewirken künftighin in der Regel also keine wirksame Zustimmung zur Datenverwendung.[73]So auch Härting, Datenschutz-Grundverordnung (2016) 96 f.

2.4. Übermittlung von CrowdworkerInnen-Daten an Behörden

Plattformen bewerben die angebotene Dienstleistung zum Teil auch mit dem Argument der „100%igen Legalität“ in dem Sinne, dass neben dem Erhalt einer „detaillierten Rechnung“ alle DienstleisterInnen (CrowdworkerInnen) „offiziell angemeldet“ seien.[74]Siehe beispielsweise https://www.bookatiger.com/at-de/reinigungskraft/wien (20.09.2016). Das entspricht dem beobachtbaren Trend bei Plattformen, zunehmend auch gesamtgesellschaftlich wünschenswerte Ziele als Attribute für die Bewerbung der Plattform zu verwenden.[75]Heiling/Kuba, Arbeit für/durch die Plattform, Kurswechsel 2/2016, 20.

Damit stellt sich datenschutzrechtlich die Frage, ob die Plattform entsprechende CrowdworkerInnen-Daten (insbesondere ohne deren Einwilligung) auch an Aufsichts- oder Steuerbehörden übermitteln darf.

7 Abs 2 DSG 2000 bezieht sich in diesem Zusammenhang insbesondere auf die diesbezügliche Nicht-Verletzung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen der betroffenen CrowdworkerInnen:

Gemäß § 8 Abs 1 Z 4 DSG 2000 sind schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung nicht-sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn überwiegende berechtigte Interessen eines Dritten die Verwendung erfordern. Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind aus dem Grunde dieses Abs 1 Z 4 leg cit insbesondere dann nicht verletzt, wenn die Verwendung der Daten für einen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs eine wesentliche Voraussetzung für die Wahrnehmung einer ihm gesetzlich übertragenen Aufgabe ist (§ 8 Abs 3 Z 1 DSG 2000).[76]Vgl künftighin Art 6 Abs 1 lit e DS-GVO.

Die Übermittlung entsprechender CrowdworkerInnen-Daten an Gewerbe- und Steuerbehörden sowie an Sozialversicherungsträger scheitert sohin auch schon de lege lata nicht am Datenschutzrecht bzw könnte de lege ferenda sogar eine entsprechende Meldeverpflichtung der Plattform vorgesehen werden, die mit dem Grundrecht auf Datenschutz des § 1 DSG 2000 wegen der entsprechenden Wahrung des öffentlichen Interesses kompatibel wäre.

Hervorzuheben ist, dass die im Vergleich mit anderen Wirtschaftsteilnehmer der „Old Economy“ funktional ähnliche Besteuerung von in der kollaborativen Wirtschaft Tätigen, die vergleichbare Dienstleistungen erbringen, mittlerweile auch eine Stoßrichtung ist, die auf der „Europäischen Agenda für die kollaborative Wirtschaft“[77]Mitteilung der Kommission vom 02.06.2016, COM (2016) 356 (abrufbar unter https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2016/DE/1-2016-356-DE-F1-1.PDF). steht. Dort wird auch darauf hingewiesen, dass die von der Europäischen Kommission „kollaborative Wirtschaft“ genannte Gig-Economy neue Möglichkeiten eröffnet habe, den Steuerbehörden und den SteuerzahlerInnen bei ihren steuerlichen Verpflichtungen zu helfen. Dies gehe insbesondere auf die bessere Rückverfolgbarkeit zurück, die durch die Vermittlung durch Online-Plattformen ermöglicht wird. In manchen Mitgliedstaaten sei es deshalb schon gängige Praxis, dass Vereinbarungen mit Plattformen über die Beitreibung von Steuern abgeschlossen werden. Es gebe auch Fälle, in denen die Steuerbehörden die durch Online-Plattformen ermöglichte Rückverfolgbarkeit für die Beitreibung von Steuern von den einzelnen Anbieter nutzen.

Ein Beispiel für die gute Zusammenarbeit zwischen den Steuerbehörden und Akteur der kollaborativen Wirtschaft (in diesem Band „Gig-Economy“ genannt) stamme aus Estland: In Zusammenarbeit mit Plattformen für Mitfahrsysteme soll dort das Verfahren für Steuererklärungen für Fahrer vereinfacht werden. Transaktionen zwischen Fahrer und Kunden werden von der kollaborativen Plattform registriert. Diese schickt anschließend nur die für steuerliche Zwecke relevanten Daten an die Behörde, die dann ihrerseits die Steuerformulare für SteuerzahlerInnen im Voraus ausfüllt.

Der Grundgedanke bestehe darin, den Steuerzahler wirksam und mit möglichst geringem Aufwand bei der Erfüllung ihrer Steuerpflichten zu helfen.[78]Mitteilung der Kommission vom 02.06.2016, COM (2016) 356, 16.

Darüber hinaus betont die Europäische Kommission die Wichtigkeit, faire Arbeitsbedingungen und einen angemessenen und nachhaltigen VerbraucherInnen- und Sozialschutz sicherzustellen. Deshalb sollten Bürger und Unternehmen die für sie geltenden Regeln und Pflichten kennen, wie sie in dieser Mitteilung dargelegt werden. Die Mitgliedstaaten werden auch dazu aufgerufen, die Lage auf nationaler Ebene in ähnlicher Weise klarzustellen. Die Kommission sei bereit, mit den Mitgliedstaaten und den jeweiligen Behörden zusammenzuarbeiten, um sie dabei zu unterstützen.[79]Mitteilung der Kommission vom 02.06.2016, COM (2016) 356, 18.

3. Zusammenfassung

Wie aus der technischen und datenschutzrechtlichen Darstellung ersichtlich ist, ist die genaue Ausformung der plattformbasierten Abwicklung von Dienstleistungen zwar vielgestaltig, die identifizierten problembehafteten bzw in der gegenständlichen Darstellung als überprüfenswert erachteten datenschutzrechtlichen Aspekte der Stellung der CrowdworkerInnen sind aber strukturell ähnlich gelagert, was dafür spricht, dass Crowdwork auch ein spezifisch datenschutzrechtliches Strukturproblem aufweist. Der datenschutzrechtliche Teil dieses Beitrages hat sich deshalb auch zum Ziel gesetzt, entsprechende Lösungsmöglichkeiten de lege lata anzudenken.

Darüber hinaus und vor allem angesichts der ebenfalls ersichtlich gemachten Schwierigkeiten der datenschutzrechtlichen Navigation in dieser wirtschaftlichen Struktur, die vom Zusammenspiel dreier Player geprägt ist, ist aber vor allem (neben entsprechenden notwendigen Initiativen auf europäischer Ebene) auch der österreichische Gesetzgeber einerseits aus Gründen der Rechtssicherheit und andererseits aus Gründen des Schutzes bestehender traditioneller wirtschaftlicher Strukturen mit ihren eingespielten rechtsstaatlichen Abläufen rechtspolitisch gefordert, Klarstellungen und Präzisierungen der plattformbasierten Abwicklung von Dienstleistungen (auch in datenschutzrechtlicher) Hinsicht zu treffen.

[1] http://www.tinyurl.com/jcxw7cp (20.09.2016) [2] https://www.uber.com/legal/terms/at/ (15.07.2016).

[3] Wie schon in anderen Kapiteln angeführt, können in Österreich Privatpersonen keine Dienstleistungen über Uber anbieten, siehe insbesondere Kapitel „Transportdienstleistungen: Uber“.

[4] https://www.uber.com/legal/privacy/drivers-non-us/de/ (07.10.2016) – in Kraft seit 15.07.2015.

[5] https://www.uber.com/legal/privacy/drivers-non-us/de/ (07.10.2016).

[6] Die Datenschutzerklärung dürfte an mehreren Stellen bewusst vage formuliert sein, um mögliche Implikationen mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen im Vorhinein zu verhindern.

[7] https://www.uber.com/legal/privacy/drivers-non-us/de/ (07.10.2016).

[8] https://www.uber.com/de/drive/safety/ (20.09.2016).

[9] https://www.uber.com/legal/privacy/drivers-non-us/de/ (07.10.2016).

[10] https://www.uber.com/legal/privacy/drivers-non-us/de/ (07.10.2016).

[11] Auf der Webseite https://www.clickworker.de/ueber-uns/unsere-crowd-die-clickworker/ (15.07.2016) ist die Zahl der Clickworker mit über 700.000 (diese Zahl wurde übrigens schon für 2014 genannt) angegeben, davon 25 % mit Hochschul-/Universitätsabschluss.

[12] https://www.clickworker.de/ueber-uns/ (15.07.2016).

[13] https://www.clickworker.com/wp-content/uploads/2016/02/Unternehmenspraesentation-2016.pdf (15.07.2016).

[14] Clickworker (2016), Clickworker Marketplace API. Application Programming Interface Description, https://www.clickworker.com/wp-content/uploads/2016/01/Mktplace_API_Reference.pdf (15.07.2016).

[15] https://www.clickworker.de/datenubermittlung-via-api/ (20.09.2016).

[16] Clickworker (2016), Clickworker Marketplace API. Application Programming Interface Description, https://www.clickworker.com/wp-content/uploads/2016/01/Mktplace_API_Reference.pdf, Seite 26 (15.07.2016).

[17] https://www.bookatiger.com/at-de/agb (15.07.2016).

[18] https://www.bookatiger.com/at-de/ (15.07.2016).

[19] https://www.bookatiger.com/at-de/hilfe (15.07.2016).

[20] https://www.airbnb.de/help/article/13/how-do-reviews-work (20.09.2016).

[21] https://www.foodora.at/contents/terms-and-conditions.htm (11.10.2016).

[22] https://www.foodora.at/ride4us?utm_source=foodora&utm_medium=website&utm_campaign=homepagebanner&utm_content=applynow (11.10.2016).

[23] http://www.gruenderszene.de/allgemein/foodora-fahrer-interview (11.10.2016).

[24] https://krautreporter.de/1503-abstrampeln-fur-foodora (11.10.2016).

[25] http://www.gruenderszene.de/allgemein/foodora-fahrer-interview/2 (11.10.2016).

[26] https://www-935.ibm.com/services/au/gbs/consulting/workingintheopen.pdf (15.07.2016); ausführlich beschrieben in Boes et al (2014), Clowdworking und die Zukunft der Arbeit, freier Download unter: https://www.researchgate.net/publication/272475518_Cloudworking_und_die_Zukunft_der_Arbeit (11.10.2016).

[27] http://www-03.ibm.com/software/products/de/conn (11.10.2016).

[28] So sind gemäß § 4 Z 1 DSG 2000 „personenbezogene Daten“ Angaben über Betroffene, deren Identität bestimmt oder bestimmbar ist. Für die Personenbeziehbarkeit reicht es aus, wenn der Bezug zwischen der Information und der Person mithilfe von Referenzdaten gegebenenfalls in mehreren Zwischenschritten möglich ist, zB indem Informationen aus einem Software-System in ein anderes über eine entsprechende Schnittstelle migriert werden; auch die (nicht mit einem unzumutbaren Aufwand verbundene) Nutzbarkeit von Zusatzwissen Dritter genügt dieser Definition. Weiters reicht dabei die bloße Möglichkeit der Zuordnung der Information zu einer Person aus, dass diese Information den Regelungen des Datenschutzes unterliegt (vgl Mittländer in Wedde [Hrsg], Handbuch Datenschutz und Mitbestimmung [2016] Rz 123 f). Auch mit Gültigkeit der DS-GVO wird sich daran nichts ändern (vgl Art 4 Z 1 DS-GVO: „identifizierbare natürliche Person“).

[29] Das DSG 2000 besteht im Wesentlichen aus dem im Verfassungsrang stehenden „Grundrecht auf Datenschutz“ des § 1 DSG 2000 und dessen einfachgesetzlichem Teil insbesondere mit der näheren Ausgestaltung der Betroffenenrechte (auf Auskunft, Richtigstellung und Löschung) und setzt es auch die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl L 1995/281, 31, um.

[30] Vgl Jahnel, Datenschutzrecht (2010) 74 f mwN bzw zur Rechtslage nach der DSG-Novelle 2014 Jahnel, jusIT 2015/33.

[31] Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl L 2016/119, 1.

[32] So können etwa die Mitgliedstaaten gemäß Art 88 Z 1 DS-GVO durch Rechtsvorschriften oder durch Kollektivvereinbarungen spezifischere Vorschriften zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext, insbesondere für Zwecke der Einstellung, der Erfüllung des Arbeitsvertrags einschließlich der Erfüllung von durch Rechtsvorschriften oder durch Kollektivvereinbarungen festgelegten Pflichten, des Managements, der Planung und der Organisation der Arbeit, der Gleichheit und Diversität am Arbeitsplatz, der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, des Schutzes des Eigentums der Arbeitgeber oder der Kunden sowie für Zwecke der Inanspruchnahme der mit der Beschäftigung zusammenhängenden individuellen oder kollektiven Rechte und Leistungen und für Zwecke der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses vorsehen.

[33] Dieser Begriff ist von dem des (vertragsrechtlichen) Auftraggebers der Dienstleistung strikt zu trennen, mit anderen Worten ist der (vertragsrechtliche) Auftraggeber datenschutzrechtlich ein Betroffener iSd § 4 Z 3 DSG 2000, dessen Daten von der Plattform verwendet werden. Auch der (vertragsrechtliche) Dienstleister (= CrowdworkerIn) ist datenschutzrechtlich ein Betroffener iSd § 4 Z 3 DSG 2000 (und kein „datenschutzrechtlicher“ Dienstleister iSd § 4 Z 5 DSG 2000). Werden diese Betroffenen hingegen seitens der Plattform beauftragt bzw ersucht, Daten über den jeweils anderen Betroffenen zu ermitteln (zB über die Zahlungsmoral oder Seriosität des Auftraggebers bzw umgekehrt über die Servicequalität des Dienstleisters [siehe dazu Abschnitt „Bewertung der CrowdworkerInnen“]), wären sie diesfalls in diesem Umfang sogenannte „Ermittlungsdienstleister“ (vgl Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 [16. Erg.-Lfg.] § 4 Anm 5, S 71; VwGH 2010/17/0003 RdW 2012/643).

[34] Dazu näher Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 (16. Erg.-Lfg.) § 4 Anm 5, und Knyrim, Datenschutzrecht3 (2015) 41 f. Da die Plattform auch eigene Marketing- und Verrechnungszwecke verfolgt (dazu näher Beitrag „Gig-Economy und Crowdwork – was ist das?„), kann also keinesfalls davon ausgegangen werden, dass sie (insbesondere im Sinne einer „Software-as-a-Service“-Lösung) bloß ein datenschutzrechtlicher Dienstleister des (vertragsrechtlichen) Auftraggebers oder des (vertragsrechtlichen) Dienstleisters (= CrowdworkerIn) wäre.

[35] Diesen Aspekt des Außenauftrittes im Sinne des Interesses an einem effektiven Rechtsschutzsystem betont etwa die Entscheidung der DSK 16.10.2009, K121.533/0017-DSK/2009 (ua mit dem Kriterium der Inhaberschaft an der betreffenden Internet-Domain).

[36] Siehe zu konkreten Abgrenzungsbeispielen Knyrim, Datenschutzrecht 36 f, und Jahnel, Datenschutzrecht 93 f. Vgl weiters EuGH 01.10.2015, C-230/14, Weltimmo, RdW 2015/613 = ZIR 2016/2, 168 (Thiele) zum Betreiben einer Website mit einer hauptsächlich auf einen anderen EU-Mitgliedstaat (als den Sitzstaat) ausgerichteten Tätigkeit als ein Beurteilungskriterium für das Vorliegen einer Niederlassung iSd Art 4 Abs 1 lit a DSRL 95/46/EG.

[37] So auch Geuer, Die Niederlassung im datenschutzrechtlichen Sinne, ZIR 2013/3, 153 mwN.

[38] Gemäß ErwGr 22 setzt eine solche „Niederlassung“ die effektive und tatsächliche Ausübung einer Tätigkeit durch eine feste Einrichtung voraus. Die Rechtsform einer solchen Einrichtung, gleich, ob es sich um eine Zweigstelle oder eine Tochtergesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit handelt, ist dabei nicht ausschlaggebend.

[39] Ob eine Verarbeitungstätigkeit der Beobachtung des Verhaltens von betroffenen Personen gilt, sollte gemäß ErwGr 24 daran festgemacht werden, ob ihre Internetaktivitäten nachvollzogen werden, einschließlich der möglichen nachfolgenden Verwendung von Techniken zur Verarbeitung personenbezogener Daten, durch die von einer natürlichen Person ein Profil erstellt wird, das insbesondere die Grundlage für sie betreffende Entscheidungen bildet. Diese Voraussetzung scheint jedenfalls bei CrowdworkerInnen in der EU mit einem Online-Work-Mode (wie zB bei „ClickworkerInnen“ [dazu näher in Abschnitt „Clickworker“]) gegeben.

[40] Dazu näher Beitrag „Virtuelles Crowdwork: Clickworker„.

[41] Vgl DSK 16.11.2004, K120.951/0009-DSK/2004; Jahnel, Datenschutzrecht 52, 191; Goricnik in Grünanger/Goricnik, Arbeitnehmer-Datenschutz und Mitarbeiterkontrolle (2014) 161.

[42] Dazu näher etwa Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 (16.Erg.-Lfg.) § 6, S 98; Art 5 Abs 1 lit c DS-GVO spricht diesbezüglich vom Grundsatz der „Datenminimierung“.

[43] Dazu näher Jahnel, Datenschutzrecht 73.

[44] In aller Regel bieten Plattformen die Möglichkeit für die KundInnen, die erbrachte Dienstleistung zu bewerten (vgl Heiling/Kuba, Arbeit für/durch die Plattform, Kurswechsel 2/2016, 13 [20]. Siehe konkret Abschnitt „Uber“.

[45] Der „Preis“ dieser Bewerbungsmöglichkeit für den Dienstleister ist natürlich die Einbindung in ein anstrengendes „System der permanenten Selbstbewährung“ (so schon Risak, What`s law got to do with it? Kurswechsel 2/2016, 32 [34]).

[46] Auf dieses Datenschutzproblem weist schon Müller-Gemmeke, Wir brauchen soziale Leitplanken in der neuen Arbeitswelt, in Benner (Hrsg), Crowdwork – zurück in die Zukunft? (2015) 355 (360) hin.

[47] Das ist etwas fundamental anderes als die Möglichkeit, ein eigenes Feedback zu KundInnen abzugeben, vgl Abschnitt „Uber“.

[48] Irani/Silberman, Turkopticon, in Benner 131 (147 f).

[49] Irani/Silberman in Benner 148.

[50] Vgl künftighin Art 5 Abs 1 lit a DS-GVO mit ua dem Grundsatz der „Verarbeitung nach Treu und Glauben“.

[51] Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 (16.Erg.-Lfg.) § 4 Anm 2, S 68; Jahnel, Datenschutzrecht 128, der diesbezüglich das Datum „Arbeitseinstellung“ nennt.

[52] Vgl Goricnik, jusIT 2009/82, 172 FN 35 mwN.

[53] So schon Duschanek, Arbeitsverhältnis und Datenschutz, ZAS 1983, 88.

[54] DSK 23.11.2001, K095.014/021-DSK/2001. In diesem Sinne auch Löschnigg, Datenermittlung im Arbeitsverhältnis (2009) 181, wonach die Richtigkeit der Daten auch dann nicht vorliegt, wenn aufgrund der nicht mitgespeicherten Datenumgebung der Informationsgehalt der Daten verändert wird, wenn also die Daten wegen des Kontextverlustes einen unrichtigen Eindruck erzeugen.

[55] OGH 6 Ob 275/05t ecolex 2006/211; weiters OGH 6 Ob 247/08d jusIT 2010/49 (Kastelitz/Leiter).

[56] Siehe dazu näher Dammann/Simitis, EG-Datenschutzrichtlinie Erl 1.1 zu dem § 6 DSG zugrunde liegenden Art 6 DSRL 95/46/EG.

[57] So schon Löschnigg, Datenermittlung im Arbeitsverhältnis 36.

[58] Dazu näher Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 (16.Erg.-Lfg.) § 27 Anm 21 f, und Jahnel, Datenschutzrecht 421 f.

[59] Die Plattform bleibt auch beim Einsatz eines sogenannten „Ermittlungsdienstleisters“ (hier der Kundschaft) verantwortlicher datenschutzrechtlicher Auftraggeber (vgl Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 [16. Erg.-Lfg.] § 4 Anm 5, S 71).

[60] Prassl/Risak, Uber, TaskRabbit, and Co.: Platforms as employers? Rethinking the legal analysis of Crowdwork, in Comparative Labour Law and Policy Journal Vol. 37 (2016) 619 (627), betonen zutreffend die daraus resultierende verschlechterte (wirtschaftliche) Verhandlungssituation der CrowdworkerInnen.

[61] Im Fall der clickworker-Plattform wird zwar allgemein behauptet, dass der Datenschutz in Bezug auf die einzelnen ClickworkerInnen beachtet würde (https://www.clickworker.com/wp-content/uploads/2016/01/Mktplace_API_Reference.pdf, S 26 [15.07.2016]) – vgl Abschnitt „Clickworker“ –, ob und wie weitgehend das aber auch eingehalten wird, bedürfte aber einer genauen informationstechnischen Überprüfung.

[62] ZB Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 (1998) 147.

[63] Vgl Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I, 52.

[64] ZB OGH 9 ObA 10/99g = ASoK 1999, 277 (Karl).

[65] Rebhahn in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1151 ABGB Rz 86 (Stand 01.6.2014, rdb.at).

[66] Rebhahn in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1151 ABGB Rz 86 (Stand 01.6.2014, rdb.at).

[67] Rebhahn in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1151 ABGB Rz 107 (Stand 01.6.2014, rdb.at).

[68] Vgl entsprechend künftighin Art 6 Abs 1 lit b DS-GVO.

[69] Vgl künftighin Art 5 Abs 1 lit c DS-GVO (Grundsatz der „Datenminimierung“).

[70] Das Auslagern der Kontrolle seitens der Plattform an die Kundschaft ändert nichts an der Beibehaltung der datenschutzrechtlichen Auftraggebereigenschaft der Plattform (die KundInnen sind diesfalls datenschutzrechtliche Dienstleister); integrieren die KundInnen entsprechende personenbezogene Daten in ihre eigenen Anwendungen und Systeme (vgl Abschnitt „Clickworker“), werden (auch) sie selbst zu datenschutzrechtlichen Auftraggeber.

[71] Vgl dazu allg Rebhahn, Mitarbeiterkontrolle am Arbeitsplatz (2009) 52.

[72] In diesem Sinne schon Rebhahn, Mitarbeiterkontrolle am Arbeitsplatz 53, zur unterschiedlichen Kontrollbefugnis in Bezug auf freie Mitarbeiter einerseits und Arbeitnehmer andererseits.

[73] So auch Härting, Datenschutz-Grundverordnung (2016) 96 f.

[74] Siehe beispielsweise https://www.bookatiger.com/at-de/reinigungskraft/wien (20.09.2016).

[75] Heiling/Kuba, Arbeit für/durch die Plattform, Kurswechsel 2/2016, 20.

[76] Vgl künftighin Art 6 Abs 1 lit e DS-GVO.

[77] Mitteilung der Kommission vom 02.06.2016, COM (2016) 356 (abrufbar unter https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2016/DE/1-2016-356-DE-F1-1.PDF). [78] Mitteilung der Kommission vom 02.06.2016, COM (2016) 356, 16.

[79] Mitteilung der Kommission vom 02.06.2016, COM (2016) 356, 18.

Kapitel 8 – Betriebsrat und Mitbestimmung in der Plattform-Ökonomie

Mag. Hannes Schneller

Die Gig- und Plattform-Ökonomie orientiert sich nicht an den bisherigen Betriebs- oder Unternehmensgrenzen. Auch versucht sie in aller Regel zu vermeiden, dass Arbeitsverhältnisse entstehen. Zwei zentrale Konstanten des Mitbestimmungsrechts scheinen zu fehlen: der örtliche Bezugsrahmen Betrieb sowie der personelle Bezugsrahmen und Geltungsbereich, der die „im Rahmen des Betriebs“ beschäftigte Belegschaft erfasst.

Wie dieses Kapitel jedoch zeigt, bestehen schon nach geltendem Recht einige arbeitsrechtliche Handlungsspielräume, um den Kollektiven der betroffenen Beschäftigten und ihren kollektiv-arbeitsrechtlichen Repräsentanten (Betriebsrat, Gewerkschaft, Arbeiterkammer) Instrumente zur Mitgestaltung der Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen in die Hand zu geben. Das zentrale Gesetz der österreichischen Mitbestimmung, das Arbeitsverfassungsgesetz 1974 (ArbVG), wurde zwar in einer Phase des Übergangs von der Industrie- zur Dienstleistungswirtschaft geschaffen, die weitsichtig gewählten Formulierungen der rund 30 Mitwirkungs-Paragrafen des ArbVG ermöglichen aber dennoch gewisse Anwendungen auf die unterschiedlichen Organisationsformen der digitalen Arbeitswelt.

Auf der Grundlage des bestehenden Rechts („de lege lata“) werden diese Mitbestimmungsansprüche jedoch nicht ausreichen. Es bedarf einer Anpassung des kollektiven Arbeitsrechts an die gegenwärtigen und künftigen Erscheinungsformen sowie Mechanismen der Gig-Economy. Diese wird ja über technisch rasch veränderbare Internet-Plattformen organisiert und abgewickelt. De lege ferenda, aus der rechtspolitischen Zukunftsperspektive also, sind zentrale Fragen:

  • In welchen Räumen der Arbeitsorganisation sollen RepräsentantInnen für welche Gruppen von Beschäftigten zuständig sein?
  • Welche kollektiven Rechtsansprüche, also Mitwirkungsrechte, sind für die Interessenvertretung der im World Wide (!) Web beschäftigten „Belegschaften“ erforderlich?
  • Wie kann die Entwicklung vom Betriebsrat zum Plattformrat gelingen?

1. Von der Fabrikordnung 1848 zur Gigwork-Vereinzelung

Die geltende Betriebsverfassung, der größte Teil des ArbVG also,[1]§ 33 bis § 134b, inklusive der Europäischen Betriebsverfassung bis § 263 ArbVG 1974. regelt die „Befugnisse der Arbeitnehmerschaft“ sowie das Wahl- und Organisationsrecht ihrer Vertretungsorgane (Betriebsrat, Zentralbetriebsrat, Konzernvertretung, Europäische Belegschaftsvertretung und einige weitere). Gleich nach dem Ende des 2. Weltkriegs wurde dieser Rechtsbereich nach dem Vorbild der 1896 und 1919 geschaffenen Mitwirkungsgesetze (vor allem Bergbau-Betriebsvertretung 1896, Betriebsrätegesetz 1919, Einigungsämter- und KollV-Gesetz 1920) wieder eingesetzt in Gestalt des Kollektivvertragsgesetzes 1947 und des Betriebsrätegesetzes 1947. Diese beiden kollektiv-arbeitsrechtlichen Gesetze wurden schließlich zusammengeführt, erweitert und kodifiziert im ArbVG 1974.[2]Zur Geschichte des ArbVG vgl Cerny in Gahleitner/Mosler, ArbVR5 (2015) 31 ff. Was aber waren die Vorläufer dieser „republikanischen“ Gesetze gewesen?

Während der Revolution von 1848 hatte sich das „Gesamtdeutsche Parlament“ in der Frankfurter Paulskirche mit einem Gesetzentwurf für eine Fabrikordnung befasst; das war vermutlich die weltweit erste staatliche Mitbestimmungs-Initiative. Die unterste Stufe sollte ein Fabrikausschuss bilden, der paritätisch aus FabrikarbeiterInnen und WerkmeisterInnen (ein/eine VertreterIn aus jeder Abteilung, beide gewählt von den ArbeitnehmerInnen) sowie dem/der InhaberIn der Fabrik zusammengesetzt sein. Zu den Aufgaben des Fabrikausschusses hätte es gehört, bei Streitigkeiten zu schlichten, eine Fabrikordnung (Vorläufer der heutigen Betriebsvereinbarungen) zu erarbeiten und die Krankenunterstützungskasse zu verwalten. Von den Fabrikausschüssen gewählte Fabrikräte sollten auf Ebene der Gewerbebezirke agieren. Fabrikschiedsgerichte sollten der Beilegung von Streitigkeiten dienen. Diese Pläne blieben jedoch Makulatur; sie wurden im Zuge der ab 1850 einsetzenden Reaktion nicht mehr weiter verfolgt.[3]Näher zur Geschichte der Mitbestimmung siehe Müller-Jentsch auf der Website der Hans-Böckler-Stiftung, http://www.boeckler.de/20376_20381.htm (17.10.2016).

Seit 1919 waren jedenfalls „der Betrieb“, subsidiär „das Unternehmen“ sowie „der innerstaatliche Konzern“ die zentralen Organisationsräume für die „selbstverwaltete Vertretung“ der Belegschaft. Diese drei Anknüpfungspunkte – die letztlich physisch, örtlich und organisatorisch identifizierbar sind – wurden nun das nach dem Typus der Fabrik oder der Verwaltungsstelle (Kanzlei, „Bureau“ oÄ) verortete Denkmuster für die Idee der kollektiven Interessenvertretung.[4]Siehe dazu Risak, Individuelles und Kollektives im Betrieb, in Kietaibl/Schörghofer/Schrammel, Rechtswissenschaft und Rechtskunde (2014) 129 (133).

1.1 Die betriebsverfassungsrechtliche Einbeziehung von Randbelegschaften

Die Zuständigkeit der betrieblichen Interessenvertretung für ihre „KollegInnen außerhalb des Betriebs“ (Außendienst, Montage, sonstige dauerhafte Abwesenheit vom Betrieb) ist grundsätzlich gegeben, sofern diese Personen in die betriebliche Organisation eingegliedert bleiben. Der Status als betriebsverfassungsrechtlicher/betriebsverfassungsrechtliche ArbeitnehmerIn und Betriebsbelegschaftsmitglied (§ 36 Abs 1 ArbVG) bleibt nach stRsp trotz weit entferntem Arbeitsort gewahrt, wenn Weisungen, Kontrolle und andere Merkmale der persönlichen Abhängigkeit oder der organisatorischen Eingliederung vom Betrieb ausgehend erfolgen; insbesondere, wenn die Personalverwaltung und die Lohnverrechnung, zB eines Außendienstmitarbeiters/einer Außendienstmitarbeiterin, weiterhin aus dem inländischen Betrieb abgewickelt werden.[5]Näher zu Judikatur und Lehre siehe im Abschnitt „Geltendes Recht: Kollektive Mitwirkung in der Gig-Economy“. Der Geltungsbereich eines Sozialplans (dh einer für den österreichischen Betrieb abgeschlossenen Betriebsvereinbarung) erfasst auch im Ausland tätige ArbeitnehmerInnen des Betriebs, solange sie nur organisatorisch Teil desselben sind.[6]OGH 02.06.2009, 9 ObA 54/09w; Gahleitner in Gahleitner/Mosler, ArbVR5 (2015), § 36 Rz 18; Tomandl in Tomandl, ArbVG § 36 Rz 10. Nähere Ausführungen unter Abschnitt „Der Betriebsbegriff des ArbVG“.

Für zuarbeitende Arbeitskräfte in Heimarbeitsverhältnissen ist seit der Stammfassung des ArbVG 1974 deren Einbeziehung in den „Schutzraum“ des Betriebs vorgesehen gewesen, obwohl diese im Regelfall freie DienstnehmerInnen oder WerkvertragsnehmerInnen sind.[7]Vorausgesetzt sie sind nicht Gewerbetreibende. Näher Trost, Heimarbeit, DRdA 1992, 25; Ritzberger-Moser/Widorn, Heimarbeitsgesetz (1995) 39 f. Zum betriebsverfassungsrechtlichen Status siehe Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG, § 36 Rz 11; Gahleitner in Gahleitner/Mosler, ArbVR5 (2015), § 36 Rz 22 f; Tomandl in Tomandl (Hg) ArbVG § 36 Rz 14 f. Bei entsprechender Kontrolldichte und disziplinärer Unterworfenheit gegenüber dem/der ArbeitvergeberIn (AuftraggeberIn) oder Intermediär (bis 2009 im HeimAG als „Mittelsperson“ geregelt) können sie jedoch auch „echte ArbeitnehmerInnen“ sein.[8]Ritzberger-Moser/Widorn, Heimarbeitsgesetz (1995) 13 und 17 f; näher siehe Abschnitt „Der ArbeitnehmerInnenbegriff des ArbVG“.

Mit Aufkommen der Tele(heim)arbeit ab den 1980er Jahren[9]Damalige Begriffe und Prognosen (1987): „elektronische Heim- oder Fernarbeit, informationstechnisch gestützte Heimarbeit und Teleheimarbeit sind neue, gleichbedeutende Ausdrücke für eine sich langsam abzeichnende Trendwende zur Verrichtung von Arbeit aus der Ferne mithilfe von Kommunikationssystemen […] ins Treffen wird eine beachtliche Sachkostenreduktion (Gebäudekosten, Gerätekosten: nicht wenige Haushalte verfügen schon über Telefon, Farbfernseher mit Btx-Anschluß und Personalcomputer) geführt“ (Egger, DRdA 1987, 97). wurden gewisse Mitbestimmungsrechte hinsichtlich der IT-unterstützten Aufzeichnung, Verarbeitung und Übermittlung von „personenbezogenen Arbeitnehmerdaten“ gestärkt, und zwar durch die „Technologie-Novelle 1986“ des ArbVG.[10]BGBl 394/1986. Diese führte zur Ergänzung des § 91 ArbVG (Informationsanspruch des Betriebsrats), vor allem aber zur Einführung wichtiger EDV-Betriebsvereinbarungspflichten (neuer § 96a ArbVG: Notwendige BV bei Personaldatensystemen und Personalbeurteilungssystemen; § 91 Abs 2 ArbVG: Informations-, Überprüfungs- [und Beratungs-]Rechte des Betriebsrats hinsichtlich automationsunterstützter Datenverarbeitung der BetriebsinhaberInnen).[11]Siehe dazu auch den Beitrag „Datenschutz in der Gig-Economy“; weiters Melzer-Azodanloo, Telearbeit in Österreich, juridikum 2007, 152. Tele-Heim-ArbeitnehmerInnen können uU auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, etwa auf Grundlage eines konkludent geschlossenen Arbeitsvertrags, beschäftigt werden.[12]OGH 4 Ob 12/64, Arb 7935; VwGH 82/08/0154, infas 1985, 25. Näher B. Gruber, Arbeitnehmerschutz bei Teleheimarbeit, ZAS 1998, 65, und besonders ausführlich Warter, Crowdwork (2016) 203 ff.

1988 wurde das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) eingeführt, womit das seit langem bekannte Phänomen der „Zeitarbeit“ bzw Leiharbeit endlich reguliert wurde. Allerdings geschah das nur im vertragsrechtlichen und haftungsrechtlichen Bereich. Die betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeiten wurden von der Gesetzgebung offen gelassen, aber von der Rsp anhand des „eingliederungsbezogenen“ ArbeitnehmerInnenbegriffs der Betriebsverfassung dann doch (teilweise) geklärt: Überlassene Arbeitskräfte (diese sind nicht notwendigerweise ArbeitnehmerInnen, sie können auch arbeitnehmerInnenähnliche Personen sein[13]Vgl zum Begriff der „Arbeitskraft“ neben § 3 Abs 4 AÜG auch § 1 DHG und § 50 ASGG.) gehören ab einer gewissen Intensität der Eingliederung in die Organisation des Betriebs des BeschäftigerInnenunternehmens auch der dortigen Betriebsbelegschaft an. Gleichzeitig gehören sie der Belegschaft des ÜberlasserInnenbetriebs an. Sie haben ja schon nach einigen Gesetzesbestimmungen zwei ArbeitgeberInnen (vgl §§ 5–7 und § 14 AÜG). Näheres siehe im Abschnitt „Der Betriebsbegriff des ArbVG“.

Neben den (Tele-)HeimarbeiterInnen und den überlassenen Arbeitskräften sind in der Praxis weitere zuarbeitende Randbelegschaften zu beobachten:

  • Fallweise Beschäftigte (zB tageweise; siehe Abschnitt „Der ArbeitnehmerInnenbegriff des ArbVG“);
  • Saison-ArbeitnehmerInnen (vgl 53 Abs 5 und Abs 6 ArbVG: passives Wahlrecht auch bei kürzerer als sechsmonatiger Beschäftigung);
  • AbeitnehmerInnen mit „Rahmenarbeitsvertrag“ (nicht aber jene mit einer bloßen „Rahmenkonditionen-Vereinbarung“[14]OGH 27.02.2014, 8 ObA 8/14f und 8 ObA 50/13f, ZAS 2014/51 (Ogriseg) = DRdA 2014/34 (Risak); näher Mosing, Die fallweise Beschäftigung im Arbeits- und Sozialrecht, ZAS 2014/41.; näher Abschnitt „Der ArbeitnehmerInnenbegriff des ArbVG“);
  • „AbeitnehmerInnen auf Abruf“[15]Siehe Abschnitt „Der Betriebsbegriff des ArbVG“ zum vom OGH in 8 ObA 116/04y, DRdA 2005, 417 (B. Schwarz) für arbeitsrechtlich ungültig (nichtig) erklärten Bedarf-Konsens-Prinzip („Rahmen-Beschäftigungsvertrag“) und zu anderen („Rahmenkonditionsvereinbarungen“) Formen fallweiser Beschäftigung. Ausführlicher Rebhahn in ZellKomm2 § 1151 Rz 94 ff., also in einem „Arbeitskräftepool“ befindliche Personen, die nach einer Vorabentscheidung des EuGH [16]EuGH 12.10.2004, C-313/02 – Peek&Cloppenburg.und der darauf fußenden Leitentscheidung des OGH aus 2004[17]OGH 8 ObA 116/04y, DRdA 2005, 417 (B. Schwarz). sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis (in der Regel Teilzeit)

Die zuletzt genannten Gruppen sind auch arbeitsvertraglich (nach dem ArbeitnehmerInnenbegriff des Individualarbeitsrechts[18]Siehe dazu Rebhahn, in ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz 55 ff mwN.) an den/die BetriebsinhaberIn gebunden. Hingegen fallen nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut (§ 36 Abs 1 ArbVG) HeimarbeiterInnen auch bei fehlender vertragsrechtlicher ArbeitnehmerInnen-Eigenschaft unter den betriebsverfassungsrechtlichen (dh kollektiv-arbeitsrechtlichen) ArbeitnehmerInnenbegriff hinsichtlich des HeimarbeitvergeberInnenbetriebs. Näheres dazu unter Abschnitt „Der Betriebsbegriff des ArbVG“.

Es ist übrigens völlig rechtskonform und unbestritten, dass ein/eine ArbeitnehmerIn den Belegschaften mehrerer Betriebe angehören kann, etwa bei Teilzeitbeschäftigung mit mehreren Arbeitsplätzen (so insbesondere bei jenen „working poor“, die sich nur mit mehreren Jobs über Wasser halten können) oder auch bei überlassenen ArbeitnehmerInnen, die sowohl der Belegschaft des ÜberlasserInnen- als auch jener des BeschäftigerInnenbetriebs angehören[19]OGH 9 ObA 63/87, DRdA 1988, 54; 9 ObA 22/91, Arb 10.908 ua; Obereder in Mazal/Risak, Das Arbeitsrecht Kap XV Rz 41.. Ob neben letzteren auch HeimarbeiterInnen zu den Belegschaften zweier Betriebe zählen können, wurde bis dato von Lit und Rspr nicht näher geprüft; völlig auszuschließen ist es jedenfalls nicht. Zu denken wäre hier – analog der Zuordnung von überlassenen Arbeitskräften sowohl zum ÜberlasserInnen- als auch zum BeschäftigerInnenbetrieb – an den Betrieb des Auftraggebers/der Auftraggeberin gemäß § 2 Z 2 HeimAG plus einen allfälligen weiteren Betrieb an ihrer im Sinne von § 2 Z 1 HeimAG „selbst gewählten Arbeitsstätte“ (zB gemietete Räumlichkeiten in einem Co-Working-Space, welche den unter Abschnitt „Der Betriebsbegriff des ArbVG“ dargestellten Betriebs-Kriterien entsprechen).

1.2 ArbeitnehmerInnenähnliche Personen: Arbeitsrechtlicher Teilschutz

In zumindest fünf Regelungsbereichen des österreichischen Arbeitsrechts werden „arbeitnehmerInnenähnliche Personen“ entweder gänzlich (§ 51 Abs 3 Z 2 ASGG: prozessuale Gleichstellung mit ArbeitnehmerInnen im arbeitsgerichtlichen Verfahren) oder teilweise unter den Schutz des Arbeitsrechts gestellt. Was das Schadenersatz-Haftungsprivileg des DHG (§ 1 Abs 1), den Antidiskriminierungsschutz des GlBG (§§ 1, 16), die Restriktionen bei der Arbeitskräfteüberlassung (§ 3 Abs 4 AÜG) und bei der Ausländerbeschäftigung (§ 2 Abs 2 lit b AuslGB) betrifft, erfolgt in den genannten Gesetzen eine auf den jeweiligen sachlichen Bereich bezogene Gleichstellung mit ArbeitnehmerInnen.[20]Näher Löschnigg, Arbeitsrecht12 Rz 4/419 ff.

Gekennzeichnet ist die ArbeitnehmerInnen-Ähnlichkeit dadurch, dass zwar kein Arbeitsvertragsverhältnis vorliegt, die Kriterien fremdbestimmter Arbeit und wirtschaftlicher Abhängigkeit bzw wirtschaftlicher Unselbständigkeit jedoch einen besonderen Schutz dieser Personen oder des Arbeitsmarktes[21]Durch die im AuslBG und AÜG erfolgte Einbeziehung in das Angebot an Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt, zum Zweck des Schutzes inländischer Arbeitsplätze bzw der Stammbelegschaft des BeschäftigerInnenbetriebs (vgl § 3 Abs 2 AÜG). erfordern. Diese Personen sind trotz vertragsrechtlicher Selbständigkeit in wirtschaftlicher Betrachtungsweise Unselbständige und stehen deshalb den ArbeitnehmerInnen näher als dem/der ArbeitgeberIn bzw UnternehmerIn.[22]OGH 4 Ob 106/55, Arb 6300; näher siehe Löschnigg Arbeitsrecht12 Rz 4/150 f.

1.3 Zwischenergebnis: (Gig-)Work in Progress

Diese kurze Darstellung der betriebsverfassungsrechtlichen Berücksichtigung von „Randbelegschaften“ und „arbeitnehmerInnenähnlichen Personen“ kann zu GigworkerInnen und Crowdsourcees (in der „Crowd“ mit outgesourcten Arbeitsschritten beschäftigte Personen) überleiten. Denn diese Personengruppen könnten, jedenfalls ab einer gewissen Intensität der Eingliederung in die Betriebsabläufe des/der „Arbeit[ver]gebers/Arbeit[ver]geberin“ oder „der Plattform“ zur Betriebs-Belegschaft im Sinne des kollektiven Arbeitsrechts dazugehören. Entscheidend ist letztlich, ob diese zuarbeitenden Personen durch Eingliederung in die Arbeitsorganisation jenes Rechtssubjekts, das die Arbeitsleistungen entgegennimmt und ökonomisch verwertet (mit oder ohne Erwerbs- bzw Gewinnabsicht[23]Vgl § 34 Abs 1 letzter HS ArbVG.), vergleichbare Interessen wie die übrigen ArbeitnehmerInnen des Betriebs haben.[24]Siehe die Gesetzgebungsmaterialien zu § 36 Abs 1 ArbVG in Abschnitt „Der Betriebsbegriff des ArbVG“.

Von „externen DienstleisterInnen im Betrieb“ (WerkunternehmerInnen oder angestellten ArbeitnehmerInnen [ErfüllungsgehilfInnen] von WerkunternehmerInnen), die mangels Eingliederung in die Betriebsorganisation nicht zur Belegschaft zählen würden, unterscheiden sich die zuarbeitenden CrowdworkerInnen insofern, als sie „kein von den Produkten, Dienstleistungen und Zwischenergebnissen des Werkbestellers (hier: das Arbeiten vergebende Unternehmen) abweichendes, unterscheidbares und dem Werkunternehmer (hier sinngemäß, je nach rechtlicher Gestaltung: die Plattform oder die einzelnen CrowdworkerInnen) zurechenbares Werk herstellen oder an dessen Herstellung mitwirken“ (vgl den so formulierten Beurteilungsmaßstab für Differenzierungen von Arbeitskräfteüberlassung und Fremddienstleistung im Betrieb, § 4 Z 1 AÜG, wo eingangs auch auf den „wahren wirtschaftlichen Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts“ abgestellt wird). Der OGH hat vor allem in einer einschlägigen Entscheidung vom 25.08.2014[25]OGH 8 ObA 7/14h, ZAS 2015/44 (Sacherer). klargestellt, dass Materialprüftätigkeiten, ebenso wie Zwischen- und Endkontrollen oder Verpackung und Versand zu den vielen notwendigen Schritten eines (kohärenten) Produktionsablaufs gehören; die MitarbeiterInnen der im „BestellerInnen-Unternehmen“ tätigen Materialprüffirma wurden daher nicht als WerkunternehmerInnen-ErfüllungsgehilfInnen, sondern als überlassene Arbeitskräfte beurteilt, die bei entsprechender Eingliederung in die Betriebsorganisation des Bestellers/der Bestellerin bzw des Auftraggebers/der Auftraggeberin auch zu dessen/deren Belegschaft zählen.

Es stellen sich schon nach dieser kurzen Darstellung der Entwicklung des Schutzbereichs von Individualarbeitsrecht und Betriebsverfassung zwei Fragen:

  • Sind diverse Formen des Crowd– und Gigwork etwas grundsätzlich anderes als „Heimarbeit oder Arbeitskräfteüberlassung auf Abruf“?
  • Welche kollektiv-arbeitsrechtlichen Unterschiede bestehen, wenn Arbeiten von Arbeitskräften der „potenziellen, abrufbaren Belegschaft“ (Arbeitskräftepool) außerhalb der Betriebsstätte geleistet werden?

2. Geltendes Recht: Kollektive Mitwirkung in der Gig-Economy

2.1 Ziele der Betriebsverfassung

Ausgangspunkt für Überlegungen zu betriebsverfassungsrechtlichen Mitwirkungsansprüchen[26]Nach den – oder nach dem Vorbild der – §§ 89 bis 112 ArbVG und weiteren Mitbestimmungsnormen im AZG, UrlG usw; aber unter Umständen auch nach einschlägigen KollV, denen VergeberInnenunternehmen (CrowdsourcerInnen) unterworfen sind. in Gig-Economy-Strukturen (dh via Web-Plattformen) soll das bestehende Grundprinzip der Belegschaftsmitwirkung – nämlich Interessenwahrnehmung durch Belegschaftsorgane zwecks Interessenausgleich und „Betriebsfrieden“[27]Vgl vor allem die §§ 38 und 39 ArbVG zu den Zielen, Zwecken und Grundsätzen der „Betriebsverfassung“. – sowie der folgende Gedanke sein:

Wenn der österreichische Gesetzgeber für den Fall unternehmensinterner oder konzerninterner „Ausschreibungen“ und Vergaben von Arbeitsschritten (Microtasks) den Belegschaftsvertretungs-Organen diverse Mitwirkungsrechte[28]Siehe Abschnitt „Der ArbeitnehmerInnenbegriff des ArbVG“. zur Verfügung stellt, dann liegt die Vermutung einer ratio legis nahe, dass auch externe Task-Vergaben der kollektiven Mitwirkung nicht gänzlich entzogen sein sollen. Die Organe der Betriebsbelegschaft (diese wird im ArbVG meist „Arbeitnehmerschaft“[29]Vgl die §§ 38–40 ArbVG sowie die Überschrift vor den Mitwirkungsbestimmungen der §§ 89–112: „Befugnisse der Arbeitnehmerschaft“. genannt) sind im Wesentlichen auf vier Ebenen zu wählen, nämlich im Betrieb (Betriebsrat oder Angestellten- und Arbeiterbetriebsrat; Betriebsausschuss), im Unternehmen (Zentralbetriebsrat), im Konzern (Konzernvertretung) und bei Unternehmen oder Konzernen, deren Betriebsstruktur sich auf zwei oder mehrere EU-Mitgliedstaaten erstreckt (Europäische Belegschaftsvertretung, insbesondere Euro-Betriebsräte). Die §§ 38 und 39 ArbVG sind Ziel- und Programmnormen, sie schreiben die umfassende und interessenausgleichende Aufgabenwahrnehmung der Belegschaftsorgane fest.[30]Aufgaben
§ 38. Die Organe der Arbeitnehmerschaft des Betriebes haben die Aufgabe, die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer im Betrieb wahrzunehmen und zu fördern.
Grundsätze der Interessenvertretung
§ 39.
(1) Ziel der Bestimmungen über die Betriebsverfassung und deren Anwendung ist die Herbeiführung eines Interessenausgleiches zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes.
(2) Die Organe der Arbeitnehmerschaft des Betriebes sollen bei Verwirklichung ihrer Interessenvertretungsaufgabe im Einvernehmen mit den zuständigen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitnehmer vorgehen.
(3) Die Organe der Arbeitnehmerschaft haben ihre Tätigkeit tunlichst ohne Störung des Betriebes zu vollziehen. Sie sind nicht befugt, in die Führung und den Gang des Betriebes durch selbständige Anordnungen einzugreifen. […]“

Dabei sind aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht zumindest folgende Arten der Crowdsourcing-organisation und Task-Abwicklung zu unterscheiden:

  • Internes Crowdsourcing im Betrieb oder Unternehmen (zB innerhalb eines Metallindustrie-Unternehmens wird eine Intranet-Plattform eingerichtet; alle sich für geeignet haltenden ArbeitnehmerInnen können sich um Microtasks bewerben, sofern es ihre Beschäftigung erlaubt);
    • Variante: internes Crowdsourcing im Konzern, dh auch ArbeitnehmerInnen aus Schwester- oder Tochterunternehmen (die teilweise Betriebsräte aufweisen; die EWR-weit zum Teil im Euro-Betriebsrat repräsentiert sind) können sich um die ausgeschriebenen Tasks bewerben;
  • externes Crowdsourcing in offener Form: Ein Unternehmen vergibt über einen Intermediär (der im Internet als „Plattform“ auftritt) Tasks, wobei die CrowdworkerInnen wissen, wem ihre Arbeitsergebnisse zukommen und ihnen die Kontaktaufnahme mit diesem „Vergeber“ (Arbeit[ver]geber) nicht untersagt wird;
  • externes Crowdsourcing in verdeckter Form: Die Plattform als Intermediärin darf nicht „verraten“ in welchen Firmen und Betrieben (die unter Umständen einen Betriebsrat aufweisen) die Arbeitsergebnisse ankommen;
  • eventuell als weitere Formen: Kombinationen der soeben genannten Gigwork-Phänomene.[31]Zu den unterschiedlichen Phänotypen der Gig-Economy siehe insbesondere Kapitel „Gig-Economy und Crowdwork – was ist das?“. Sollten sich in Zukunft weitere Formen etablieren, wäre es umso wichtiger, dass die unerlässlichen Gesetzesanpassungen – siehe Kapitel „Gute Arbeitsbedingungen in der Gig-Economy – was tun?“ – im Abstraktionsgrad ihrer Formulierungen auch künftige Phänomene so weit als möglich erfassen. Umgehungen der kollektiven Mitwirkungsansprüche durch „neue Technik“ und/oder „neue Arbeitsorganisation“ sollen pro futuro möglichst ausgeschlossen sein.

Die am stärksten mitbestimmbare Form des Crowdsourcing, nämlich die interne Vergabe bzw Verlagerung von Arbeitsaufgaben innerhalb eines Unternehmens über dessen unternehmensinterne Plattform, kann durchaus mit externem Crowdsourcing kombiniert werden, wie das folgende Beispiel zeigt.

2.2 Fallbeispiel

Ein Hersteller von Kfz-Teilen in Oberösterreich (Firma CarComponents – CC GmbH, eine 100%ige Tochter der deutschen CC Holding AG) beabsichtigt die Katalogisierung, die technische Beschreibung sowie die Übersetzung des Produktekatalogs in acht marktrelevante EU-Sprachen primär an die „firmeninterne Crowd“ auszulagern.[32]In der ca 1.500 ArbeitnehmerInnen umfassenden Belegschaft finden sich zahlreiche KollegInnen mit den Muttersprachen Polnisch, Englisch, Ungarisch, Italienisch, Spanisch, Bosnisch/Kroatisch/Serbisch (BKS) ua. Darüber hinaus wird eine zusätzliche Arbeitsvergabe an ArbeitnehmerInnen von Konzernunternehmen und teilweise auch an „die externe Crowd“ überlegt. In den drei Werken in OÖ werden mehr als 20.000 Einzelbestandteile und Komponenten erzeugt und/oder verarbeitet. Bisher sind diese Katalogisierungs- und Übersetzungsarbeiten von 30 Angestellten der Zentrale in Linz (in den Bereichen Procurement/Einkauf sowie Logistik beschäftigt) bearbeitet worden. Zehn von ihnen sollen weiterbeschäftigt werden, um die Qualitätskontrolle der über die Plattform einlangenden Text- und Bilddateien vorzunehmen. Für die anderen 20 „werde man schauen, ob man im Unternehmen oder Konzern weiterhin für sie Verwendung findet“ meint der für dieses Crowdsourcing-Projekt zuständige Manager.

Über eine „noch zu beauftragende Crowdworking-Plattform“ will man die Übersetzung und Produktebeschreibung in weitere 12 relevante Sprachen vergeben. Mit den intern und extern an die Crowd vergebenen Arbeiten sollen aktuelle und potenzielle KundInnen „in 20 Sprachräumen, also rund 95 % unseres Marktes“ abgedeckt werden, sagt der Finanzgeschäftsführer beim monatlichen Beratungsgespräch zur Zentralbetriebsratsvorsitzenden, die gleichzeitig Betriebsratsvorsitzende des Betriebs „Zentrale Linz“ ist.

Einige Wochen später beauftragt die CC GmbH die Gigwork-Plattform „GW ltd.“ („gigworks.com“; laut Impressum der Website in Dublin ansässig) mit der externen Ausschreibung sowie Abwicklung der Übersetzungs- und Beschreibungsarbeiten.

Rechtsfrage: Welche Mitgestaltungsmöglichkeiten und Mitwirkungsrechte stehen dem Zentralbetriebsrat und dem Betriebsrat zur Verfügung, um sämtliche betroffenen Arbeitsplätze möglichst dauerhaft und ohne Qualitätsverlust zu schützen?

Um die Möglichkeiten des Zentralbetriebsrats und der betroffenen Betriebsräte in diesem Beispiel zu erörtern, müssen die Basisbegriffe „Betrieb“, „BetriebsinhaberIn“ und „ArbeitnehmerIn im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn“ unter dem Aspekt der Gig-Economy näher betrachtet werden.

2.3 Der Betriebsbegriff des ArbVG

2.3.1 Elemente des Betriebsbegriffes

In ständiger Judikatur[33]OGH 9 ObA 152/07d, DRdA 2009, 144 (Mayr) – ASFINAG; 9 ObA 193/95, DRdA 1996/22 (Runggaldier) – Austro-Control; ua. wird die Feststellung einer Arbeitsorganisationseinheit als „Betrieb“ (§ 34 ArbVG) unter Heranziehung von sechs Elementen vorgenommen. Dieses Arbeitssystem muss eine eigenständige „Identität“ im Sinne von Alleinstellungsmerkmal(en) erlangen, um als „Betrieb“ die Basis der kollektiv-arbeitsrechtlichen Mitwirkung bilden zu können.

Bei der rechtlichen Prüfung ist im Sinne eines „beweglichen Systems“ vorzugehen, weshalb, kurz gesagt, nicht alle Elemente deutlich erkennbar vorliegen müssen, sondern das Fehlen einiger der sechs „Wesenselemente des Betriebs“[34]Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 34 Rz 8. durch das umso deutlichere Zutagetreten anderer kompensiert werden kann. Nach ihrer Bedeutung in der Rsp gereiht sind diese Elemente:

  • Betriebs(ablauf)organisation in Einheitlichkeit (Zusammengehörigkeit) und arbeitstechnischer Selbständigkeit;
  • Betriebszweck, technischer Sachzusammenhang, der letztlich in der Erzielung der Arbeitsergebnisse erkennbar wird;
  • Betriebsmittel, die zur Erreichung dieses Betriebszwecks vor allem diesem Betrieb ablauforganisatorisch zugeordnet sind;
  • Belegschaft des Betriebs, dh zugeordnete Beschäftigte, die zur Zweckerreichung (mit Betriebsmitteln) eingesetzt werden;
  • BetriebsinhaberIn, das Rechtssubjekt, welches über die Arbeitsstätte verfügen kann; das können nach der Rsp bei einem „Gemeinschaftsbetrieb“ auch mehrere RechtsträgerInnen sein[35]OGH 8 Ob 15/95, RdW 1996, 71; VwGH 27.05.1991, 90/19/0089; ua. Näheres im Abschnitt „Ziele der Betriebsverfassung“.;
  • Dauercharakter und Standort des Betriebs (das Standort-Kriterium rückt – so der OGH[36]OGH 26.03.1997, 9ObA88/97z; OGH 02.06.2009, 9 ObA 54/09w; näher Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 (2015) § 34 Rz 47. – aufgrund des vermehrten Einsatzes „moderner IT-Kommunikationsmittel“ zunehmend in den Hintergrund).

Bei diffizileren Abgrenzungsfragen zieht die Rsp den zentralen Normzweck heran: Im Zweifel ist die Arbeitsorganisationseinheit „Betrieb“ dort anzunehmen, wo eine wirksame Interessenvertretungstätigkeit und Aufgaben-Wahrnehmung iSd §§ 89 ff ArbVG durch die Belegschaftsvertretung tatsächlich möglich ist.[37]OGH 27.09.1995, 9 ObA 143/95; näher Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 34 Rz 11 ff.

In unserem Beispiel hat die CC GmbH drei „Werke“ in Oberösterreich. Ob jedem dieser Standorte eigenständige Betriebsqualität zukommt oder es sich um bloße Arbeitsstätten handelt (und damit alle drei Arbeitsstätten zusammengenommen einen einheitlichen Betrieb bilden), ist vor allem danach zu beurteilen, ob die Ablauforganisation der Arbeiten, die Zuteilung von Arbeitsmengen und -schritten, die Arbeitszeit- und Urlaubseinteilung sowie die Personalressourcen-Planung in gewisser Selbständigkeit vorliegt. Eine für das jeweilige Werk zuständige „Betriebsleitung“ ist hierfür ein starkes Indiz, denn über diese weisungsbefugten ManagerInnen kann die Arbeitsorganisation selbständig einheitlich geleitet werden.

Da für jedes Werk ein Betriebsrat und auf Ebene des Unternehmens von den Mitgliedern aller drei Betriebsräte ein Zentralbetriebsrat gewählt wurde – und diese Wahlen unangefochten blieben – ist die Existenz von drei Betrieben zumindest für die laufenden Funktionsperioden rechtlich abgesichert. Die Betriebsratskörperschaften und eine Zentralbetriebsratskörperschaft existieren rechtmäßig und sind allgemein nach § 38 sowie konkreter nach den §§ 89 ff ArbVG (und einigen weiteren Mitwirkungsregelungen, zB im AZG) dazu berufen, die Befugnisse der Belegschaft auszuüben.

Wo befinden sich nun die örtlich-sachlichen und vor allem persönlichen Grenzen dieser Betriebe? Denn die in diesem Beispiel angeführte „externe Crowd“ – aber auch die „konzernweite interne Crowd“[38]Die Praxis hat in internationalen Konzernen gezeigt, dass sich hauptsächlich KonzernmitarbeiterInnen aus „Billiglohnländern“, etwa aus Indien, an Plattformausschreibungen und damit verbundenen „unbezahlten Vorarbeiten“ beteiligen. – wird ihre „Gigs“ vielfach außerhalb Österreichs abarbeiten. Hier gilt, dass auch im Ausland tätige Beschäftigte iSd § 36 ArbVG als ArbeitnehmerInnen eines inländischen Betriebs angesehen werden können, wenn sie trotz der ständigen räumlichen Trennung organisatorisch in den inländischen Betrieb eingegliedert sowie weisungsgebunden und berichtspflichtig sind. Auch unselbständige ausländische Betriebsteile eines in Österreich gelegenen Betriebs bleiben betriebsverfassungsrechtlich Bestandteil des österreichischen Betriebs.[39]OGH 26.03.1997, 9 ObA 88/97z; 02.06.2009, 9 ObA 54/09w; näheres siehe Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 34 Rz 47.

Wir werden darauf noch unter Abschnitt „Der ArbeitnehmerInnenbegriff des ArbVG“ beim betriebsverfassungsrechtlichen ArbeitnehmerInnenbegriff, der in § 36 ArbVG geregelt und durch eine recht umfangreiche Judikatur abgesichert ist, zurückkommen.

Zur Rechtsdurchsetzung oder Klärung der Fragen, ob denn überhaupt ein Betrieb vorliegt bzw ob eine bloße Arbeitsstätte so umfangreich ist, dass ihr Betriebsqualität zukommen sollte, ist in § 34 Abs 2 ArbVG eine besondere Legitimation zur Feststellungsklage und in § 35 ArbVG die Möglichkeit einer Rechtsgestaltungsklage auf „Gleichstellung“ vorgesehen.

2.3.2 Wer ist BetriebsinhaberIn?

Der/Die BetriebsinhaberIn ist von zentraler Bedeutung in der Betriebsverfassung, denn er/sie ist der/die wirtschaftliche und soziale GegenspielerIn der Belegschaft und ihrer Organe. Ihm/Ihr gegenüber sind die Mitwirkungsbefugnisse auszuüben. Gemäß § 34 Abs 1 kann eine physische oder juristische Person oder Personengemeinschaft BetriebsinhaberIn sein.[40]Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 34 Rz 14 ff. Als BetriebsinhaberIn ist anzusehen, wer als physische oder juristische Person über die Arbeitsstätte verfügen kann und daher auch in der Lage ist, durch zweckentsprechenden Einsatz der vorhandenen technischen und immateriellen Mittel Arbeitsergebnisse zu verfolgen. Der/Die InhaberIn kann EigentümerIn, PächterIn oder aus einem sonstigen Rechtstitel verfügungsberechtigt sein. Er/Sie muss mit dem/der arbeitsvertraglichen ArbeitgeberIn sämtlicher ArbeitnehmerInnen der Betriebsbelegschaft nicht ident sein![41]Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG, § 34 Rz 8 und Rz 10. Für die Betriebsverfassung ist nur bedeutsam, dass die ArbeitnehmerInnen dem/der BetriebsinhaberIn arbeitsorganisatorisch so zugeordnet sind, dass sie von diesem/dieser zur Verfolgung der Arbeitsergebnisse eingesetzt werden können.[42]OGH 23.02.1994, 9 Ob A 311/93; näheres bei Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 34 Rz 17.

Auch mehrere selbständige physische oder juristische Personen können gemeinsam BetriebsinhaberIn sein – dann liegt ein Gemeinschaftsbetrieb vor.[43]Vgl Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 34 Rz 19 ff; Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 34 Rz 18 f. Wird von rechtlich selbständigen Unternehmen oder UnternehmerInnen ein einheitlicher gemeinsamer Betriebszweck verfolgt, und zB über eine gemeinsame oder einheitlich gesteuerte und koordinierte Geschäftsführung die budgetäre und arbeitsorganisatorische Steuerung harmonisiert, dann kann ein sogenannter Gemeinschaftsbetrieb (Betrieb der von mehreren BetriebsinhaberInnen getragen wird) vorliegen.[44]OGH 12.10.1995, 8 Ob 15/95; VwGH 27.05.1991, 90/19/0089; ua.

In unserem Beispiel ist wohl unstrittig die CC GmbH Betriebsinhaberin des Betriebs Linz und der weiteren beiden Betriebe in Oberösterreich. Sie vergibt aber gemeinsam mit der Plattformbetreiberin „GW ltd.“ Arbeiten und beide Unternehmen organisieren somit die technische Arbeitsorganisation (Arbeitsablauforganisation). Es könnten hier möglicherweise die österreichische Arbeit(ver)geberin und jene juristische Person, welche die Plattform betreibt, die in Irland ansässige Limited Company also, als gemeinsame Betriebsinhaberinnen (beachte das verbum legalium „Personengemeinschaft“ in § 34 Abs 1 ArbVG) des Gemeinschaftsbetriebs Linz/Internet(plattform) (nicht: Linz/Dublin) anzusehen sein.[45]Auch in Deutschland ist der Gemeinschaftsbetrieb anerkannt und wird in stRsp folgendermaßen definiert: Wenn mehrere UnternehmerInnen ausdrücklich eine rechtliche Vereinbarung über die einheitliche Leitung des gemeinsamen Betriebs geschlossen hatten oder sich diese Vereinbarungen aus den Umständen des Einzelfalls ergibt (BAG 1998, NZA 98, 723), dann ist von einem Gemeinschaftsbetrieb auszugehen. Mit der Novelle 2001 des deutschen Betriebsverfassungsgesetzes 1972 (BetrVG) wurde in § 1 Abs 2 BetrVG zusätzlich eine Legalvermutung normiert, wonach einerseits bei gemeinsamer Zweckverfolgung durch mehrere UnternehmerInnen in einem Betrieb ein Gemeinschaftsbetrieb vorliegt und andererseits nach der Spaltung eines Unternehmens zwischen abgespaltenen bzw dem abspaltenden Unternehmen dann ein einheitlicher Gemeinschaftsbetrieb bestehen bleibt, wenn sich dabei die Organisation des betroffenen Betriebs nicht wesentlich ändert (näher siehe Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG15 [2016] § 1 Rz 88 ff). Denn zumindest die gemeinsame Zweckverfolgung mit einem gemeinsam ausverhandelten Budget für „Beschreibungs- und Übersetzungarbeiten der Crowd“ wurde zwischen den beiden Unternehmen vereinbart, die Arbeitsergebnisse werden von beiden (Gemeinschafts-)Betriebsinhaberinnen kontrolliert. Die Ablauforganisation der Arbeiten kann wohl hinsichtlich Auftragsspezifizierung, Zuteilung, Entgegennahme, Kontrolle der Arbeiten uÄ in gemeinsamer Koordination und Abwicklung vom österreichischen Unternehmen (ein Rechtsträger des Betriebs) mit dem irischen Unternehmen (eventuell ein weiterer Rechtsträger des Betriebs) beeinflusst und gestaltet werden.

2.4 Der ArbeitnehmerInnenbegriff des ArbVG

2.4.1 Grundsätzliches

Der Begriff der ArbeitnehmerInnen im Sinne der Betriebsverfassung wird in § 36 ArbVG vorgegeben und setzt nicht notwendigerweise das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses (Dauerschuldverhältnis; Arbeitsvertrag) mit den jeweiligen BetriebsinhaberInnen voraus. Vielmehr ist die Eingliederung in die Organisation des Betriebs maßgeblich, denn § 36 Abs 1 ArbVG lautet: „Arbeitnehmer im Sinne des II. Teiles [Betriebsverfassung] sind alle im Rahmen eines Betriebs beschäftigten Personen einschließlich der Lehrlinge und der Heimarbeiter ohne Unterschied des Alters.“ (Hervorhebung vom Autor).

Irrelevant für den betriebsverfassungsrechtlichen ArbeitnehmerInnenbegriff ist, ob es sich um Haupt- oder Nebenerwerb handelt, wie umfangreich die Arbeitszeit ist, wie häufig oder regelmäßig gearbeitet wird uÄ.[46]Strasser in Jabornegg/Strasser/Resch, ArbVG § 36 Rz 9. Nach dem vertragsrechtlichen Grundsatz „falsa demonstratio non nocet[47]„Eine falsche Bezeichnung schadet nicht.“ ist die Benennung des Vertragsverhältnisses nicht maßgeblich, es zählt der „wahre wirtschaftliche Gehalt“ des Vertragsverhältnisses (dh der tatsächliche Vertragsvollzug) ja schon kraft ASVG.[48]Siehe dazu Kapitel „Sozialversicherung in der Gig-Economy“. Der ArbeitnehmerInnenbegriff des § 36 ArbVG setzt nicht den Bestand eines Arbeitsvertrags, sondern vielmehr das Vorliegen eines faktischen Beschäftigungsverhältnisses voraus, das durch persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit gegenüber dem/der BetriebsinhaberIn gekennzeichnet ist.[49]VwGH vom 26.1.1961, Arb 7322; siehe auch Gahleitner, in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 36 Rz 3. Manche Bestimmungen des Betriebsverfassungsrechts setzen das Vorliegen eines Arbeitsvertrags voraus, für andere wiederum, wie etwa für jene betreffend den ArbeitnehmerInnenschutz, genügt die faktische Eingliederung in den Betrieb.[50]Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 34 Rz 1.

Der Statusbegriff „betriebsverfassungsrechtliche ArbeitnehmerInnen“ stellt also nicht auf einen Arbeitsvertrag unmittelbar mit BetriebsinhaberInnen ab, sondern umfasst ab einem gewissen Grad der Organisationseinbindung auch überlassene Arbeitskräfte, „Delegierte“ (zB dienstzugewiesene Beamte und Vertragsbedienstete oder Angestellte der Konzernmutter) und ähnliche in die Betriebsorganisation eingebundene, zuarbeitende Personen.[51]Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 36 Rz 8; Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht 5 § 36 Rz 14 ff. Allerdings sollten diese Personen ein unselbständiges Beschäftigungsverhältnis zu einem/einer delegierenden oder sonst wie zuarbeitenden ArbeitgeberIn haben. Freie DienstnehmerInnen oder gar WerkvertragsnehmerInnen sind, von HeimarbeiterInnen abgesehen (dazu gleich unten), nach herrschender Ansicht nicht Teil der Betriebsbelegschaft.[52]Dazu und zum Reformpotenzial Mosler, Anwendung des kollektiven Arbeitsrechts auf arbeitnehmerähnlich beschäftigte Selbständige?, DRdA 2012, 100.

Überlassene Arbeitskräfte (Leiharbeitskräfte) haben betriebsverfassungsrechtlich einen gespaltenen Status, sie gehören der Belegschaft der ÜberlasserInnen (VerleiherInnenbetriebe), aber unter Umständen auch jener der BeschäftigerInnen (EntleiherInnenbetriebe) an. Dies wird in stRsp dann angenommen, wenn BeschäftigerInnen wesentliche ArbeitgeberInnenfunktionen wie zB Arbeitszeiteinteilung, Urlaubseinteilung, Erteilung von Weisungen usw faktisch ausüben. Weitere Voraussetzung ist, dass die Überlassung an die BeschäftigerInnen für längere Zeit (im Zweifel: zumindest sechs Monate) geplant ist. In der Praxis werden von den Betriebsratskörperschaften der typischen EntleiherInnenunternehmen (BeschäftigerInnenunternehmen) die Leiharbeitskräfte meist nach Ablauf einer sechsmonatigen faktischen Beschäftigung auf die WählerInnenliste für die Betriebsratswahlen gesetzt, und zwar sowohl hinsichtlich des aktiven als auch des passiven Wahlrechts. Diese Praxis deckt sich jedenfalls mit der höchstgerichtlichen Judikatur.[53]OGH 9 ObA 63/87, ZAS 1988, 95; 9 ObA 22/91, DRdA 1991, 352; Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 36 Rz 8.

Es könnte nach diesem kurzen Blick auf den betriebsverfassungsrechtlichen ArbeitnehmerInnenbegriff formuliert werden, dass ein „Beschäftigungsverhältnis“ etwas anderes, weiteres (und primär arbeitstechnisches) ist als ein „Arbeitsverhältnis“. Denn selbst Beschäftigte, die aufgrund eines mangelhaften Arbeitsvertrags (zB Mangel der Geschäftsfähigkeit; Nichtigkeit des Arbeitsvertrags wegen Gesetzesverstoßes oder Sittenwidrigkeit) kein wirksames Arbeitsverhältnis haben, bleiben „im Rahmen des Betriebs“ arbeitstechnisch/organisatorisch eingesetzte und „verwendete“ Personen, also betriebsverfassungsrechtliche ArbeitnehmerInnen gemäß § 36 Abs 1 ArbVG.[54]Floretta/Strasser, Kommentar zum ArbVG (1975) 219–222; Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht 5 § 36 Rz 4.

2.4.2 HeimarbeiterInnen und Betriebsverfassung

a. Grundsätzliches

HeimarbeiterInnen sind kraft ausdrücklicher Anordnung des § 36 Abs 1 ArbVG ebenfalls ArbeitnehmerInnen des Betriebs. Seit der HeimAG-Novelle 1975 kennt zwar das HeimAG den Begriff des „regelmäßig beschäftigten Heimarbeiters iSd § 27 HeimAG 1960“ nicht mehr; für den Bereich der Betriebsverfassung blieb aber die frühere Differenzierung weiterhin von Bedeutung (Art III der HeimAG-Novelle BGBl 303/1975).[55]Die Übergangsbestimmung (Rechtswahrungs-Bestimmung) des Art III lautet wörtlich: „Durch das Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes bleibt der Begriff des regelmäßig beschäftigten Heimarbeiters (§ 27 des Heimarbeitsgesetzes 1960) hinsichtlich der §§ 49 Abs. 1, 50 Abs. 2, 52 Abs. 1, 117 Abs. 4, 124 Abs. 6, 125 Abs. 3 und 126 Abs. 4 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974, unberührt.“ Die Regierungsvorlage führt dazu aus: „Zu Artikel III: Die Neufassung des § 27 bringt eine Erweiterung des Kreises jener Heimarbeiter, die Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall haben, mit sich. Da die im Arbeitsverfassungsgesetz vorgenommene Fixierung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung der Heimarbeiter beibehalten werden soll, muß der Begriff des ‚regelmäßig beschäftigten Heimarbeiters‘ des derzeitigen § 27 für den Bereich des Arbeitsverfassungsgesetzes weiter in Geltung bleiben“ (ErlRV 1482 BlgNR 13. GP 14). Bis zur ArbVG-Novelle 2010 verwiesen einige betriebsverfassungsrechtliche Bestimmungen auf § 27 HeimAG (alt), dieser lautete: „Für Heimarbeiter, die bei einer Person, die Heimarbeit vergibt, in den letzten 39 Wochen durch mindestens 13 Wochen oder in den letzten 78 Wochen durch mindestens 26 Wochen beschäftigt waren und in diesen 13 beziehungsweise 26 Wochen eine Arbeitsleistung erbracht haben, die nach Dauer oder Menge der eines Werkstattgehilfen entspricht, gelten neben den Vorschriften dieses Bundesgesetzes folgende Sonderbestimmungen: […]“ (BGBl 105/1961). Als „regelmäßig beschäftigt“ gelten HeimarbeiterInnen demnach, wenn sie zumindest ein Drittel der Arbeitszeit oder Arbeitsmenge eines/einer durchschnittlichen Betriebsarbeiters/Betriebsarbeiterin (Gehilfen/Gehilfin) für den/die Arbeit(ver)geberIn, also AuftraggeberIn, leisten. Im Zweifel wird wohl die Saison (bei Saisonbetrieben) oder aber das Geschäftsjahr (Bilanzjahr; allenfalls Kalenderjahr) als Beobachtungszeitraum heranzuziehen sein.

Grundsätzlich waren seit Inkrafttreten des ArbVG 1974 sämtliche HeimarbeiterInnen als ArbeitnehmerInnen im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn anzusehen und zwar im Betrieb ihrer AuftraggeberInnen (ArbeitvergeberInnen; definiert in § 2 Z 2 HeimAG), obwohl sie gemäß § 2 HeimAG ohne Gewerbeschein in ihrer eigenen Wohnung oder selbstgewählten Arbeitsstätte von ihren AuftraggeberInnen im Regelfall mittels freien Dienstvertrags oder Werkvertrags beschäftigt werden. Nur in Ausnahmefällen sind sie „echte“ (in persönlicher Abhängigkeit beschäftigte) ArbeitnehmerInnen. [56]So ging etwa der OGH in 4 Ob 12/64, Arb 7935, von der Rechtsansicht ab, dass wegen des Fehlens der höchstpersönlichen Dienstleistungspflicht kein Arbeitsverhältnis vorliege. Das Höchstgericht qualifizierte Vereinbarungen, nach denen die Arbeit in der Wohnung verrichtet wird, als Arbeitsverhältnis, wenn bestimmte Arbeitsstunden einzuhalten sind und eine Kontrolle durch den/die ArbeitgeberIn vorliegt, die einem/einer Betriebszugehörigen entsprechend stattfindet. So auch VwGH 82/08/0154, infas 1985, 25; zitiert nach Löschnigg, Arbeitsrecht12 Rz 4/158 und besonders ausführlich dargestellt bei Warter, Crowdwork 203 ff.

Was war nun der Grund, dass diese spezielle „Randgruppe der Belegschaft“ ab 1974 unabhängig vom vertraglichen Status (Arbeitsvertrag – freier Dienstvertrag – Werkvertrag) in den ArbeitnehmerInnenbegriff der Betriebsverfassung einbezogen wurde? Die Vorgängergesetze des ArbVG, das Kollektivvertragsgesetz 1947 und vor allem das BRG 1947 enthielten noch einen engeren ArbeitnehmerInnenbegriff. Erst mit Inkrafttreten des ArbVG per 01.07.1974 war die Einbeziehung von HeimarbeiterInnen erfolgt. Nach Floretta/Strasser[57]Kommentar zum ArbVG (1975) 217. bringe § 36 Abs 1 ArbVG insofern eine Änderung gegenüber der früheren Rechtslage, als die HeimarbeiterInnen nun grundsätzlich zu den ArbeitnehmerInnen gerechnet würden. Gegenüber den bloß deklarativ erwähnten Lehrlingen stelle die nunmehr erstmals in den betriebsverfassungsrechtlichen ArbeitnehmerInnenbegriff aufgenommene Gruppe der HeimarbeiterInnen eine konstitutive Erweiterung des Kreises der im Rahmen eines Betriebs beschäftigten Personen dar.

Trotz ihres im Regelfall nicht vorhandenen ArbeitnehmerInnen-Status im vertragsrechtlichen Sinn sind sie in die Betriebsverfassung als „ArbeitnehmerInnen“ einbezogen und es gelten für sie einige Bestimmungen schon bei bloß oberflächlichem Bezug zum Betrieb, also sogar bei unregelmäßiger Beschäftigung bzw Beauftragung (zB Teilnahmerecht an Betriebsversammlungen; Möglichkeit des Einbeziehens in Betriebsvereinbarungen). Einige Bestimmungen des ArbVG kommen für HeimarbeiterInnen aber nur bei engerem Betriebsbezug zur Anwendung:[58]Näher siehe Gahleitner in Gahleitner/Mosler, ArbVR5, § 36 Rz 22 f; Tomandl in Tomandl, ArbVG § 36 Rz 14 f; vgl auch Löschnigg in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG (2008), § 49 Rz 4: Regelmäßige Beschäftigung bei Heimarbeitern: Im Fall von Heimarbeitsverhältnissen knüpft das Gesetz die Stimmberechtigung nach wie vor an das Vorliegen der regelmäßigen Beschäftigung iSd § 27 HeimAG. Die Definition der regelmäßigen Beschäftigung in § 27 HeimAG wurde zwar durch die Novelle zum HeimAG vom 28.04.1975, BGBl 1975/303, beseitigt, für die begriffliche Abgrenzung im ArbVG ist sie aber weiterhin zu beachten (vgl Art III BGBl 1975/303). Für die Beurteilung der regelmäßigen Beschäftigung iSd § 49 ArbVG muss wie bei den sonstigen Voraussetzungen der Tag der Belegschaftsversammlung herangezogen werden. Sie sind seit 1974 nur im Fall „regelmäßiger Beschäftigung“ aktiv wahlberechtigt zur Betriebsratswahl und zur Wahl weiterer Organe der ArbeitnehmerInnenschaft; außerdem sind sie diesfalls in den Betriebsversammlungen nicht nur teilnahme- sondern auch stimmberechtigt. Es musste diese „Regelmäßigkeit“ auch vorliegen, damit sie auf diverse Schwellenzahlen (Größe des Betriebsrats, Freistellungsgrenzen) angerechnet werden konnten. Für die Grundfrage, ob überhaupt ein Betriebsrat zu wählen ist (ab fünf im Betrieb beschäftigten ArbeitnehmerInnen), blieben sie immer außer Betracht, egal ob regelmäßig oder unregelmäßig beschäftigt. Das passive Wahlrecht kam und kommt ihnen selbst bei regelmäßiger Beschäftigung nicht zu.[59]Dazu die ErlRV 840 BlgNR 13. GP 74: „Der Sonderstellung der Heimarbeiter wird durch ausdrücklichen Ausschluss vom passiven Wahlrecht Rechnung getragen“.

Mit der 2011 in Kraft getretenen Novelle des ArbVG, BGBl I 2010/101, blieb zwar der ArbeitnehmerInnenbegriff des § 36 ArbVG („einschließlich […] der Heimarbeiter“) unverändert, aber es wurden nun sämtliche Gesetzespassagen, in denen auf die Voraussetzung regelmäßig beschäftigte Heimarbeiter iSd § 27 HeimAG 1960“ abgestellt gewesen war, ersatzlos aus dem Gesetzestext des ArbVG gestrichen: § 49 Abs 1 (Stimmrecht in der Betriebsversammlung nur bei „Regelmäßigkeit“), § 50 Abs 2 (Berechnung der ArbeitnehmerInnen-Zahl für die Anzahl der Mandate des Betriebsrats), § 52 Abs 1 (aktives Wahlrecht bei der Betriebsratswahl), § 117 Abs 4 (Berücksichtigung für die Berechnung der ArbeitnehmerInnen-Zahl hinsichtlich Freistellungsgrenzen), §§ 124 Abs 6, 125 Abs 3, 126 Abs 4 (Stimmrecht, Schwellenzahl-Berücksichtigung und aktives Wahlrecht hinsichtlich Jugendversammlung und Jugendvertrauensrat). Allerdings blieb der gänzliche Ausschluss der HeimarbeiterInnen vom passiven Wahlrecht zum Betriebsrat (§ 53 Abs 3 Z 3) und zum Jugendvertrauensrat (§ 126 Abs 7 iVm § 53 Abs 3 Z 3 ArbVG) im Zuge der ArbVG-Novelle 2010 unverändert bestehen. Zur Streichung der Voraussetzung „regelmäßig beschäftigt iSd § 27 HeimAG 1960“ in den soeben genannten sieben Paragrafen führen die Gesetzgebungsmaterialien der ArbVG-Novelle 2010 aus: „Durch diese Änderungen wird die obsolet gewordene Verweisung auf § 27 Heimarbeitsgesetz 1960, BGBl. Nr.105/1961, gestrichen. Heimarbeiter zählen damit generell als Arbeitnehmer im Sinn des Betriebsverfassungsrechtes.[60]ErlRV 901 BlgNR 21. GP 5.

b. Weiterhin bestehende Relevanz der dauernden Beschäftigung

Bedeutet das nun, dass sämtliche HeimarbeiterInnen, ganz gleich ob sie nur äußerst selten und für sehr kurze Zeit (zB einige Minuten pro Monat) für den AuftraggeberInnenbetrieb arbeiten oder ob ihre Arbeiten regelmäßig geleistet werden und von großer (Weiterverarbeitungs-)Relevanz für den ArbeitvergeberInnenbetrieb sind, den StammarbeitnehmerInnen „im Betrieb vor Ort“ völlig gleich gestellt wurden (vom passiven Wahlrecht abgesehen)? Ich denke nicht, dass der Gesetzgeber der ArbVG-Novelle BGBl I 2010/101 derartiges beabsichtigte.[61]AA Löschnigg in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG, § 52 Rz 10. Wohl für die weiterhin bestehende Beschränkung beim aktiven Wahlrecht Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 36 Rz 6. Denn dem eingangs zitierten, seit 1975 bestehenden Art III der HeimAG-Novelle BGBl 303/1975 (siehe auch die Materialien, zitiert in FN 54) wurde ja mit der ArbVG-Novelle 2010 nicht formell derogiert, das heißt Art III wurde nicht ausdrücklich aufgehoben bzw außer Kraft gesetzt. Es stellt sich nun die Frage, ob dieser Übergangsbestimmung materiell derogiert wurde, weil sie mit den nunmehrigen Bestimmungen des ArbVG, die ja die Unterscheidung „regelmäßig“ von „nicht regelmäßig“ im Gesetzeswortlaut nicht mehr enthalten, sinnvollerweise nicht mehr in Einklang gebracht werden kann und somit die jüngere und speziellere Norm (BGBl I 2010/101) die ältere Norm des Art III der HeimAG-Novelle BGBl 303/1975 im Hinblick auf Sinn und Zweck der Gesetzgebung (dh bezogen auf den telos des ArbVG in seiner seit 2011 geltenden Fassung) sachlich-materiell überlagert und beseitigt hätte.

Für eine „materielle Derogation“ müsste eine später erlassene Rechtsnorm mit der früher erlassenen in (unauflösbarem) Konflikt stehen,[62]Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 Rz 495 f. sodass vom Willen der Gesetzgebung auszugehen wäre, nur noch die jüngere Norm in Geltung zu belassen. Nun hatte aber § 27 HeimAG, auf den im ArbVG bis 31.12.2010 mehrfach (an sieben Stellen) verwiesen wurde, schon seit 1975 keine Bedeutung mehr, weil damals auch für unregelmäßig beschäftigte HeimarbeiterInnen die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall eingeführt wurde und im Zuge dessen die Unterscheidung von regelmäßig/unregelmäßig beschäftigt aufgehoben worden war.[63]Noch die Regierungsvorlage (1482 BlgNR 13. GP 5 und 22) hatte sehr wohl diese Unterscheidung in § 27 Abs 1 HeimAG vorgesehen (mit dem Zusatz, dass schon bei drei Wochen innerhalb der letzten dreizehn Wochen ebenfalls Regelmäßigkeit gegeben gewesen wäre), aber im BGBl wurde § 27 HeimAG ohne jegliche Einschränkung verlautbart. Mit der HeimAG-Novelle 1992, BGBl I 836/1992, erhielt der zwischenzeitlich durch mehrere Novellen veränderte § 27 die Bezeichnung „§ 25“, womit ab 01.01.1993 die sieben Verweise auf „im Sinne des § 27 […] regelmäßig beschäftigt“ noch absurder wurden. Vgl den IA 420/A BlgNR 18. GP 1 und AB 842 BlgNR 18. GP 3. Der Verweis „iSd § 27 HeimAG 1960“ war also rund 35 Jahre lang (von 01.07.1975[64]Inkrafttreten gemäß Art V Abs 1 BGBl 303/1975. bis 31.12.2010) ins Leere gegangen, er hatte aber dennoch seinen Zweck erfüllt und auch zum Ausdruck gebracht: Nach den Gesetzesmaterialien (siehe FN 54) sollte die betriebsverfassungsrechtliche Stellung der HeimarbeiterInnen so wie seit 01.07.1974 (ArbVG-Inkrafttreten) fixiert bleiben.

Meines Erachtens sprechen starke teleologische Erwägungen dafür, dass auch die per 01.01.2011 erfolgten Streichungen der Verweise auf den längst nicht mehr „sinnvollen und passenden“ § 27 HeimAG nichts am weiter bestehenden gesetzgeberischen Willen ändert, nur regelmäßig (dh mit zumindest einem Drittel der „durchschnittlichen Betriebsarbeitszeit oder -menge“; siehe Abschnitt „HeimarbeiterInnen und Betriebsverfassung“) beschäftigte HeimarbeiterInnen mit dem aktiven Betriebsrats-(und Jugendvertrauensrats)-Wahlrecht und mit Stimmrecht in der Betriebsversammlung (Jugendversammlung) auszustatten sowie bei bestimmten Schlüsselzahlen zu berücksichtigen. Trotz des geänderten (um den Verweis auf § 27 HeimAG reduzierten) Wortlauts der §§ 49, 50, 52, 117 und 124–126 ArbVG ist festzustellen, dass die seit rund 40 Jahren bestehende Vorschrift des Art III BGBl 303/1975 und die neueren Normen der ArbVG-Novelle 2010 nicht denselben Tatbestand aufweisen und auch die angeordneten Rechtsfolgen nicht unvereinbar sind. Es wären aber „Unvereinbarkeit der Rechtsfolgen“ und „gleicher Tatbestand“ die notwendigen Voraussetzungen, um von einer inhaltlichen Außerkraftsetzung („materieller Derogation“) des Art III BGBl 303/1975 ausgehen zu können.[65]Kletečka in Koziol/Welser13 Bd 1, 37. Hier wurde aber gerade kein neuer Tatbestand geschaffen, sondern bloß ein Verweis aus den im Übrigen unveränderten Tatbeständen entfernt, weil die Gesetzgebung diesen Verweis fälschlich für „obsolet“ hielt (auf die Bedeutung des Art III BGBl 303/1975 hatte der Gesetzgeber vermutlich vergessen). Die oben zitierten Gesetzesmaterialien aus 2010, die von „obsolet gewordene Verweisung auf § 27 Heimarbeitsgesetz 1960“ sprechen, sind zwar Quelle für die historische Interpretation (die gegenüber der teleologischen Interpretation weder vorrangig noch nachrangig ist) der Streichungen in sieben ArbVG-Paragrafen, teleologische Erwägungen führen meines Erachtens aber zu einem Ergebnis „contra Gesetzesmaterialien“.

Bei nur sehr vereinzelten und kurzen, nicht dauerhaften Zuarbeiten durch HeimarbeiterInnen im weiteren Sinne wäre es zudem unverständlich und mit dem telos der Betriebsdemokratie nicht vereinbar, wenn eine unüberschaubar große Zahl an „externen ZuarbeiterInnen“ Betriebsversammlungen und Betriebsratswahlen stark beeinflussen oder gar dominieren könnte.[66]Als weiteres teleologisches und vor allem logisch-systematisches Argument der Interpretation jener sieben Gesetzesstellen des ArbVG, aus denen der wörtliche Verweis auf § 27 HeimAG (alt) beseitigt wurde, ist anzuführen, dass als Voraussetzung für das aktive Betriebsrat-Wahlrecht in § 52 Abs 1 ArbVG die Beschäftigung an zwei Stichtagen gegeben sein muss: am Tag der Betriebsversammlung zur Wahl des Wahlvorstands sowie am Tag der Betriebsratswahl. Die Zufälligkeit, dass ein/eine sehr selten beschäftigter/beschäftigte HeimarbeiterIn, die zB bloß an vier Halbtagen pro Jahr für ihren/ihre AuftraggeberIn arbeitet, an diesen beiden Tagen ihre „Halb-Arbeitstage“ hatte und nun aktiv wählen darf, kann als argumentum ad absurdum für die Auslegung der §§ 49, 50, 52, 117 und 124–126 ArbVG ins Treffen geführt werden. Ebenso absurd wäre ein Freistellungsanpruch des Betriebsrats gemäß § 117 Abs 1 ArbVG bei beispielsweise 30 StammarbeitnehmerInnen im Betrieb, aber 125 bloß sehr selten zuarbeitenden HeimarbeiterInnen. Somit steht meines Erachtens trotz der seit 2011 entfallenden Verweise auf § 27 HeimAG (alt) in den sieben erwähnten Passagen des ArbVG der Art III der HeimAG-Novelle BGBl 303/1975 weiterhin in Geltung. Die (damalige) historische Absicht des Gesetzgebers (siehe FN 55), nämlich die Unterscheidung von „regelmäßig“ und „unregelmäßig“ beschäftigten HeimarbeiterInnen, hat – am Gesamttelos der Betriebsverfassung orientiert – nach wie vor ihre Berechtigung.[67]Das deutsche BetrVG regelt in § 5 Abs 1, dass ArbeitnehmerInneneigenschaft und aktives (§ 7) sowie passives (§ 8) Wahlrecht für jene HeimarbeiterInnen besteht, „die in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten“. Bestimmend ist dafür das Verhältnis der Tätigkeit für den fraglichen Betrieb zur Tätigkeit für andere Betriebe (Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG15 § 7 Rz 34).

Zu betonen ist dabei aber, dass diese Unterscheidung nur für Wahlrecht, Stimmrecht und Schlüsselzahlen bedeutsam ist. Für die Ausübung der Mitwirkungsrechte betreffend die HeimarbeiterInnen war und ist diese Differenzierung ohne Relevanz: Der Betriebsrat ist berufen, sämtliche HeimarbeiterInnen mitzuvertreten (vgl § 36 Abs 1 ArbVG), egal in welchem Umfang, in welcher Arbeitsdichte oder Arbeitsfrequenz sie für BetriebsinhaberInnen (AuftraggeberInnen bzw Arbeit[ver]geberInnen) tätig sind.

c. Gründe für die bloße Teil-Gleichstellung von HeimarbeiterInnen

Warum differenziert nun das ArbVG bei dieser disloziert arbeitenden „Randbelegschaft“, die im Regelfall keine Arbeitsverträge hat, in betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht in vierfacher Weise (keinerlei Berücksichtigung/unregelmäßige Beschäftigung/regelmäßige Beschäftigung/volle Gleichstellung mit vertragsrechtlichen ArbeitnehmerInnen) und etabliert somit partielle Gleichstellungen mit der sich in „Normalarbeitsverhältnissen“ befindenden Stammbelegschaft der AuftraggeberInnen? Die Gesetzgebungsmaterialien der Stammfassung des ArbVG, wo ja HeimarbeiterInnen erstmals zum Kollektiv der betrieblich Beschäftigten hinzugenommen wurden, treffen zu dieser Frage einige Erläuterungen, vor allem hinsichtlich Homogenität der Interessen.[68]„Arbeitnehmer im Sinne des § 36 Abs 1 sind kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung auch Heimarbeiter. […] Die zweifellos vorhandene Sonderstellung der Heimarbeiter rechtfertigt nicht deren Ausnahme von der Betriebsverfassung, da ihre Interessen im grundsätzlichen nicht von den Interessen der übrigen Arbeitnehmer abweichen. Auf ihre Sonderstellung wird durch Beschränkung des Stimmrechts in der Betriebsversammlung (§ 49 Abs 1) und des aktiven Wahlrechts (§ 52 Abs 2), Ausschluss vom passiven Wahlrecht § 53 Abs 3 Z 3 ArbVG) und in der Weise Bedacht genommen, dass Heimarbeiter grundsätzlich nicht auf die für die Zahlengrenzen relevanten Beschäftigungszahlen angerechnet werden.“ (Hervorhebungen nachträglich hinzugefügt; ErlRV 1482 BlgNR 13. GP 69 und 143; AB 1544 BlgNR 13. GP 143); siehe auch Lindmayr, Handbuch der Arbeitsverfassung (2015) 60; Tomandl in Tomandl, ArbVG § 36, nach dem Gesetzestext. Ein Mindestmaß an Beschäftigung und damit Bedeutung für die arbeitstechnische Betriebsorganisation ist aber meines Erachtens Voraussetzung für „volles“ (der Stammbelegschaft gleichgestelltes) Stimmrecht in Betriebsversammlungen, für das aktive Wahlrecht und für die Berücksichtigung bei Größe und Freistellungsgrenzzahlen des Betriebsrats und Jugendvertrauensrats.

Grund und Normzweck für die „selektive“ Teil-Gleichstellung von HeimarbeiterInnen mit StammarbeitnehmerInnen des Betriebs kann meines Erachtens nur sein, dass die betrieblichen Vertretungsorgane, allen voran der Betriebsrat, eine entsprechende Größe (Mitgliederstärke) und entsprechende Kompetenzen und Aufgaben (zB Anregungen der regelmäßigen HeimarbeiterInnen in der Betriebsversammlung entgegennehmen) haben sollen, wenn die betriebliche „Stammbelegschaft“ relativ klein, die Zahl der disloziert zuarbeitenden HeimarbeiterInnen aber relativ groß ist. Motiv der Gesetzgebung (des ArbVG 1974 sowie der HeimAG-Novelle 1975) für die Beibehaltung der Differenzierung regelmäßig/unregelmäßig könnte zudem gewesen sein, dass ebenso wie bei den überlassenen Arbeitskräften eine gewisse Dauerhaftigkeit (und Kalkulierbarkeit) der Beschäftigung und der zugelieferten Arbeitsmengen vorhanden sein müsse, um das Organ Betriebsrat entsprechend „zu vergrößern“. Ein weiterer Normzweck ist der Ausklammerung aus § 53 ArbVG (passives Wahlrecht) zu entnehmen: Selbst HeimarbeiterInnen mit engen Bezug zum Betrieb (da regelmäßig beschäftigt) sollen an der internen Willensbildung und Mandatsermittlung der „vor Ort“ arbeitenden Stammbelegschaft nicht als Organmitglieder teilnehmen können. Wählbar soll nur jemand sein, der/die als Gegenüber des Betriebsinhabers/der Betriebsinhaberin im Betrieb regelmäßig anwesend ist – und das, von Saisonbeschäftigten abgesehen,[69]Vgl § 53 Abs 5 und Abs 6 ArbVG. seit zumindest sechs Monaten (vgl § 53 Abs 1 Z 2 ArbVG).

d. Parallelen und Unterschiede zwischen Crowd- und HeimarbeiterInnen

Auf den ersten Blick fallen virtuelle CrowdworkerInnen, die wie im obigen Beispiel mit taggen (katalogisieren, beschreiben) und mit dem Übersetzen von Kfz-Komponenten beschäftigt sind, nicht unter den HeimarbeiterInnenbegriff. Denn es müssten gemäß § 2 Z 1 HeimAG „Waren“ hergestellt, beoder verarbeitet bzw verpackt werden. Zu bedenken ist dabei jedoch, dass die Rspr sowohl hinsichtlich des Warenbegriffs als auch punkto manueller Tätigkeit mitunter großzügig war und sowohl das Adressieren von Briefumschlägen als auch das Zusammenfassen von Adressen als Gegenstand der Heimarbeit anerkannte.[70]VwGH 606/66, Arb 8256; VwGH 0598/72, VwSlg 8406 (A); siehe auch FN 7 und 35. Der VwGH legt den Begriff „Waren“ zwar so weit aus, dass minderqualifizierte Schreibarbeiten unter den Geltungsbereich des HeimAG subsumiert werden können, qualifizierte Tätigkeiten wie Übersetzungsarbeiten jedoch nicht.[71]VwGH 27.10.1972, 0835/72; eingehend Ritzberger-Moser/Widorn, HeimAG 1960 (1995) 15 ff; Tomandl in Tomandl, ArbVG § 36 Rz 15; besonders ausführlich Warter, Crowdwork 203 ff (226).

Seit vielen Jahren (beginnend mit der StGB-Novelle BGBl 1987/605) sind aber zB Softwareprogramme und digitalisierte Informationen zumindest strafrechtlich den „Sachen“ (§§ 285 ff ABGB) gleichgestellt (vgl §§ 126a und 126b StGB), weshalb sich die Frage stellt, warum das durch simple clicks und ohne höhere intellektuelle Leistung erfolgende Bearbeiten, Testen und Verbessern von Software oder Websites nicht den gleichen Tätigkeiten an „Waren“ entsprechen soll. Auch der Warenbegriff des Unternehmensrechts (§§ 373 ff UGB) erfasst „Energie“ oder „Standardsoftware“.[72]Zöchling-Jud in Torggler, UBG2, § 381 Rz 2, zitiert nach Warter, Crowdwork 229 ff.

Zurück zu unserem Ausgangsfall: Auf die Frage, welche Mitwirkungsrechte für die InhaberInnen sämtlicher betroffener Arbeitsplätze (im Betrieb Linz und auf der Internet-Plattform) bestehen, kann in Anbetracht der uneinheitlichen, fast schon kautelarischen Judikatur zum HeimarbeiterInnenbegriff keine abschließende Antwort gegeben werden. Sicher ist aber: Für die Stammbelegschaft in Linz kann vom örtlichen Betriebsrat jedenfalls über die §§ 89–91 und 108–110 ArbVG einiges an Mitgestaltung bei der geplanten Arbeitsorganisations-Änderung bewirkt werden. Ob darüber hinaus der Betriebsrat auch zugunsten der „KollegInnen im Cyberraum“ mitbestimmen und mitgestalten kann, ist meines Erachtens zumindest bei einigen spezifischen Mitwirkungsrechten zu bejahen. So können nach meinem Dafürhalten gemäß §§ 98 und 99 ArbVG Empfehlungen für die Anzahl der CrowdworkerInnen und deren Qualifikationsanforderungen abgeben werden, kann sich der Betriebsrat mit dem/der BetriebsinhaberIn über einzelne Engagements beraten, die ja über die Plattform „GW ltd.“ vermittelt werden und können nach § 89 ArbVG Kontrollen der Entgelte oder der Meldungen zur Sozialversicherung vorgenommen werden. Sicher ist das mangels einschlägiger und klarer Rsp aber nicht.

2.4.3 Mittelbare Arbeitsverhältnisse und Betriebsverfassung

In der Lehre[73]Floretta/Strasser aaO 222. Vgl zu diesen „Gruppenarbeitsverhältnissen“ auch Löschnigg, AR12 221 f. wird vertreten, dass zB MusikerInnen, die in einem unmittelbaren Arbeitsverhältnis zu einer Kapellmeisterin stehen oder Ziegelarbeiter, deren unmittelbares Arbeitsverhältnis mit einem „Ziegelmeister“ besteht, dann dem Betrieb der Arbeitsergebnis-VerwerterInnen angehören, wenn das Rechtsverhältnis des Kapellmeisters oder der Ziegelmeisterin mit dem/der BetriebsinhaberIn ein ausreichend stabiles ist, sodass man von einer engen Bindung an dessen/deren Betrieb sprechen kann. Gigworker können also durchaus mit der Crowd einer Musikkapelle oder mit extern zuarbeitenden MitarbeiterInnen verglichen werden; Zwischenmeisterin ist hier die plattformbetreibende juristische Person, die ja in der Regel ein stabiles Rechtsverhältnis zu den ArbeitvergeberInnen haben wird. Unter Heranziehung dieses Arguments können CrowdworkerInnen daher auch zum Betrieb von CrowdsourcerInnen zugeordnet werden, wobei für das aktive Wahlrecht und Stimmrecht meines Erachtens analog das Regelmäßigkeits-Beschäftigungsausmaß (siehe Abschnitt „HeimarbeiterInnen und Betriebsverfassung“) heranzuziehen wäre.[74]Bei nur sehr vereinzelten und kurzen, nicht dauerhaften Zuarbeiten wäre es unverständlich und mit dem Telos der „Betriebsdemokratie“ nicht vereinbar, wenn eine unüberschaubar große Zahl an „externen ZuarbeiterInnen“ Betriebsversammlungen und Betriebsratswahlen stark beeinflussen oder gar dominieren könnte.

2.4.4 Arbeitskräftepool und Betriebsverfassung

Fallweise beschäftigte Personen sind nach den §§ 471a ff ASVG jene, die in unregelmäßiger Folge tageweise bei denselben DienstgeberInnen beschäftigt werden, sofern dies für einen kürzeren Zeitraum als eine Woche vereinbart ist.[75]Zu sozialversicherungsrechtlichen Aspekten dieser Beschäftigungsform siehe Kapitel „Sozialversicherung in der Gig-Economy“. Diese Bestimmung tritt freilich am 31.12.2017 außer Kraft. Gegenstand der Rsp waren in den letzten Jahren vor allem der wegweisende Fall Peek & Cloppenburg,[76]OGH 08.08.2002, 8 ObA 277/01w, DRdA 2002, 505 (Mosler); 8 ObA 116/04y, DRdA 2005/33 (Schwarz). wo es um sogenannte „Bedarfsarbeitsverträge“ bzw Arbeit auf Abruf ging, der Fall einer Expeditarbeiterin aus einem Pool von 43 Personen[77]OGH 8 ObA 87/10t, Arb 13.011. sowie mehrere Fälle von fallweisen KellnerInnen-Arbeiten auf Abruf, welche die gleiche Diskothek in der Steiermark betrafen.[78]OGH 8 ObA 32/13h, 8 ObA 50/13f, 8 ObA 8/14f; 9 ObA 153/13k, 9 ObA 154/13g; wenn auch in den Diskothek-Fällen nach einem gewissen „Dienstplan“, der aber seitens der Arbeitskräfte problemlos verändert werden konnte. Wie M. Friedrich (ASoK 2006, 12), Ogriseg (ZAS 2014/51) und Mosing (ZAS 2014/41) festhalten, differenziert der OGH nach der „Dichte“ der tatsächlichen Inanspruchnahme der ArbeitnehmerInnen, also nach der Frequenz der Arbeitseinsätze. Aber schon die Rechtssache eines fallweise, aufgrund eines Rahmenarbeitsvertrags immer wieder engagierten Detektivs [79]OGH 28.08.1997, 8 ObA 2347/96x. hatte gewissermaßen eine „Bedarf-Konsens-Vereinbarung“ als Grundlage gehabt und war – noch vor der umfassenden Einbeziehung freier Dienstverhältnisse und neuer Selbständiger in die Sozialversicherung im Jahre 1998 – zu einem gewissen Präjudiz für nachfolgende Entscheidungen zu Arbeit auf Abruf oder Rahmenarbeits(konditionen)vereinbarungen geworden.

Der OGH differenziert in diesen Fällen (zwei Entscheidungen, nämlich die Vorlage-Entscheidung aus 2002[80]OGH 8 ObA 277/01w, DRdA 2002/48 (Mosler). und die Entscheidung 2004[81]OGH 8 ObA 116/04y, DRdA 2005/33 (Schwarz). zum damals etwa 800 Personen umfassenden Pool des Bekleidungshauses Peek & Cloppenburg, betrafen den gleichen Fall) danach, ob eine bloße Rahmenkonditionen-Vereinbarung vorliegt und praktiziert wird, oder aber ein Rahmenarbeitsvertrag. Zu unterscheiden ist nach der Rsp, ob die Pool-ArbeitnehmerInnen selbst gewählt – und ohne Sanktion bei Ablehnung – nur sporadisch zur Abdeckung von Belastungsspitzen aus dem Pool abgerufen werden (= Rahmenkonditionenvereinbarung), oder ob sie zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs in gewisser Regelmäßigkeit eingesetzt werden (= Rahmenarbeitsverhältnis). Das Höchstgericht war aber nicht mit der Frage befasst, inwieweit die auf Abruf bereitstehenden ArbeitnehmerInnen im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn zur Belegschaft der fallweise abrufenden Betriebsinhaberin zählen.

Meines Erachtens wird auch hier zwischen Unregelmäßigkeit und Regelmäßigkeit der tatsächlichen Einbindung in die Betriebsorganisation zu differenzieren sein, analog dem 1975 außer Kraft gesetzten, für das ArbVG aber gemäß Art III BGBl 303/1975 noch immer geltenden § 27 HeimAG (alt). Anknüpfungsfähig ist dafür meines Erachtns die oben in Abschnitt „HeimarbeiterInnen und Betriebsverfassung“ dargestellte „13 aus 39 Wochen-“ bzw „26 aus 78-Wochen-Regelung“: Etwa ein Drittel des Arbeitszeitumfangs eines/einer typischen Stammarbeitnehmers/Stammarbeitnehmerin wäre vorauszusetzen[82]Dies ist in Unternehmen, die typischerweise viele Teilzeitbeschäftigte im Stammpersonal führen, gar nicht so viel., um diese Pool-ArbeitnehmerInnen auch bei Betriebsratswahlen aktiv mitwählen zu lassen. Für die (stimmrechtslose) Teilnahme an Betriebsversammlungen und die Ausübung der meisten Mitwirkungsrechte gegenüber den jeweiligen BetriebsinhaberInnen wäre jedoch, analog der Regelung in § 36 Abs 1 ArbVG betreffend HeimarbeiterInnen, keine Mindestbeschäftigungs-Dichte, dh kein regelmäßiges Abrufen ihrer Arbeitskraft aus dem Pool, Voraussetzung. Hingegen wäre das passive Wahlrecht zum Betriebsrat von Pool-MitarbeiterInnen, selbst bei mehr als sechsmonatiger Beschäftigung im Rahmen des Betriebs (§ 53 Abs 1 Z 2 ArbVG) meines Erachtens nur dann gegeben, wenn Arbeitszeit oder Arbeitsmenge der Pool-Arbeitskräfte zu mindestens einem Drittel jener der BetriebsarbeitnehmerInnen entsprechen.[83]Im Unterschied zu HeimarbeiterInnen sind Pool-ArbeitnehmerInnen ja tatsächlich (fallweise) vor Ort im Betrieb tätig; deshalb muss die Analogie zu § 27 HeimAG (alt) bzw ein Analogieschluss aus Art III BGBl 303/1975 hier meines Erachtens anders ausfallen. Aus dem Pool der über Linz und Dublin koordinierten sowie der so organisierten Crowd wären dann bloß die Intensiv-CrowdworkerInnen im Betrieb Linz aktiv wahlberechtigt.

2.4.5 ArbeitnehmerInnen in Betriebsteilen (Arbeitsstätten) im Ausland

Grundsätzlich gilt das Territorialitätsprinzip, weshalb die §§ 33 ff ArbVG nur für inländische Arbeitsstätten, Betriebe, Unternehmen und Konzerne Anordnungen treffen können.[84]Strasser in Jabornegg/Resch/Strasser, ArbVG § 33 Rz 17. Was aber die Zugehörigkeit ausländischer Arbeitsstellen oder einzelner im Ausland beschäftigter ArbeitnehmerInnen zu einem inländischen Betrieb betrifft, sind zwei höchstgerichtliche Entscheidungen von Bedeutung.

Die Entscheidung OGH 9 ObA 88/97z[85]OGH 9 ObA 88/97z, DRdA 1998, 183 (Hoyer); siehe auch Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 34 Rz 47 und § 36 Rz 18; Kallab in ZellKomm2 § 49 Rz 3 f. betraf Außendienstmitarbeiter im Ausland: „Wesentlich für die Frage, ob die Voraussetzungen des § 36 Abs 1 ArbVG erfüllt sind, ob also ein Arbeitnehmer im Rahmen eines Betriebes beschäftigt ist, ist in welchem Ausmaß eine Eingliederung in den Betrieb erfolgt. Es gibt in vielen Betrieben Beschäftigte, die außerhalb des Betriebes tätig sind (zB die angestellten Reisenden etc.). Solche Personen zählen trotz der ständigen räumlichen Trennung vom Betrieb zu den Arbeitnehmern im Sinne des II. Teiles des ArbVG. Die Forderung des Gesetzes nach Beschäftigung im Betrieb darf in diesem Fall nicht lokal gedeutet werden (Strasser, Handkommentar 222 f ). Zu prüfen ist jeweils, ob der betreffende Arbeitnehmer, wenn er nicht am Betriebsort tätig ist, in einer so engen Beziehung zum Betrieb steht, daß er als dem Betrieb noch zugehörig betrachtet werden kann, ob er ungeachtet seiner außerhalb der Betriebsstätte verrichteten Tätigkeit noch als Glied der betrieblichen Organisation gesehen werden kann.

Dabei ist zu beachten, daß unter Berücksichtigung der nunmehr zur Verfügung stehenden Kommunikationsmöglichkeiten eine organisatorische Eingliederung disloziert tätiger Dienstnehmer in viel weiterem Umfang möglich ist als in der Vergangenheit, als die Kontaktaufnahme auf größere Entfernungen wesentlich schwerer möglich war. Dies zeigt auch der vorliegende Fall. Die Auslandsmitarbeiter führen mehrmals wöchentlich mit ihrem Vorgesetzten Gespräche über alle wesentlichen Fragen ihrer Tätigkeit, eine Kommunikation, die, abgesehen vom persönlichen Kontakt, vermutlich nicht anders ablaufen würde, wenn sie im Bereich des Betriebsstandortes tätig wären. Der Umstand, daß es sich um ausländische Staatsbürger handelt, die ihre Tätigkeit im Ausland verrichten und persönlich nur selten in den Betrieb kommen, ändert nichts daran, daß es sich bei den betroffenen Mitarbeitern um Angehörige des Betriebes der beklagten Partei im Sinne des § 36 ArbVG handelt.“ (Hervorhebungen nachträglich hinzugefügt)

In der Entscheidung des OGH 9 ObA 54/09w wird unter Bezugnahme auf die soeben zitierte Entscheidung weiter vertieft: „Dabei ist jeweils zu prüfen, ob der betreffende Arbeitnehmer in einer so engen Beziehung zum Betrieb steht, dass er als dem Betrieb noch zugehörig betrachtet werden und ob er ungeachtet seiner außerhalb der Betriebsstätte verrichteten Tätigkeit noch als Glied der betrieblichen Organisation gesehen werden kann. In dem Zusammenhang ist zu beachten, dass unter Berücksichtigung der nunmehr zur Verfügung stehenden Kommunikationsmöglichkeiten eine organisatorische Eingliederung disloziert tätiger Dienstnehmer in viel weiterem Umfang möglich ist als in der Vergangenheit, als die Kontaktaufnahme auf größere Entfernungen wesentlich schwerer möglich war […]. Der Kläger erhielt für seine Arbeitstätigkeit im Ausland auch Aufwandersatz und Diäten, die über das Werk in Graz abgerechnet wurden. Sowohl die Lohnverrechnung als auch sämtliche Personalangelegenheiten in Bezug auf den Kläger wurden über das Werk in Graz abgewickelt. Angesichts dieses Sachverhalts […] [ist] der Kläger (im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn) als Arbeitnehmer des Betriebs der Beklagten in Graz anzusehen (§ 36 ArbVG)“. (Hervorhebungen nachträglich hinzugefügt)

Auf unseren Fall übertragen ist jedenfalls festzuhalten, dass der Betrieb Linz in Zusammenhang mit der Beschäftigung der externen CrowdworkerInnen über die in Irland ansässige Plattform nicht lokal, sondern vielmehr arbeitsorganisatorisch zu betrachten ist. Weisungen, Zielvorstellungen (Projektbeschreibung) und Arbeitsvorgaben der CC GmbH werden in der Regel von der Plattform weiterkommuniziert; sie ist insofern „Anwerberin“ und Kommunikationsmedium (sowie Transport-Dienstleisterin für digitale Arbeitsergebnisse) im Auftrag der Stammbetriebsinhaberin. Sollten nicht ohnehin beide Unternehmen als gemeinsame Betriebsinhaberinnen des um den virtuellen Raum erweiterten Linzer Betriebs sein (siehe Abschnitt „Wer ist BetriebsinhaberIn?“), dann könnten zumindest die entsprechend häufig oder umfangreich zuarbeitenden CrowdworkerInnen (die „Regelmäßigkeit“ wäre anhand von Arbeitsmenge oder Arbeitszeit zu beurteilen) zur Belegschaft des Linzer Betriebs zu zählen sein.

Denn die CrowdworkerInnen arbeiten ja nicht einmal im Ausland, sondern befinden sich (vielfach) bloß dort, mitsamt den technischen Geräten und sonstigen Betriebsmitteln, die sie zum Komponenten-Beschreiben (taggen) oder zum Übersetzen einsetzen. Der Raum, in dem sie arbeiten, ist aber weder in Irland noch in Österreich noch im Aufenthaltsstaat der einzelnen CrowdworkerInnen zu verorten. „Digitale Nomaden“ arbeiten in geografisch nicht festzumachenden digitalen Räumen; ihre Zuarbeiten (Arbeitsergebnisse) kommen in unserem Fall eindeutig im Betrieb Linz an, wo sie dann von der Arbeitvergeberin und Betriebsinhaberin CC GmbH verwertet werden können.

Alternativ könnte sich ein Betrieb „Plattformarbeiten für die CC GmbH“ abzeichnen, da hier punkto Arbeitsorganisation, Betriebsmittel und Betriebszweck eine gewisse Abgeschlossenheit und Eigenständigkeit besteht, wenn zB 50 CrowdworkerInnen aus verschiedenen Staaten am selben Projekt arbeiten. Das Projekt, gekennzeichnet durch die Arbeitsaufträge und deren Ergebnis-Rückführung nach Österreich wäre dann unter Umständen als Betrieb zu betrachten, zumindest wenn es eine gewisse Dauerhaftigkeit und „Einheitlichkeit der Arbeitsorganisation“ aufweist. Die bereits dargestellten Rechtsbehelfe der §§ 34 Abs 2 und 35 ArbVG (Feststellungsklage oder Rechtsgestaltungsklage, ob/dass ein Betrieb vorliegt) könnten sich als nützlich erweisen.

Falls sich eine mindestens fünf Personen umfassende Crowd in einen gemeinsamen Co-Working-Space (Mieträumlichkeiten, typischerweise für Soloselbständige oder Kreative angeboten) einmietet, dann könnte – vor allem bei entsprechender Bedeutung des Standorts für die Organisation bzw Koordination der Gig-Tasks – hier der Betrieb zu verorten sein. Dies umso eher, wenn diese Crowd in gewisser Dauerhaftigkeit und in arbeitsorganisatorischer Einheitlichkeit am gleichen Projekt (= Betriebszweck) arbeitet.

2.5 Mitwirkungsrechte zur Vertretung von Belegschaft und Randbelegschaft (Arbeitskräftepool)

Zu untersuchen ist nun, wie sich der Betriebsrat – und „betriebsübergreifend“ der Zentralbetriebsrat, die Konzernvertretung oder der Europäische Betriebsrat (§§ 113, 171 ff ArbVG) – für die Belegschaft einsetzen können. Insbesondere stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls wie sich die Organe der Arbeitnehmerschaft, je nach Zuständigkeitsebene, für die über die Plattform zuarbeitenden Belegschaftsgruppen engagieren könnten.

Die CC GmbH beschäftigt deutlich mehr als 300 ArbeitnehmerInnen und hat daher gemäß § 29 GmbHG einen Aufsichtsrat, in dem der Zentralbetriebsrat ein Drittel der Sitze innehat; von wenigen Ausnahmen abgesehen haben die ArbeitnehmerInnen-VertreterInnen im Aufsichtsrat die gleichen Rechte und Pflichten wie die von der Generalversammlung der GmbH entsandten KapitalvertreterInnen (§ 110 Abs 3 ArbVG). Allerdings sitzen die Unternehmens-EignerInnen (hier: die CC Holding AG in Deutschland, die sämtliche Gesellschaftsanteile in der Generalversammlung der österreichischen GmbH hat) bei Struktur- und Organisationsentscheidungen vor allem aus folgendem, verfassungsrechtlich abgesicherten Grund am längeren Hebel: Es bestehen für die ArbeitnehmerInnen-VertreterInnen sowohl auf Betriebsebene (ArbVG) als auch im Aufsichtsrat (hier sind vor allem das GmbHG und UGB maßgeblich) wegen der bloßen Drittel-Repräsentation von ArbeitnehmerInnen-VertreterInnen keine „Veto“-Möglichkeiten oder Unterlassungsansprüche[86]Lediglich § 111 Abs 2 ArbVG sieht für den Fall eines laufenden Branchen-Schlichtungskommissions-Verfahrens aufgrund Einspruchs des Betriebsrats ein maximal vierwöchiges Stillhaltegebot des Betriebsinhabers/der Betriebsinhaberin vor, falls dieser/diese eine Betriebsstilllegung plant. nach dem kollektiven Arbeitsrecht oder dem Gesellschaftsrecht. Das Arbeitsrecht ist hier meist schwächer als die Grundrechte jeder UnternehmerIn auf Freiheit des Eigentums (an Produktionsmitteln) und auf Erwerbsfreiheit.[87]Näher siehe Öhlinger, Verfassungsrechtliche Probleme der Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Unternehmen (1982); Pernthaler, Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen der betrieblichen und unternehmerischen Mitbestimmung (1984). Beim Crowdsourcing und ähnlichen webbasierten Arbeitsformen der Gig-Economy wäre nun aufgrund der Verfügungsmacht des Eigentümers/der Eigentümerin (hier: CC Holding AG, BRD) zu befürchten, dass VergeberInnen-Belegschaften sowie Plattform-Belegschaften (Gigworker-Pools auf Abruf) noch geringere Mitgestaltungsmöglichkeiten und durchsetzbare Mitwirkungsrechte vorfinden könnten. Ein genauer Blick in den Katalog an kollektiven Mitbestimmungsrechten, aber auch in die Möglichkeiten der Vorab-Prüfung zustimmungspflichtiger Geschäfte im Aufsichtsrat (§ 30j Abs 5 GmbHG),[88]Es liegen zwar meines Erachtens die zustimmungspflichtigen Maßnahmen der „Veränderung allgemeiner Grundsätze der Geschäftspolitik” gemäß § 30j Abs 5 Z 8 GmbHG oder bei groß angelegtem Crowdsourcing auch die „Aufgabe von Geschäftszweigen und Produktionsarten“ (Z 7 leg cit) vor, mit bloß einem Drittel der Stimmen können aber die ArbeitnehmerInnen-VertreterInnen im Aufsichtsrat gegen die Mehrheit der deutschen Mutter-Stimmen nichts verhindern. zeigt hingegen, dass für die betroffene Belegschaft vor Ort, unter Umständen aber auch für die betroffene Randbelegschaft, einiges bewirkt werden kann.

Sollten in unserem Ausgangsfall der Betriebsrat Linz und der Zentralbetriebsrat bloß ihre (Stamm-)WählerInnen vor Augen haben und die zuarbeitende Crowdbelegschaft völlig ignorieren, wären sie schlecht beraten. Denn durch Lohndumping-Druck (es entsteht über die Plattform eine nicht kollektivvertraglich gebundene, zweite Entgeltlinie), durch allfällige Qualitäts- und Kompetenzverluste für das Unternehmen und den Standort, durch Daten-Auslagerung auf die Plattform und weitere Begleiterscheinungen des Crowdsourcens (Erhöhung des Arbeitsdrucks, Qualitätskontrolldruck auf verbleibende ArbeitnehmerInnen) kann eine Gefährdung der Zukunftsperspektive der Standorte in Oberösterreich entstehen.[89]Klebe, Workers of the crowd unite?, in Benner, Crowdwork – Zurück in die Zukunft (2015) 278 ff. EU-rechtlich vgl insbesondere Art 4 RL 2002/14/EG, Art 7 RL 2001/23/EG und Art 2 RL 98/59/EG.

2.5.1 Mitwirkungsrechte zugunsten der Stammbelegschaft des Betriebs Linz

Der/Die BetriebsinhaberIn (hier: das unternehmensintern bevollmächtigte Management des Betriebs Linz) hat den Betriebsrat bereits am Beginn des Planungsstadiums über die beabsichtigte Änderung der Arbeits- und Betriebsorganisation sowie Einführung neuer Arbeitsmethoden (§ 109 Abs 1 Z 4 und Z 5) zu informieren. Über geplante Betriebsänderungen, Betriebsübergänge, Arbeitsorganisationsänderungen und andere Planungen, die relevant für Arbeitsverträge oder Arbeitsplätze sein können[90]Resch in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 108 Rz 38; Schneller in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 108 Rz 27,, sind sodann auf Verlangen des Betriebsrats Beratungsgespräche anzuberaumen und im Sinne des Gesetzeszwecks zu führen. Unter „Beginn der Planung“ ist jenes Stadium zu verstehen, in dem der/die BetriebsinhaberIn (hier: die GeschäftsführerInnen bzw sonstige zuständige ManagerInnen der CC GmbH) die Veränderungsmaßnahme „Crowdsourcing von Arbeiten“ (= neue Arbeitsmethode bzw gravierend veränderte Arbeits- und Betriebsorganisation) ernsthaft in Erwägung zieht und zu deren Vorbereitung die ersten konkreten Schritte setzen will. Nur wenn der/die ArbeitgeberIn bzw der/die BetriebsinhaberIn am Beginn der Planung gewisser Crowdsourcing-Maßnahmen den Betriebsrat ausführlich informiert, geforderte Unterlagen übermittelt und mit dem Betriebsratsgremium bzw dem/der Betriebsratvorsitzenden darüber Gespräche führt, wird dem gesetzlichen Fälligkeitszweck entsprochen:[91]§ 109 Rz 5; in diesem Sinne auch OGH 9 ObA 135/09g, ZAS 2012/17 (Grünanger) – Mystery Flyer. Der Betriebsrat muss die Möglichkeit haben, eine Stellungnahme (zB die Beurteilung möglicher Auswirkungen auf die Arbeits- und Entgeltbedingungen der StammarbeitnehmerInnen in Linz, über soziale Abfederungsmaßnahmen im Fall von Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen, über Kontrollmöglichkeiten hinsichtlich der Crowdwork-Bezahlung, vor allem aber Alternativvorschläge enthaltend) zur geplanten Maßnahme abzugeben (§ 109 Abs 1 Satz 1 ArbVG).

Die Judikatur hat dazu Leitsätze entwickelt. Insbesondere in der OGH-Entscheidung 9 Ob A 135/09g („Mystery-Flyer“)[92]OGH 9 Ob A 135/09g, ZAS 2012/17 (Grünanger); siehe auch Auer-Mayer in Gahleitner/Mosler, ArbVR5, § 91 Rz 8 ff. wurden bestimmte Anforderungen an die Tiefe und Genauigkeit der Informationen betont. Reichen die speziellen Informationsrechte der hier aufgrund der geplanten Arbeitsorganisationsänderungen relevanten §§ 108 f ArbVG nicht aus, um dem Betriebsrat die Interessenvertretung zu ermöglichen, dann sei auf die allgemeine Information-Rechtsgrundlage des § 91 ArbVG zurückzugreifen; dazu führt der OGH Folgendes näher aus:

  • Der/Die BetriebsinhaberIn muss den Betriebsrat über alle Angelegenheiten informieren, welche die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen oder kulturellen Interessen der ArbeitnehmerInnen im Sinne möglicher Auswirkungen berühren.
  • Die Konkretheit der Anfrage beeinflusst die Informationspflicht des Betriebsinhabers/der Betriebsinhaberin: Je mehr die Anfrage spezifiziert ist, desto genauer muss die Information
  • Zweck der Informationsrechte ist es ganz allgemein, der Belegschaft zu ermöglichen, auf betriebliche Entwicklungen zu reagieren, diesbezügliche Auswirkungen abzuklären und Vorschläge zu erstatten. Insbesondere soll der/die BetriebsinhaberIn nicht aus Überraschungseffekten, Zeitnot, Desorientierung der ArbeitnehmerInnen oder auch „vollendeten Tatsachen“ Vorteile ziehen können.
  • Die Inhalte der Information müssen von dem/der BetriebsinhaberIn den Umständen nach angemessen (im Sinne eines branchenadäquaten betriebswirtschaftlichen Standards) gestaltet werden, dh die Thematik vollständig abhandeln und aufschlussreich Die Information muss in einer Weise geboten werden, die dem Betriebsrat eine nachhaltige Kenntnis der dargelegten Inhalte eröffnet. Sie muss für den jeweiligen Zusammenhang rechtzeitig erfolgen.
  • Auf Verlangen sind dem Betriebsrat die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen (§ 108 Abs 1 ArbVG).

Im Zusammenhang mit der Diskussion (das ArbVG spricht von „Beratung“ oder „Anhörung“) über die Möglichkeiten einer abweichenden Gestaltung oder über Alternativen zum geplanten Crowdsourcing stehen die personellen und wirtschaftlichen Mitwirkungsrechte nach §§ 98 f (Vorschläge und Beratung zum Personalbedarf, zur Personaleinstellung etc), § 108 Abs 1 u 3 sowie § 110 ArbVG (Mitwirkung an der Personalplanung in Form von Alternativ-Personalplänen, Investitionsplan-Besprechungen, Analysen von Quartals- und Jahresbilanzen hinsichtlich alternativer Kostenreduktionsmöglichkeiten auf Betriebs- und Aufsichtsratsebene etc; einschlägige Unterlagen sind dem Betriebsrat auf Verlangen auszuhändigen) zur Verfügung.

Da das Auslagern von Arbeiten erfahrungsgemäß zu Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen führen kann, könnte gemäß § 101 ArbVG eine verschlechternde Versetzung auch gegen den Willen der betroffenen ArbeitnehmerInnen vom Betriebsrat beeinsprucht werden – falls sie für mehr als 13 Wochen geplant ist. Der/Die BetriebsinhaberIn könnte dann nur mittels erfolgreicher Klage die geplante Versetzung durchsetzen. Auf diese Weise könnten ArbeitnehmerInnen, die sich (unter Druck gesetzt oder tatsächlich freiwillig) für die intern crowdgesourcten Arbeiten melden, gewissermaßen vor sich selbst geschützt[93]Weil individuelles Nachgeben und Verzichten mittelbar zu kollektiven Verschlechterungen führen könnte. werden. Die kollektive Ablehnungsmöglichkeit des Betriebsrats (falls die crowdgesourcten Tätigkeiten als „verschlechternd“ einzustufen sind) bewirkten hier, ganz im ursprünglichsten Sinn der kollektiven Interessenbündelung, eine solidarische Sperrwirkung zum Schutz der Gesamtbelegschaft. Was alternative Formen der Organisation von Arbeitsläufen konkret betrifft, kann der Betriebsrat gemäß § 109 Abs 1 ArbVG schriftliche oder mündliche Vorschläge, Forderungen (nach sozialen Abfederungsmaßnahmen), Kosten-Nutzen-Analysen uÄ vorlegen. Der Betriebsrat oder der Zentralbetriebsrat wird dazu umso fundierter in der Lage sein, je häufiger und tiefergehend er in unternehmerische Entscheidungsprozesse eingebunden ist, was bei der CC GmbH neben den Informations- und Beratungsgesprächen nach §§ 108 f ArbVG wohl über die Mitwirkung im Aufsichtsrat gemäß § 110 ArbVG der Fall ist. Bei aufsichtsratslosen Unternehmen wird dies aber wohl nur über den Einspruch gegen die Wirtschaftsführung gemäß § 111 ArbVG bewerkstelligt werden können.

Weitere Alternativvorschläge kann der (Zentral-)Betriebsrat daraus entwickeln, dass er nach § 95 ArbVG (Ausbildungsvorschläge, Schulungs- und Weiterbildungs-Planung, Schulungseinrichtungen und deren Ausbildungspläne mitgestalten usw) in Beratungen über die Aus- und Weiterbildung des Personals am Standort Linz treten kann, um mit besser geschultem Personal die Arbeitsschritte (und Arbeitsplätze) von der Plattform wieder zurück nach Linz zu holen. Aber auch betreffend die zuarbeitende Belegschaft auf der Plattform (siehe gleich unten Abschnitt „Mitwirkungsrechte zugunsten der Randbelegschaft auf der Plattform“) kann vom Betriebsrat Information und Beratung hinsichtlich ihres Ausbildungsbedarfs oder ihrer Qualifikationsanforderungen insbesondere auf Basis von § 98 ArbVG verlangt werden. Diese Mitwirkung bei Maßnahmen der betrieblichen Aus- und Weiterbildung wird durch die Betriebsvereinbarungstatbestände des § 97 Abs 1 Z 5 u 19 ArbVG flankiert. Was die ArbeitnehmerInnendatenverwendung, allfällige Beurteilungsmechanismen oder Kontrollen digitaler Art betrifft, aber auch bei Stückentgelt aufgrund von Datenerfassungsverfahren, sind die §§ 96 und 96a ArbVG zu beachten (näheres siehe Kapitel „Datenschutz in der Gig-Economy“).

Das lokale, österreichische Management kann sich in diesem Zusammenhang nicht mit bereits gefällten Entscheidungen seitens der deutschen Konzernzentrale rechtfertigen. Das bezweckt § 108 Abs 2 ArbVG, wonach der/die BetriebsinhaberIn der innerbetrieblichen ArbeitnehmerInnenvertretung über geplante Maßnahmen seitens des herrschenden Unternehmens bzw gegenüber dem beherrschten Unternehmen „Aufschluss zu geben“ und zu beraten hat. Alternativvorschläge des Betriebsrats müssen auch in „absolutistisch“ geleiteten Konzernen diskutiert werden.

Nach § 108 Abs 2a ArbVG sind geplante Betriebs(teil)übergänge zwischen BetriebsinhaberIn und Betriebsrat zu beraten und BetriebsinhaberInnen haben jedenfalls über den Grund für die „Outsourcing“- oder Crowdsourcing-Maßnahme, die sich daraus ergebenden Folgen für die ArbeitnehmerInnen sowie über „die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen [sozialen] Maßnahmen“ zu informieren. Ob allerdings das geplante Linzer Crowdsourcingprojekt ein Betriebsteilübergang sein könnte, wird davon abhängen, ob auch nennenswerte immaterielle Betriebsmittel (Know-how uÄ) an einen/eine anderen/andere RechtsträgerIn, hier die Plattformbetreiberin GW ltd., übergehen. Denn unter Betriebs(teil)übergang ist nach stRsp des EuGH und des OGH die betriebsmittel-verstärkte Auslagerung von (Teil-)Geschäftstätigkeiten und deren Weiterbetrieb durch einen „Erwerber“ zu verstehen.[94]Ausführlich Binder, AVRAG2 § 3 Rz 41 ff.

2.5.2 Mitwirkungsrechte zugunsten der Randbelegschaft auf der Plattform

Schon nach der Überwachungs- und Kontrollaufgabe des Betriebsrats gemäß § 89 ArbVG besteht meines Erachtens die Möglichkeit, den vertragsrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Status jedes Clickworkers/jeder Clickworkerin zu überprüfen: Der Betriebsrat hat das Recht, die Bezüge aller ArbeitnehmerInnen im Sinne des § 36 ArbVG, die Einhaltung von Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen, aber auch des Beschäftigungsvertrags,[95]Erst nach Einsicht in die Verträge mit den CrowdworkerInnen kann deren rechtlicher Beschäftigungsstatus überprüft werden. Ob der Betriebsrat in Arbeitsverträge Einsicht nehmen kann, ist strittig; siehe dazu Auer-Mayer in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 89 Rz 7. und weiters die Einhaltung von ArbeitnehmerInnenschutz- und Sozialversicherungsvorschriften zu überwachen. Das Vertretungsorgan kann nicht nur beim Arbeitsinspektorat oder bei Sozialversicherungsträgern intervenieren, sondern auch seine überbetriebliche freiwillige oder gesetzliche Interessenvertretung (Gewerkschaft, Kammern für AbeiterInnen und Angestellte) auf einen unklaren Vertragsstatus oder Ähnliches aufmerksam machen (§ 89 iVm § 92 Abs 2 ArbVG). Zu beachten kann dabei § 15 HeimAG (Beschränkung der Vergabe von Heimarbeit an im Betrieb Beschäftigte) sein: AuftraggeberInnen dürfen an die in ihrem Betrieb beschäftigten DienstnehmerInnen und Lehrlinge nur insoweit zusätzliche Heimarbeit ausgeben, als durch die Betriebsarbeitszeit plus Heimarbeitszeit die Grenzen der Normalarbeitszeit[96]Nicht Höchst- oder Gesamtarbeitszeit; vgl §§ 3 und 4 AZG: Nach dem – mittels Kollektivvertrag allerdings flexibilisierbaren – Grundprinzip bilden acht Stunden täglich und 40 Stunden wöchentlich die Normalarbeitszeit. nicht überschritten werden.

Der Betriebsrat hat Informations- und Beratungsrechte betreffend die Personalplanung sowie den Personalbedarf (§ 98 und § 108 Abs 1 ArbVG), und kann auch eine besondere Information (Beratung) noch vor der Einstellung von neuen Beschäftigten verlangen (§ 99 Abs 3 ArbVG). Betitelt ist § 99 ArbVG zwar mit „Mitwirkung bei der Einstellung von Arbeitnehmern“, aber mangels Gewissheit, ob es sich bei den künftig zuarbeitenden CrowdworkerInnen um ArbeitnehmerInnen oder andere Beschäftigungsformen handeln wird, besteht meines Erachtens dieser Anspruch auf „besondere Information und Beratung“ gemäß § 99 Abs 3 hinsichtlich des Vertragsstatus der CrowdworkerInnen umso mehr.

Welche weiteren Mitwirkungsrechte für die „unternehmensexterne Crowd“ (Konzern-MitarbeiterInnen oder gänzlich externe, über die Plattform angeworbene CrowdworkerInnen) bestehen, wird davon abhängen, ob diese Personen analog oder unmittelbar als HeimarbeiterInnen (regelmäßig oder bloß fallweise beschäftigt; zur Differenzierung siehe Abschnitt „HeimarbeiterInnen und Betriebsverfassung“) bzw als überlassene Arbeitskräfte zu betrachten sind. Im Sinne einer Gesamtanalogie können zumindest Teile des HeimAG oder des AÜG auf CrowdworkerInnen anzuwenden sein, denn der Gesetzeszweck[97]Die Betriebsverfassung zielt ganz allgemein auf eine Abschwächung der „Alleinherrschaft“ der BetriebsinhaberInnen beim Arbeitsvollzug ab und möchte eine (bescheidene) Demokratisierung des Arbeitslebens herbeiführen (Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG, Einleitung XLVI und XLVII); dies gilt für prekarisierte Randbelegschaften zumindest ebenso wie für relativ stabilisierte Stammbelegschaften. und die Prinzipien der betriebsverfassungsrechtlichen Einbeziehung von Randbelegschaften sind meines Erachtens für Gig- und CrowdworkerInnen typischerweise durchaus vergleichbar. Somit sind im Wege einer Gesamt- oder Rechtsanalogie aus einer Reihe von Gesetzesbestimmungen (nicht nur des HeimAG und des AÜG) Regeln für das vom Gesetzgeber nicht bedachte (meines Erachtens liegt eine echte Lücke vor) Phänomen des Gig- und Crowdwork zu ermitteln.[98]Bydlinski, Grundzüge der juristischen Methodenlehre (2005) 67 f. Siehe die Abschnitte „Die betriebsverfassungsrechtliche Einbeziehung von Randbelegschaften“, „Der Betriebsbegriff des ArbVG“ sowie „Der ArbeitnehmerInnenbegriff des ArbVG“. Diese Analogie hat vor allem den Zusammenhang mit dem Betriebsverfassungsrecht zu berücksichtigen, das für den crowdsourcenden Betrieb gilt (vgl auch die unter den Abschnitten „Der Betriebsbegriff des ArbVG“ sowie „Der ArbeitnehmerInnenbegriff des ArbVG“ zitierten Gesetzgebungsmaterialien).

3. Erforderliches Recht: Kollektive Mitwirkung inder Gig-Economy

3.1 Anpassung der Betriebsverfassung an Arbeitsorganisationsformen der Informationsgesellschaft

Sollte sich der gegenwärtige Betriebs- oder Gemeinschaftsbetriebsbegriff nicht ohnehin auf die Stammbelegschaft plus die zuarbeitende Crowdbelegschaft erstrecken, dann ist meines Erachtens der Gesetzgeber dringend gefordert. Denn angesichts der digitalen Arbeitswelt dürfen die absoluten Grundbegriffe des kollektiven Arbeitsrechts (Betrieb, ArbeitnehmerIn, Ordnungsvorschriften usw) nicht versteinern, sondern im Gegenteil: Die Gesetzgebung hat bereits 1974 einen ziemlich elastischen Rahmen[99]Nicht nur beim Betriebs- und ArbeitnehmerInnenbegriff, sondern auch bei vielen weit formulierten Mitwirkungs- und speziell bei Betriebsvereinbarungstatbeständen. für die Ausübung kollektiver und solidarischer Mitwirkungsansprüche kreiert. Diese Elastizität gilt es zu bewahren, um nach dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft auch in der Informationsgesellschaft, trotz ständig weiterentwickelter Informations- und Kommunikationstechnologien, effektiven Rechtsschutz gewährleisten zu können.[100]Vgl Cerny in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 Einleitung 43 f mwN.

Von großem Wert wäre in diesem Zusammenhang eine Umgehungsschutz-Reglung, wie sie das AÜG in Gestalt seines § 4 enthält (siehe Abschnitt „Zwischenergebnis: (Gig-)Work in Progress“). Nach dem „wahren wirtschaftlichen Gehalt“ sollte anhand typisierter Unterscheidungsmerkmale oder -kriterien eine gesetzliche Vermutung darüber statuiert werden, wer als wirtschaftlich stark abhängige Person („Arbeitskraft“ wenn schon nicht ArbeitnehmerIn) zur Belegschaft zählt und wer als „am Aufträge-Markt selbständig und unternehmerisch agierende/r AnbieterIn“ nicht des Schutzes der Betriebsverfassung bedarf.

3.2 Der Arbeitskräftebegriff des ArbVG, des AÜG und des HeimAG erfasst auch CrowdworkerInnen

Wie schon zuvor dargelegt, spricht vieles dafür, im Wege einer Gesamt- oder Rechtsanalogie die für Heim- und LeiharbeitnehmerInnen geltenden Schutzvorschriften und Geltungsbereiche auch auf viele Formen von Gig- und Crowdwork auszudehnen. Nur jene „extern zuarbeitenden Personen“, die ein hohes Maß an tatsächlicher Selbstbestimmtheit in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht aufweisen, und die über wesentliche eigene Betriebsmittel (Hardware und vor allem auch einschlägige Software) selbständig verfügen können, wären wohl als selbständig tätige WerkunternehmerInnen, somit tatsächlich als zuarbeitende DienstleistungsunternehmerInnen zu betrachten.

3.3 Erforderliche Mitwirkungsrechte hinsichtlich der Vertretung von Arbeitskräftepools

Spezielle Mitwirkungsansprüche für fallweise Beschäftigte (die im Unklaren darüber sind, in welcher Intensität, Dauer und Form sie künftig von ihren ArbeitvergeberInnen engagiert werden) können an dieser Stelle nur angedeutet werden:

  • Die Zeit der Arbeitsbereitschaft und frustrierte Aufwendungen (etwa bei Beteiligung an einem Wettbewerb[101]ArbeitnehmerInnen schulden nach einhelliger Ansicht das Bemühen um Arbeitsergebnisse, nicht aber den Erfolg; daher sind ihre Wettbewerbs-Vorarbeiten nach der jeweils für den Betrieb oder das Unternehmen geltenden, lohngestaltenden Vorschrift abzugelten. Vgl Warter, Crowdwork, 267. oder einer Ausschreibung über die Plattform) sind ihnen branchen- und ortsangemessen im Sinne von 1152 ABGB zu ersetzen. Kollektiv überwacht und durchgesetzt werden könnte dies vor allem durch eine Erweiterung der Überwachungsbefugnisse des Betriebsrats (§ 89 ArbVG) in dem Sinn, dass sich diese nicht nur auf ArbeitnehmerInnen des Betriebs, sondern auch auf sonstige wirtschaftlich abhängig Beschäftigte erstreckt.
  • Zumindest die Ausgangs- und Basisansprüche auf Information und Beratung (vgl Art 27 EU-GRC) müssen auch für CrowdworkerInnen gegeben Auch Art 28 EU-GRC bzw Art 11 EMRK, nämlich das gewerkschaftliche Koalitionsrecht, das ja traditionell (und historisch betrachtet ausschließlich) an Betriebsbelegschaften anknüpft, darf nicht ignoriert werden.
  • Auch die Informations-, Beratungs- und Interventionsrechte der Belegschaft sollten klar und deutlich auch auf zuarbeitende Randbelegschaften erstreckt werden; es kann nicht sein, dass wie schon nach der Einführung des AÜG 1988, der Gesetzgeber zwar individualrechtlich Klarstellungen schafft,[102]Die mittlerweile auch gemeinschaftsrechtlich aufgrund der Leiharbeits-RL 2008/104/EG nötig wären. aber die kollektivarbeitsrechtliche Klarstellung bis heute
  • Regelungsstreitigkeiten sind vor die Schlichtungsstelle zu bringen, bevor die ordentliche Gerichtsbarkeit mit unklaren Zugehörigkeiten zur Betriebsbelegschaft konfrontiert Ein erzwingbarer Betriebsvereinbarungstatbestand über den Umfang der Betriebsbelegschaft – ähnlich den Betriebsgrenzen-Überprüfungsmöglichkeiten des § 34 Abs 2 und des § 35 ArbVG – wäre hier hilfreich.
  • Überwachungs- und Einsichtsrechte hinsichtlich des vertraglichen und sozialversicherungsrechtlichen Status aller Belegschaftsangehörigen sollen vorrangig von jenem Vertretungsorgan ausgeübt werden, das ohnehin für die Stammbelegschaft zuständig ist und leichteren Zugang zu den Betriebsaufwand-Informationen sowie zur Personalverwaltung hat. Solidarischer Rechtsschutz für alle Belegschaftsgruppen kann effizient wohl nur von einer einzigen, kompetenten Vertretungskörperschaft ausgeübt werden.
  • Wenn CrowdworkerInnen von AuftraggeberInnen und/oder KundInnen bewertet werden, dann sind persönliche Schutzrechte[103]§ 16 ABGB wäre insoweit zu konkretisieren. und Datenschutz-Mitwirkungsrechte vonnöten. Die §§ 96 Abs 1 Z 3 und 96a ArbVG sind schon aus diesem (verfassungsrechtlich nahegelegten Datenschutzanspruch) auch auf die Randbelegschaft Der Betriebsrat muss aktuell erkennen können, ob und welche Informationen über CrowdworkerInnen als Verhaltens- und Leistungsdaten ermittelt, aufgezeichnet und ausgewertet werden. Näheres siehe Kapitel „Datenschutz in der Gig-Economy“.

4. Ergebnis

Es drängen sich bei Betrachtung des Phänomens des Crowdsourcing von Arbeit, ganz gleich ob es in virtueller Form oder bei Haushalts- bzw Transportdienstleistungen betrieben wird, mehrere Fragen auf: Wo und wie sind die Grenzen für die Basisbegriffe Betrieb und ArbeitnehmerIn im Sinne des Betriebsverfassungsrechts zu ziehen, um in der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt und insbesondere bei der Arbeit im virtuellen Raum Mitbestimmungsrechte gewährleisten zu können? Kann der österreichische Betriebsrat auch für externe oder extrem kurzzeitig und vielfach nur punktuell beschäftigte Arbeitskräftegruppen (arbeitnehmerInnenähnliche Belegschaften) zuständig sein? Muss eine gewisse Dichte und Dauer an Gigs – unter Umständen in Kombination mit Elementen des funktionalen ArbeitgeberInnen-Konzepts (siehe Kapitel „(Arbeits-)Rechtliche Aspekte der Gig-Economy“) – vorliegen, damit sich der Betriebsrat für CrowdworkerInnen einsetzen kann? Wenn der faktische, betriebseingliederungsbezogene ArbeitnehmerInnenbegriff des § 36 ArbVG maßgeblich ist, warum können dann nicht auch arbeitnehmerinnenähnliche Personen und fallweise Beschäftigte davon erfasst sein?

Zu diesen und anderen Fragen habe ich versucht, Antworten zu finden oder zumindest Lösungsmöglichkeiten auszuloten (insbesondere über Gesamtanalogien aus verwandten Rechtsentwicklungen zur Einbeziehung von Randbelegschaften). Zudem wurde versucht, die Möglichkeiten einer Interessenvertretung und selbstverwalteten Organisation aller von Crowdsourcing-Projekten betroffenen Beschäftigten und Belegschaften einer kollektiv-arbeitsrechtlichen Prüfung zu unterziehen.

Die Digitalisierung der Arbeitswelt 4.0 führt uns dabei gewissermaßen an die historischen Wurzeln des kollektiven Arbeitsrechts zurück. Ebensowenig wie die vielzitierte und vielwiderlegte „unsichtbare Hand des Marktes“ wird eine „unsichtbare Hand der Plattformökonomie und des Gigwork-Arbeitsmarktes“ zu Interessen ausgleichenden Mechanismen und Ergebnissen führen können. Gerade in stark vereinzelnden und durch grobe Ressourcen- und Machtungleichgewichte gekennzeichneten Arbeitsmärkten bedarf es klarer rechtlicher Absicherungen der schwächeren VertragspartnerInnen; und zwar nicht nur im Vertrags-Rahmenrecht, sondern auch in ihren gemeinsamen, also kollektiven Interessenpositionen. Zufriedenstellende Verhandlungsmöglichkeiten sind in der gegenständlichen, digital geprägten Wirtschafts- und Arbeitsform rar; eine von beiden Vertragsseiten gewollte Übereinkunft über die Arbeitsbedingungen und das Entgelt (sowie annexe Aspekte wie Sozialversicherung, Steuern und Abgaben, Nebenkosten der Arbeit usw), also Privatautonomie im Wortsinne, wird wohl nur selten anzutreffen sein.

Vertragsfreiheit innerhalb von (kollektiv gestalteten) Rahmen-Regulatorien wäre hingegen ein Lösungsansatz, der sich im Arbeitsrecht kontinentaleuropäischer Prägung seit Jahrzehnten bewährt hat: Der Mittelweg zwischen völliger Verrechtlichung und völliger Privatautonomie gewissermaßen. Es bedarf zeit- und technikgemäßer Rechtsgrundlagen, um diesen goldenen Mittelweg zwecks „Herbeiführung eines Interessenausgleichs zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes“ iSd § 39 Abs 1 ArbVG weiterhin beschreiten zu können.

[1] § 33 bis § 134b, inklusive der Europäischen Betriebsverfassung bis § 263 ArbVG 1974.

[2] Zur Geschichte des ArbVG vgl Cerny in Gahleitner/Mosler, ArbVR5 (2015) 31 ff.

[3] Näher zur Geschichte der Mitbestimmung siehe Müller-Jentsch auf der Website der Hans-Böckler-Stiftung, http://www.boeckler.de/20376_20381.htm (17.10.2016).

[4] Siehe dazu Risak, Individuelles und Kollektives im Betrieb, in Kietaibl/Schörghofer/Schrammel, Rechtswissenschaft und Rechtskunde (2014) 129 (133).

[5] Näher zu Judikatur und Lehre siehe im Abschnitt „Geltendes Recht: Kollektive Mitwirkung in der Gig-Economy“.

[6] OGH 02.06.2009, 9 ObA 54/09w; Gahleitner in Gahleitner/Mosler, ArbVR5 (2015), § 36 Rz 18; Tomandl in Tomandl, ArbVG § 36 Rz 10. Nähere Ausführungen unter Abschnitt „Der Betriebsbegriff des ArbVG“.

[7] Vorausgesetzt sie sind nicht Gewerbetreibende. Näher Trost, Heimarbeit, DRdA 1992, 25; Ritzberger-Moser/Widorn, Heimarbeitsgesetz (1995) 39 f. Zum betriebsverfassungsrechtlichen Status siehe Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG, § 36 Rz 11; Gahleitner in Gahleitner/Mosler, ArbVR5 (2015), § 36 Rz 22 f; Tomandl in Tomandl (Hg) ArbVG § 36 Rz 14 f.

[8] Ritzberger-Moser/Widorn, Heimarbeitsgesetz (1995) 13 und 17 f; näher siehe Abschnitt „Der ArbeitnehmerInnenbegriff des ArbVG“.

[9] Damalige Begriffe und Prognosen (1987): „elektronische Heim- oder Fernarbeit, informationstechnisch gestützte Heimarbeit und Teleheimarbeit sind neue, gleichbedeutende Ausdrücke für eine sich langsam abzeichnende Trendwende zur Verrichtung von Arbeit aus der Ferne mithilfe von Kommunikationssystemen […] ins Treffen wird eine beachtliche Sachkostenreduktion (Gebäudekosten, Gerätekosten: nicht wenige Haushalte verfügen schon über Telefon, Farbfernseher mit Btx-Anschluß und Personalcomputer) geführt“ (Egger, DRdA 1987, 97).

[10] BGBl 394/1986.

[11] Siehe dazu auch den Beitrag „Datenschutz in der Gig-Economy“; weiters Melzer-Azodanloo, Telearbeit in Österreich, juridikum 2007, 152.

[12] OGH 4 Ob 12/64, Arb 7935; VwGH 82/08/0154, infas 1985, 25. Näher B. Gruber, Arbeitnehmerschutz bei Teleheimarbeit, ZAS 1998, 65, und besonders ausführlich Warter, Crowdwork (2016) 203 ff.

[13] Vgl zum Begriff der „Arbeitskraft“ neben § 3 Abs 4 AÜG auch § 1 DHG und § 50 ASGG.

[14] OGH 27.02.2014, 8 ObA 8/14f und 8 ObA 50/13f, ZAS 2014/51 (Ogriseg) = DRdA 2014/34 (Risak); näher Mosing, Die fallweise Beschäftigung im Arbeits- und Sozialrecht, ZAS 2014/41.

[15] Siehe Abschnitt „Der Betriebsbegriff des ArbVG“ zum vom OGH in 8 ObA 116/04y, DRdA 2005, 417 (B. Schwarz) für arbeitsrechtlich ungültig (nichtig) erklärten Bedarf-Konsens-Prinzip („Rahmen-Beschäftigungsvertrag“) und zu anderen („Rahmenkonditionsvereinbarungen“) Formen fallweiser Beschäftigung. Ausführlicher Rebhahn in ZellKomm2 § 1151 Rz 94 ff.

[16] EuGH 12.10.2004, C-313/02 – Peek&Cloppenburg.

[17] OGH 8 ObA 116/04y, DRdA 2005, 417 (B. Schwarz).

[18] Siehe dazu Rebhahn, in ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz 55 ff mwN.

[19] OGH 9 ObA 63/87, DRdA 1988, 54; 9 ObA 22/91, Arb 10.908 ua; Obereder in Mazal/Risak, Das Arbeitsrecht Kap XV Rz 41.

[20] Näher Löschnigg, Arbeitsrecht12 Rz 4/419 ff.

[21] Durch die im AuslBG und AÜG erfolgte Einbeziehung in das Angebot an Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt, zum Zweck des Schutzes inländischer Arbeitsplätze bzw der Stammbelegschaft des BeschäftigerInnenbetriebs (vgl § 3 Abs 2 AÜG).

[22] OGH 4 Ob 106/55, Arb 6300; näher siehe Löschnigg Arbeitsrecht12 Rz 4/150 f.

[23] Vgl § 34 Abs 1 letzter HS ArbVG.

[24] Siehe die Gesetzgebungsmaterialien zu § 36 Abs 1 ArbVG in Abschnitt „Der Betriebsbegriff des ArbVG“.

[25] OGH 8 ObA 7/14h, ZAS 2015/44 (Sacherer).

[26] Nach den – oder nach dem Vorbild der – §§ 89 bis 112 ArbVG und weiteren Mitbestimmungsnormen im AZG, UrlG usw; aber unter Umständen auch nach einschlägigen KollV, denen VergeberInnenunternehmen (CrowdsourcerInnen) unterworfen sind.

[27] Vgl vor allem die §§ 38 und 39 ArbVG zu den Zielen, Zwecken und Grundsätzen der „Betriebsverfassung“.

[28] Siehe Abschnitt „Der ArbeitnehmerInnenbegriff des ArbVG“.

[29] Vgl die §§ 38–40 ArbVG sowie die Überschrift vor den Mitwirkungsbestimmungen der §§ 89–112: „Befugnisse der Arbeitnehmerschaft“.

[30] Aufgaben
§ 38. Die Organe der Arbeitnehmerschaft des Betriebes haben die Aufgabe, die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer im Betrieb wahrzunehmen und zu fördern.
Grundsätze der Interessenvertretung
§ 39.
(1) Ziel der Bestimmungen über die Betriebsverfassung und deren Anwendung ist die Herbeiführung eines Interessenausgleiches zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes.
(2) Die Organe der Arbeitnehmerschaft des Betriebes sollen bei Verwirklichung ihrer Interessenvertretungsaufgabe im Einvernehmen mit den zuständigen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitnehmer vorgehen.
(3) Die Organe der Arbeitnehmerschaft haben ihre Tätigkeit tunlichst ohne Störung des Betriebes zu vollziehen. Sie sind nicht befugt, in die Führung und den Gang des Betriebes durch selbständige Anordnungen einzugreifen. […]“

[31] Zu den unterschiedlichen Phänotypen der Gig-Economy siehe insbesondere Kapitel „Gig-Economy und Crowdwork – was ist das?“. Sollten sich in Zukunft weitere Formen etablieren, wäre es umso wichtiger, dass die unerlässlichen Gesetzesanpassungen – siehe Kapitel „Gute Arbeitsbedingungen in der Gig-Economy – was tun?“ – im Abstraktionsgrad ihrer Formulierungen auch künftige Phänomene so weit als möglich erfassen. Umgehungen der kollektiven Mitwirkungsansprüche durch „neue Technik“ und/oder „neue Arbeitsorganisation“ sollen pro futuro möglichst ausgeschlossen sein.

[32] In der ca 1.500 ArbeitnehmerInnen umfassenden Belegschaft finden sich zahlreiche KollegInnen mit den Muttersprachen Polnisch, Englisch, Ungarisch, Italienisch, Spanisch, Bosnisch/Kroatisch/Serbisch (BKS) ua.

[33] OGH 9 ObA 152/07d, DRdA 2009, 144 (Mayr) – ASFINAG; 9 ObA 193/95, DRdA 1996/22 (Runggaldier) – Austro-Control; ua.

[34] Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 34 Rz 8.

[35] OGH 8 Ob 15/95, RdW 1996, 71; VwGH 27.05.1991, 90/19/0089; ua. Näheres im Abschnitt „Ziele der Betriebsverfassung“.

[36] OGH 26.03.1997, 9ObA88/97z; OGH 02.06.2009, 9 ObA 54/09w; näher Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 (2015) § 34 Rz 47.

[37] OGH 27.09.1995, 9 ObA 143/95; näher Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 34 Rz 11 ff.

[38] Die Praxis hat in internationalen Konzernen gezeigt, dass sich hauptsächlich KonzernmitarbeiterInnen aus „Billiglohnländern“, etwa aus Indien, an Plattformausschreibungen und damit verbundenen „unbezahlten Vorarbeiten“ beteiligen.

[39] OGH 26.03.1997, 9 ObA 88/97z; 02.06.2009, 9 ObA 54/09w; näheres siehe Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 34 Rz 47.

[40] Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 34 Rz 14 ff.

[41] Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG, § 34 Rz 8 und Rz 10.

[42] OGH 23.02.1994, 9 Ob A 311/93; näheres bei Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 34 Rz 17.

[43] Vgl Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 34 Rz 19 ff; Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 34 Rz 18 f.

[44] OGH 12.10.1995, 8 Ob 15/95; VwGH 27.05.1991, 90/19/0089; ua.

[45] Auch in Deutschland ist der Gemeinschaftsbetrieb anerkannt und wird in stRsp folgendermaßen definiert: Wenn mehrere UnternehmerInnen ausdrücklich eine rechtliche Vereinbarung über die einheitliche Leitung des gemeinsamen Betriebs geschlossen hatten oder sich diese Vereinbarungen aus den Umständen des Einzelfalls ergibt (BAG 1998, NZA 98, 723), dann ist von einem Gemeinschaftsbetrieb auszugehen. Mit der Novelle 2001 des deutschen Betriebsverfassungsgesetzes 1972 (BetrVG) wurde in § 1 Abs 2 BetrVG zusätzlich eine Legalvermutung normiert, wonach einerseits bei gemeinsamer Zweckverfolgung durch mehrere UnternehmerInnen in einem Betrieb ein Gemeinschaftsbetrieb vorliegt und andererseits nach der Spaltung eines Unternehmens zwischen abgespaltenen bzw dem abspaltenden Unternehmen dann ein einheitlicher Gemeinschaftsbetrieb bestehen bleibt, wenn sich dabei die Organisation des betroffenen Betriebs nicht wesentlich ändert (näher siehe Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG15 [2016] § 1 Rz 88 ff).

[46] Strasser in Jabornegg/Strasser/Resch, ArbVG § 36 Rz 9.

[47] „Eine falsche Bezeichnung schadet nicht.“

[48] Siehe dazu Kapitel „Sozialversicherung in der Gig-Economy“.

[49] VwGH vom 26.1.1961, Arb 7322; siehe auch Gahleitner, in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 36 Rz 3.

[50] Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 34 Rz 1.

[51] Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 36 Rz 8; Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht 5 § 36 Rz 14 ff.

[52] Dazu und zum Reformpotenzial Mosler, Anwendung des kollektiven Arbeitsrechts auf arbeitnehmerähnlich beschäftigte Selbständige?, DRdA 2012, 100.

[53] OGH 9 ObA 63/87, ZAS 1988, 95; 9 ObA 22/91, DRdA 1991, 352; Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 36 Rz 8.

[54] Floretta/Strasser, Kommentar zum ArbVG (1975) 219–222; Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht 5 § 36 Rz 4.

[55] Die Übergangsbestimmung (Rechtswahrungs-Bestimmung) des Art III lautet wörtlich: „Durch das Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes bleibt der Begriff des regelmäßig beschäftigten Heimarbeiters (§ 27 des Heimarbeitsgesetzes 1960) hinsichtlich der §§ 49 Abs. 1, 50 Abs. 2, 52 Abs. 1, 117 Abs. 4, 124 Abs. 6, 125 Abs. 3 und 126 Abs. 4 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974, unberührt.“ Die Regierungsvorlage führt dazu aus: „Zu Artikel III: Die Neufassung des § 27 bringt eine Erweiterung des Kreises jener Heimarbeiter, die Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall haben, mit sich. Da die im Arbeitsverfassungsgesetz vorgenommene Fixierung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung der Heimarbeiter beibehalten werden soll, muß der Begriff des ‚regelmäßig beschäftigten Heimarbeiters‘ des derzeitigen § 27 für den Bereich des Arbeitsverfassungsgesetzes weiter in Geltung bleiben“ (ErlRV 1482 BlgNR 13. GP 14).

[56] So ging etwa der OGH in 4 Ob 12/64, Arb 7935, von der Rechtsansicht ab, dass wegen des Fehlens der höchstpersönlichen Dienstleistungspflicht kein Arbeitsverhältnis vorliege. Das Höchstgericht qualifizierte Vereinbarungen, nach denen die Arbeit in der Wohnung verrichtet wird, als Arbeitsverhältnis, wenn bestimmte Arbeitsstunden einzuhalten sind und eine Kontrolle durch den/die ArbeitgeberIn vorliegt, die einem/einer Betriebszugehörigen entsprechend stattfindet. So auch VwGH 82/08/0154, infas 1985, 25; zitiert nach Löschnigg, Arbeitsrecht12 Rz 4/158 und besonders ausführlich dargestellt bei Warter, Crowdwork 203 ff.

[57] Kommentar zum ArbVG (1975) 217.

[58] Näher siehe Gahleitner in Gahleitner/Mosler, ArbVR5, § 36 Rz 22 f; Tomandl in Tomandl, ArbVG § 36 Rz 14 f; vgl auch Löschnigg in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG (2008), § 49 Rz 4: Regelmäßige Beschäftigung bei Heimarbeitern: Im Fall von Heimarbeitsverhältnissen knüpft das Gesetz die Stimmberechtigung nach wie vor an das Vorliegen der regelmäßigen Beschäftigung iSd § 27 HeimAG. Die Definition der regelmäßigen Beschäftigung in § 27 HeimAG wurde zwar durch die Novelle zum HeimAG vom 28.04.1975, BGBl 1975/303, beseitigt, für die begriffliche Abgrenzung im ArbVG ist sie aber weiterhin zu beachten (vgl Art III BGBl 1975/303). Für die Beurteilung der regelmäßigen Beschäftigung iSd § 49 ArbVG muss wie bei den sonstigen Voraussetzungen der Tag der Belegschaftsversammlung herangezogen werden.

[59] Dazu die ErlRV 840 BlgNR 13. GP 74: „Der Sonderstellung der Heimarbeiter wird durch ausdrücklichen Ausschluss vom passiven Wahlrecht Rechnung getragen“.

[60] ErlRV 901 BlgNR 21. GP 5.

[61] AA Löschnigg in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG, § 52 Rz 10. Wohl für die weiterhin bestehende Beschränkung beim aktiven Wahlrecht Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 36 Rz 6.

[62] Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 Rz 495 f.

[63] Noch die Regierungsvorlage (1482 BlgNR 13. GP 5 und 22) hatte sehr wohl diese Unterscheidung in § 27 Abs 1 HeimAG vorgesehen (mit dem Zusatz, dass schon bei drei Wochen innerhalb der letzten dreizehn Wochen ebenfalls Regelmäßigkeit gegeben gewesen wäre), aber im BGBl wurde § 27 HeimAG ohne jegliche Einschränkung verlautbart. Mit der HeimAG-Novelle 1992, BGBl I 836/1992, erhielt der zwischenzeitlich durch mehrere Novellen veränderte § 27 die Bezeichnung „§ 25“, womit ab 01.01.1993 die sieben Verweise auf „im Sinne des § 27 […] regelmäßig beschäftigt“ noch absurder wurden. Vgl den IA 420/A BlgNR 18. GP 1 und AB 842 BlgNR 18. GP 3.

[64] Inkrafttreten gemäß Art V Abs 1 BGBl 303/1975.

[65] Kletečka in Koziol/Welser13 Bd 1, 37. Hier wurde aber gerade kein neuer Tatbestand geschaffen, sondern bloß ein Verweis aus den im Übrigen unveränderten Tatbeständen entfernt, weil die Gesetzgebung diesen Verweis fälschlich für „obsolet“ hielt (auf die Bedeutung des Art III BGBl 303/1975 hatte der Gesetzgeber vermutlich vergessen). Die oben zitierten Gesetzesmaterialien aus 2010, die von „obsolet gewordene Verweisung auf § 27 Heimarbeitsgesetz 1960“ sprechen, sind zwar Quelle für die historische Interpretation (die gegenüber der teleologischen Interpretation weder vorrangig noch nachrangig ist) der Streichungen in sieben ArbVG-Paragrafen, teleologische Erwägungen führen meines Erachtens aber zu einem Ergebnis „contra Gesetzesmaterialien“.

[66] Als weiteres teleologisches und vor allem logisch-systematisches Argument der Interpretation jener sieben Gesetzesstellen des ArbVG, aus denen der wörtliche Verweis auf § 27 HeimAG (alt) beseitigt wurde, ist anzuführen, dass als Voraussetzung für das aktive Betriebsrat-Wahlrecht in § 52 Abs 1 ArbVG die Beschäftigung an zwei Stichtagen gegeben sein muss: am Tag der Betriebsversammlung zur Wahl des Wahlvorstands sowie am Tag der Betriebsratswahl. Die Zufälligkeit, dass ein/eine sehr selten beschäftigter/beschäftigte HeimarbeiterIn, die zB bloß an vier Halbtagen pro Jahr für ihren/ihre AuftraggeberIn arbeitet, an diesen beiden Tagen ihre „Halb-Arbeitstage“ hatte und nun aktiv wählen darf, kann als argumentum ad absurdum für die Auslegung der §§ 49, 50, 52, 117 und 124–126 ArbVG ins Treffen geführt werden. Ebenso absurd wäre ein Freistellungsanpruch des Betriebsrats gemäß § 117 Abs 1 ArbVG bei beispielsweise 30 StammarbeitnehmerInnen im Betrieb, aber 125 bloß sehr selten zuarbeitenden HeimarbeiterInnen.

[67] Das deutsche BetrVG regelt in § 5 Abs 1, dass ArbeitnehmerInneneigenschaft und aktives (§ 7) sowie passives (§ 8) Wahlrecht für jene HeimarbeiterInnen besteht, „die in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten“. Bestimmend ist dafür das Verhältnis der Tätigkeit für den fraglichen Betrieb zur Tätigkeit für andere Betriebe (Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG15 § 7 Rz 34).

[68] „Arbeitnehmer im Sinne des § 36 Abs 1 sind kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung auch Heimarbeiter. […] Die zweifellos vorhandene Sonderstellung der Heimarbeiter rechtfertigt nicht deren Ausnahme von der Betriebsverfassung, da ihre Interessen im grundsätzlichen nicht von den Interessen der übrigen Arbeitnehmer abweichen. Auf ihre Sonderstellung wird durch Beschränkung des Stimmrechts in der Betriebsversammlung (§ 49 Abs 1) und des aktiven Wahlrechts (§ 52 Abs 2), Ausschluss vom passiven Wahlrecht § 53 Abs 3 Z 3 ArbVG) und in der Weise Bedacht genommen, dass Heimarbeiter grundsätzlich nicht auf die für die Zahlengrenzen relevanten Beschäftigungszahlen angerechnet werden.“ (Hervorhebungen nachträglich hinzugefügt; ErlRV 1482 BlgNR 13. GP 69 und 143; AB 1544 BlgNR 13. GP 143); siehe auch Lindmayr, Handbuch der Arbeitsverfassung (2015) 60; Tomandl in Tomandl, ArbVG § 36, nach dem Gesetzestext.

[69] Vgl § 53 Abs 5 und Abs 6 ArbVG.

[70] VwGH 606/66, Arb 8256; VwGH 0598/72, VwSlg 8406 (A); siehe auch FN 7 und 35.

[71] VwGH 27.10.1972, 0835/72; eingehend Ritzberger-Moser/Widorn, HeimAG 1960 (1995) 15 ff; Tomandl in Tomandl, ArbVG § 36 Rz 15; besonders ausführlich Warter, Crowdwork 203 ff (226).

[72] Zöchling-Jud in Torggler, UBG2, § 381 Rz 2, zitiert nach Warter, Crowdwork 229 ff.

[73] Floretta/Strasser aaO 222. Vgl zu diesen „Gruppenarbeitsverhältnissen“ auch Löschnigg, AR12 221 f.

[74] Bei nur sehr vereinzelten und kurzen, nicht dauerhaften Zuarbeiten wäre es unverständlich und mit dem Telos der „Betriebsdemokratie“ nicht vereinbar, wenn eine unüberschaubar große Zahl an „externen ZuarbeiterInnen“ Betriebsversammlungen und Betriebsratswahlen stark beeinflussen oder gar dominieren könnte.

[75] Zu sozialversicherungsrechtlichen Aspekten dieser Beschäftigungsform siehe Kapitel „Sozialversicherung in der Gig-Economy“. Diese Bestimmung tritt freilich am 31.12.2017 außer Kraft.

[76] OGH 08.08.2002, 8 ObA 277/01w, DRdA 2002, 505 (Mosler); 8 ObA 116/04y, DRdA 2005/33 (Schwarz).

[77] OGH 8 ObA 87/10t, Arb 13.011.

[78] OGH 8 ObA 32/13h, 8 ObA 50/13f, 8 ObA 8/14f; 9 ObA 153/13k, 9 ObA 154/13g; wenn auch in den Diskothek-Fällen nach einem gewissen „Dienstplan“, der aber seitens der Arbeitskräfte problemlos verändert werden konnte. Wie M. Friedrich (ASoK 2006, 12), Ogriseg (ZAS 2014/51) und Mosing (ZAS 2014/41) festhalten, differenziert der OGH nach der „Dichte“ der tatsächlichen Inanspruchnahme der ArbeitnehmerInnen, also nach der Frequenz der Arbeitseinsätze.

[79] OGH 28.08.1997, 8 ObA 2347/96x.

[80] OGH 8 ObA 277/01w, DRdA 2002/48 (Mosler).

[81] OGH 8 ObA 116/04y, DRdA 2005/33 (Schwarz).

[82] Dies ist in Unternehmen, die typischerweise viele Teilzeitbeschäftigte im Stammpersonal führen, gar nicht so viel.

[83] Im Unterschied zu HeimarbeiterInnen sind Pool-ArbeitnehmerInnen ja tatsächlich (fallweise) vor Ort im Betrieb tätig; deshalb muss die Analogie zu § 27 HeimAG (alt) bzw ein Analogieschluss aus Art III BGBl 303/1975 hier meines Erachtens anders ausfallen.

[84] Strasser in Jabornegg/Resch/Strasser, ArbVG § 33 Rz 17.

[85] OGH 9 ObA 88/97z, DRdA 1998, 183 (Hoyer); siehe auch Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 34 Rz 47 und § 36 Rz 18; Kallab in ZellKomm2 § 49 Rz 3 f.

[86] Lediglich § 111 Abs 2 ArbVG sieht für den Fall eines laufenden Branchen-Schlichtungskommissions-Verfahrens aufgrund Einspruchs des Betriebsrats ein maximal vierwöchiges Stillhaltegebot des Betriebsinhabers/der Betriebsinhaberin vor, falls dieser/diese eine Betriebsstilllegung plant.

[87] Näher siehe Öhlinger, Verfassungsrechtliche Probleme der Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Unternehmen (1982); Pernthaler, Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen der betrieblichen und unternehmerischen Mitbestimmung (1984).

[88] Es liegen zwar meines Erachtens die zustimmungspflichtigen Maßnahmen der „Veränderung allgemeiner Grundsätze der Geschäftspolitik” gemäß § 30j Abs 5 Z 8 GmbHG oder bei groß angelegtem Crowdsourcing auch die „Aufgabe von Geschäftszweigen und Produktionsarten“ (Z 7 leg cit) vor, mit bloß einem Drittel der Stimmen können aber die ArbeitnehmerInnen-VertreterInnen im Aufsichtsrat gegen die Mehrheit der deutschen Mutter-Stimmen nichts verhindern.

[89] Klebe, Workers of the crowd unite?, in Benner, Crowdwork – Zurück in die Zukunft (2015) 278 ff. EU-rechtlich vgl insbesondere Art 4 RL 2002/14/EG, Art 7 RL 2001/23/EG und Art 2 RL 98/59/EG.

[90] Resch in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 108 Rz 38; Schneller in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 108 Rz 27,

[91] § 109 Rz 5; in diesem Sinne auch OGH 9 ObA 135/09g, ZAS 2012/17 (Grünanger) – Mystery Flyer.

[92] OGH 9 Ob A 135/09g, ZAS 2012/17 (Grünanger); siehe auch Auer-Mayer in Gahleitner/Mosler, ArbVR5, § 91 Rz 8 ff.

[93] Weil individuelles Nachgeben und Verzichten mittelbar zu kollektiven Verschlechterungen führen könnte.

[94] Ausführlich Binder, AVRAG2 § 3 Rz 41 ff.

[95] Erst nach Einsicht in die Verträge mit den CrowdworkerInnen kann deren rechtlicher Beschäftigungsstatus überprüft werden. Ob der Betriebsrat in Arbeitsverträge Einsicht nehmen kann, ist strittig; siehe dazu Auer-Mayer in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 89 Rz 7.

[96] Nicht Höchst- oder Gesamtarbeitszeit; vgl §§ 3 und 4 AZG: Nach dem – mittels Kollektivvertrag allerdings flexibilisierbaren – Grundprinzip bilden acht Stunden täglich und 40 Stunden wöchentlich die Normalarbeitszeit.

[97] Die Betriebsverfassung zielt ganz allgemein auf eine Abschwächung der „Alleinherrschaft“ der BetriebsinhaberInnen beim Arbeitsvollzug ab und möchte eine (bescheidene) Demokratisierung des Arbeitslebens herbeiführen (Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG, Einleitung XLVI und XLVII); dies gilt für prekarisierte Randbelegschaften zumindest ebenso wie für relativ stabilisierte Stammbelegschaften.

[98] Bydlinski, Grundzüge der juristischen Methodenlehre (2005) 67 f. Siehe die Abschnitte „Die betriebsverfassungsrechtliche Einbeziehung von Randbelegschaften“, „Der Betriebsbegriff des ArbVG“ sowie „Der ArbeitnehmerInnenbegriff des ArbVG“.

[99] Nicht nur beim Betriebs- und ArbeitnehmerInnenbegriff, sondern auch bei vielen weit formulierten Mitwirkungs- und speziell bei Betriebsvereinbarungstatbeständen.

[100] Vgl Cerny in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 Einleitung 43 f mwN.

[101] ArbeitnehmerInnen schulden nach einhelliger Ansicht das Bemühen um Arbeitsergebnisse, nicht aber den Erfolg; daher sind ihre Wettbewerbs-Vorarbeiten nach der jeweils für den Betrieb oder das Unternehmen geltenden, lohngestaltenden Vorschrift abzugelten. Vgl Warter, Crowdwork, 267.

[102] Die mittlerweile auch gemeinschaftsrechtlich aufgrund der Leiharbeits-RL 2008/104/EG nötig wären.

[103] § 16 ABGB wäre insoweit zu konkretisieren.

Kapitel 7 – Essenszustellung: foodora

Inhaltsverzeichnis

Eine arbeitsrechtliche Analyse des Beschäftigungsmodells

Mag. Thomas Dullinger

Foodora qualifiziert die Mehrheit seiner Beschäftigten als arbeitnehmerInnenähnliche freie DienstnehmerInnen. Dieser Beitrag untersucht das von foodora verwendete Beschäftigungsmodell und nimmt anschließend eine rechtliche Qualifikation desselben vor. Im dritten und abschließenden Abschnitt werden einige rechtliche Probleme, die sich den FahrradkurierInnen von foodora in der Praxis stellen (können), untersucht.

Die Bekanntheit von foodora ist in den letzten Monaten stetig gestiegen. Zu tun hat dies nicht nur mit zahlreichen Werbemaßnahmen des Unternehmens, sondern insbesondere auch mit der zunehmenden Präsenz seiner Fahrradkurieren/Fahrradkurierinnen (der sogenannten Rider) auf den Straßen Wiens. Vor allem in den inneren Bezirken Wiens begegnet man zu den einschlägigen Uhrzeiten laufend den Fahrradkurieren/Fahrradkurierinnen von foodora mit ihren markanten Jacken und Transportboxen.

Das Geschäftsmodell von foodora[1]Das Foodora-Konzept wurde 2014 in München entwickelt und verbreitet sich seither kontinuierlich (vgl wien.ORF.at, „Fast Food“: Essen auf Fahrrädern vom 03.04.2016, http://wien.orf.at/news/stories/2765540/ [24.12.2016]). ist es, Essen von trendigen Restaurants und Szenelokalen per FahrradbotInnen zu liefern. Foodora gibt sich selbst das Image eines modernen, jungen und urbanen Start-ups. Hinter dem rasant expandierenden Essenslieferanten steht in Österreich die Volo DS XXXVI 9 GmbH, eine Wiener Gesellschaft, die Teil der Rocket Internet Gruppe ist.[2]Vgl Die Presse, Foodora: Das flotte Rennen um die faulen Esser, 17.07.2016, http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/5051698/Foodora_Das-flotte-Rennen-um-die-faulen-Esser (03.01.2017).

Um das Essen in der selbst auferlegten Lieferzeit von unter 30 Minuten vom Restaurant zu den KundInnen zu befördern, beschäftigt foodora Zeitungsberichten[3]Vgl Der Standard, Fahrradboten: Essenszustellung unter prekären Verhältnissen vom 03.01.2017, http://derstandard.at/2000050035297/Fahrradboten-Essenszustellung-unter-prekaeren-Verhaeltnissen (03.01.2017). zufolge rund 400 Rider, die mit ihren eigenen Rädern Essen aus Restaurants abholen und zu den KundInnen bringen. Bei den Ridern handelt es sich vorwiegend um Studierende. Nötig sind dafür neben einer gewissen Fitness ein eigenes Fahrrad und ein Smartphone mit Internetverbindung. Das Trikot bzw die Jacke und die Transportbox werden von foodora zur Verfügung gestellt.

1. Foodora aus KundInnensicht

Will man die Dienstleistungen von foodora nutzen, ist eine Registrierung auf der Website[4]https://www.foodora.at/(24.12.2016). von foodora nötig. Nach der Registrierung muss man sich zuerst für ein Restaurant entscheiden, von dem man sich Essen liefern lassen möchte. Dabei stehen verschiedene Restaurants in einem Zwei-Kilometer-Radius rund um den Lieferort zur Verfügung. Nach der Restaurantwahl wählt man aus der Karte des Restaurants seine Speisen und Getränke. Der Mindestbestellwert beträgt meist 15 Euro, hängt aber vom gewählten Restaurant ab. Zusätzlich zu den Kosten der Speisen und Getränke fällt eine pauschale Liefergebühr in der Höhe von 3,50 Euro an. Bezahlt werden kann mit Kreditkarte, Sofortüberweisung oder PayPal. Foodora wirbt mit einer Lieferdauer von circa 30 Minuten, behält sich aber in den AGB[5]Vgl Punkt 4. (3) der AGB, https://www.foodora.at/contents/terms-and-conditions.htm (24.12.2016). auch eine Lieferung in bis zu zwei Stunden ab Zugang der Bestätigungsnachricht von foodora über das Zustandekommen des Dienstleistungsvertrages vor.

Interessant aus KundInnensicht ist, dass nach den AGB foodora nur für die Zustellung Vertragspartner der KundInnen wird. Für die Lebensmittelangebote übernimmt foodora lediglich die Vermittlung, Vertragspartner wird das anbietende Restaurant. Zivilrechtlich handelt es sich bei foodora bei dem Vertragsschluss mit dem Restaurant um eine Stellvertreterin oder eine Botin.[6]Botenschaft liegt vor, wenn foodora bloß eine fremde Willenserklärung (des Restaurants) weiterleitet, ohne einen eigenen rechtsgeschäftlichen Willen zu bilden (Rubin in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1002 ABGB Rz 56). Stellvertretung liegt vor, wenn foodora einen eigenen rechtsgeschäftlichen Willen bildet, um das Restaurant zu verpflichten (Rubin in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1002 ABGB Rz 25 f). Für die Vertragsbeziehung zum Restaurant gelten nicht die AGB von foodora, sondern die AGB des Restaurants.[7]Vgl Punkt 1. und 2. der AGB.

2. Foodora aus Sicht der Restaurants

Da eine Zustellung bei foodora 3,50 Euro kostet, ein Rider zwei bis drei Zustellungen in einer Stunde schafft und dabei 8–10 Euro verdient (siehe unten Abschnitt „Foodora aus FahrerInnensicht“), ist offensichtlich, dass sich foodora nicht bloß über die Zustellgebühr finanzieren kann. Es liegt nahe, dass auch ein Teil der über foodora erwirtschafteten Umsätze der Restaurants an foodora geht. Medienberichten zufolge handelt es sich um einen Anteil in der Größenordnung von 25–35 %.[8]Vgl wien.ORF.at, „Fast Food“: Essen auf Fahrrädern vom 03.04.2016, http://wien.orf.at/news/stories/2765540/ (24.12.2016); Die Presse, Foodora: Das flotte Rennen um die faulen Esser, 17.07.2016; Der Standard, Fahrradboten: Essenszustellung unter prekären Verhältnissen vom 03.01.2017, http://derstandard.at/2000050035297/Fahrradboten-Essenszustellung-unter-prekaeren-Verhaeltnissen (03.01.2017). Für Restaurants gibt es trotzdem (mindestens) drei gute Gründe sich foodora für die Speisenzustellung zu bedienen: Erstens ist es eine Möglichkeit neue (Stamm-)KundInnen zu akquirieren, insbesondere weil foodora das Restaurant jenen vorschlägt, die innerhalb eines Umkreises von zwei Kilometern um das Restaurant essen wollen. Typischerweise wird es sich dabei um den Arbeitsplatz oder die Wohnung handeln. Zweitens ist es eine unkomplizierte Möglichkeit, an dem mittlerweile nicht mehr zu vernachlässigenden Sektor der Essenszustellung zu partizipieren, ohne einen eigenen Zustellservice aufbauen zu müssen. Und schließlich eignet sich die Teilnahme bei foodora auch dazu, Zeiten geringer Auslastung zu überbrücken. Es ist nämlich auch möglich, nur mittags oder nur abends zu liefern.

3. Foodora aus FahrerInnensicht

Um Rider bei foodora zu werden, muss man sich online durch Ausfüllen eines kurzen Fragebogens[9]https://www.foodora.at/ride4us?utm_source=foodora&utm_medium=website&utm_campaign=homepagebanner&utm_content=applynow (24.12.2016). bewerben. Dabei werden neben selbstverständlichen Angaben (zB Name, Telefonnummer, E-Mail-Adresse) beispielsweise auch Alter und seit wann man bereits in Wien lebt, erfragt. Auch, wie viele Stunden pro Woche man in etwa arbeiten möchte (10–15, 20–30 oder 31–40) und an welchen Wochentagen man üblicherweise Zeit hat, zu arbeiten, ist anzugeben.

Als unmittelbare Antwort auf das Absenden dieses Fragebogens bekommt man eine generierte E-Mail, die aber kaum weitergehende Informationen enthält. Erst bei dem darauffolgenden Telefongespräch mit einem/einer foodora-MitarbeiterIn erhält man erste genauere Informationen. Die folgenden Darstellungen beruhen auf den Informationen der Unternehmens-Website, Zeitungsberichten, Stellenanzeigen von foodora und auf Gesprächen mit FahrerInnen, die für foodora arbeiten.

Grundsätzlich gibt es bei foodora drei Beschäftigungsmodelle:

  • Das Beschäftigungsmodell „freier Dienstvertrag“ steht allen offen. Foodora wirbt dafür mit bis zu 10 Euro Bezahlung pro Stunde plus Trinkgeld, flexiblen Arbeitszeiten („wann du willst, wo du willst“) und mit der Möglichkeit, in die zweite Gruppe aufzusteigen.[10]Einem Zeitungsbericht (Der Standard, Fahrradboten: Essenszustellung unter prekären Verhältnissen vom 03.01.2017, http://derstandard.at/2000050035297/Fahrradboten-Essenszustellung-unter-prekaeren-Verhaeltnissen [03.01.2017]) zufolge will foodora sich von freien Dienstverträgen verabschieden und die alten „freien Dienstverträge“ sukzessive umstellen.
  • Diese zweite Gruppe besteht aus „angestellten“ FahrerInnen. Diese werden von foodora als ArbeitnehmerInnen qualifiziert (haben Urlaubsanspruch, erhalten Sonderzahlungen etc) und haben bei der Arbeitszeiteinteilung weniger Flexibilität.
  • Abschließend gibt es auch noch „alte Selbständige“, die mit einem einschlägigen Gewerbeschein für foodora

Für EinsteigerInnen sind nur das erste sowie das letzte Modell verfügbar. In die Gruppe der Rider, die einen Arbeitsvertrag mit foodora haben, kann man erst nach einiger Zeit aufsteigen, wenn „es passt“. Foodora betont jedenfalls, an langfristigen Beziehungen zu den Ridern interessiert zu sein, insbesondere in der kalten und nassen Jahreszeit.

Die Arbeitseinsätze werden in sogenannten Schichten organisiert. Dabei handelt es sich weniger um eine Schicht im engeren Sinn, sondern um eine Vielzahl an Diensten, die pro Tag zur Verfügung stehen und sich teilweise auch überschneiden können. So ist sichergestellt, dass zu jedem Zeitpunkt die nach der Prognose notwendigen Rider zur Verfügung stehen. Der einzelne Rider trägt im Internet in einem Schichtplan ein, wann er/sie Zeit hat, für foodora zu fahren. Durch diese Eintragung ist der Rider aber noch nicht für eine Schicht eingeteilt. Erst durch die Bestätigung von foodora, dass er/sie eine Schicht zugeteilt bekommt, wird der konkrete Arbeitseinsatz vereinbart. Der Rider kann somit grundsätzlich nicht einseitig festlegen, wann er/sie fahren wird. Ist eine Schicht überbucht – weil zu viele FahrerInnen ihre Bereitschaft, in dieser Zeit tätig werden zu wollen, bekannt gegeben haben –, wählt foodora jene Rider aus, die den Dienst bekommen. Die Rider haben auch das Recht, eine vereinbarte Schicht vor Beginn abzusagen, aber nur „aus guten Gründen“.[11]Foodora Riders Guide 4 (eine Broschüre für die Rider). Erscheint ein Rider nicht zu seiner Schicht, wird die Zusammenarbeit mit ihm/ihr beim dritten Vorkommen beendet. Darüber hinaus haben die Rider laut ihrem Vertrag auch das Recht, sich vertreten zu lassen (zur Bedeutung dieser Befugnisse siehe Abschnitt „Vertretungsrecht“).

Vor Beginn des Dienstes kommen die Rider in der Regel in die Garage des Unternehmens in der Mariahilfer Straße in Wien, um dort die Transportbox abzuholen; diese ist am Ende des Dienstes dort auch wieder zurückzugeben. Am Beginn der Schicht müssen sich die Rider in einer App anmelden, über die der gesamte Zustellvorgang organisiert wird. Über diese App bekommen die einzelnen FahrerInnen ihre Zustellungen zugewiesen; die Möglichkeit, eine Zustellung abzulehnen, besteht nicht. Der Rider muss dann innerhalb einer vorgegebenen Zeit (angezeigt in Form eines Countdown) bei dem Restaurant das Essen abholen und anschließend – wieder in einer vorgegebenen Zeit – das Essen an die KundInnen liefern. Dabei wird nicht nur darauf geachtet, dass die Zeit eingehalten wird, sondern auch, dass die Rider, wenn möglich, schneller fahren, als es der Countdown erfordern würde. Die App ermöglicht nicht nur die Zuteilung und Abwicklung von Lieferungen, sondern auch eine weitgehende Überwachung des Zustellungsprozesses. Neben einer genauen Ortung via GPS und einer genauen Protokollierung des Ablaufs der Zustellung wird beispielsweise auch die Geschwindigkeit erfasst. Dabei ist foodora darauf bedacht, die Durchschnittsgeschwindigkeit so hoch wie möglich zu halten, auch wenn der Countdown ein langsameres Fahren erlauben würde. Die FahrerInnen sind verpflichtet, auch am Ende ihrer Schicht noch Lieferungen anzunehmen, die sich in ihrer Schicht nicht mehr ausgehen. Das führt dazu, dass die Rider teilweise erst eine Stunde nach Schichtende wieder zurück in die Garage kommen.

Die Rider erhalten für ihre Tätigkeit 4 Euro brutto pro Stunde und pro abgeschlossener Lieferung zusätzlich 1,24 Euro brutto. Dazu kommt noch eine Aufwandersatzpauschale von 0,76 Euro pro Lieferung für den Fahrradverschleiß. Diese ist aber jederzeit einseitig widerruflich. Geht man davon aus, dass ein Rider in einer Stunde im Durchschnitt zwei oder knapp über zwei Lieferungen schafft, liegt der Durchschnittsverdienst bei 8–10 Euro pro Stunde. Dieser Betrag ist aber nur erreichbar, wenn auch genügend Aufträge zur Verfügung stehen, so wie generell nur gearbeitet werden kann, wenn von foodora Dienste angeboten werden.

4. Rechtliche Qualifikation des Beschäftigungsmodells

Bevor ich mich der Bearbeitung einzelner Problemstellungen widmen kann, die diese Art der Beschäftigung typischerweise mit sich bringt, ist zu klären, wie diese Beschäftigungsverhältnisse rechtlich zu qualifizieren sind. Interessant sind hier vor allem jene Beschäftigungsverhältnisse, die von foodora nicht als Arbeitsverträge qualifiziert werden, also die „freien Dienstverträge“, die als Einstiegsmodell angeboten werden. Aus arbeitsrechtlicher Sicht stellt sich die Frage, ob es sich bei den Ridern um ArbeitnehmerInnen oder doch zumindest um arbeitnehmerInnenähnliche Personen handelt. Für die sozialversicherungsrechtliche Qualifikation ist zu untersuchen, ob die Rider den DienstnehmerInnenbegriff des ASVG erfüllen. Während diese beiden Begriffe in ihrem Kern weitgehend ident sind, ergeben sich am Rand gewisse Unterschiede. Dieses Auseinanderfallen des arbeitsrechtlichen ArbeitnehmerInnenbegriffes auf der einen Seite und des sozialversicherungsrechtlichen DienstnehmerInnenbegriffes auf der anderen Seite hat seine Ursachen sowohl in den anwendbaren Rechtsvorschriften selbst (zB die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Sozialrecht gemäß § 539a ASVG, Entgeltlichkeit als Voraussetzung im Sozialversicherungsrecht) als auch darin, dass zwei unterschiedliche Höchstgerichte für die Definition der Begriffe zuständig sind.[12]Vgl dazu zB Blasina, Dienstnehmer freier Dienstnehmer Selbständiger (2007) 37 ff. Die ArbeitnehmerInnen-Definition (§ 1151 ABGB) wurde weitestgehend vom OGH entwickelt, während die DienstnehmerInnen-Definition (§ 4 Abs 2 ASVG) vom VwGH entwickelt wurde.

4.1. Arbeitsrechtliche Qualifikation

Für die Anwendung von arbeitsrechtlichen Vorschriften ist grundsätzlich Voraussetzung, dass die Tätigkeit im Rahmen eines Arbeitsvertrages erbracht wird.[13]Vgl Rebhahn in Neumayr/Reissner, Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht3 (2017) § 1151 ABGB Rz 2, 4. Das Arbeitsrecht kennt verschiedene ArbeitnehmerInnenbegriffe; die wichtigsten sind der individualarbeitsrechtliche ArbeitnehmerInnenbegriff des § 1151 ABGB und der betriebsverfassungsrechtliche ArbeitnehmerInnenbegriff des § 36 ArbVG. Im Rahmen dieses Beitrags interessiert primär der individualrechtliche Begriff.

ArbeitnehmerIn iSd § 1151 ABGB ist nur, wer sich vertraglich zur Arbeit in persönlicher Abhängigkeit für eine andere Person verpflichtet.[14]Vgl Kietaibl, Arbeitsrecht I9 18; OGH 24.06.2016, 9 ObA 40/16x mwN. Notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung ist, dass der/die ArbeitnehmerIn zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet ist.[15]Vgl Kietaibl, Arbeitsrecht I9 24; Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 85 mwN. Erforderlich ist, dass es einerseits überhaupt eine Pflicht zur Arbeitsleistung gibt und andererseits, dass diese Pflicht in der Regel[16]Nur ausnahmsweise Vertretung schadet nicht (vgl Kietaibl, Arbeitsrecht I9 24; vgl § 1153 ABGB). persönlich erfüllt werden muss. Unter diesem Gesichtspunkt werden das Recht der ArbeitnehmerInnen, sich vertreten zu lassen und/oder Aufgaben abzulehnen, diskutiert. Auch die Arbeit nach Konsensprinzip, bei dem es für jeden Arbeitseinsatz einer eigenständigen Abrede bedarf, fällt hierunter.[17]Vgl zu diesen Gestaltungsmöglichkeiten allgemein Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 85 ff. Nur wenn die Pflicht zur persönlichen Arbeitsleistung bejaht werden kann, ist es sinnvoll, sich mit den anderen Aspekten der persönlichen Abhängigkeit zu befassen.

a. Vertretungsrecht

Das Recht, sich bei Erbringung seiner Dienstleistung vertreten zu lassen, ist in der Praxis ein häufiger Grund, warum die persönliche Arbeitspflicht in Zweifel gezogen wird. Auch im vorliegenden „Freien Dienstvertrag“ von foodora findet sich eine Bestimmung, die es den Ridern erlaubt, sich „bei Erbringung der vereinbarten Arbeitsleistung jederzeit durch qualifizierte dritte Personen vertreten [zu] lassen“. Kann sich der/die Arbeitende jederzeit beliebig vertreten lassen, ohne deshalb Sanktionen befürchten zu müssen, ist er/sie in der Verfügung über seine/ihre Arbeitskraft nicht mehr so stark beschränkt, dass man sie/ihn als ArbeitnehmerIn qualifizieren könnte. Denkt man diese Befugnis nämlich fort, so kann sich der/die Arbeitende auch während der Arbeit jederzeit entschließen, den Arbeitsplatz zu verlassen und VertreterInnen weiterarbeiten zu lassen. Diesfalls ist die/der Arbeitende während der Arbeit in ihrer/seiner Bestimmungsfreiheit nicht beschränkt.[18]Vgl Schrammel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Kommentar zum ABGB – Klang Kommentar3 § 1151 ABGB Rz 28, 30.

Weil in der Vergangenheit die Möglichkeit, eine Qualifikation der Arbeitenden als ArbeitnehmerInnen durch Einräumung eines Vertretungsrechts zu verhindern, vielfach missbraucht wurde, hat die Judikatur einige Grundsätze entwickelt, anhand derer ein vereinbartes Vertretungsrecht zu prüfen ist. Nur wenn es diesen Grundsätzen entspricht, ist es geeignet, die persönliche Arbeitspflicht und damit eine Qualifikation als Arbeitsvertrag zu verhindern. So fordert der OGH zutreffender Weise, dass sich die Arbeitenden generell und ohne Rücksprache mit ihren VertragspartnerInnen vertreten lassen können müssen.[19]Vgl Schrammel in Klang3 § 1151 ABGB Rz 30; Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 91; OGH 19.12.2007, 9 ObA 118/07d; 29.1.2015, 9 ObA 139/14b. Ein Vertretungsrecht bloß bei Krankheit oder nur bei Zustimmung der VertragspartnerInnen ist daher nicht geeignet, die Qualifikation als ArbeitnehmerIn auszuschließen. Die Vertretungsklausel in den Verträgen von foodora wird diesen Anforderungen (zumindest) ihrem Wortlaut nach gerecht.

Der OGH verlangt darüber hinaus aber auch, das vertraglich eingeräumte Vertretungsrecht müsse entweder tatsächlich genutzt werden oder es müsse zumindest bei objektiver Betrachtung zu erwarten gewesen sein, dass es genutzt würde.[20]Vgl OGH 19.12.2007, 9 ObA 118/07d mwN; 24.6.2016; 13.11.2003, 8 ObA 86/03k mwN; Rebhahn, Dienstnehmerbegriff und persönliche Abhängigkeit bei Vertretungsbefugnis, WBl 1998, 277 (286 f). Diese Anforderung an ein Vertretungsrecht beruht auf der Überlegung, dass ein bloß zum Schein vereinbartes Vertretungsrecht nicht beachtlich ist, weil der wahre Wille der Parteien diesem nicht entspricht. Bei der objektiven Betrachtung kommt es auf die gesamte Lebenssituation der Arbeitenden an. So können andere Verpflichtungen wie zB ein anderes Beschäftigungsverhältnis, ein Studium oder Obsorgepflichten für die Ernsthaftigkeit des Vertretungsrechts sprechen. Ebenso, dass der Wunsch nach einem Vertretungsrecht von dem/der Arbeitenden selbst kommt. Auch wenn andere Beschäftigte sich wiederholt ohne Sanktionen vertreten lassen konnten, spricht dies für die Ernsthaftigkeit des Vertretungsrechts.[21]Vgl Schrammel in Klang3 § 1151 ABGB Rz 28, 30; Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 92. Das Vertretungsrecht ist dagegen unwirksam, wenn entweder die Tätigkeit selbst vertretungsfeindlich ist (zB die Tätigkeit als GeschäftsführerIn), andere Bestimmungen im Vertrag gegen eine Möglichkeit zur Vertretung sprechen (zB eine umfassende Geheimhaltungspflicht) oder es sich um Beschäftigte in einer besonderen Vertrauensstellung handelt.[22]Vgl VwGH 2013/08/0185 ecolex 2016/195 (Dullinger).

Für foodora lässt sich das Vertretungsrecht nicht abschließend beurteilen. Es kommt hier primär auf die gelebten Rechtsverhältnisse der Rider an. Es gibt aber einige Gründe, diesem Vertretungsrecht zumindest skeptisch gegenüberzustehen. Einerseits ist eine Nutzung des Vertretungsrechts aufgrund der Ausgestaltung der Tätigkeit unwahrscheinlich. Die Rider können ihre Einteilung in die jeweiligen Schichten in einem sehr hohen Ausmaß beeinflussen. Es spricht einiges dafür, dass drohende Kollisionen mit anderen Verpflichtungen eher auf diese Weise geregelt werden als durch Vertretungen. Es gibt auch die Möglichkeit, seine Schichten mit anderen KollegInnen zu tauschen, falls (kurzfristig) eine Terminkollision entstehen sollte. Diese Möglichkeit wird zwar genutzt, begründet aber kein generelles Vertretungsrecht, weil dabei keine beliebigen VertreterInnen zum Einsatz kommen, sondern nur andere Beschäftigte von foodora.[23]Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 91. Andererseits ist unklar, wie eine solche Vertretung technisch funktionieren soll. Eigentlich bräuchten ErsatzfahrerInnen einen eigenen Zugang zu der von foodora verwendeten App. Ob das mangels Vertragsbeziehung zu foodora überhaupt gewünscht wird, ist fraglich; ebenso, ob sich so ein Zugang ausreichend schnell herstellen lässt. Zwar besteht auch die Möglichkeit, einfach den Zugang des zu vertretenden Riders zu verwenden, dem stehen aber wohl datenschutzrechtliche Überlegungen entgegen.

b. Arbeit nach Konsensprinzip

Aufgrund der Art der Schichteinteilung könnte in Betracht gezogen werden, dass hier eine sogenannte „Beschäftigung nach Konsensprinzip“ vorliegt. Darunter versteht man ein Beschäftigungsmodell, bei dem die Pflicht zu den jeweiligen Arbeitseinsätzen erst durch Konsens im Einzelfall entsteht. Meist gibt es eine „Rahmenvereinbarung“, die die Arbeitseinsätze näher ausgestalten soll, wenn es zu einem Konsens kommt. Den Arbeitenden (und auch den VertragspartnerInnen) steht es somit frei, einzelne Angebote für Arbeitseinsätze (nicht) anzunehmen.[24]Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 94.

Zu unterscheiden ist das Konsensprinzip von Beschäftigungsformen, bei denen nur die Lage der Arbeitszeiten einem späteren Konsens vorbehalten wird. Der Unterschied ist, dass in diesem Fall das Ausmaß der Arbeitszeit geregelt ist oder zumindest ein Mindestausmaß festgelegt wurde. Erfasst das Konsenserfordernis nur die Lage der einzelnen Arbeitseinsätze, so kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass dies die Qualifikation als Arbeitsvertrag ausschließt.[25]So auch OGH 24.06.2016, 9 ObA 40/16x. Einerseits, weil die Arbeitenden in diesem Fall eine Arbeitspflicht trifft, andererseits, weil das Arbeitsrecht Arbeitszeitmodelle kennt, in denen ArbeitnehmerInnen sogar einseitig die Arbeitszeiten definieren können (so zB bei der Gleitzeit nach § 4b AZG), ohne dass damit die Qualifikation als ArbeitnehmerIn verhindert würde.[26]Vgl OGH 24.06.2016, 9 ObA 40/16x.

Nach der vertraglichen Gestaltung liegt bei foodora jedenfalls ein Modell vor, das nur die Lage der Arbeitszeit betrifft. Schon beim Ausfüllen des Bewerbungsbogens wird man darauf hingewiesen, dass man mindestens zehn Stunden pro Wochen fahren müsse[27]Vgl https://www.foodora.at/ride4us?utm_medium=ats&utm_source=greenhouse&utm_campaign=foodora.contents (24.12.2016). und auch im Vertrag findet sich eine durchschnittlich pro Monat zu erbringende Stundenanzahl. Aufgrund der mindestens zu erbringenden Stundenzahl ist es dem einzelnen Rider gar nicht möglich, nach Belieben Einsätze abzulehnen. Es liegt vielmehr eine Leistungspflicht für dieses Mindestausmaß vor.

Nach meinem Kenntnisstand ist es aber so, dass ein Unterschreiten der Mindestarbeitszeit durch foodora ohne erkennbare Konsequenzen geduldet wird. Fraglich ist, ob auch hier – unter Berufung auf den wahren Parteiwillen – das gelebte Rechtsverhältnis beachtlich ist. Eine andere Möglichkeit wäre eine schlüssige Vertragsänderung nach Abschluss des Vertrages. Beide Instrumente werden von der Judikatur dazu verwendet, festgestellte Diskrepanzen zwischen der vertraglichen Vereinbarung und dem tatsächlich gelebten Vertragsverhältnis zu erfassen.[28]Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 62 f. Relevant ist dies deshalb, weil ohne Mindestarbeitszeit bei foodora tatsächlich eine Beschäftigung nach Konsensprinzip vorliegen könnte.

Das Konsenserfordernis wäre aber auch dann nur beachtlich, wenn es tatsächlich beachtet wird oder bei objektiver Betrachtung zu erwarten ist, dass dies der Fall ist. Es kommt darauf an, ob der einzelne Rider tatsächlich frei die Zustimmung verweigern kann.[29]Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 96. Geht man davon aus, dass ein Unterschreiten der vertraglichen Mindestarbeitszeit sanktionslos möglich ist und FahrerInnen nur nach ihren Wünschen eingeteilt werden, dann wird diese Voraussetzung gegeben sein. Mit anderen Worten, das Konsenserfordernis wird tatsächlich beachtet. Auch die Tatsache, dass foodora viele Studierende beschäftigt – die typischerweise ein Interesse an flexiblen Arbeitszeiten haben –, stützt diese Annahme.[30]Geht man davon aus, dass hier Arbeit nach Konsensprinzip vorliegt, so wäre für die rechtliche Beurteilung des Vertragsverhältnisses entscheidend, ob man jeden Arbeitseinsatz für sich beurteilt (so zB OGH 28.08.1997, 8 ObA 2347/96x) oder das Gesamtverhältnis (so wohl OGH 05.05.1999, 9 ObA 10/99g). Im ersten Fall ist eine Qualifikation der Einzelverträge als Arbeitsverträge noch möglich und im Falle einer unzulässigen Kettenbefristung sogar ein durchgehendes Arbeitsverhältnis gegeben. Im zweiten Fall kommt ein Arbeitsverhältnis grundsätzlich nicht mehr in Betracht, weil es an der Leistungspflicht mangelt. Der OGH ist aber auch bei einer Gesamtbetrachtung schon zu dem Ergebnis gekommen, dass ein durchgehendes Arbeitsverhältnis vorliege, weil die Vereinbarung des Konsenserfordernisses als Umgehungsgeschäft nichtig gewesen sei (OGH 22.12.2004, 8 ObA 116/04y).

Es gibt aber auch dann noch Konstellationen, die ein sanktionsloses Beachten des Konsensprinzips infrage stellen könnten. Einerseits bei jenen FahrerInnen, die in ein „echtes Arbeitsverhältnis“ aufsteigen möchten. Hier ist es naheliegend, dass diese mit dem Konsenserfordernis nicht so frei umgehen werden, um ihre „Beförderung“ nicht zu gefährden. Ob diese Überlegung gerechtfertigt ist, lässt sich mit den zur Verfügung stehenden Informationen nicht beurteilen. Andererseits gibt es aber auch noch einen anderen Punkt, der gegen die Verwirklichung eines reinen Konsenssystems spricht: Trägt man sich in den Dienstplan ein, weiß man nie, ob man die Schicht auch bekommen wird. Will man sichergehen, dass man eine bestimmte Mindestbeschäftigung hat, muss man sich tendenziell in mehr Schichten eintragen, als man eigentlich absolvieren will. Das führt dazu, dass foodora bei der Zuteilung der Schichten relativ frei über seine Rider verfügen kann. Darüber hinaus verlangt foodora von seinen Ridern, dass sie pro Woche zumindest eine Abendschicht am Wochenende fahren.[31]Vgl Foodora Riders Guide 5. Bei diesen Schichten handelt es sich um die intensivsten Schichten.

Meines Erachtens führt das Nicht-Sanktionieren bei Unterschreitung der vereinbarten Arbeitszeit aber nicht zum Wegfall der Mindestarbeitsverpflichtung. Ein Scheingeschäft, das man durch Anwendung des wahren Willens der Parteien auflösen könnte, liegt wohl nicht vor. Scheingeschäfte werden in aller Regel geschlossen, um ein verbotenes oder zumindest verpöntes Geschäft zu verschleiern oder gewisse Rechtsfolgen zu verhindern.[32]Vgl Heiss in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 916 ABGB Rz 4. Außerdem liegt es auf der Hand, dass es nur zu einem Scheingeschäft kommen wird, wenn sich jene Partei, die den Vertrag aufgrund ihrer wirtschaftlichen Macht gestalten kann, einen Vorteil daraus erhofft. Für foodora ist die Vereinbarung einer Mindestarbeitszeit aber grundsätzlich negativ, da sie eher zu einer Qualifikation als Arbeitsvertrag führt als eine Gestaltung ohne Mindestarbeitszeit. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass diese Bestimmung zum Schein vereinbart wurde.

Auch zu einer nachträglichen schlüssigen Änderung des Vertrages wird es in der Regel nicht kommen. Das (auch mehrmalige) Tolerieren von Unterschreitungen der Mindestarbeitszeit wird man wohl nicht als Zustimmung zur Vertragsänderung verstehen können. Einerseits ist foodora nicht zu unterstellen, die Möglichkeit bei Bedarf auf die Mindestarbeitszeit zu bestehen, aufgeben zu wollen.[33]In einem „Hinweis zur Abrechnung“ wird eine „Strafgebühr“ erwähnt, die für Monate ohne Leistungserbringung zu bezahlen ist. Im Vertrag findet diese Strafgebühr allerdings keine Deckung und es ist auch keine Höhe angegeben. Trotzdem spricht die Androhung einer Strafgebühr gegen eine konkludente Vereinbarung, die Mindestarbeitszeit zu beseitigen, macht sie doch deutlich, dass foodora keinen Vertrag ohne Arbeitspflicht will. Andererseits handelt es sich um eine durchschnittlich zu erbringende Stundenzahl pro Monat, ohne dass ein Durchrechnungszeitraum angegeben wäre. Somit könnte man wohl ohnehin erst nach einem Jahr überhaupt feststellen, ob die Mindestarbeitszeit unterschritten wurde. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass es auch bei ArbeitnehmerInnen mit einer Gleitzeitvereinbarung wiederholt zu einem Unterschreiten der Arbeitszeit kommen kann. Das führt in der Regel aber nur dazu, dass die Zeit einzuarbeiten ist oder vom Gehalt abgezogen wird, aber nicht zu einer Vertragsanpassung auf ein niedrigeres Stundenausmaß.[34]Vgl Schrank, Arbeitszeitgesetze3 (2015) § 4b AZG Rz 88 f.

Das Beschäftigungsmodell von foodora stellt aus all diesen Gründen keine Beschäftigung nach Konsensprinzip dar. Zwar haben die Beschäftigten einen hohen Einfluss auf die Lage der Arbeitszeit, aber nicht auf das Mindestausmaß der Beschäftigung. Es steht ihnen nicht frei, Arbeitseinsätze nach Belieben abzulehnen, weil sie damit gegen die vertragliche Verpflichtung der Mindestarbeitszeit verstoßen würden.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es den Beschäftigten bei foodora in der Regel mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nicht an einer persönlichen Arbeitspflicht mangeln wird. Es ist daher in einem nächsten Schritt zu prüfen, ob die übrigen Anforderungen an ein Arbeitsverhältnis vorliegen.

c. Persönliche Abhängigkeit

Die zentrale Bestimmung für den ArbeitnehmerInnenbegriff ist § 1151 Abs 1 ABGB:

Wenn jemand sich auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen verpflichtet, so entsteht ein Dienstvertrag; wenn jemand die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt, ein Werkvertrag.“

Die hM hat aus der Formulierung „für einen anderen“ geschlossen, dass nur eine Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in der Lage ist, einen Arbeitsvertrag zu begründen.[35]Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 55 ff, 80 mzN. Aus der Formulierung „auf eine gewisse Zeit“ folgt, dass ein Arbeitsverhältnis nur ein Dauerschuldverhältnis und kein Zielschuldverhältnis sein kann. Liegt keine persönliche Abhängigkeit vor, so handelt es sich gegebenenfalls um einen freien Dienstvertrag.[36]Vgl zB OGH 24.06.2016, 9 ObA 40/16x; Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 74 ff. Die Judikatur fordert teilweise aber, dass auch bei einem freien Dienstvertrag zumindest eine Leistungspflicht vorliegen muss; OGH 20.02.2002, 9 ObA 296/01x mwN. Liegt ein Zielschuldverhältnis vor, so wird es sich dabei in der Regel um einen Werkvertrag handeln.[37]Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 74 ff.

Bei dem Beschäftigungsmodell von foodora handelt es sich zweifellos um ein Dauerschuldverhältnis. Es wird im Vertrag kein Werk, zu dessen Herstellung die Rider verpflichtet sind und mit dessen Fertigstellung der Vertrag erfüllt wäre, vereinbart.[38]Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 134 f. Selbst bei Betrachtung jeder einzelnen Schicht für sich würde sich daran nichts ändern. Ein Werkvertrag ist daher auszuschließen.

Für die Unterscheidung zwischen Arbeitsvertrag und freiem Dienstvertrag kommt es auf das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit an. Dabei kommt es insbesondere auf organisatorische Unterordnung und damit auf die fehlende Selbstbestimmung bei der Arbeitsleistung an. Bloße wirtschaftliche Abhängigkeit vermag die persönliche Abhängigkeit nicht zu ersetzen.[39]Vgl zB OGH 24.06.2016, 9 ObA 40/16x. Die persönliche Abhängigkeit gliedert sich in die persönliche Leistungspflicht, die jedenfalls notwendig ist (dazu oben im Abschnitt „Vertretungsrecht“), die Unterwerfung unter betriebliche Ordnungsvorschriften, Weisungsgebundenheit, Kontrollunterworfenheit und die disziplinäre Verantwortlichkeit.[40]Vgl Kietaibl, Arbeitsrecht I 9 24 ff. Diese Merkmale müssen aber nicht kumulativ vorliegen. Vielmehr ist es ausreichend, wenn sie bei einer Gesamtbetrachtung nach der Methodik des beweglichen Systems ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach überwiegen.[41]Vgl zB OGH 24.06.2016, 9 ObA 40/16x. In der Judikatur finden sich folgende oder ähnliche Formulierungen:

„Die für das Vorliegen einer persönlichen Abhängigkeit sprechenden Merkmale sind vor allem die Weisungsgebundenheit des zur Arbeitsleistung Verpflichteten, insbesondere hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und arbeitsbezogenem Verhalten, die persönliche Arbeitspflicht des Arbeitnehmers, die Fremdbestimmtheit der Arbeit, deren wirtschaftlicher Erfolg dem Arbeitgeber zukommt, die funktionelle Einbindung der Dienstleistung in ein betriebliches Weisungsgefüge, einschließlich der Kontrollunterworfenheit und die Beistellung des Arbeitsgeräts durch den Dienstgeber. Davon unterscheidet sich der freie Dienstvertrag besonders durch die Möglichkeit, den Ablauf der Arbeit selbst zu gestalten, also ohne Bindung an bestimmte Arbeitszeiten und jene Weisungen, die für den echten Arbeitsvertrag prägend sind, und die selbst gewählte Gestaltung jederzeit wieder zu ändern.“[42]OGH 24.06.2016, 9 ObA 40/16x.

Grundlage für die Qualifikation des Vertragsverhältnisses ist der wahre Wille der Parteien, soweit er die rechtliche und faktische Beziehung zwischen den Parteien betrifft. Eine Möglichkeit, die Qualifikation des Vertrages durch die Parteien vorzunehmen, besteht aber nicht.[43]Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 61 mwN. Für die Ermittlung des wahren Willens der Parteien ist ein schriftlicher Vertrag der Ausgangspunkt, aber nicht alleine entscheidend. Mit zunehmender Dauer der Vertragsbeziehung kommt es nach der Judikatur dann auf das gelebte Rechtsverhältnis an.[44]Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 62. Dogmatisch kann dies so gedeutet werden, dass die faktische Handhabung ein Indiz für den wahren Parteiwillen bei Vertragsabschluss darstellt. Auch eine schlüssige Vertragsänderung kommt in Betracht.

Die Rider unterliegen in Bezug auf den Arbeitsort einer sehr weitgehenden Weisungsbefugnis ihres Vertragspartners. Sie werden mithilfe der App durch Wien dirigiert, ohne Einfluss auf den Ort ihrer Tätigkeit zu haben. Nach der Judikatur zur „Natur der Sache“[45]Vgl zB OGH 05.05.1999, 9 ObA 10/99g; 10.07.2008, 8 ObA 55/07g; vgl dazu Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 101 ff. ist das aber nur beschränkt als Hinweis auf persönliche Abhängigkeit zu deuten, weil bei BotInnen und ZustellerInnen Vorgaben betreffend den Arbeitsort in der Regel in der Natur der Tätigkeit liegen.[46]So auch VwGH 03.04.2001, 96/08/0023. Auch bei der Arbeitszeit finden sich gewichtige Elemente einer Fremdbestimmung. Einerseits sind die Rider am eigentlichen Ende der Schicht noch verpflichtet, Aufträge anzunehmen. Kommt kein Auftrag, hat man sich die Zeit zwar freigehalten, wird aber nicht bezahlt. Kommt ein Auftrag, muss man ihn annehmen, obwohl er sich in der Schicht nicht mehr ausgeht. Andererseits führt das Schichtsystem von foodora wie oben gezeigt dazu, dass foodora über die Rider weitgehend wie über ArbeitnehmerInnen verfügen kann. Diese beiden Elemente sind gewichtige Indizien für eine persönliche Abhängigkeit.

Entscheidend ist meines Erachtens aber die umfassende Bestimmung der Arbeitsabläufe durch foodora mittels der zu verwendenden App. Dem einzelnen Rider verbleibt für seine Leistungserbringung keinerlei Gestaltungsspielraum. Jedes Detail wird von der App bzw durch Weisungen vorgegeben. Im foodora Riders Guide werden die Rider beispielsweise dazu aufgefordert, „darauf zu achten was du tust und wie deine Taten auf die Öffentlichkeit wirken.“[47]Foodora Riders Guide 2. Neben anderen persönlichen Weisungen sind die Rider auch verpflichtet, einen Helm zu tragen[48]Foodora Riders Guide 6. und gibt es detaillierte Regelungen zum Umgang mit KundInnen.[49]Foodora Riders Guide 9.

Durch die App bieten sich auch umfassende Kontrollmöglichkeiten. Neben einer Ortung via GPS werden auch Geschwindigkeiten und die einzelnen Stationen des Zustellprozesses erfasst. Diese Kontrollen gehen über bloße Kontrollen des Arbeitsergebnisses, die auch bei freien Dienstverträgen vorkommen, hinaus. Es kommt auch zu Ermahnungen, wenn beispielsweise die Durchschnittsgeschwindigkeit zu niedrig ist. Dagegen ist das einzige gewichtige Indiz, das für Selbstbestimmung spricht, der Einfluss auf die Lage der Arbeitszeiten. Dass dies allein nicht geeignet ist, die Qualifikation als Arbeitsvertrag zu verhindern, wird schon bei Betrachtung mancher Gleitzeitmodelle deutlich. Vielmehr ist hier auch die Kontrolle der Arbeitszeit (durch die App) relativierend, da sie nicht nur der Abrechnung dient, sondern sicherstellen soll, dass immer ausreichend FahrerInnen zur Verfügung stehen.[50]Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 105; OGH 24.06.2016, 9 ObA 40/16x.

Auch die Einordnung in die Arbeitsorganisation des Leistungsempfängers spricht für das Vorliegen von persönlicher Abhängigkeit.[51]Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 107. Die Rider sind nicht nur durch die Verwendung der App in die Arbeitsorganisation eingebunden, sondern auch durch die Einteilung in Gruppen, die jeweils einem RiderCaptain unterstehen, und die Teilnahme an Whatsapp-Gruppen zu verschiedenen Organisationszwecken.[52]Foodora spricht in einer Stellenanzeige für einen Operation Intern von einer „funktionierende[n] Riderhierarchie“. Dass es sich bei diesen Gruppen nicht um rein private Gruppen befreundeter ArbeitskollegInnen handelt, ist schon daran ersichtlich, dass auch Vorgesetzte in diesen vertreten sind und die Kommunikation meist dienstliche Themen betrifft.

Dass die Rider ihre eigenen Betriebsmittel in Form ihrer Fahrräder verwenden, ist höchstens ein schwaches Indiz gegen einen Arbeitsvertrag. Erstens bezahlt foodora für die Verwendung der eigenen Räder eine Aufwandsentschädigung, zweitens handelt es sich dabei um ein Betriebsmittel, das nicht allzu teuer ist und meist wohl nicht extra angeschafft wurde.[53]Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 114 mwN.

Insgesamt ist meines Erachtens aus den vorliegenden Informationen insbesondere aufgrund der sehr hohen Kontrolldichte, der detaillierten Regelung des Arbeitsablaufs, der disziplinären Verantwortlichkeit und der Einbindung in eine betriebliche Organisationsstruktur von einer persönlichen Abhängigkeit und damit ArbeitnehmerInneneigenschaft der Rider auszugehen. Entscheidend ist es, zu sehen, dass durch die Verwendung der App in Verbindung mit dem dislozierten Tätigwerden der Rider gewisse klassische Erscheinungsformen von persönlicher Abhängigkeit überlagert bzw verdeckt werden. Zu einem anderen Ergebnis wird man für jene Rider kommen müssen, die das Vertretungsrecht regelmäßig nutzen und sich von Fremden vertreten lassen.

4.2. Sozialrechtliche Qualifikation

Aufgrund des Auseinanderfallens des individualarbeitsrechtlichen ArbeitnehmerInnenbegriffs und des sozialversicherungsrechtlichen DienstnehmerInnenbegriffs ist für alle sozialversicherungsrechtlichen Fragestellungen auch zu untersuchen, ob die Rider den DienstnehmerInnenbegriff des § 4 Abs 2 ASVG erfüllen. Ist dies nicht der Fall, ist zu prüfen, ob eine Pflichtversicherung als dienstnehmerInnenähnliche Person (§ 4 Abs 4 ASVG) oder auch nach dem GSVG vorliegt. In der Praxis sind der ArbeitnehmerInnenbegriff und der DienstnehmerInnenbegriff aber in fast allen Fällen deckungsgleich.[54]Vgl Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm (168. Lfg) § 4 ASVG Rz 66, 87 ff. Der VwGH betont in seiner Judikatur regelmäßig, dass sich die beiden Begriffe im Ergebnis entsprechen würden.[55]Vgl VwGH 31.01.2007, 2005/08/0176; 18.01.2012, 2008/08/0276. Für die Rider von foodora ist meines Erachtens kein Grund ersichtlich, warum vom arbeitsrechtlichen Ergebnis abweichend kein Dienstverhältnis gemäß § 4 Abs 2 ASVG vorliegen sollte. Zu den Fragen des Sozialversicherungsrecht siehe eingehend Kapitel „Sozialversicherung in der Gig-Economy“.

5. Einzelprobleme

Nach der rechtlichen Qualifikation des Vertragsverhältnisses der Rider als Arbeitsvertrag möchte ich jetzt noch auf einige ausgewählte Problemstellungen im Zusammenhang mit der Beschäftigung bei foodora eingehen.

5.1. Was gilt als Arbeitszeit?

Die Rider müssen sowohl vor als auch nach der Schicht in die Garage kommen, um die Transportbox abzuholen bzw zurückzubringen. Nur in Ausnahmefällen kann diese mit nach Hause genommen werden. Foodora erkennt nur die Zeiten zwischen Schichtbeginn und Schichtende als Arbeitszeit an. Endet ein Zustellvorgang nach dem offiziellen Ende der Schicht, wird auch die Zeit zwischen Schichtende und Beendigung der Zustellung als Arbeitszeit anerkannt, nicht jedoch der Rückweg in die Garage.

Als Arbeitszeit gilt die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen (§ 2 AZG). Das AZG lässt aber offen, was zur Arbeit gehört. Die Judikatur geht davon aus, dass jedenfalls Wegzeiten von und zur Arbeit nicht als Arbeitszeit anzusehen sind.[56]Vgl Schrank, Arbeitszeitgesetze3 § 2 AZG Rz 34. Die Wege zur und von der Garage werden somit zu recht nicht in die Arbeitszeit miteinbezogen. Anders ist der Weg vom letzten Kunden zurück in die Garage zu beurteilen. Weil foodora auf diesem Weg noch über die Zeit des Rider verfügt, liegt hier Arbeitszeit vor.[57]Vgl Windisch-Graetz, Arbeitsrecht II9 159; Schrank, Arbeitszeitgesetze3 § 2 AZG Rz 10 ff, 15 e contrario. Erst wenn der Rider die Transportbox abgegeben hat, kann er wieder selbst frei über seine Zeit verfügen und liegt keine Arbeitszeit mehr vor.

5.2. Haftung für Schäden

Da es sich bei der Tätigkeit der Rider um eine gefahrengeneigte Tätigkeit handelt, ist es von besonderem Interesse, wer für eventuelle Schäden einzustehen hat. Es ist zwischen der Schädigung von foodora bzw VertragspartnerInnen von foodora einerseits und der Schädigung von Dritten bzw dem Vermögen der Rider selbst zu unterscheiden. Bei der ersten Gruppe von Schäden kommt das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz (DHG) zur Anwendung, weil ArbeitnehmerInnen ihre ArbeitgeberInnen unmittelbar schädigen (zB die Transportbox zerstören) oder ihre ArbeitgeberInnen mittelbar schädigen, indem sie Dritte schädigen, denen ihre ArbeitgeberInnen dadurch zum Schadenersatz verpflichtet werden (Erfüllungsgehilfenhaftung gemäß §1313a ABGB).[58]Vgl Windisch-Graetz, Arbeitsrecht II9 222 ff, 229 f. Der Schaden ist nach den Bestimmungen des DHG zwischen foodora und Rider aufzuteilen. Zur zweiten Gruppe gehören beispielsweise Schäden an den privaten Rädern der Rider oder Schadenersatzpflichten gegenüber Dritten aufgrund von Verkehrsunfällen. Das DHG ist in diesen Konstellationen nicht anwendbar, weil foodora weder unmittelbar noch mittelbar geschädigt wird. Beschädigt der Rider sein/ihr eigenes Vermögen oder fügt er/sie einem „unbeteiligten“ Dritten Schaden zu, so liegt in aller Regel kein vom DHG erfasster Fall vor.

Die Judikatur wendet auf solche Fälle § 1014 ABGB analog an, mit dem Ergebnis, dass ArbeitgeberInnen verschuldensunabhängig für solche Schäden ihrer ArbeitnehmerInnen einzustehen haben (sogenannte Risikohaftung der ArbeitgeberInnen).[59]Vgl OGH 31.05.1983, OGH 4 Ob 35/82; Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 1014 ABGB Rz 3 ff. Die Rider setzen die Fahrräder im Interesse von foodora ein. Foodora erspart sich durch den Einsatz der privaten Räder die Zurverfügungstellung von eigenen Rädern und eine Leistungserbringung ohne Fahrräder ist bei diesem Geschäftsmodell nicht denkbar. In aller Regel wird es sich auch um einen „arbeitsadäquaten“ Schaden handeln und sich in der Schädigung eine typische Betriebsgefahr verwirklichen.[60]Vgl Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 1014 ABGB Rz 5 f. Wird der Rider durch einen Unfall selbst schadenersatzpflichtig, so hat sich nach Ansicht der Rsp wirtschaftlich gesehen der Schaden in seinem Vermögen verwirklicht. Auch in diesen Fällen greift daher nach der Rsp § 1014 ABGB analog ein.[61]Vgl OGH 24.05.1989, 9 Ob A 139/89; Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 1014 ABGB Rz 10 f. Trifft den/die ArbeitnehmerIn ein Verschulden an der Schädigung, so ist nach der Judikatur das DHG analog anzuwenden und eine entsprechende Teilung der Schadentragung vorzunehmen.[62]Dazu Beer, Risikohaftung bei Verschulden des Arbeitnehmers, ecolex 1991, 44.

Bei einer entschuldbaren Fehlleistung (das ist der unterste Bereich der leichten Fahrlässigkeit) hat der/die ArbeitgeberIn den gesamten Schaden zu tragen (§ 2 Abs 3 DHG). Bei Fahrlässigkeit hat das Gericht festzusetzen, wer welchen Teil des Schadens zu tragen hat, wobei es bei leichter Fahrlässigkeit möglich ist, ArbeitgeberInnen den gesamten Schaden tragen zu lassen (§ 2 Abs 1 DHG). Bei der Verteilung des Schadens hat das Gericht vor allem auf den Grad des Verschulden und insbesondere auch auf die mit der Tätigkeit verbundene Verantwortung, die Höhe des Entgelts im Vergleich zu dem eingegangenen Wagnis, den Grad der Ausbildung, auf die Bedingungen der Dienstleistungserbringung und auf die Gefahrengeneigtheit der Tätigkeit Bedacht zu nehmen (§ 2 Abs 2 DHG). Die hohe Gefahrengeneigtheit in Verbindung mit dem Zeitdruck, dem die Rider unterliegen, wird in vielen Fällen zu einer eher weitgehenden Ersatzpflicht von foodora führen.[63]Vgl Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 1014 ABGB Rz 16 mwN.

5.3. Kontrolle der Rider

Die enorme Kontrolldichte, der die Rider unterliegen, könnte auf arbeitsrechtliche Bedenken stoßen. Gemäß § 96 Z 3 ArbVG bedarf die Einführung von Kontrollmaßnahmen und technischen Systemen zur Kontrolle der ArbeitnehmerInnen, sofern diese Maßnahmen (Systeme) die Menschenwürde berühren, der Zustimmung des Betriebsrates. In Betrieben ohne Betriebsrat ist die Zustimmung jedes/jeder einzelnen Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin erforderlich wie ausreichend (§ 10 AVRAG). Nur Kontrollmaßnahmen und Kontrollsysteme, die die Menschenwürde nicht einmal berühren, bedürfen keiner Zustimmung. Kontrollmaßnahmen und Kontrollsysteme, die die Menschenwürde verletzten, sind auch mit Zustimmung unzulässig. Bei der App handelt es sich jedenfalls um eine Kontrollmaßnahme bzw ein Kontrollsystem, weil sie eine von foodora veranlasste, auf Dauer angelegte Vorkehrung ist, die es konkret ermöglicht, ArbeitnehmerInnen zu überwachen.[64]Vgl Reissner in ZellKomm2 § 96 ArbVG Rz 22; Grünanger/Goricnik, Arbeitnehmerdatenschutz und Mitarbeiterkontrolle (2014) 24, 191 f. Ob und in welcher Weise die Daten ausgewertet werden, ist dabei nicht entscheidend.[65]Vgl Grünanger/Goricnik, Arbeitnehmerdatenschutz und Mitarbeiterkontrolle 192. Fraglich ist, ob die Menschenwürde berührt oder gar verletzt wird. Ein Berühren der Menschenwürde kann sich aus Gegenstand, Art, Intensität oder den Umständen der Kontrolle ergeben.[66]Vgl Grünanger/Goricnik, Arbeitnehmerdatenschutz und Mitarbeiterkontrolle 26 mwN. Ein Berühren der Menschenwürde liegt insbesondere vor, wenn ArbeitnehmerInnen in einer hohen, gerade noch akzeptablen Intensität das dauernde Gefühl einer potenziellen Überwachung gegeben wird.[67]Vgl Reissner in ZellKomm2 § 96 ArbVG Rz 24 mwN. Nach der Judikatur kommt es dabei auf eine Interessenabwägung zwischen den Interessen der ArbeitnehmerInnen und den Interessen des Betriebsinhabers bzw der Betriebsinhaberin an.[68]Vgl OGH 13.06.2002, 8 ObA 288/01p; 20.03.2015, 9 ObA 23/15w. Wesentlich sind damit auch mögliche Alternativen und die Bedeutung der Kontrollen für die BetriebsinhaberInnen. Hier wäre das Interesse von foodora an einer Standortermittlung für die Zustellung mit den Interessen der ArbeitnehmerInnen an Privatsphäre abzuwägen. Jedenfalls mitbestimmungspflichtig ist die Maßnahme, wenn es andere Möglichkeiten für foodora gibt, die die Persönlichkeitsrechte der ArbeitnehmerInnen weniger belasten würden.[69]Der OGH hat hier zB den Zugriff auf gesammelte Daten nur im Verdachtsfall und in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat genannt (OGH 13.06.2002, 8 Ob A 288/01p). Die herrschende Lehre geht davon aus, dass Kontrollsysteme, die zu einer Kontrolle durch GPS führen, in der Regel der Mitbestimmung unterliegen.[70]Vgl Grünanger/Goricnik, Arbeitnehmerdatenschutz und Mitarbeiterkontrolle 193 mwN. Eine abschließende Beurteilung der Frage, ob die Menschenwürde durch die verschiedenen Funktionen der App berührt wird, ist nur mit genauerer Kenntnis der App möglich. Da es bei foodora keinen (für die Rider zuständigen) Betriebsrat gibt, müssten die Rider selbst der Überwachung zustimmen.

5.4. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub

Da die Rider nach der hier vertretenen Ansicht in der Regel als ArbeitnehmerInnen zu qualifizieren sind, haben sie auch Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und auf bezahlten Urlaub.

Auf die Rider ist in der Regel das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) anwendbar, weil es sich bei ihnen um ArbeiterInnen handelt. Sie erbringen nämlich weder kaufmännische oder höhere, nicht kaufmännische Dienste noch Kanzleiarbeiten. Vielmehr überwiegt die rein manuelle Tätigkeit, die keiner fachlichen Durchdringung oder besonderer Fähigkeiten oder Kenntnisse bedarf.[71]Vgl zum Angestelltenbegriff Drs in ZellKomm2 § 1 AngG Rz 14 ff. Gemäß § 2 EFZG haben ArbeiterInnen, wenn das Arbeitsverhältnis noch keine fünf Jahre gedauert hat, Anspruch auf sechs Wochen Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit pro Jahr, wenn sie die Verhinderung nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt haben und die ArbeitgeberInnen ohne Verzug (§ 4 Abs 1 EFZG) verständigt haben. Wurde die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall verursacht, beträgt der Anspruch acht Wochen pro Arbeitsunfall (§ 2 Abs 5 EFZG). Die Berechnung des fortzuzahlenden Entgelts erfolgt gemäß § 3 Abs 2 und 3 EFZG nach dem Ausfallsprinzip. Es ist also darauf abzustellen, was der Rider verdient hätte, wäre er nicht arbeitsunfähig gewesen.[72]Vgl Drs in ZellKomm2 § 3 EFZG Rz 2 ff. Für leistungsbezogene Entgelte ist auf den Durchschnitt der letzten 13 Wochen abzustellen (§ 3 Abs 4 EFZG). Bei schwankenden Überstunden bzw Mehrstunden kommt es primär auf eine schon vorhandene Arbeitszeiteinteilung an. Gibt es diese nicht, ist auf eine Durchschnittsbetrachtung in einem repräsentativen Zeitraum abzustellen.[73]Vgl Drs in ZellKomm2 § 3 EFZG Rz 10.

Die Rider haben als ArbeitnehmerInnen auch Anspruch auf bezahlten Urlaub im Ausmaß von fünf Wochen pro Jahr (§ 2 Abs 1 UrlG). Für die Berechnung des Urlaubsentgelts gilt das oben zur Entgeltfortzahlung Gesagte sinngemäß (§ 6 UrlG).[74]Vgl Reissner in ZellKomm2 § 6 UrlG Rz 5 ff.

5.5. Unterschiede bei den zu leistenden Abgaben

Abschließend möchte ich noch kurz auf den Unterschied in den Rechtsfolgen zwischen einer Qualifikation als ArbeitnehmerIn und einer Qualifikation als freier/freie DienstnehmerIn aus abgabenrechtlicher Sicht eingehen.

Im Sozialversicherungsrecht gibt es keine bedeutenden Unterschiede zwischen DienstnehmerInnen iSd § 4 Abs 2 ASVG und dienstnehmerInnenähnlichen freien DienstnehmerInnen iSd § 4 Abs 4 ASVG. Weder was die Meldepflicht betrifft noch was die Beitragshöhe und die Person des Beitragsschuldners betrifft.[75]Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 47 f. Nur im Vergleich zu einer Versicherung nach dem GSVG würden sich hier bedeutende Unterschiede ergeben (andere Beitragssätze und insbesondere alleinige Beitragstragung durch die Arbeitenden, außerdem müssen die Arbeitenden die Beiträge selbst abführen).

Auch für die meisten anderen lohnabhängigen Abgaben macht es keinen Unterschied, ob ein Vertragsverhältnis als Arbeitsvertrag oder als dienstnehmerInnenähnlicher freier Dienstvertrag iSd § 4 Abs 4 ASVG qualifiziert wird. So fallen der Beitrag zur betrieblichen Vorsorge, der Zuschlag nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, die Arbeiterkammerumlage und die Kommunalsteuer bei beiden Vertragstypen an.[76]Vgl § 1 Abs 1 und 1a BMSVG; § 1 Abs 1 IESG; § 10 Abs 1 Z 7 AKG; § 2 lit a KommStG 1993. Es gibt aber Abgaben, die für oder von ArbeitnehmerInnen zu leisten sind, die freie DienstnehmerInnen nicht treffen. So sind freie DienstnehmerInnen vom Beitrag zur Wohnbauförderung (1 %) ausgenommen und die U-Bahn-Steuer in Wien trifft ebenfalls nur DienstnehmerInnen.[77]§ 2 Bundesgesetz über die Einhebung eines Wohnbauförderungsbeitrages; § 2 Gesetz über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe (Landesgesetz Wien). Gewichtigere Abweichungen gibt es, wenn man nicht einen freien Dienstvertrag iSd § 4 Abs 4 ASVG mit einem Arbeitsvertrag vergleicht, sondern einen „echten“ freien Dienstvertrag, der nicht dem ASVG unterliegt.

Der entscheidende Unterschied in steuerrechtlicher Hinsicht betrifft die Frage, wer für das Abführen der Einkommensteuer verantwortlich ist. Bei DienstnehmerInnen haben die jeweiligen DienstgeberInnen die Lohnsteuer einzubehalten und an das zuständige Finanzamt abzuführen.[78]Die Lohnsteuerpflicht richtet sich nach dem steuerrechtlichen DienstnehmerInnenbegriff (§ 47 Abs 2 S 1 EStG), der aber im Wesentlichen ident mit dem arbeitsrechtlichen ArbeitnehmerInnenbegriff ist. Ist dieser erfüllt, so liegt automatisch auch eine Pflichtversicherung als DienstnehmerIn gemäß § 4 Abs 2 ASVG vor (§ 4 Abs 2 S 3 ASVG). Bei freien DienstnehmerInnen haben diese selbst für die Versteuerung ihrer Einkünfte zu sorgen (auch dienstnehmerInnenähnliche freie DienstnehmerInnen iSd § 4 Abs 4 ASVG).

6. Zusammenfassung der Ergebnisse

Die Rider von foodora sind meines Erachtens trotz vereinbartem Vertretungsrecht und der Vertragsbezeichnung als „freier Dienstvertrag“ in der Regel als ArbeitnehmerInnen zu qualifizieren. Anderes gilt lediglich für jene Rider, die sich regelmäßig vertreten lassen. Durch die Qualifikation als ArbeitnehmerIn kommt das gesamte Arbeitsrecht zur Anwendung, das für die meisten Einzelprobleme der Rider adäquate Lösungen kennt.

[1] Das Foodora-Konzept wurde 2014 in München entwickelt und verbreitet sich seither kontinuierlich (vgl wien.ORF.at, „Fast Food“: Essen auf Fahrrädern vom 03.04.2016, http://wien.orf.at/news/stories/2765540/ [24.12.2016]).

[2] Vgl Die Presse, Foodora: Das flotte Rennen um die faulen Esser, 17.07.2016, http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/5051698/Foodora_Das-flotte-Rennen-um-die-faulen-Esser (03.01.2017). [3] Vgl Der Standard, Fahrradboten: Essenszustellung unter prekären Verhältnissen vom 03.01.2017, http://derstandard.at/2000050035297/Fahrradboten-Essenszustellung-unter-prekaeren-Verhaeltnissen (03.01.2017).

[4] https://www.foodora.at/(24.12.2016).

[5] Vgl Punkt 4. (3) der AGB, https://www.foodora.at/contents/terms-and-conditions.htm (24.12.2016).

[6] Botenschaft liegt vor, wenn foodora bloß eine fremde Willenserklärung (des Restaurants) weiterleitet, ohne einen eigenen rechtsgeschäftlichen Willen zu bilden (Rubin in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1002 ABGB Rz 56). Stellvertretung liegt vor, wenn foodora einen eigenen rechtsgeschäftlichen Willen bildet, um das Restaurant zu verpflichten (Rubin in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1002 ABGB Rz 25 f).

[7] Vgl Punkt 1. und 2. der AGB.

[8] Vgl wien.ORF.at, „Fast Food“: Essen auf Fahrrädern vom 03.04.2016, http://wien.orf.at/news/stories/2765540/ (24.12.2016); Die Presse, Foodora: Das flotte Rennen um die faulen Esser, 17.07.2016; Der Standard, Fahrradboten: Essenszustellung unter prekären Verhältnissen vom 03.01.2017, http://derstandard.at/2000050035297/Fahrradboten-Essenszustellung-unter-prekaeren-Verhaeltnissen (03.01.2017).

[9] https://www.foodora.at/ride4us?utm_source=foodora&utm_medium=website&utm_campaign=homepagebanner&utm_content=applynow (24.12.2016).

[10] Einem Zeitungsbericht (Der Standard, Fahrradboten: Essenszustellung unter prekären Verhältnissen vom 03.01.2017, http://derstandard.at/2000050035297/Fahrradboten-Essenszustellung-unter-prekaeren-Verhaeltnissen [03.01.2017]) zufolge will foodora sich von freien Dienstverträgen verabschieden und die alten „freien Dienstverträge“ sukzessive umstellen.

[11] Foodora Riders Guide 4 (eine Broschüre für die Rider).

[12] Vgl dazu zB Blasina, Dienstnehmer freier Dienstnehmer Selbständiger (2007) 37 ff. Die ArbeitnehmerInnen-Definition (§ 1151 ABGB) wurde weitestgehend vom OGH entwickelt, während die DienstnehmerInnen-Definition (§ 4 Abs 2 ASVG) vom VwGH entwickelt wurde.

[13] Vgl Rebhahn in Neumayr/Reissner, Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht3 (2017) § 1151 ABGB Rz 2, 4.

[14] Vgl Kietaibl, Arbeitsrecht I9 18; OGH 24.06.2016, 9 ObA 40/16x mwN.

[15] Vgl Kietaibl, Arbeitsrecht I9 24; Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 85 mwN.

[16] Nur ausnahmsweise Vertretung schadet nicht (vgl Kietaibl, Arbeitsrecht I9 24; vgl § 1153 ABGB).

[17] Vgl zu diesen Gestaltungsmöglichkeiten allgemein Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 85 ff.

[18] Vgl Schrammel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Kommentar zum ABGB – Klang Kommentar3 § 1151 ABGB Rz 28, 30.

[19] Vgl Schrammel in Klang3 § 1151 ABGB Rz 30; Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 91; OGH 19.12.2007, 9 ObA 118/07d; 29.1.2015, 9 ObA 139/14b.

[20] Vgl OGH 19.12.2007, 9 ObA 118/07d mwN; 24.6.2016; 13.11.2003, 8 ObA 86/03k mwN; Rebhahn, Dienstnehmerbegriff und persönliche Abhängigkeit bei Vertretungsbefugnis, WBl 1998, 277 (286 f).

[21] Vgl Schrammel in Klang3 § 1151 ABGB Rz 28, 30; Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 92.

[22] Vgl VwGH 2013/08/0185 ecolex 2016/195 (Dullinger).

[23] Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 91.

[24] Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 94.

[25] So auch OGH 24.06.2016, 9 ObA 40/16x.

[26] Vgl OGH 24.06.2016, 9 ObA 40/16x.

[27] Vgl https://www.foodora.at/ride4us?utm_medium=ats&utm_source=greenhouse&utm_campaign=foodora.contents (24.12.2016).

[28] Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 62 f.

[29] Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 96.

[30] Geht man davon aus, dass hier Arbeit nach Konsensprinzip vorliegt, so wäre für die rechtliche Beurteilung des Vertragsverhältnisses entscheidend, ob man jeden Arbeitseinsatz für sich beurteilt (so zB OGH 28.08.1997, 8 ObA 2347/96x) oder das Gesamtverhältnis (so wohl OGH 05.05.1999, 9 ObA 10/99g). Im ersten Fall ist eine Qualifikation der Einzelverträge als Arbeitsverträge noch möglich und im Falle einer unzulässigen Kettenbefristung sogar ein durchgehendes Arbeitsverhältnis gegeben. Im zweiten Fall kommt ein Arbeitsverhältnis grundsätzlich nicht mehr in Betracht, weil es an der Leistungspflicht mangelt. Der OGH ist aber auch bei einer Gesamtbetrachtung schon zu dem Ergebnis gekommen, dass ein durchgehendes Arbeitsverhältnis vorliege, weil die Vereinbarung des Konsenserfordernisses als Umgehungsgeschäft nichtig gewesen sei (OGH 22.12.2004, 8 ObA 116/04y).

[31] Vgl Foodora Riders Guide 5. Bei diesen Schichten handelt es sich um die intensivsten Schichten.

[32] Vgl Heiss in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 916 ABGB Rz 4.

[33] In einem „Hinweis zur Abrechnung“ wird eine „Strafgebühr“ erwähnt, die für Monate ohne Leistungserbringung zu bezahlen ist. Im Vertrag findet diese Strafgebühr allerdings keine Deckung und es ist auch keine Höhe angegeben. Trotzdem spricht die Androhung einer Strafgebühr gegen eine konkludente Vereinbarung, die Mindestarbeitszeit zu beseitigen, macht sie doch deutlich, dass foodora keinen Vertrag ohne Arbeitspflicht will.

[34] Vgl Schrank, Arbeitszeitgesetze3 (2015) § 4b AZG Rz 88 f.

[35] Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 55 ff, 80 mzN.

[36] Vgl zB OGH 24.06.2016, 9 ObA 40/16x; Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 74 ff. Die Judikatur fordert teilweise aber, dass auch bei einem freien Dienstvertrag zumindest eine Leistungspflicht vorliegen muss; OGH 20.02.2002, 9 ObA 296/01x mwN.

[37] Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 74 ff.

[38] Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 134 f.

[39] Vgl zB OGH 24.06.2016, 9 ObA 40/16x.

[40] Vgl Kietaibl, Arbeitsrecht I9 24 ff.

[41] Vgl zB OGH 24.06.2016, 9 ObA 40/16x.

[42] OGH 24.06.2016, 9 ObA 40/16x.

[43] Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 61 mwN.

[44] Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 62. Dogmatisch kann dies so gedeutet werden, dass die faktische Handhabung ein Indiz für den wahren Parteiwillen bei Vertragsabschluss darstellt. Auch eine schlüssige Vertragsänderung kommt in Betracht.

[45] Vgl zB OGH 05.05.1999, 9 ObA 10/99g; 10.07.2008, 8 ObA 55/07g; vgl dazu Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 101 ff.

[46] So auch VwGH 03.04.2001, 96/08/0023.

[47] Foodora Riders Guide 2.

[48] Foodora Riders Guide 6.

[49] Foodora Riders Guide 9.

[50] Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 105; OGH 24.06.2016, 9 ObA 40/16x.

[51] Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 107.

[52] Foodora spricht in einer Stellenanzeige für einen Operation Intern von einer „funktionierende[n] Riderhierarchie“.

[53] Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 114 mwN.

[54] Vgl Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm (168. Lfg) § 4 ASVG Rz 66, 87 ff.

[55] Vgl VwGH 31.01.2007, 2005/08/0176; 18.01.2012, 2008/08/0276.

[56] Vgl Schrank, Arbeitszeitgesetze3 § 2 AZG Rz 34.

[57] Vgl Windisch-Graetz, Arbeitsrecht II9 159; Schrank, Arbeitszeitgesetze3 § 2 AZG Rz 10 ff, 15 e contrario.

[58] Vgl Windisch-Graetz, Arbeitsrecht II9 222 ff, 229 f.

[59] Vgl OGH 31.05.1983, OGH 4 Ob 35/82; Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 1014 ABGB Rz 3 ff.

[60] Vgl Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 1014 ABGB Rz 5 f.

[61] Vgl OGH 24.05.1989, 9 Ob A 139/89; Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 1014 ABGB Rz 10 f.

[62] Dazu Beer, Risikohaftung bei Verschulden des Arbeitnehmers, ecolex 1991, 44.

[63] Vgl Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 1014 ABGB Rz 16 mwN.

[64] Vgl Reissner in ZellKomm2 § 96 ArbVG Rz 22; Grünanger/Goricnik, Arbeitnehmerdatenschutz und Mitarbeiterkontrolle (2014) 24, 191 f.

[65] Vgl Grünanger/Goricnik, Arbeitnehmerdatenschutz und Mitarbeiterkontrolle 192.

[66] Vgl Grünanger/Goricnik, Arbeitnehmerdatenschutz und Mitarbeiterkontrolle 26 mwN.

[67] Vgl Reissner in ZellKomm2 § 96 ArbVG Rz 24 mwN.

[68] Vgl OGH 13.06.2002, 8 ObA 288/01p; 20.03.2015, 9 ObA 23/15w.

[69] Der OGH hat hier zB den Zugriff auf gesammelte Daten nur im Verdachtsfall und in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat genannt (OGH 13.06.2002, 8 Ob A 288/01p).

[70] Vgl Grünanger/Goricnik, Arbeitnehmerdatenschutz und Mitarbeiterkontrolle 193 mwN.

[71] Vgl zum Angestelltenbegriff Drs in ZellKomm2 § 1 AngG Rz 14 ff.

[72] Vgl Drs in ZellKomm2 § 3 EFZG Rz 2 ff.

[73] Vgl Drs in ZellKomm2 § 3 EFZG Rz 10.

[74] Vgl Reissner in ZellKomm2 § 6 UrlG Rz 5 ff.

[75] Vgl Rebhahn in ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 47 f.

[76] Vgl § 1 Abs 1 und 1a BMSVG; § 1 Abs 1 IESG; § 10 Abs 1 Z 7 AKG; § 2 lit a KommStG 1993.

[77] § 2 Bundesgesetz über die Einhebung eines Wohnbauförderungsbeitrages; § 2 Gesetz über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe (Landesgesetz Wien).

[78] Die Lohnsteuerpflicht richtet sich nach dem steuerrechtlichen DienstnehmerInnenbegriff (§ 47 Abs 2 S 1 EStG), der aber im Wesentlichen ident mit dem arbeitsrechtlichen ArbeitnehmerInnenbegriff ist. Ist dieser erfüllt, so liegt automatisch auch eine Pflichtversicherung als DienstnehmerIn gemäß § 4 Abs 2 ASVG vor (§ 4 Abs 2 S 3 ASVG).

Kapitel 6 – Haushaltsnahe Dienstleistungen: Book a Tiger

Inhaltsverzeichnis

Jetzt persönliche Putzkraft finden

Dr. Johannes Warter

Die neue Arbeitsorganisation durch digitale Plattformen stellt das Arbeitsrecht vor neue Herausforderungen. Am praktischen Beispiel von Book a Tiger wird nachfolgend eine rechtliche Beurteilung vorgenommen, bei der die Probleme der herkömmlichen arbeitsrechtlichen Betrachtungsweise augenscheinlich werden. Zudem werden auch vertragsrechtliche und zivilrechtliche Themen behandelt.

1. Sachverhalt

„BOOK A TIGER – Jetzt persönliche Putzkraft finden. Geschult, versichert und vertrauenswürdig.“ Bei diesem Spruch handelt es sich um einen Werbeslogan der Internetplattform Book a Tiger, bei der AuftraggeberInnen Reinigungkräfte für bestimmte Reinigungstätigkeiten für Privathaushalte und kleine Büros buchen können.[1]Abrufbar unter https://www.bookatiger.com/at-de/ (29.09.2016).

Book a Tiger ist somit ein Beispiel der sogenannten Plattform-Ökonomie (Gig-Economy), bei der Internetplattformen als (vermeintliche) Vermittlerinnen zwischen den Arbeitskräften und den AuftraggeberInnen auftreten, wobei in concreto eben nicht Fahrten wie bei Uber oder Zimmer wie bei Airbnb, sondern eben Arbeitskräfte im Allgemeinen und Putzkräfte im Besonderen vermittelt werden.

Ganz wesentlich für diese Art der Plattform-Ökonomie ist – und das schreibt ein anderer Anbieter ausdrücklich in seinen AGB: „Der Markplatz funktioniert nur, wenn das Engagement der Teilnehmer der Aktivität der Kunden entspricht oder diese übersteigt.“ [2]Vgl Pkt 5 lit d sublit iii der AGB von 99designs: „Der Markplatz funktioniert nur, wenn das Engagement der Designer der Aktivität der Kunden entspricht oder diese übersteigt.“, https://99designs.at/legal/terms-of-use (29.09.2016). Dass dies auf den Bereich der Reinigungskräfte zutrifft, ist aufgrund der niedrigen Qualifikationsanforderungen und der niedrigen Zugangsschwellen für diese Tätigkeit nachvollziehbar.

1.1 Allgemeines

Angeboten werden die Dienste von Book a Tiger bisher in Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden und auch Österreich. Der angebotene Service ist in Österreich – zumindest derzeit – nur im Großraum Wien verfügbar.[3]Neben Wien wird der Service auch für die Gemeinden Gerasdorf bei Wien, Korneuburg, Langenzersdorf, Maria Enzersdorf, Perchtoldsdorf, Schwechat, Seyring und Wiener Neudorf angeboten. Siehe https://www.bookatiger.com/at-de/ (29.09.2016).

Eigentümerin der Plattform ist die BOOK A TIGER Austria GmbH, eine 100%ige Tochter der BOOK A TIGER Household Services GmbH mit Sitz in Berlin.[4]Firmenbuchauszug der Republik Österreich, Firmenbuchauszug FN 424565k, 20.09.2016. GeschäftsführerIn und GründerIn sind Claude Ritter und Nikita Fahrenholz, die gemeinsam bereits die Plattform Lieferheld gegründet und aufgebaut haben. Komplettiert wird die Geschäftsführung durch Ulrich Lewerenz.[5]Handelsregisterauszug Amtsgericht Charlottenburg, HRB 156833 B, 09.2016. Siehe auch http://www.starting-up.de/news/gruender-der-woche/gruender-der-woche-book-a-tiger.html (29.09.2016).

1.2 Was macht die Plattform?

Im gesamten Prozess lassen sich drei beteiligte Personen identifizieren: Die AuftraggeberInnen, die Plattform und die Reinigungskräfte (siehe Abb 1). Um bei der Plattform als sogenannter „Tiger“ aufgenommen zu werden, müssen die BewerberInnen einen mehrstufigen Aufnahmeprozess durchlaufen.

Die potenziellen Reinigungskräfte melden sich über die Homepage mithilfe eines Onlineformulars an und werden im Anschluss per Telefon befragt. Die Anmeldung kann aber auch über eine eigene App („BE A TIGER App“) durchgeführt werden.[6]Heiling/Kuba, Arbeit für/durch die Plattform, Kurswechsel 2/2016, 13 (15).

Darüber hinaus wird auf der Plattform angegeben, dass die BewerberInnen (in Deutschland) auch Testreinigungen absolvieren.[7]Vgl https://www.bookatiger.com/at-de/faq (29.09.2016); so auch Geschäftsführer Ritter im Interview mit starting-up, http://www.starting-up.de/news/gruender-der-woche/gruender-der-woche-book-a-tiger.html (29.09.2016). Außerdem muss (in Österreich) eine Kopie des Personalausweises, des Gewerbescheines und eines polizeilichen Führungszeugnisses übermittelt werden. So soll seitens der Plattform sichergestellt werden, dass sowohl die Qualität als auch die Vertrauenswürdigkeit der Putzkräfte stimmt.

Mittlerweile wurde auch bereits berichtet, dass Book a Tiger Putzkräfte fest angestellt hätte. Ob ein derartiges Vorgehen auch in Österreich vorgenommen wird, bleibt offen.[8]Eine diesbezügliche Anfrage wurde von der BOOK A TIGER Austria GmbH nicht beantwortet.

Abbildung 1: Am Prozess beteiligte Personen

Quelle: Anlehnung an Warter, Crowdwork 20

1.3 Angepriesene Vorteile für die „Tiger“ und die AuftraggeberInnen

Durch die Tätigkeit der Plattform ergeben sich einige Vorteile für die Reinigungskräfte: Die Plattform übernimmt die Kommunikation mit den KundInnen. Ebenso werden Marketing-Instrumente zentral von der Plattform gesteuert bis hin zum Ausstellen der Rechnung.[9]Vgl Ritter im Interview mit starting-up, http://www.starting-up.de/news/gruender-der-woche/gruender-der-woche-book-a-html (29.09.2016). Dem „Tiger“ obliegt letzten Endes nur mehr die Ausführung der Arbeit.

Zudem verfügen alle Reinigungskräfte (in Deutschland) über eine Betriebshaftpflichtversicherung, die die Plattformbetreiberin mit einem Versicherungspartner abgeschlossen hat.[10]Ritter im Interview mit starting-up, http://www.starting-up.de/news/gruender-der-woche/gruender-der-woche-book-a-tiger.html (29.09.2016). In Österreich ist keine derartige Haftpflichtversicherung vorgesehen.

Die AuftraggeberInnen andererseits können flexible Dienstleistungen in Anspruch nehmen, ohne eine langfristige Vertragsbindung einzugehen. Eine gewisse Qualitätssicherung und Sicherstellung der Vertrauenswürdigkeit wird durch Zugangsbeschränkungen sowie Feedback- und Bewertungsmechanismen gewährleistet. Abschließend bietet die Haftpflichtversicherung (in Deutschland) auch Vorteile für die AuftraggeberInnen, die sich bei Schäden nicht an den Reinigungskräften schadlos halten müssen.

1.4 Der Vermittlungsprozess

Die Tiger selbst müssen sich, bevor sie tätig werden können, auf der Webseite von Book a Tiger registrieren. Dazu müssen sie verschiedene persönliche Daten in eine Oberfläche eingeben, wie Name, Adresse, E-Mail-Adresse und Telefonnummer. Darüber hinaus ist aber auch verpflichtend anzugeben, ob man EU-Bürger ist, welche Sprachen man spricht und ob ein gültiges Visum und eine aufrechte Arbeitsgenehmigung (falls erforderlich) vorliegen. Des Weiteren müssen potenzielle Tiger auch angeben, ob sie arbeitssuchend, StudentInnen, in Teilzeit oder Vollzeit beschäftigt sind.[11]Siehe https://www.bookatiger.com/at-de/professional/signup (29.09.2016).

Nach Absendung der Anmeldung wird der potenzielle Tiger im Rahmen eines Telefoninterviews befragt.[12]Heiling/Kuba, Kurswechsel2/2016, 15; https://www.bookatiger.com/at-de/professional/signup (20.09.2016). Abschließend wird der Account durch die Plattformbetreiberin freigeschalten. Dem Tiger werden danach diverse Arbeitsangebote zugesandt, die er/sie auf elektronischem Wege annehmen kann oder nicht.[13]Trotz intensiver Internetrecherche, schriftlicher und mündlicher Anfragen sowie einer Anmeldung als Reinigungskraft, die allerdings nicht zu einer Freischaltung geführt hat, bleibt offen, ob Reinigungskräfte bei Annahme von Reinigungsangeboten eigenen AGB zustimmen müssen. Die rechtliche Beurteilung dieses Beitrags erfolgt unter der Annahme, dass keine eigenen AGB bestehen und angeklickt werden müssen.

Die AuftraggeberInnen müssen sich bei Book a Tiger im Vergleich zu anderen Plattformen hingegen selbst nicht registrieren. Für sie genügt es, im Rahmen des Auftragsprozesses die notwendigen Daten, wie die Adresse der zu reinigenden Wohnung, den Termin sowie die Häufigkeit der Reinigung anzugeben und die AGB der Plattformen anzuklicken.

1.5 Der Bewertungsprozess

Nach erfolgter Reinigung kann die arbeitende Person von dem/der AuftraggeberIn bewertet werden. Dazu wird eine einfache Skalierung mithilfe von Sternen verwendet. Ebenso wird ein Textfeld für kurze Anmerkungen zur Verfügung gestellt.

Inwieweit dieser Bewertungsprozess Einfluss auf die weiteren Tätigkeitsmöglichkeiten der Reinigungskräfte hat, ist unklar.

In früheren Versionen konnten AuftraggeberInnen zwischen verschiedenen Klassen von Reinigungskräften (Classic, Premium etc) auswählen. Hierbei diente vermutlich die Anzahl der Bewertungen in Kombination mit der Höhe der Bewertung als Kriterium, um „Premium“-Reinigungskräfte anbieten zu können.[14]So wird dies beispielsweise auf der Plattform Amazon Mechanical Turk gehandhabt; siehe Warter, Crowdwork (2016)

Die Abstufung zwischen normalen und professionellen Reinigungskräften ist in der neueren Version allerdings nicht mehr vorgesehen. Die Ratings dienen nunmehr vermutlich dazu, dass Reinigungskräfte mit niedrigen Ratings weniger bzw keine Aufträge mehr angeboten bekommen.

„Je besser die Kundenbewertungen, desto positiver wird voraussichtlich Ihre Auftragslage sein – so können Sie die Höhe Ihres Zusatzverdienstes aktiv beeinflussen.“ [15]Siehe http://www.nebenjob.de/geld-verdienen/geld-verdienen-reinigungskraft-book-a-tiger.html (21.12.2016).

2. Rechtliche Beurteilung

Aufbauend auf dem zuvor geschilderten Sachverhalt soll nun nachfolgend versucht werden, eine rechtliche Einordnung vorzunehmen. Dazu wird zunächst die Frage beantwortet: Wann kommt mit wem ein Vertrag zustande? Anschließend soll die Frage beantwortet werden, welcher Vertragstyp vorliegt.

2.1 Intendierte vertragsrechtliche Gestaltung

Wie die vertragsrechtliche Ausgestaltung aussehen soll, hat die Plattform Book a Tiger in ihren AGB ausdrücklich geregelt.

Die BOOK A TIGER Austria GmbH betreibt demnach eine Online-Vermittlungsplattform, über die AuftraggeberInnen haushaltsnahe Dienstleistungen buchen können. Es komme dabei allerdings nur ein Vertrag zwischen den AuftraggeberInnen und den Reinigungskräften zustande (Abb 2). Book a Tiger selbst biete hingegen keine Reinigungstätigkeiten an und trete ausschließlich als Vermittler auf. Book a Tiger vermittle auch keine eigenen MitarbeiterInnen.[16]AGB zur Nutzung von Book a Tiger: Abs 1; 2 Abs 1.

Abbildung 2: Intendierte Vertragsverhältnisse bei Book a Tiger

Quelle: eigene Darstellung

Book a Tiger trete mit Einverständnis der jeweiligen Reinigungskräfte als Vertreterin mit Abschlussvollmacht auf. Book a Tiger sei berechtigt, für die Reinigungskräfte Buchungsanfragen von AuftraggeberInnen entgegenzunehmen und nach Freigabe durch die Person zu bestätigen. Des Weiteren sei Book a Tiger berechtigt, Zahlungen für die Tiger in Empfang zu nehmen und diese weiterzuleiten. Book a Tiger könne auch Rechnungen und Zahlungsaufforderungen im Namen der Reinigungskräfte ausstellen.[17]AGB zur Nutzung von Book a Tiger: 3 Abs 1.

Abschließend komme der Dienstleistungsvertrag zustande, indem Book a Tiger nach Freigabe durch den/die DienstleisterIn die Buchungsanfrage gegenüber dem Kunden/der Kundin bestätigt.[18]AGB zur Nutzung von Book a Tiger: 3 Abs 2.

2.2 Zustandekommen der Vertragsverhältnisse

Durch die Prozessausgestaltung lässt sich der Prozess in zwei Phasen gliedern: Zunächst müssen sich die Tiger auf der Plattform registrieren. Erst in der zweiten Phase können sie angebotene Arbeiten annehmen und anschließend ausführen.

Durch die Prozessausgestaltung, dass zunächst eine Registrierung und erst anschließend die Bearbeitung der Aufträge erfolgen kann, lässt sich der Prozess in zwei Phasen gliedern: Zunächst müssen sich die Tiger auf der Plattform registrieren. Erst in der zweiten Phase können sie angebotene Arbeiten annehmen und anschließend ausführen.[19]Vgl Warter, Crowdwork

Abbildung 3: Zwei Phasen des Arbeitsprozesses auf Book a Tiger

Quelle: Anlehnung an Warter, Crowdwork 103

2.2.1 Erste Phase – Registrierung

Der erste Schritt des Prozesses auf der Plattform ist, dass sich die Reinigungskräfte auf der Plattform registrieren müssen. Dazu werden verschiedene persönliche Daten, wie zB Name, Nationalität, Adresse usw in eine vorgegebene Oberfläche eingegeben.

Das Absenden der Registrierung samt der persönlichen Daten stellt jedoch nur das Angebot für den Vertrag dar. Dieses Angebot wird nach dem Telefoninterview durch Freischaltung des persönlichen Accounts und etwaiger Verständigung per E-Mail seitens der Plattform angenommen. Die Angaben auf der Webseite der Plattform (zB „Jetzt als selbständige Reinigungskraft registrieren und profitieren![20]https://www.bookatiger.com/at-de/professional/signup/?source=banner (30.09.2016).) stellen ähnlich einem Katalog lediglich Einladungen zur Anbotsstellung – in diesem Fall der Registrierung – dar. Sie sind unverbindliche Anpreisungen der einen Seite.[21]Vgl Warter, Crowdwork 108; Sonntag, Einführung in das Internetrecht2, 304; Wiebe in Kletečka/Schauer, ABGB-ON01 § 861 Rz 18 (Stand Juli 2013, rdb.at); Kletečka in Koziol – Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 (2014) Rz 402; Riedler in Schwimann, ABGB Praxiskommentar3 § 861 ABGB Rz 4 f; Rummel in Rummel, ABGB3 (2000) § 861 Rz 7.

Durch die übereinstimmenden Willenserklärungen bzw die Annahme durch Leistung (Freischalten des Accounts) kommt ein Vertragsverhältnis zwischen Book a Tiger und der Reinigungskraft zustande, dessen Inhalt die Weiterleitung von Aufträgen an die Reinigungskräfte ist. Pflichten zur Arbeitsleistung oder Zahlung eines Entgelts werden durch dieses Vertragsverhältnis jedoch noch nicht begründet.

Anders als bei den meisten anderen Plattformen muss bei der Registrierung auf Book a Tiger kein Kästchen über die Zustimmung zu den AGB sowie den Datenschutzbestimmungen angeklickt werden. Es wird somit bei der Registrierung nicht ausdrücklich auf die AGB Bezug genommen. Fraglich ist somit, ob die AGB überhaupt Vertragsbestandteil beim Registriervorgang werden (siehe Abb 4).

AGB werden grundsätzlich nicht von selbst Vertragsbestandteil, sie müssen vielmehr durch die Parteien vereinbart werden. Allerdings kann diese Vereinbarung auch stillschweigend erfolgen.[22]Kletečka in Koziol-Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 Rz 430 f.

Es ist daher ausreichend, wenn der/die eine VertragspartnerIn vor dem Abschluss erklärt, dass er/sie nur zu den AGB kontrahiert und sich der/die andere PartnerIn daraufhin mit ihm/ihr einlässt. Ansonsten darf eine stillschweigende Unterwerfung des Kunden/der Kundin nur angenommen werden, wenn ihm/ihr deutlich erkennbar ist, dass der/die UnternehmerIn nur zu seinen/ihren AGB abschließen will. An die Annahme einer schlüssigen Erklärung ist ein strenger Maßstab zu legen.[23]Kletečka in Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I13 (2006) 132.

Da im gesamten Registriervorgang keinerlei Bezug auf die AGB genommen wird und die AGB auch ausschließlich bei einer Buchung seitens der AuftraggeberInnen angeklickt werden müssen, die Tiger somit auch nie selbst mit den AGB konfrontiert werden (außer im Fall, dass sie selbst bei Book a Tiger eine Buchung einer Reinigungskraft vornehmen), ist meines Erachtens davon auszugehen, dass die AGB nicht Vertragsbestandteil des Vertragsverhältnisses der ersten Phase zwischen der Plattformbetreiberin und den Reinigungskräften werden.[24]Trotz intensiver Internetrecherche, schriftlicher und mündlicher Anfragen sowie einer Anmeldung als Reinigungskraft, die allerdings nach wie vor nicht zu einer Freischaltung geführt hat, bleibt offen, ob Reinigungskräfte bei Annahme von Reinigungsangeboten eigenen AGB zustimmen müssen.

Abbildung 4: Screenshot der Webseiten-Oberfläche zur Registrierung für Reinigungskräfte

Quelle: https://www.bookatiger.com/at-de/professional/signup/?source=banner (30.12.2016)

Informationshalber sei darauf hingewiesen, dass die VertragspartnerInnen nach hM[25]Graf in Kletečka/Schauer, ABGB-ON01 § 864a Rz 11; Kletečka in Koziol-Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 Rz 431. und Rsp[26]StRsp OGH 17.06.1980, 4 Ob 562/79; zuletzt OGH 25.05.2016, 2 Ob 103/15h; siehe RIS-Justiz RS0014506. darüber hinaus unter Anwendung eines normalen Sorgfaltsmaßstabs zumindest die Möglichkeit haben müssten, vom Inhalt der Bedingungen Kenntnis zu nehmen. Für die arbeitenden Personen auf Book a Tiger wäre dies unproblematisch möglich. Die AGB von Book a Tiger sind auf der Homepage einzusehen und auch relativ einfach herunterzuladen.

2.2.2 Zweite Phase – einzelne Arbeitsaufträge

In einem nächsten Schritt wird nun die zweite Phase, somit die konkrete Abarbeitung der einzelnen angebotenen Reinigungstätigkeiten näher behandelt. Nachdem in der ersten Phase das Vertragsverhältnis zwischen den Reinigungskräften und der Plattformbetreiberin mit dem Inhalt der Übermittlung von Reinigungsangeboten[27]Siehe dazu näher in Abschnitt „Qualifikation der 1. Phase“. entsteht, stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage, zwischen wem die einzelnen Reinigungsverträge der zweiten Phase zustande kommen. Dazu stehen grundsätzlich zwei verschiedene Möglichkeiten offen: Der Vertrag wird mit

› der Plattformbetreiberin oder

› den AuftraggeberInnen geschlossen.

Bei der ersten Möglichkeit handelt es sich um eine reine Vertragskette (vgl Abb 5). Die vertraglichen Beziehungen spannen sich von den Reinigungskräften über die Plattformbetreiberin zu den AuftraggeberInnen, wobei jedoch hinsichtlich der einzelnen Reinigungsaufträge kein direktes Rechtsverhältnis zwischen den AuftraggeberInnen und den Reinigungskräften zustande kommt.

Abbildung 5: Vertragskette oder direktes Vertragsverhältnisse

Quelle: Anlehnung an Warter, Crowdwork 108

Bei der zweiten Möglichkeit handelt es sich um ein direktes Vertragsverhältnis zwischen den AuftraggeberInnen und den Reinigungskräften, bei dem die Plattformbetreiberin lediglich eine Vermittlungsposition einnimmt, so wie das auch in den AGB vorgesehen wäre.[28]AGB zur Nutzung von Book a Tiger: Abs 1; 2 Abs 1.

2.2.2.1 Grundlagen

Ganz grundsätzlich kommt es für die rechtliche Beurteilung, wer nun genau VertragspartnerIn der Reinigungskräfte wird, auf die Frage an, wem genau eine Willenserklärung zuzurechnen ist. Dem ABGB wohnt dabei der allgemeine Grundsatz inne: Wer handelt, handelt für sich selbst. Damit ist gemeint, dass sich grundsätzlich jeder/jede sein/ihr eigenes Verhalten zurechnen lassen muss.[29]Kletečka in Koziol-Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 Rz 622; Flume, Das Rechtsgeschäft4 (1992) 7; vgl Warter, Crowdwork

Will eine Person aber für eine andere Person tätig werden, ist dies durch Stellvertretung oder als Bote/Botin möglich. Voraussetzung für eine Stellvertretung oder eine Botenschaft ist jedoch eine Offenlegung derselben. Die Offenlegung muss nicht ausdrücklich erfolgen, im Rahmen der Vertrauenstheorie genügt in beiden Fällen, wenn dem/der GeschäftspartnerIn erkennbar ist, dass der/die Erklärende nicht für sich selbst, sondern für jemand anderen handelt.[30]OGH 4 Ob 6/02i, SZ 2002/145 = ÖBA 2004, 111 (Popp); vgl Strasser in Rummel, ABGB3 1002 ABGB Rz 50, 53 ff; Rubin in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1002 ABGB (Stand 01.06.2015, rdb.at) Rz 43, 56 ff; Apathy in Schwimann/ Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 1002 ABGB Rz 5 ff, Kletečka in Koziol-Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 Rz 622, 695 ff. Wird nicht ausreichend offengelegt, dass das Geschäft für jemand anderen geschlossen wird, liegt ein Eigengeschäft vor, bei dem sich der/die Erklärende selbst verpflichtet.[31]OGH 11.1995, 3 Ob 120/95; Kletečka in Koziol-Welser, Bürgerliches Recht I13 200; Apathy in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 1002 ABGB Rz 5.

Wird ein Fremdgeschäft (ausreichend) offengelegt, hängt die Abgrenzung der Frage, ob jemand als VertreterIn oder als Bote/Botin eines/einer anderen anzusehen ist, nicht vom Willen des Geschäftsherrn ab, sondern richtet sich allein nach dem tatsächlichen Auftreten gegenüber dem/der GeschäftspartnerIn.[32]Kletečka in Koziol-Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 Rz 697; Flume, Das Rechtsgeschäft4 755 ff; Rubin in Kletečka/ Schauer, ABGB-ON02 § 1002 ABGB (Stand 01.06.2015, rdb.at) Rz 64; Apathy in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 1002 ABGB Rz 6; stRsp OGH 15.12.1980, 8 Ob 527/80; zuletzt OGH 28.09.2006, 4 Ob 127/06i = RIS-Justiz RS0019600. Im Gegensatz zu einem Boten/einer Botin bildet der/die VertreterIn den Willen selbst, der Bote/die Botin hingegen übermittelt lediglich – als verlängerte Hand des Auftraggebers/der Auftraggeberin – dessen/deren Willen.[33]Warter, Crowdwork 109; Kletečka, in Koziol-Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 Rz 695 f; Flume, Das Rechtsgeschäft4 755 ff; Rubin in Kletečka/Schauer, ABGB-ON02 § 1002 ABGB (Stand 01.06.2015, rdb.at) Rz 56; Strasser in Rummel, ABGB3 § 1002 ABGB Rz 53; OGH 12.11.2009, 6 Ob 217/09v = RIS-Justiz RS0125520.

2.2.2.2 Problematik bei „Vermittlungsplattformen“

Weiters ist auszuführen, dass Vermittlungsplattformen meines Erachtens eine „janusköpfige“ Offenlegungspflicht trifft. Damit ist gemeint, dass für ein direktes Vertragsverhältnis zwischen den AuftraggeberInnen und den arbeitenden Personen beiden Parteien jeweils ausreichend offengelegt werden muss, dass die Plattform lediglich eine Vermittlungsfunktion einnimmt. Wird dies schon bei einer Partei nicht erfüllt, liegt ein Eigengeschäft vor, was meiner Meinung nach ein direktes Vertragsverhältnis ausschließt. Daran würde auch eine nachträgliche Offenlegung nichts ändern.[34]StRsp OGH 16.01.2001 4 Ob 323/00d; zuletzt OGH 14.08.2008 2 Ob 105/08t = RIS-Justiz RS0114656.

Wie bereits bei der intendierten Vertragsgestaltung dargestellt, muss darauf geachtet werden, dass die Selbstbeschreibung der Plattformen als reine „Marktplätze“ für Arbeitskraft nicht prüfungslos übernommen wird.[35]Vgl Kocher/Hensel, Herausforderungen des Arbeitsrechts durch digitale Plattformen – ein neuer Koordinationsmodus von Erwerbsarbeit, NZA 2016, 984 (985). Andererseits dürfen in diesem Prüfungsstadium nicht inhaltliche Argumente das Ergebnis beeinflussen.

Plattformen sind oft nicht nur neutrale, technische Bindeglieder zwischen AuftraggeberInnen und Arbeitskräften, sondern definieren und koordinieren oftmals selbst die Arbeitstätigkeiten. Sie sind zentrale Playerin und beanspruchen den Arbeitsprozess vom Zugang bis zum Abschluss in dominanter Weise zu bestimmen.[36]Kocher/Hensel, NZA 2016, 984, 986. Diese inhaltlichen Argumente haben aber aus vertragsrechtlicher Sicht zunächst unberücksichtigt zu bleiben.[37]Warter, Crowdwork 101, 111 ff mwN.

Vertragsrechtlich (!) kann es im Rahmen der Privatautonomie zunächst zu einem Ergebnis kommen, das nicht der tatsächlichen Machtausübung im Dreieck der Parteien entspricht. Die anschließende Lösung dieser schwierigen Frage und die Herstellung bzw Findung einer sachgerechten Beurteilung muss meiner Meinung nach aber erst in einem zweiten Schritt erfolgen und kann nicht im ersten vorweggenommen werden.

Im konkreten Einzelfall wird somit zunächst geprüft, ob die Plattform Book a Tiger den AuftraggeberInnen in ausreichendem Maße offenlegt, dass sie die Verträge nicht in eigenem Namen, sondern im Namen der jeweiligen Putzkraft abschließt. Geschieht dies in einer Weise, bei der auch redliche ErklärungsempfängerInnen davon ausgehen können, dass die Erklärung der Putzkraft zuzurechnen ist (und nur dann), veröffentlicht die Plattform entweder als Botin oder als Vertreterin die Willenserklärung für die Reinigungskräfte.

2.2.2.3 Qualifikation in den AGB

Nun ist allerdings – wie bereits erwähnt – in den AGB ausdrücklich vorgesehen, dass der Dienstleistungsvertrag direkt zwischen den AuftraggeberInnen und den Reinigungskräften – und nicht etwa mit der Plattformbetreiberin – zustandekommen soll.[38]AGB zur Nutzung von Book a Tiger: Abs 1: „(…) Der Dienstleistungsvertrag kommt zwischen dem Kunden und dem Reinigungsdienstleister zustande“. Siehe auch 3 AGB: „Book a Tiger tritt im Einverständnis der jeweiligen Dienstleister als Vertreter mit Abschlussvollmacht auf und ist berechtigt, für den Dienstleister Buchungsfragen von Kunden entgegenzunehmen und nach Freigabe des Dienstleisters zu bestätigen. (…)“. Fraglich ist somit, inwieweit eine Klarstellung in den AGB Einfluss darauf hat, wie ein/eine redlicher/redliche ErklärungsempfängerIn die Erklärung verstehen durfte.

Hierzu ist festzuhalten, dass bei der Auslegung von Willenserklärungen nach §§ 914 f ABGB auch sämtliche die Willenserklärung begleitenden Umstände zu berücksichtigen sind.[39]Siehe zB OGH 30.05.2016, 6 Ob 87/16m. Ob jemand als VermittlerIn zu qualifizieren ist, bestimmt sich danach, welchen Eindruck ein/eine redlicher/redliche ErklärungsempfängerIn aufgrund der zurechenbaren Umstände gewinnen musste. Dies insofern, als dass das ABGB die Willenstheorie ablehnt und der Vertrauenstheorie folgt.[40]Kletečka in Koziol-Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 Rz 459; Gschnitzer in Klang (Hrsg), Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, Band IV, Halbband 1² (1968) 73, Widersprüchliche Erklärungen gehen gemäß § 915 ABGB zu Lasten desjenigen/derjenigen, der/die sich ihrer bedient hat. Demnach schließt, wer als Reinigungsunternehmer auftritt, auch dann einen Reinigungsvertrag ab, wenn er/sie in den AGB darauf hinweist, er/sie sei nur VermittlerIn.[41]Vgl hierzu vor allem die Ausführungen zur Abgrenzung von Reiseveranstaltung und Apathy in Schwimann/ Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 31b KSchG Rz 10; Krejci in Rummel, ABGB3 § 31b KSchG Rz 7; OGH 29.1.2015, 6 Ob 22/14z; uvm. Siehe auch EuGH 09.11.2016, C-149, Wathelet. Zwar handelt es sich hier stets um VerbraucherInnengeschäfte, aber auch bei Plattformen wie Book a Tiger liegen oftmals VerbraucherInnengeschäfte vor. Darüber hinaus können diese Grundsätze auch auf andere Geschäfte übertragen werden, wenn auch der Maßstab sich ein wenig verschieben mag.

Unterlässt die Plattform eine deutliche Klarstellung, dass es sich um Fremdleistungen (und nicht um Leistungen von ErfüllungsgehilfInnen) handelt, haftet sie aufgrund der unterlassenen Offenlegung der VermittlerInnenstellung als Reinigungsunternehmen kraft Anschein.[42]Vgl zB OGH 1 Ob 80/11p, Zak 2011, 253 = RdW 2011, 595; OGH 7 Ob 524/93, SZ 66/69; OGH 29.01.2015, 6 Ob 22/14z.

2.2.2.4 Konkrete Prüfung

Sieht man sich zunächst die Startseite von Book a Tiger an (siehe unten Abb 6), so findet zunächst keine ausdrückliche Offenlegung, dass Book a Tiger lediglich eine Vermittlungsplattform sei bzw dass sie im Auftrag von selbständigen Putzkräften Aufträge vermittelt, statt.[43]Vgl im Gegensatz dazu die Plattform fragfrida.at (20.10.2016), eine Vermittlungsplattform für BabysitterInnen, die bereits auf der Startseite ausdrücklich und klar an prominenter Stelle festhält, dass die Plattformbetreiberin lediglich eine Vermittlungstätigkeit ausübt.

Man könnte unter Umständen durch den Wortlaut der Überschrift „Jetzt persönliche Putzkraft finden“ argumentieren, dass sich aus dem Wort „finden“ eine Vermittlungstätigkeit der Plattform und daraus eine Offenlegung ableiten lassen könnte. Dies überzeugt meines Erachtens jedoch nicht, denn es wird zunächst in nächster Zeile beschrieben, dass die Reinigungskräfte „qualifiziert, geprüft und vertrauenswürdig“ seien. Darüber hinaus wird links an äußerst prominenter Stelle ein Bild von einer Reinigungskraft angezeigt, die ein T-Shirt mit der Aufschrift „Book a Tiger“ trägt.

Abbildung 6: Startseite von Book a Tiger

Quelle: Screenshot vom 20.10.2016 unter https://www.bookatiger.com/at-de/

Redliche ErklärungsempfängerInnen erhalten durch die Startseite von Book a Tiger nicht nur keinerlei klare Hinweise für eine Offenlegung, ihnen wird sogar vielmehr der Eindruck vermittelt, dass eben genau keine Vermittlung durchgeführt werde, sondern Leistungen von Book a Tiger gebucht werden.

Auch beim anschließenden Buchungsvorgang wird zu keinem Zeitpunkt von einer Vermittlung gesprochen. Nach Eingabe der Adresse werden den AuftraggeberInnen die verschiedenen Optionen und Preise angezeigt (siehe Abb 7).

Abbildung 7: Buchungsvorgang auf Book a Tiger

Quelle: Screenshot vom 20.10.2016 unter https://www.bookatiger.com/at-de/app/subscription/step2

Auch bei der Auswahl der verschiedenen Angebote ergibt sich für redliche ErklärungsempfängerInnen kein Hinweis, dass sie in diesem Fall in ein direktes Vertragsverhältnis mit der jeweiligen Reinigungskraft treten würden. Gleiches gilt auch für die darauffolgende Oberfläche der Bezahlung.

Nach Abschluss des Bezahlvorganges erhält man von der Plattform eine Buchungsbestätigung mit einer Zusammenfassung der eingegebenen Daten. Wiederum ist kein Hinweis auf eine Vermittlungstätigkeit zu finden.

Kurze Zeit später erfolgt eine weitere Bestätigung, bei der der gebuchte Termin final bestätigt wird (vgl Abb 8). Diese ist beinahe ident mit der ersten Bestätigung, ergänzt allerdings um den Zusatz, dass für den Auftrag eine bestimmte Reinigungskraft „gefunden“ wurde. Durch das Verb „finden“ könnte möglicherweise wiederum auf eine Offenlegung der Vermittlungstätigkeit geschlossen werden.

Da es sich bei der eigenen Wohnung um eine für viele Menschen sensible Sache handelt, könnte aber ebenso argumentiert werden, dass die Plattformbetreiberin die AuftraggeberInnen vorab über den Namen der Reinigungskraft aufklären möchte, die sie entweder als SubunternehmerIn oder als angestellte ArbeitnehmerIn für den Auftrag „gefunden“ hat.

Abbildung 8: Buchungsbestätigung

Quelle: Buchungsbestätigung für meine getätigte Buchung für den 23.04.2016

2.2.2.5 Ergebnis

Zusammenfassend lässt sich somit sagen, dass im Gegensatz zu anderen Plattformen im Rahmen des Bestellprozesses bis auf die Wörter „finden“ und „gefunden haben“ keinerlei Hinweise außerhalb der AGB auf eine Tätigkeit lediglich als Vermittlungsplattform deuten.

Vielmehr dürfen meiner Meinung nach redliche ErklärungsempfängerInnen durch das Bild der Reinigungskraft mit einem Book-a-Tiger-T-Shirt mitsamt den Attributen „qualifiziert, geprüft, vertrauenswürdig“ sowie dem Logo und der Firma „Book a Tiger“, welches sich auf jeder Seite des Internetauftritts findet, ausgehen, dass es sich bei der Vertragspartnerin um die Plattformbetreiberin handelt, welche ihrerseits die Aufträge an ihre Reinigungskräfte weitergibt. Es wird keine deutliche Klarstellung vorgenommen, dass es sich um Fremdleistungen und nicht um Leistungen von ErfüllungsgehilfInnen handelt.

Durch die Unklarheitsregel ist die Willenserklärung meines Erachtens der Plattform zuzurechnen und es liegt dementsprechend ein Eigengeschäft vor.

2.2.3 Zustandekommen des Vertrages über die Reinigungsdienstleistung

In einem weiteren Schritt ist nun abzuklären, ob bzw wann ein Vertrag über die Reinigungstätigkeit mit der Reinigungskraft zustandekommt. Die Willenserklärung (Buchung) der AuftraggeberInnen wird nicht unverändert an die Reinigungskräfte übermittelt. Vielmehr wird dafür von der Plattform eine eigene Oberfläche erzeugt, in der beispielsweise auch ein anderer Preis angezeigt wird.[44]Die Provision wird dabei von der Plattform In früheren Versionen war hingegen noch eine Barzahlung möglich, sodass die Plattform in diesen Fällen keine Provision erhielt. Ebenso enthalten sind Angaben über Dauer und Adresse der Reinigung. Die Reinigungskräfte können diese entweder per App oder mittels PC annehmen. Nach Zusage der Reinigungskraft wird die Buchungsanfrage gegenüber dem/der AuftraggeberIn bestätigt.

Unter Annahme, dass spezielle AGB für Reinigungskräfte nicht akzeptiert werden müssen, handelt es sich bei der Buchung der Reinigungsarbeiten meines Erachtens um ein verbindliches Angebot. Es ist zunächst auf der einen Seite ausreichend bestimmt, da sämtliche Informationen vom Preis bis hin zur Adresse und Dauer bereits in der Willenserklärung enthalten sind. Das Angebot kann durch bloßes Zustimmen des/der Annehmenden angenommen werden und ist deshalb auch hinreichend bestimmt.[45]Vgl Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I13 Vgl auch OGH 21.05.1992, 8 Ob 559/92 = RIS-Justiz RS0013965; OGH 15.11.1977, 5 Ob 649/77, zuletzt OGH 15.07.1981, 1 Ob 630/81 = RIS-Justiz RS0014006; ebenso RIS-Justiz RS0013981; OGH 4 Ob 343/72, SZ 45/102; Gschnitzer in Klang IV/12 53 ff. Ebenso ist der Preis festgelegt und ein eindeutiger Bindungswille erkennbar. Eine derartige Interpretation wird auch von der Plattformbetreiberin vorgenommen.[46]AGB zur Nutzung von Book a Tiger: 3 Abs 2: „Ein Dienstleistungsvertrag kommt zustande, in dem Book a Tiger nach Freigabe des Dienstleisters die Buchungsanfrage gegenüber dem Kunden bestätigt“. Durch die Zusage der Reinigungskraft wird der Vertrag perfekt.

2.3 Zwischenergebnis

Durch den Registriervorgang kommt zwischen den Reinigungskräften und der Plattformbetreiberin ein unbefristetes Vertragsverhältnis über die Übermittlung von Reinigungsangeboten zustande („Vermittlungsvertrag“, vgl Abb 9). Später werden einzelne Reinigungsangebote an die Reinigungskräfte übermittelt, die sie per App und PC annehmen können (Verträge über Reinigungsleistungen).

Die Buchung der einzelnen Reinigungstätigkeiten von den AuftraggeberInnen ist vertragsrechtlich mangels Offenlegung als Vertrag zwischen den AuftraggeberInnen und der Plattform einzustufen.

Abbildung 9: Vertragsverhältnisse auf der Plattform Book a Tiger

Quelle: eigene Darstellung

3. Qualifikation der Vertragsverhältnisse

In einem nächsten Schritt soll nunmehr versucht werden, die Verträge rechtlich zu qualifizieren. Insbesondere die Frage, ob es sich bei dem unbefristeten „Vermittlungsverhältnis“ oder den einzelnen kurzen Reinigungsverträgen zwischen der Plattformbetreiberin und den Reinigungskräften um Arbeitsverträge, um freie Dienstverträge oder Werkverträge handelt, ist von großer Bedeutung, weil der Arbeitsvertrag nach wie vor der Angelpunkt des Arbeitsrechts ist und sämtliche arbeitsrechtlichen Schutznormen am Vorliegen eines Arbeitsvertrags anknüpfen.[47]Vgl Pfeil in Schwimann, ABGB Praxiskommentar3 1151 ABGB Rz 1 ff. Nach der herkömmlichen Beurteilungsweise müssen alle drei Vertragsverhältnisse getrennt voneinander geprüft werden.

3.1 Qualifikation der 1. Phase

In der ersten Phase registriert sich die Reinigungskraft auf der Plattform, wobei der Account nach Übermittlung der Unterlagen und Absolvierung des Telefon-Interviews von der Plattformbetreiberin freigeschaltet wird (siehe Abb 10).

Der in der ersten Phase mit dem Registrierungsprozess abgeschlossene Vertrag ist schon mangels Leistungspflicht kein Arbeitsvertrag. Er enthält weder eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung noch überhaupt ein Angebot zur Arbeit.[48]Vgl Warter, Crowdwork

Abbildung 10: Beurteilung des Vermittlungs- vertrags

Quelle: eigene Darstellung

Vertragsinhalt ist vielmehr, dass die Plattformbetreiberin der Reinigungskraft konkrete Arbeitsangebote übermittelt, die dann per Internet oder App angenommen werden können.

Aus rechtlicher Sicht könnte zunächst die Frage gestellt werden, inwieweit hier die Plattformbetreiberin eine Pflicht trifft, auch gewisse Arbeitsangebote bereitzustellen.

Andenken könnte man in diesem Fall, ob nicht ein Auftragsvertrag oder ein Maklervertrag vorliegt. Der Unterschied dieser beiden Vertragstypen liegt darin, dass MaklerInnen in der Regel diejenigen Personen, die an einem Geschäftsabschluss interessiert sind, zusammenführen, ohne im Auftrag einer der beiden Vertragsparteien zu handeln. Wesentliches Abgrenzungskriterium ist die Tatsache, dass MaklerInnen keine Pflicht haben, tätig zu werden. Zudem sind MaklerInnen grundsätzlich unabhängig und unparteiisch.[49]Schurr in Schwimann, ABGB Praxiskommentar3 (2006) § 1002 ABGB Rz 21. Aus diesem Grund ist der Maklervertrag kein Auftragsvertrag und auch nicht eine Unterart des Auftrages, sondern ein im AGBG nicht geregelter Vertrag sui generis.[50]OGH 1 Ob 531/52, SZ 25/168. Der Auftrag hingegen begründet und beinhaltet die Verpflichtung des/der Beauftragten, für den/die AuftraggeberIn tätig zu werden.[51]Welser, Bürgerliches Recht II13 (2007) 210; Strasser in Rummel, ABGB³ 1002 ABGB.

Überzeugender ist allerdings, dass es sich lediglich um einen Rahmenvertrag handelt, der grundsätzliche Bedingungen regelt. Entscheidend ist, dass keine pauschale Entlohnung mit Rücksicht auf einen Vertragsabschluss erfolgt. Die Reinigungskräfte müssen – meines Wissens – keine Vermittlungsgebühren zahlen, auch wenn sie keine Aufträge annehmen. Selbst wenn sie Aufträge annehmen, müssen sie nicht aktiv Vermittlungsprovisionen bezahlen, diese werden nämlich gleich von der Plattform einbehalten. Es herrscht vielmehr große Intransparenz über das Entgelt der Plattform, da die Plattform die Höhe der Entgelte sowohl gegenüber den AuftraggeberInnen als auch gegenüber den Reinigungskräften bestimmt, diese Berechnungen aber nicht für Dritte einsehbar sind. Die Reinigungskräfte erhalten den im Reinigungsauftrag angegebenen Preis. Was die Plattform von den AuftraggeberInnen verlangt, ist für sie nicht ersichtlich. Für die Reinigungskräfte selbst geht es nicht um die Auftragsvermittlung, sondern darum, Arbeitsangebote von der Plattform zu erhalten und diese für die Plattform auszuführen.

3.2 Qualifikation der 2. Phase: die einzelnen Reinigungsverträge

In einem zweiten Schritt ist nunmehr zu prüfen, ob die einzelnen Arbeitsaufgaben als Arbeitsverträge iSd § 1151 ABGB zu qualifizieren sind oder ob es sich um Werkverträge (oder freie Dienstverträge) und dementsprechend um rechtlich selbständige Personen handelt (siehe Abb 11).

Beim ArbeitnehmerInnenbegriff handelt es sich nach hM[52]Tomandl, Welchen Nutzen bringt ein neuer Dienstnehmerbegriff, ZAS 2008, 100 (101); Kietaibl, Arbeitsrecht I8 (2013) 23; Pfeil in Schwimann, ABGB Praxiskommentar3 1151 ABGB Rz 14. um einen Typusbegriff. Nach diesem Konzept gibt es sowohl für den Arbeitsvertrag wie auch für den Werkvertrag gewisse Merkmale, die beim jeweiligen „Kern“ des Typus voll verwirklicht sind.[53]Tomandl, ZAS 2008, 101. Der Typusbegriff ist erfüllt, wenn die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit nach der tatsächlichen Ausgestaltung in ihrer Intensität und Summe überwiegen.[54]StRsp OGH 7 Ob 288/74, HS 9514g; zuletzt OGH 22.12.2015, 1 Ob 146/15z; vgl ebenso OGH 8 ObA 48/11h, ZAS 2012/85 = ARD 6283/6/2012; 8 ObA 58/14h, ARD 6427/7/2014; Pfeil/Risak in Schwimann, ABGB Taschenkommentar3 1151 ABGB Rz 10. Allerdings sind manche Elemente des Arbeitsvertrags, wie vor allem die persönliche Arbeitspflicht, für das Vorhandensein einer persönlichen Abhängigkeit derart entscheidend, dass ein Aufwiegen durch andere Merkmale kaum bis gar nicht möglich ist.[55]Rebhahn in ZellKomm2 (2006) § 1151 ABGB R83.

Ab welchem Grad an Abweichung ein Vertragsverhältnis so „untypisch“ geworden ist, dass es nicht mehr als Arbeitsvertrag angesehen werden kann, wird letztlich im Einzelfall durch die Gerichte geklärt.[56]Tomandl, ZAS 2008, 101. Anhand der bislang entwickelten Kriterien soll nachfolgend eine Bewertung vorgenommen werden.[57]Vgl Strasser, Abhängiger Arbeitsvertrag oder freier Dienstvertrag, RdA 1992, 93 (95).

Dabei wird zunächst eine Einordnung nach der herkömmlichen Methode vorgenommen, die den Fokus auf die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin legt. Anschließend wird die von Prassl/Risak[58]Siehe hierzu Prassl, Die schwierige Suche nach dem Arbeitgeber im Englischen Recht, EuZA 2013 472–492; Prassl, The concept of the employer (2015); Prassl/Risak, Uber, TaskRabbit, & Co: Platforms as Employers? Rethinking the legal analysis of Crowdwork, Comparative Labor Law & Policy Journal (CLLPJ) 2016, 619–651; Risak, Kurswechsel 2/2016, 32–41. entworfene Methode des/der funktionalen Arbeitgebers/Arbeitgeberin zur Qualifikation des Vertragsverhältnisses angewendet.

Abbildung 11: Vertrag über die Reinigungsleistung

Quelle: eigene Darstellung

3.3 Qualifikation nach der herkömmlichen Methode

Nachfolgend soll eine Qualifikation nach der herkömmlichen Methode durchgeführt werden. Dabei werden die einzelnen Verträge über die Reinigungsleistungen zwischen der Plattformbetreiberin und der Reinigungskraft bewertet, ohne die Kontrollmaßnahmen, die aus dem „Vermittlungsvertrag“ oder der Prozessausgestaltung resultieren, zu berücksichtigen.

3.3.1 Regelung in den AGB bzw in den Erklärungen

Zunächst ist festzuhalten, dass auf die schriftliche Formulierung oder Bezeichnung des Vertrags nach stRsp[59]Statt vieler RIS-Justiz RS0111914, zuletzt OGH 30.03.2016, 4 Ob 37/16v; ebenso zuletzt OGH 25.09.2014, 9 ObA 103/14h = RS0014509. und hM[60]Rebhahn in ZellKomm2 1151 ABGB Rz 61 ff, Pfeil/Risak in Schwimann, ABGB Taschenkommentar3 § 1151 ABGB Rz 16; Rebhahn in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1151 ABGB Rz 36 (Stand 01.06.2014, rdb.at); Tomandl, Wesensmerkmale des Arbeitsvertrags in rechtsvergleichender und rechtspolitischer Sicht (1971) 76 f; Krejci in Rummel, ABGB3 (2000) § 1151 Rz 6; Kietaibl, Arbeitsrecht I8 20 f. nicht allzu viel Wert gelegt wird. Vielmehr kommt es auf die tatsächliche Handhabung der Beziehung an. Lediglich in Grenzfällen kommt der Bezeichnung eine Indizwirkung zu.[61]Vgl zB OGH 4 Ob 58/70, ZAS 1971, 138 (Krejci); 4 Ob 104/80, DRdA 1982, 191 (Strasser) = ZAS 1982,10 (Tomandl); zuletzt OGH 08.2002, 8 ObA 277/01w; Pfeil/Risak, in Schwimann, ABGB Taschenkommentar3 § 1151 ABGB Rz 16; Rebhahn in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1151 ABGB Rz 36 (Stand 01.06.2014, rdb.at); Rebhahn in ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz61 ff.

Die rechtliche Qualifikation ist den Vertragsparteien somit entzogen. Bestimmungen in den AGB wie, dass „die Dienstleistungen von selbständigen Reinigungskräften (…) auf eigene Rechnung ausgeführt“ [62]AGB zur Nutzung von Book a Tiger: Abs Unabhängig davon werden AGB nicht Vertragsbestandteil. Siehe hierzu die Ausführungen unter Abschnitt „Erste Phase – Registrierung“. werden oder dass Book a Tiger ausschließlich selbständige DienstleisterInnen vermittle[63]AGB zur Nutzung von Book a Tiger: § 2 Abs 2., sind aus diesem Grund rechtlich unbeachtlich bzw haben sie lediglich Indizwirkung.

Die Qualifikation des Vertragsverhältnisses und damit die Ableitung der Rechtsfolgen bleiben aber dennoch auch im Arbeitsrecht den Parteien überlassen und zwar indem die Parteien die Gestaltung ihrer Zusammenarbeit im Grunde selbst bestimmen können.[64]Tomandl, ZAS 2008, 100 ff; Tomandl, Wesensmerkmale 20 ff. Die Qualifikation hängt im Übrigen auch nicht vom Stand der eingesetzten Technik ab, sondern allein davon, welche Vorstellungen die Vertragsparteien von deren Einsatz bei der Arbeitsgestaltung haben und wie diese in der Praxis umgesetzt werden.[65]OGH 4 Ob 12/64, Arb 7935.

3.3.2 Mindestdauer eines Arbeitsvertrags

Die Reinigungsleistungen der Reinigungskräfte dauern zwischen zwei und sieben Stunden. Eine derart kurze Zeit schließt allerdings nach hL[66]Rebhahn in ZellKomm2 1151 ABGB Rz 77a. und der Rsp[67]OGH 4 Ob 69/75, Arb das Vorliegen eines Arbeitsvertrages nicht aus. Arbeitsverträge können auch nur für ein paar Stunden abgeschlossen werden. Wie auch schon bei anderen Formen plattformbasierten Arbeitens schließt die hM[68]Risak, ZAS 2015, 17; Warter, Crowdwork 160 f; zu Deutschland Däubler, Internet und Arbeitsrecht5 (2015) Rz 446w. auch bei sehr kurzen Vertragsverhältnissen ein Arbeitsverhältnis nicht grundsätzlich aus, wohl aber ist die Wahrscheinlichkeit einer persönlichen Abhängigkeit bei derart kurzen Zeitspannen geringer.[69]Warter, Crowdwork 161 mwN.

3.3.3 Persönliche Leistungspflicht

Für das Vorliegen eines Arbeitsvertrags ist zwischen der Pflicht zur persönlichen Arbeit und den Merkmalen persönlicher Abhängigkeit bzw Unterordnung zu differenzieren, wobei beide Elemente erforderlich sind.[70]Rebhahn in ZellKomm2 1151 ABGB Rz 85 ff, 99 ff.

Beim Merkmal der Pflicht zur persönlichen Leistung ist auszuführen, dass die arbeitende Person sowohl zur Leistung als auch zur persönlichen Leistung verpflichtet sein muss.[71]Rebhahn in ZellKomm2 1151 ABGB Rz 85.

Hierzu ist zunächst darzulegen, dass es den Reinigungskräften grundsätzlich freisteht, ob sie Buchungsanfragen der Plattformbetreiberin annehmen oder ablehnen. Haben sie allerdings ein Reinigungsangebot angenommen, sind sie verpflichtet, zugesagte Reinigungsarbeiten auch auszuführen.

Nach der hM[72]Rebhahn in ZellKomm2 1151 ABGB Rz 97; Freudhofmeier, Dienstvertrag – freier Dienstvertrag – Werkvertrag3 (2013) 32; Warter, Crowdwork 170 ff. und Rsp[73]VwGH 20.04.2005, 2001/08/0074; 19.06.1990, 88/08/0097. zur Arbeit nach dem Konsensprinzip bzw fallweiser Beschäftigung ist die Mindestanforderung einer Leistungspflicht auch bereits dann erfüllt, wenn zugesagte Arbeiten auch erfüllt werden müssen. Damit liegt im Fall der einzelnen Reinigungsaufträge ein Vertragsverhältnis mit dem erforderlichen Mindestmaß an Leistungspflicht vor.

Darüber hinaus könnte des Weiteren auch argumentiert werden, dass durch die Reputationsmechanismen die Reinigungskräfte zur regelmäßigen Übernahme von Arbeitsangeboten gedrängt werden, indem die Anzahl an geleisteten Arbeiten bei der Verteilung von neuen Arbeitsangeboten einbezogen wird. Da dieser Verteilungsalgorithmus allerdings nicht für Außenstehende einsehbar ist und auch unklar ist, ob die Anzahl an erledigten Reinigungsleistungen überhaupt einbezogen wird, bleibt dies im konkreten Fall außer Betracht.

Unklar ist außerdem, ob die Reinigungskräfte auch zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet sind. Eine persönliche Leistungspflicht ergibt sich meiner Meinung nach aus der persönlichen Anmeldung und den einzelnen Arbeitsangeboten, die nur an die einzelnen Reinigungskräfte adressiert sind. Des Weiteren würden auch die Ratingsysteme nicht funktionieren, könnten sich mehrere Personen unter einem Account abwechseln. Eine ausdrückliche Regelung fehlt jedoch.

Erfolgt die Durchführung zudem in starker organisatorischer Unterordnung, so ist zumindest denkbar, dass kurze befristete Arbeitsverträge vorliegen.

3.3.4 Organisatorische Unterordnung

Aus dem Tatbestandsmerkmal „für einen anderen“ des § 1151 ABGB werden verschiedene Merkmale des Typusbegriffs abgeleitet, nämlich insbesondere dass die Dienste fremdbestimmt, also in persönlicher Abhängigkeit, erbracht werden müssen.[74]Rebhahn in ZellKomm2 1151 ABGB Rz 99 ff.

Bei den einzelnen Reinigungsaufträgen sind Zeit, Ort und Dauer der Reinigung vorbestimmt. Es werden keinerlei Vorgaben seitens der Plattformen gemacht, wie die Reinigungskräfte ihre Arbeit zu erledigen haben. Sie können den Ablauf der Reinigungstätigkeit grundsätzlich frei gestalten. Es finden auch keine sachlichen Weisungen seitens der Plattformbetreiberin statt. Die Arbeitsmittel werden nicht von der Plattformbetreiberin zur Verfügung gestellt.

Zwar versichert die Plattform gegenüber den AuftraggeberInnen, dass Book a Tiger „im Rahmen der wirtschaftlichen und rechtlichen Kapazität darauf hinwirken wird, dass die Reinigung ordnungsgemäß und branchenüblich erfüllt wird“.[75]AGB zur Nutzung von Book a Tiger: § 7 Abs 2. Wie dieses „hinwirken“ über die Zugangskontrolle und Bewertungsmechanismen hinaus aussieht, bleibt allerdings offen.

Es könnte argumentiert werden, dass bei Reinigungstätigkeiten ohnehin kein ins Gewicht fallender Gestaltungsspielraum bleibt. So hat der VwGH in stRsp[76]Zuletzt VwGH 03.11.2015, 2013/08/0153. bereits ausgeführt, dass bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten, die auf die Art der Arbeitsausführung keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum erlauben, bei Integration in den Betrieb das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit bejaht werden kann.

Eine Integration in den Betrieb der Plattform erfolgt allerdings meines Erachtens nicht. Der arbeitsrechtliche Betriebsbegriff stellt nicht auf den örtlichen Betrieb, sondern das damit verbundene Gefüge aus Weisungsgeflechten und organisatorischen Komponenten ab. Diese liegen allerdings – den einzelnen Reinigungsauftrag betrachtend – nicht in einem ausreichenden Maße vor, da Arbeitszeit und Arbeitsdauer sowie der Ort bereits im Arbeitsangebot vordefiniert sind, der einzelne Reinigungsvertrag auch nur für wenige Stunden besteht, keine inhaltlichen Weisungen der Plattform vorliegen und auch keine inhaltliche Vorprogrammierung[77]Siehe zur These der Vorprogrammierung: Warter, Crowdwork stattfindet. Möglicherweise liegt allerdings eine Eingliederung in den Betrieb der AuftraggeberInnen vor.

Dies muss meines Erachtens nämlich dann gelten, wenn die AuftraggeberInnen während der Reinigung anwesend sind (sein können), um Weisungs und Kontrollrechte auszuüben. Hinsichtlich Weisungen wird zwar in den AGB von selbständiger Leistungserbringung gesprochen,[78]AGB zur Nutzung von Book a Tiger: Abs 1; 2 Abs 2. in der Praxis finden allerdings oft Gespräche und nähere Konkretisierungen der Arbeitsleistungen statt (siehe Abb 12).

Es könnte nun argumentiert werden, dass zwar die Plattformen selbst kein Weisungsrecht ausüben, aber den AuftraggeberInnen ein Weisungsrecht einräumen. Indiz dafür ist zB, dass die Plattform an prominenter Stelle (der Startseite) Erfahrungsberichte zeigt, in denen AuftraggeberInnen die Reinigungsleistung mit der Reinigungskraft „besprochen“ bzw diese „nach kurzer Absprache“ mit der Reinigung begonnen haben (siehe Abb 12).

Abbildung 12: Screenshot der Startseite von Book a Tiger

Quelle: https://www.bookatiger.com/at-de/putzfrau (30.12.2016)

Erfolgt zudem eine Kontrolle durch die anwesenden AuftraggberInnen liegt meiner Meinung nach eine betriebliche Eingliederung vor. Folgt man dieser Argumentation, ist eine Dienstleistung in persönlicher Abhängigkeit trotz der kurzen Dauer denkbar.

Zusätzlich könnte argumentiert werden, dass die AuftraggeberInnen selbst bei Abwesenheit eine Spezifizierung der Tätigkeiten vornehmen, da sie alleine die Arbeitsmittel zur Verfügung stellen.[79]Wenn die AuftraggeberInnen der Reinigungskraft ausschließlich einen Staubsauger zur Verfügung stellen, wird die Reinigungskraft wohl vor allem staubsaugen Ein gewisser Spielraum bleibt insbesondere bei Abwesenheit der AuftraggeberInnen aber auch den Reinigungskräften.

Gerade bei mangelnder Anwesenheit im Betrieb stellt die Berichtspflicht nach Ansicht des OGH[80]Statt vieler RIS-Justiz RS0107423. einen starken Ausgleich dar. Die klassische Berichtspflicht findet allerdings nicht satt. Diese ist in der Gig-Economy auch nicht notwendig, da die Plattformbetreiberin ohnehin automationsunterstützt verarbeitet, welche Reinigungskraft wo welche Reinigungsarbeiten in welcher Qualität geleistet hat.

Diese „digitale Nacktheit“ hat aber nicht nur eine objektiv ergebnisrelevante, sondern auch eine subjektive Folge, nämlich dass sich die Reinigungskräfte bei Erbringung der Arbeitsleistung (wohl in einem geringen Maße) kontrolliert fühlen, was zu besseren, schnelleren und effizienteren Reinigungsleistungen führen soll.[81]Warter, Crowdwork 178.

3.3.5 Zurverfügungstellung der Arbeitskraft

Der Unterschied ist, dass die Leistung beim Arbeitsvertrag – wie auch beim freien Dienstvertrag – nur gattungsmäßig umschrieben wird und die Beziehung rechtlich als Dauerschuldverhältnis zu beurteilen ist, während die WerkunternehmerInnen ein in sich geschlossenes Werk schulden und das Verhältnis als Zielschuldverhältnis zu bewerten ist.

Bei WerkunternehmerInnen steht bereits fest, welche Leistungen sie zu erbringen haben. Ihre Leistung erschöpft sich darin, die im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung zu erbringen.

Der OGH meint zur Abgrenzung in stRsp[82]ZB OGH 01.1984, 4 Ob 164/83; zu weiteren Abgrenzungsentscheidungen siehe RIS-Justiz RS0021330.:

„Während für den Arbeitsvertrag die Verfügung des Arbeitgebers über die Arbeitskraft des Arbeitnehmers innerhalb eines bestimmten Zeitraums, ohne dass die Tätigkeit des Arbeitsnehmers durch einen bestimmten Arbeitserfolg charakterisiert wäre, wesentlich ist, kommt es bei dem davon zu unterscheidenden Werkvertrag auf das Ergebnis der Arbeitsleistung als eine in sich geschlossenen Einheit an. Entscheidend ist, ob nach dem Parteienwillen die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft erreicht und entlohnt werden soll, oder ob die Herstellung eines bestimmten Arbeitserfolges Ziel des Vertrages auf Grund der Entgeltzahlung ist.“

Folgt man der oben vertretenen Argumentation, dass die Weisungsrechte durch Gespräche und Kontrollen an die AuftraggeberInnen übertragen werden, dann stellen die Reinigungskräfte aus rechtlicher Sicht den AuftraggeberInnen ihre Arbeitskraft für Reinigungsleistungen für die bestimmte Dauer zur Verfügung, die diese mit eigenen Weisungen und Kontrollen konkretisieren und überwachen können. Selbst bei Abwesenheit kann meines Erachtens aufgrund der inhaltlichen Gestaltung durch die Bereitstellung der Reinigungsmittel sowie des ohnehin nicht ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraums und der Berichtspflicht von einer persönlichen Abhängigkeit gesprochen werden.

Da die Reinigungskräfte nur die Reinigung der entsprechenden Räumlichkeiten schulden, ist wohl von einer gattungsmäßigen Beschreibung auszugehen, die erst entweder durch die Bereitstellung der Mittel und Werkzeuge bzw durch Konkretisierungen oder ansonsten durch die Arbeitskraft selbst erfolgt (geringer Gestaltungsspielraum).

3.3.6 Ergebnis

Unter Anwendung der herkömmlichen Analysemethode zur Feststellung der ArbeitnehmerInneneigenschaft gelangt man meines Erachtens zu dem Ergebnis, dass einige Argumente für eine Qualifikation als Werkvertrag, andere hingegen für ein Arbeitsverhältnis sprechen. Die Abgrenzungsfrage ist schwierig und nicht immer eindeutig lösbar.

Durch die Einräumung von Rechten zur Konkretisierung und Weisungen kann dennoch von einem Arbeitsverhältnis gesprochen werden. Die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit überwiegen meiner Meinung nach, vor allem aufgrund der Einräumung eines Weisungs- und Konkretisierungsrechts, durch die inhaltliche Gestaltung durch Bereitstellung der Betriebsmittel und Werkzeuge sowie durch die neue intensive Form der Berichtspflicht.

3.4 Probleme der herkömmlichen Beurteilungsweise

Die oben beschriebene herkömmliche (getrennte) Beurteilungsweise der ersten und zweiten Phase wird in Verbindung mit der Aufteilung der „ArbeitgeberInnenrolle“ auf zwei verschiedene Parteien dem tatsächlichen Lebenssachverhalt oder der tatsächlichen Lebensrealität der arbeitenden Personen in der Gig-Economy oft nicht gerecht[83]Risak, What’s law got to do with it? – (Arbeits-)Rechtliche Aspekte plattformbasierten Arbeitens, Kurswechsel 2/2016, 32 (38). bzw spiegelt sie die tatsächlichen Verhältnisse nicht in ihrem tatsächlichen Ausmaß wider.

Bei Betrachtung der kurzen Verhältnisse werden nämlich andere, insbesondere langfristige Elemente nicht (ausreichend) berücksichtigt. Denn so sind zwar die einzelnen Vertragsverhältnisse auf kurze Zeit befristet, der Rahmenvertrag und damit das Verhältnis der Reinigungskräfte zur Plattform bleiben unbefristet aufrecht. Unbeachtet bleibt auch eine Kontrollausübung durch die Zugangsbeschränken bei der Registrierung. Bei Blick auf die einzelnen Reinigungsverhältnisse bleiben die Auswirkungen der Feedback- und Bewertungsmechanismen zudem größtenteils verborgen. Darüber hinaus dient das Rating auch dazu, eine gewisse Abhängigkeit zwischen den Reinigungskräften und der Plattform herzustellen, da ein einmal erreichtes hohes Rating nicht auf andere Plattformen übertragen werden kann.[84]Warter, Crowdwork 60 Zudem ist die arbeitsrechtliche Beurteilung schwierig, da auch die AuftraggeberInnen ArbeitgeberInnenfunktionen ausüben.

Die herkömmliche Methode ignoriert damit die Komplexität der Machtverhältnisse, unter denen der arbeitenden Person nicht eine, sondern eben zwei Personen gegenüberstehen. Zudem führt die Fragmentierung der auf Dauer angelegten komplexen Beziehung insbesondere zur Plattform auf einzelne Vertragsverhältnisse zu einer verkürzten Sichtweise, wodurch der Schutz des Arbeitsrechts beliebig wird, da er durch mehr oder weniger originelle Vertragskonstruktionen vermieden werden kann. Aufgrund der Aufteilung der einzelnen Rollen in der Gig-Economy auf zwei verschiedene Parteien, besteht nach der herkömmlichen Methode das reale Risiko, dass am Ende kein Schutz vorgesehen ist, obwohl eine Schutzbedürftigkeit der arbeitenden Personen bestünde.[85]Risak, Kurswechsel 2/2016,

Um dieser verkürzten Sichtweise entgegenzutreten hat Prassl [86]Siehe hierzu Prassl, Die schwierige Suche nach dem Arbeitgeber im Englischen Recht, EuZA 2013 472–492; Prassl, The concept of the employer (2015). eine alternative Betrachtungsweise vorgeschlagen: Das funktionale Konzept des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin, welches dann gemeinsam mit Risak auf Gig-Economy-Sachverhalte angewendet wurde.[87]Prassl/Risak, Uber, TaskRabbit, & Co: Platforms as Employers? Rethinking the legal analysis of Crowdwork, Comparative Labor Law & Policy Journal (CLLPJ) 2016, 619–651; Risak, Kurswechsel 2/2016, 32–41.

3.5 Beurteilung nach dem funktionalen Konzept des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin nach Prassl

Wie bei anderen Formen plattformbasierten Arbeitens bietet möglicherweise das von Prassl entwickelte funktionale ArbeitgeberInnen-Konzept bessere Ansätze, um eine sachverhaltsnahe Beurteilung zu finden als die herkömmliche Betrachtungsweise, insbesondere weil diese Methode flexibler auf mehrpersonale Verhältnisse reagiert und nicht versucht, Sachverhalte und Beziehungen in zweipersonale Einheiten herunterzubrechen.

Im Gegensatz zur herkömmlichen Methode wird bei diesem Konzept der Fokus nicht mehr auf die arbeitenden Personen gelegt, sondern auf die andere Seite dieser Vertragsverhältnisse: die ArbeitgeberInnen. Bei genauerer Betrachtung kristallisieren sich dabei nach Meinung von Prassl fünf wesentliche ArbeitgeberInnenfunktionen heraus:

  1. Begründung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen;
  2. Recht auf Arbeit, dh Leistungserbringung und deren Ergebnisse;
  3. Bereitstellung von Arbeit und Bezahlung des Entgelts;
  4. Management des unternehmensinternen Markts;
  5. Management des unternehmensexternen

Da dieses System nicht an die vertraglichen Strukturen, sondern an den Sachverhalt gebunden ist, ist dieses System durch die Flexibilität in der Lage, den Schutzbereich des Arbeitsrechts auf schutzbedürftigen Personen auszudehnen, die jenen entsprechen, für die das Arbeitsrecht ursprünglich entwickelt wurde: nämlich für persönliche Arbeitsleistungen erbringende, fremdbestimmte Personen, denen es an Verhandlungsmacht fehlt, faire und lebenssichernde Arbeitsbedingungen durchzusetzen.[88]Risak, Kurswechsel 2/2016,

Dieses Konzept stellt zum einen fest, dass wenn ArbeitgeberInnenfunktionen überwiegend von der Plattform oder den AuftraggeberInnen ausgeübt werden, es sich bei der arbeitenden Person um einen/eine ArbeitnehmerIn handelt. Ebenso kann dieses Konzept zum anderen auch zu mehreren unterschiedlichen ArbeitgeberInnen führen, je nachdem ob sie oder eine andere Person eine der wesentlichen ArbeitgeberInnenfunktionen ausüben. Wird eine Funktion von einem/einer ArbeitgeberIn und nicht von dem/der ArbeitnehmerIn selbst ausgeübt, so sind die entsprechenden arbeitsrechtlichen Vorschriften von dem/der ArbeitgeberIn zu beachten – spezifisch begrenzt für den jeweiligen Bereich.[89]Risak, Kurswechsel 2/2016,

3.5.1 Begründung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen

Die erste wesentliche Funktion eines Arbeitgebers/einer Arbeitgeberin ist, dass er/sie die Kontrolle über das Vorliegen eines Arbeitsvertrages hat. Von der Auswahl der ArbeitnehmerInnen bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.[90]Vgl Prassl/Risak, CLLPJ 2016, 636

Auf den ersten Blick mag es scheinen, dass Book a Tiger relativ wenig Kontrolle über die einzelnen Reinigungsaufträge hat, insbesondere aufgrund der stets kurzen Arbeitsleistung der Reinigungskräfte.[91]Vgl Prassl/Risak, CLLPJ 2016, 636

Es darf allerdings nicht übersehen werden, dass über diese kurzfristigen einzelnen Arbeitsaufträge hinaus auch eine langfristige Beziehung der Reinigungskräfte zur Plattform besteht. Diese (in der Regel) langfristige Beziehung wird wesentlich von der Plattform gesteuert von der Annahme der Registrierung nach erfolgreicher Übermittlung der geforderten Unterlagen sowie bestandenem Telefoninterview bis hin zur Beendigung des Verhältnisses[92]Indem zB keine Arbeitsaufträge mehr angeboten, wenn Reinigungsarbeiten des Öfteren schlecht ausgeführt werden oder die Bewertung eine bestimmte Grenze unterschreitet.[93]Vgl Prassl/Risak, CLLPJ 2016,

3.5.2 Recht auf Arbeit

Bei der zweiten ArbeitgeberInnenfunktion geht es um das Recht auf Arbeit im Sinn eines Rechts auf die Leistungserbringung und deren Früchte.

Auch die zweite ArbeitgeberInnenfunktion wird von Book a Tiger erfüllt, da die Plattform die Provision direkt vom von den AuftraggeberInnen bezahlten Entgelt abzieht. Das System ist so ausgelegt, dass keine direkte finanzielle Transaktion zwischen den AuftraggeberInnen und den Reinigungskräften zustande kommt. Darüber hinaus nimmt die Plattform auch sämtliche Kommunikationsaufgaben und die Rechnungslegung wahr.[94]Vgl Prassl/Risak, CLLPJ 2016, 639.

3.5.3 Bereitstellung von Arbeit und Bezahlung des Entgelts

Bei der Bereitstellung der Arbeit und Bezahlung des Entgelts ist festzuhalten, dass die Reinigungskräfte die Arbeitsaufträge stets und ausschließlich über die Plattform erhalten. Hinsichtlich der Bezahlung ist auszuführen, dass die Plattform eine Provision erhält, und diese auch gleich vom bezahlten Entgelt einbehalten wird. Die Entgelthöhe wird ausschließlich von der Plattform festgelegt.[95]Vgl Prassl/Risak, CLLPJ 2016, 639.

3.5.4 Management des unternehmensinternen Markts

Mit der vierten ArbeitgeberInnenfunktion sind die Koordination und Kontrolle der Produktionsfaktoren gemeint, einschließlich der Möglichkeit, zu bestimmen, welche Leistungen wie zu erbringen sind.[96]Risak, Kurswechsel 2/2016, 39.

Die vierte ArbeitgeberInnenfuntkion wird in Kombination aus der Plattform, den AuftraggeberInnen und der Reinigungskraft ausgeübt:

Es kommt nämlich in der Praxis häufig dazu, dass die AuftraggeberInnen eine Spezifizierung der Tätigkeiten vornehmen. Ebenso werden die Arbeitsmittel von den AuftraggeberInnen zur Verfügung gestellt, weshalb sie auch auf die inhaltliche Ausübung der Reinigung Einfluss haben.[97]Wenn die AuftraggeberInnen der Reinigungskraft ausschließlich einen Staubsauger zur Verfügung stellen, wird die Reinigungskraft wohl vor allem staubsaugen. Sind sie zudem bei der Reinigung anwesend, könnten sie zum einen Kontrollfunktionen ausüben und zum anderen auch nähere Bestimmungen und Anweisungen hinsichtlich des Arbeitsprozesses geben.[98]Siehe dazu Abschnitt „Eingliederung der Arbeitskräfte“. Ein gewisser Spielraum bleibt insbesondere bei Abwesenheit der AuftraggeberInnen auch den Reinigungskräften.

Die Plattform selbst hält zwar in den AGB mit den AuftraggeberInnen fest, dass sie nicht hinsichtlich der Durchführung der Reinigungsleistung hafte.[99]AGB zur Nutzung von Book a Tiger: 7 Abs 1. Unklar ist ob dabei die Qualität der Reinigungsleistung gemeint ist oder dass die Plattform eine Haftung ausschließen will, dass der Auftrag überhaupt durchgeführt wird. Das bedeutet aber nicht, dass die Plattform diese vierte Funktion gar nicht ausübt: So werden beispielsweise die einzelnen Arbeitspakete von der Plattform zusammengestellt bzw Anfragen der AuftraggeberInnen in Teilleistungen parzelliert.[100]Kocher/Hensel, NZA 2016, Sind die AuftraggeberInnen mit der Qualität der Reinigungsleistung nicht zufrieden, sollten sie sich ausschließlich an die Plattform wenden.[101]Siehe https://www.bookatiger.com/at-de/faq (30.12.2016). Noch wichtiger ist, dass die Plattform meines Erachtens eine Pflicht zur höchstpersönlichen Leistung vorsieht.[102]Siehe hierzu die Ausführungen unter Abschnitt „Persönliche Leistungspflicht“.

Darüber hinaus wird auch in den AGB festgehalten, dass Book a Tiger „im Rahmen der wirtschaftlichen und rechtlichen Kapazität darauf hinwirken wird, dass die Reinigung ordnungsgemäß und branchenüblich erfüllt wird“.[103]AGB zur Nutzung von Book a Tiger: 7 Abs 2. Ob damit zB die Feedback- und Bewertungsmechanismen oder darüber hinausgehende Maßnahmen gemeint sind, bleibt unklar.

Abschließend sei ausgeführt, dass die Plattform (1) die KundInnen um Feedback bittet, (2) relevante Leistungsanforderungen setzt und (3) darauf basierend Beendigungsentscheidungen trifft, indem „Low-performen“ keine Aufträge mehr übermittelt werden, wenn das Kundenfeedback enthüllt, dass Reinigungskräfte die von der Plattform gesteckten Leistungsanforderungen nicht erfüllen. Das sind typische Aufgaben eines Arbeitgebers/einer Arbeitgeberin.[104]Vgl Prassl/Risak, CLLPJ 2016,

3.5.5 Management des unternehmensexternen Markts

Die fünfte ArbeitgeberInnenfunktion behandelt das Management des unternehmensexternen Markts, dh es geht um die wirtschaftliche Leitung des Unternehmens und die Tragung des Unternehmensrisikos.[105]Risak, Kurswechsel 2/2016,

Book a Tiger übt gleichermaßen die fünfte ArbeitgeberInnenfunktion aus: Sie ist die handelnde Akteurin, die die unternehmerische Aktivität in Aussicht auf potenziellen Gewinn setzt, währenddessen sie gleichermaßen auch die Risiken eines drohenden Verlustes trägt.[106]Vgl Prassl/Risak, CLLPJ 2016, Gleichwohl sei an dieser Stelle aber angemerkt, dass das Risiko einer niedrigen Auftragslage zum Teil verlagert wird, da die Plattform die Reinigungskräfte bei Auftragsflaute nicht bezahlen muss.

Auf den ersten Blick mag man auch den Reinigungskräften eine gewisse unternehmerische Aktivität zugestehen, da die Entgelthöhe scheinbar von der individuellen Leistung der Reinigungskräfte abhängt: Je mehr Reinigungen sie durchführen, desto höher das Einkommen.[107]Vgl Prassl/Risak, CLLPJ 2016,

Dabei wird allerdings übersehen, dass der Fokus auf die unternehmerischen Fähigkeiten in Zusammenhang mit Gewinn oder Verlust gelegt werden muss. Die Möglichkeit, mehr zu arbeiten, um dadurch das Einkommen zu erhöhen, hat nichts mit unternehmerischen Fähigkeiten zu tun und kann dementsprechend auch nicht als Kriterium bei der Abgrenzung verwendet werden.[108]Vgl Prassl/Risak, CLLPJ 2016,

Ein weiteres Element dieser Funktion ist die Akquirierung von KundInnen. Während bei anderen Plattformen die arbeitenden Personen, unter anderem durch finanzielle Anreize, animiert werden selbst ihre Dienstleistungen zu bewerben und KundInnen zu akquirieren,[109]ZB bei der Plattform TaskRabbit, vgl Vgl Prassl/Risak, CLLPJ 2016, tritt im Fall von Book a Tiger alleine die Plattform nach außen auf und bewirbt ihre Dienstleistungen. Dies trifft auch auf sämtliche Entscheidungen in Bezug auf Marketing und Werbung zu. Die Reinigungskräfte hingegen treten nicht nach außen auf. Die Plattform hat überdies die volle Kontrolle über das Branding. Sie versucht, „Book a Tiger“ als Marke bekannt zu machen, um länderübergreifend Dienstleistungen unter einem Mantel anbieten zu können.[110]Vgl Prassl/Risak, CLLPJ 2016,

Der wichtigste Indikator der unternehmerischen Tätigkeit ist aber die Festsetzung des Preises. Dieser wird alleine von Book a Tiger bestimmt: zum einen nach außen gegenüber den AuftraggeberInnen, zum anderen aber auch gegenüber den Reinigungskräften. Ein Verhandlungsspielraum ist dabei nicht vorgesehen.

3.5.6 Ergebnis

Nach der Methode von Prassl/Risak kommt man zu dem deutlichen Ergebnis, dass sämtliche ArbeitgeberInnenfunktionen von der Plattform bzw die vierte Funktion auch von den AuftraggeberInnen bzw Reinigungskräften ausgeübt werden. Dementsprechend handelt es sich bei den Reinigungskräften nach dieser Methode klar um ArbeitnehmerInnen.

Der Kern dieses funktionalen Zugangs ist, festzustellen, welche spezielle Rolle verschiedene Elemente im relevanten Kontext spielen, statt auf das Vorliegen vordefinierter Kriterien abzustellen. Es geht nach diesem System eben nicht um das Vorliegen oder Nicht-Vorliegen von Kriterien, sondern um die Ausübung spezifischer Funktionen, die wiederum die Verantwortlichkeit für diesen Bereich nach sich zieht, unabhängig davon, ob die Funktion in Kombination mit anderen Funktionen ausgeübt wird oder die ArbeitgeberInnenfunktionen auf verschiedene Parteien und Gesellschaften verteilt sind. Je nachdem, welche Funktion von welcher Partei ausgeübt wird, ist diese in weiterer Folge auch für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen verantwortlich; so ist zB die Plattformbetreiberin für die Einhaltung der Mindestlohnvorschriften verantwortlich, da die Preisbestimmung ausschließlich von ihr ausgeübt wird und allein in ihrer Kontrolle steht.[111]Reinigungskräfte von Book a Tiger müssen dementsprechend nach dem entsprechenden Kollektivvertrag entlohnt Dies gilt selbstverständlich auch dann, wenn die gewerbliche Tätigkeit ohne die hierfür erforderliche Gewerbeberechtigung unbefugt ausgeübt wird. Siehe auch Abschnitt „Rechtsfolgen“.

3.5.7 Durchgängiger Arbeitsvertrag

Bejaht man das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses, kommen möglicherweise nicht mehrere befristete Arbeitsverhältnisse, sondern ein durchgehendes Arbeitsverhältnis zustande.[112]Siehe hierzu ausführlich Warter, Crowdwork 193 ff

Hierzu werden zwei verschiedene Ansätze vertreten:

  • zum einen ein Verstoß gegen das Verbot von Kettenarbeitsverträgen und
  • zum anderen im Rahmen einer Interpretation des Parteienwillens des Rahmenvertrages ein durchgehendes Arbeitsverhältnis.[113]Warter, Crowdwork 193 ff

Beiden Ansätzen ist gemeinsam, dass eine ausreichende Dichte an Arbeitseinsätzen vorliegen muss. Übersteigt die Dauer der Zeiten der Unterbrechung bei weitem die der Beschäftigung, ist schon aus diesem Grund das Vorliegen eines unzulässigen Kettenarbeitsvertrages zu verneinen.[114]StRsp OGH 8 ObA 50/13f, DRdA 2014, 346/34 (Risak); zuletzt OGH 04.2014, 8 ObA 13/14s; RIS-Justiz RS0110312. Eine ausreichende Dichte ist im Einzelfall bei Book a Tiger durchaus denkbar, zB wenn Reinigungskräfte mehrere Aufträge pro Woche durchführen.

Einerseits ist gerade bei der Gig-Economy die Flexibilität der arbeitenden Personen ein wesentliches Element. Ähnliche Beispiele wie zB bei Kinderbetreuung und Studium[115]OGH 27.02.2014, 8 ObA 8/14f., nur Studium[116]OGH 8 ObA 82/13m, ecolex 2014, 631. oder Nebenerwerb[117]OGH 9 ObA 153/13k, ecolex 2014, 455 = Tomandl, ZAS 2015, 244; 8 ObA 50/13f, wbl 2014, 157/51. wurden vom OGH bereits als sachliche Rechtfertigung und deshalb als kein Verstoß gegen das Verbot von Kettenarbeitsverträgen qualifiziert. Da diese Flexibilität auch bei Book a Tiger eine große Rolle spielt, liegt meiner Meinung nach auch hier wohl eine sachliche Rechtfertigung vor.

Dies lässt andererseits aber auch keine Interpretation des Parteienwillens des Rahmenvertrages für ein durchgehendes Verhältnis zu, weil davon auszugehen ist, dass kein durchgehendes Arbeitsverhältnis vorliegt, wenn der Arbeitende selbst ein echtes Interesse an fehlender Bindung hat.[118]Rebhahn in ZellKomm2 1151 ABGB Rz 96a.

Aus diesen Gründen liegt meines Erachtens in diesen Fällen kein durchgehendes Arbeitsverhältnis vor. Es handelt sich um befristete Einzelverträge.

3.6 Arbeitskräfteüberlassung

Durch das dreipersonale Verhältnis zwischen AuftraggeberInnen, der Plattformbetreiberin und den Reinigungskräften sowie durch die Tatsache, dass die Plattform nach eigenen Angaben Auftragsangebote an die Reinigungskräfte weiterleiten, stellt sich die Frage, ob nicht möglicherweise eine Arbeitskräfteüberlassung im Sinne des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG) vorliegt.

Dabei ist zu erwähnen, dass das AÜG ganz bewusst den Begriff der Arbeitskräfteüberlassung verwendet. Damit soll sichergestellt sein, dass vom Anwendungsbereich des AÜG nicht nur ArbeitnehmerInnen, sondern unter gewissen Umständen auch Arbeitskräfte erfasst sind, die ihre Tätigkeit auf Basis eines Werkvertrages ausüben.[119]ArbeitnehmerInnenähnliche Personen gemäß 3 Abs 4 AÜG; vgl zB Löschnigg, Arbeitsrecht12 (2015) 783.

Wie insbesondere das Ergebnis der Analyse nach dem funktionalen ArbeitgeberInnensystem plakativ zeigt, sind Plattformen im Allgemeinen stets die zentrale Figur in der Gig-Economy. Anders als bei klassischen mittelbaren Arbeitsverhältnissen, für die das AÜG ursprünglich gedacht war – wo der/die BeschäftigerIn als zentrale Partei ein direktes Vertragsverhältnis mit der Arbeitskraft vermeiden will – ist es heute in der Gig-Economy gerade umgekehrt. „Vermittlungsplattformen“ wollen gerade ein direktes Vertragsverhältnis zwischen dem/der BeschäftigerIn und der Arbeitskraft herstellen, um eigene Risiken und Verpflichtungen möglichst gering zu halten.

Problematisch ist die Anwendung des AÜG meines Erachtens vor allem dann, wenn aus vertragsrechtlicher Sicht tatsächlich ein direktes Vertragsverhältnis vorliegt, weil dann die grundlegende Struktur einer Arbeitskräfteüberlassung nicht vorliegt.[120]Vgl Warter, Crowdwork
Das Dilemma der Plattformen ist, dass sie auf der einen Seite ein direktes Vertragsverhältnis herzustellen versuchen, weil dann keine werkvertragliche Erfüllungspflicht (und Haftung) entsteht und meiner Meinung nach auch keine (zumindest keine direkte) Arbeitskräfteüberlassung vorliegt. Auf der anderen Seite wollen sie aber gerade auch nicht als bloße VermittlerInnen auftreten, sondern wollen selbst als Marke einer Dienstleistung wahrgenommen werden. Gute Leistungen der Reinigungskräfte sollen in erster Linie der Plattform zugutekommen und nicht den Reinigungskräften. Dies ist auch der Grund, warum Book a Tiger keine deutliche Klarstellung vornimmt, dass es sich um Fremdleistungen und nicht um Leistungen von ErfüllungsgehilfInnen oder ArbeitnehmerInnen handelt.[121]Siehe hierzu Abschnitt „Zustandekommen des Vertrages über die Reinigungsdienstleistung“.

Da nach der oben vertretenen Ansicht eine Vertragskette vorliegt, ist für die Anwendung des AÜG das Vertragsverhältnis zwischen den AuftraggeberInnen und der Plattform entscheidend: Handelt es sich hier um einen Werkvertrag oder um einen Dienstverschaffungsvertrag?

3.6.1 Eingliederung der Arbeitskräfte

  • 3 AÜG definiert die Überlassung von Arbeitskräften als „Zurverfügungstellung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte“. Typisch – jedoch nicht zwingend – ist die Eingliederung der überlassenen Arbeitskraft in den Betrieb des Beschäftigers/der Beschäftigerin.[122]Schindler in ZellKomm2 3 AÜG Rz 1.

Zur Feststellung der typischerweise vorliegenden Eingliederung in den Betrieb des Beschäftigers/der Beschäftigerin und damit einer Arbeitskräfteüberlassung sieht § 4 Abs 2 AÜG eine beispielhafte Aufzählung vor, nach deren Elementen jedenfalls eine Arbeitskräfteüberlassung vorliegt. Die reine zivilrechtliche Anwendung und Interpretation von Bestimmungen des ABGB genügen nicht zur Abgrenzung der Arbeitskräfteüberlassung.[123]Kallab, Zur Abgrenzung Werkvertrag – Arbeitskräfteüberlassung, DRdA-infas 2015, 219 (220).

Die in der Lehre umstrittene Frage, ob nun ein Element ausreicht oder nicht, ist im Fall von Book a Tiger nicht ausschlaggebend, da meines Erachtens mehrere Kriterien erfüllt sind. So arbeiten die Reinigungskräfte bei Book a Tiger ausschließlich mit den von den AuftraggeberInnen zur Verfügung gestellten Materialien (zB Reinigungsmittel, Wasser) und Werkzeugen (zB Staubsauger, Wischmob), weshalb § 4 Abs 2 Z 2 AÜG erfüllt ist.

Hinsichtlich Weisungen wird zwar in den AGB von selbständiger Leistungserbringung gesprochen,[124]AGB zur Nutzung von Book a Tiger: Abs 1; 2 Abs 2. in der Praxis finden allerdings sehr oft Gespräche und nähere Konkretisierungen der Arbeitsleistungen statt. Wie bereits die Ausführungen zum Arbeitsvertrag zeigten, liegt, wenn man die Meinung dieser Arbeit vertritt, durch die Einräumung von Weisungs- und Kontrollrechten eine Eingliederung in den Betrieb der AuftraggeberInnen vor.

Darüber hinaus kommt es nach Beginn des Einsatzes auf die tatsächliche Handhabung an. Eine überlassene Arbeitskraft hat oftmals keine genaue Kenntnis vom Inhalt dieses Vertrags. Sie vollführt stattdessen nur die tatsächliche Durchführung, die daher ausschlaggebend sein muss.[125]Schörghofer, Arbeitskräfteüberlassung und Werkvertragserfüllung durch Gehilfen, ecolex 2015, 588 (589), Das gilt auch für den Fall, dass sich das Einsatzunternehmen nicht an die vereinbarte Durchführung hält, indem es eigenmächtig der eingesetzten Arbeitskraft Weisungen erteilt.[126]Den Schutz des Überlassers/der Überlasserin gegen Vertragsverletzungen des Beschäftigers/der Beschäftigerin auf dem Rücken der eingesetzten Arbeitskräfte zu gewährleisten, ist nicht mit dem Schutzgedanken des AÜG vereinbar. Siehe Schörghofer, ecolex 2015, 589,

Aus diesem Grund liegt meiner Meinung nach bei Book a Tiger regelmäßig eine Arbeitskräfteüberlassung nach dem AÜG vor.

3.6.2 Arbeitskräfteüberlassung an Private

Im Rahmen einer Wortinterpretation des Anwendungsbereichs der §§ 1 Abs 1 und 3 Abs 1 AÜG ist nur von der Zurverfügungstellung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte die Rede. Schon in § 3 Abs 2 AÜG wird der/die BeschäftigerIn aber als derjenige/diejenige definiert, der/die Arbeitskräfte eines Überlassers/einer Überlasserin für betriebseigene Aufgaben einsetzt.

Dies ist in concreto allerdings problematisch, da es sich bei einer Vielzahl der AuftraggeberInnen um Privatpersonen ohne jeglichen Betrieb handelt. Zwar ist der Betriebsbegriff des AÜG sehr weit und anders als der Betrieb iSd § 34 Abs 1 ArbVG zu verstehen, zumindest wird aber wohl auf eine organisatorische Einheit abgestellt werden müssen.[127]Kallab, DRdA-infas 2015, Auch eine solche ist bei Privatpersonen zu verneinen.

Allerdings ist die Wendung von den betriebseigenen Aufgaben nicht als Beschränkung auf Gewerbetreibende zu verstehen, sondern ebenso als Anknüpfungspunkt für die organisatorische Eingliederung, die bei einer privaten Haushaltsführung in gleichem Maße gegeben sein kann.[128]Treffend Mazal, Rechtsfragen des Anwendungsbereichs des AÜG, ZAS 2005, 244

Somit wäre auch die Überlassung an Private immerhin grundsätzlich vom AÜG erfasst, was zweifellos im Interesse der überlassenen Arbeitskräfte und auch vom telos des Gesetzes unter diesem Blickwinkel zweifellos gedeckt ist. Diese Sicht hätte zur Konsequenz, dass auf die Privaten als BeschäftigerInnen etwa die Vorschriften über Fürsorgepflicht (§ 6 Abs 3 AÜG), das DNHG (§ 7 Abs 1 AÜG) und die Haftung als Bürge/Bürgin bzw Ausfallsbürge/Ausfallsbürgin Anwendung finden.[129]Mazal, ZAS 2005, 244

3.6.3 Rechtsfolgen

Fehleinordnungen können aber nicht nur arbeitsrechtliche Rechtsfolgen nach sich ziehen. Da die Arbeitskräfteüberlassung ein eigenes Gewerbe ist (§§ 94 Z 72, 135 GewO 1994), führt dies neben der Anwendbarkeit der einschlägigen Kollektivverträge auch zu Verwaltungsstrafen (§ 366 Abs 1 Z 1 GewO 1994).[130]Schörghofer, ecolex 2015,

3.7 Zusammenfassendes Ergebnis

Das Beispiel Book a Tiger zeigt, dass insbesondere die neue Arbeitsorganisation der Gig-Economy neue Herausforderungen an das Arbeitsrecht stellt. Die Analyse offenbart, dass besonders die herkömmliche Betrachtung zu schwierigen und möglicherweise nicht sachgerechten Ergebnissen und einer verkürzten Sichtweise führt, die der tatsächlichen Lebensrealität der arbeitenden Personen in der Gig-Economy nicht gerecht wird.

Das funktionelle ArbeitgeberInnensystem nach Prassl bietet hier eine Möglichkeit, eine sachverhaltsnahe Beurteilung zu finden. Ob dieser radikale Richtungswechsel bei der Qualifikation und Allokation von Verantwortlichkeiten notwendig und in anderen komplexen Fällen zielführend ist, wird die nähere wissenschaftliche Auseinandersetzung zeigen. In Fall von Book a Tiger zeigt sie jedoch sehr schön auf, dass eine herkömmliche Betrachtung in diesen Konstellationen oft zu kurztritt.

4. Zivilrecht

Neben dem Arbeitsrecht sieht auch das Zivilrecht bestimmte Instrumente vor, die unterlegene VertragspartnerInnen in gewissem Umfang schützen sollen. Aus zivilrechtlicher Sicht ist dabei vor allem die AGB-Kontrolle zu nennen. Es stellt sich die Frage, ob nicht einzelne der in den AGB vorgesehen Bestimmungen einer derartigen AGB-Kontrolle nicht standhalten. Da die AGB nach der oben vertretenen Meinung lediglich im Verhältnis zwischen AuftraggeberInnen und Book a Tiger gültig vereinbart werden, betrifft diese Analyse nicht die Verhältnisse zwischen den Reinigungskräften und der Plattform.

4.1 AGB-Kontrolle

In den AGB sind meines Erachtens mit einer Ausnahme keine Regelungen zum Nachteil der Reinigungskräfte vorgesehen.[131]Im Übrigen werden die AGB nach der in diesem Beitrag vertretenen Meinung lediglich Teil des Vertrages zwischen den AuftraggeberInnen und der Plattformbetreiberin, siehe Abschnitt „Erste Phase – Registrierung“. So sieht lediglich § 7 der AGB vor, dass sich die AuftraggeberInnen verpflichten, über das Angebot von Book a Tiger hinaus die Reinigungskräfte weder zu kontaktieren, zu beauftragen oder andere wirtschaftliche Beziehungen zu den Reinigungskräften zu unterhalten. Mit dieser Klausel sollte sichergestellt werden, dass die Plattformbetreiberin nach einer erstmaligen zufriedenstellenden Tätigkeit der Reinigungskräfte nicht weiter leer ausgeht, indem sich die AuftraggeberInnen außerhalb der Plattform mit den Reinigungskräften absprechen.

Im Gegensatz zu Deutschland[132]Ein allgemeines Persönlichkeitsrecht wird in Deutschland aus den Art 2 Abs 1 GG iVm Art 1 Abs 1 GG Siehe hierzu zB BGH 25.05.1954, I ZR 211/53; BVerfG, 05.06.1973 – 1 BvR 536/72. ist in Österreich ein allgemeines Persönlichkeitsrecht nicht allgemein anerkannt. Die Gesetze schützen daher nur bestimmte einzelne Rechte. Bei der Ermittlung der geschützten Interessen und der Intensität des Schutzes kommt den Grundrechten eine besondere Bedeutung zu.[133]Rebhahn in ZellKomm2 1151 ABGB Rz 234, mwN.

In Bezug auf diese konkrete Klausel der AGB von Book a Tiger ist dabei vor allem an die Grundrechte auf Privatsphäre (Art 8 EMRK), Datenschutz (Art 1 DSG), Meinungsäußerungsfreiheit (Art 10 EMRK) sowie Freiheit der Erwerbsausübung (Art 6 StGG, Art 15 GRC) zu denken.[134]Vgl Rebhahn in ZellKomm2 1151 ABGB Rz 234. Rechtstechnisch erfolgt der Schutz der Persönlichkeitsrechte in Österreich auf verschiedenen Wegen. Unzulässige Abreden sind nach § 879 Abs 1 ABGB wegen Verstoß gegen ein Gesetz oder wegen Sittenwidrigkeit (teil-)nichtig.[135]Rebhahn in ZellKomm2 1151 ABGB Rz 235. Da diese Klauseln bei Crowdwork in den AGB normiert werden, kommt insbesondere auch § 879 Abs 3 ABGB in Betracht. Demnach sind gröblich benachteiligende Klauseln in AGB nichtig, wobei eine gröbliche Benachteiligung dann vorliegt, wenn eine nicht sachlich gerechtfertigte Abweichung vom dispositiven Recht vorliegt.[136]Kletečka in KoziolWelser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 Rz

Ein derartiges weitläufiges Kontaktverbot wie in § 7 der AGB vorgesehen steht vor allem im Widerspruch zur Meinungsäußerungsfreiheit (Art 10 EMRK) sowie zur Erwerbsfreiheit (Art 6 StGG, Art 15 GRC). Eine sachliche Rechtfertigung ist nicht erkennbar, dient dieses Kontaktverbot ausschließlich dazu, die Provisionsansprüche der Plattform sicherzustellen.[137]Vgl auch Warter, Crowdwork 278

Eine derartig umfassende Verschwiegenheitspflicht, wie sie von AuftraggeberInnen mit dieser Klausel verlangt wird, ist nicht mit dem geltenden Recht in Einklang zu bringen. Aus diesen Gründen ist eine derartige Klausel gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB und deshalb unwirksam. Darüber hinaus ist sie im Rahmen eines beweglichen Systems auch sittenwidrig iSd § 879 Abs 1 ABGB.[138]Vgl Warter, Crowdwork 278 f; vgl auch Däubler, Internet und Arbeitsrecht5 Rz 448 u

5. Aspekte des internationalen Rechts

Abschließend ist in den AGB in § 11 sowohl eine Rechtswahl als auch eine Gerichtsstandsvereinbarung vorgesehen. Demnach sei ausschließlich deutsches Recht anwendbar (wobei die Vorschriften über das UN-Kaufrecht ausgeschlossen werden).[139]Siehe die AGB zur Nutzung von Book a Tiger: 11 Abs 1: „Es ist ausschließlich deutsches Recht anwendbar. Die Vorschriften des UN-Kaufrechts werden ausgeschlossen“. Als Gerichtstandort wird Berlin vereinbart.[140]Siehe die AGB zur Nutzung von Book a Tiger: 11 Abs 2: „Sofern es sich bei dem Vertragspartner um einen Kaufmann, eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um ein öffentlich-rechtliches Sondervermögen handelt, ist Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus Vertragsverhältnissen zwischen dem Endkunden und Book a Tiger Berlin“.

5.1 Anwendbares Recht

Da die AGB nur für den Vertrag zwischen den AuftraggeberInnen und der Plattformbetreiberin vereinbart wurden, sind die AGB-Bestimmungen bezüglich des anwendbaren Rechts und des Gerichtsstands auch nur auf diesen Vertrag anwendbar.

Auf Streitigkeiten aus der Vertragsbeziehung zwischen den Reinigungskräften und der Plattformbetreiberin ist – mangels Auslandsbezugs – österreichisches Recht anwendbar.

Bei Vertragsverhältnissen zwischen den AuftraggeberInnen und Book a Tiger liegt aufgrund der Rechtswahl eine Auslandsberührung gemäß Rom I-VO vor.[141]Deinert, Internationales Arbeitsrecht (2013) Nach Art 3 Rom I-VO können die Parteien das anwendbare Recht frei wählen, dafür ausreichend ist auch ein Verweis in den AGB.[142]Verschraegen, Internationales Privatrecht (2012) Rz 400

Da in der Regel ein Binnensachverhalt vorliegt, also dass auch der/die AuftraggeberIn seinen/ihren Sitz in Österreich hat, bleiben die bei objektiver Anknüpfung maßgeblichen zwingenden Bestimmungen unberührt.[143]Art 3 Abs 3 Rom I-VO.

Oftmals werden die AuftraggeberInnen auch als VerbraucherInnen im Sinne der Rom I-VO zu qualifizieren sein, was zur Folge hat, dass die Rechtswahl nur beschränkte Wirkung entfaltet. Zwar können die Vertragsparteien auch bei Vorliegen eines VerbraucherInnenvertrags das anzuwendende Recht frei wählen. Diese Rechtswahl darf aber gemäß Art 6 nicht dazu führen, dass den VerbraucherInnen jener Schutz entzogen wird, der ihnen aufgrund der zwingenden Bestimmung des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts zustünde. Darüber hinaus ist ein Günstigkeitsvergleich durchzuführen. Ist das Schutzniveau des gewählten (deutschen) Rechts höher, kommt dieses zur Anwendung.[144]Verschraegen, Internationales Privatrecht Rz 400

5.2 Gerichtsstandsvereinbarung

Da die AGB zwischen den Reinigungskräften und Book a Tiger nicht vereinbart wurden, ist keine Gerichtsstandsvereinbarung vorgesehen, weshalb sich der Gerichtsstand nach der Jurisdiktionsnorm (JN) grundsätzlich nach dem Sitz der beklagten Partei richtet. Dies wäre bei einer Klage gegen Book a Tiger Wien. Allerdings normiert die JN eine Reihe besonderer Gerichtsstände. Von besonderem Interesse ist dabei vor allem der Erfüllungsgerichtsstand. Demnach wäre jenes Gericht zuständig, in dessen Sprengel die geschuldete Leistung erfüllt wurde oder hätte erfüllt werden sollen.

Da die Reinigungskräfte regelmäßig den VerbraucherInnentatbestand nicht erfüllen, können sie sich nicht auf diese VerbraucherInnengerichtsstände gemäß § 14 KSchG berufen.

Im Verhältnis zwischen den AuftraggeberInnen und Book a Tiger wurden die AGB wirksam vereinbart. Art 25 EuGVVO normiert allerdings Formvorschriften für Gerichtsstandsvereinbarungen. Gerichtsstandsvereinbarungen in den AGB – wie die vorliegende – erfüllen das Schriftlichkeitserfordernis des Art 25 lit a EuGVVO.[145]Vgl Czernich in Czernich/Kodek/Mayr, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht4 Art 25 Rz 66

Auch bei der EuGVVO sind hinsichtlich VerbraucherInnen in Art 18 besondere Gerichtsstände vorgesehen. Die Klage eines Verbrauchers/einer Verbraucherin gegen den anderen/die andere VertragspartnerIn kann entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser/diese VertragspartnerIn seinen/ihren Wohnsitz hat, oder ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des anderen Vertragspartners/der anderen Vertragspartnerin vor dem Gericht des Ortes, an dem der/die VerbraucherIn seinen/ihren Wohnsitz hat.

Klagen des anderen Vertragspartners/der anderen Vertragspartnerin gegen den/die VerbraucherIn können nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der/die VerbraucherIn seinen/ihren Wohnsitz hat.

Von diesen Grundsätzen darf bei VerbraucherInnenverträgen gemäß Art 19 EuGVVO nur abgewichen werden,

  • wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird,
  • wenn sie dem/der VerbraucherIn die Befugnis einräumt, andere Gerichte anzurufen, oder
  • wenn sie zwischen einem/einer VerbraucherIn und dem/der VertragspartnerIn, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Mitgliedstaat haben, getroffen ist und die Zuständigkeit der Gerichte dieses Mitgliedstaats begründet, es sei denn, dass eine solche Vereinbarung nach dem Recht dieses Mitgliedstaats nicht zulässig ist.

6. Resümee und Ausblick

Wie gezeigt, kommt den Reinigungskräften meines Erachtens auch nach der herkömmlichen Methode ein arbeitsrechtlicher Schutz zu, vor allem wenn AuftraggerberInnen während der Reinigungsleistung anwesend sind und Weisungen und Kotrollen ausüben. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Abgrenzung nach dieser Methode schwierig ist, da einige Merkmale für eine Qualifikation als Arbeitsvertrag, andere für eine als Werkvertrag sprechen.

Beurteilt man allerdings den Sachverhalt mithilfe des funktionalen ArbeitgeberInnenkonzepts nach Prassl, so sind die Reinigungskräfte klar als ArbeitnehmerInnen zu qualifizieren.

Im Fall von Book a Tiger hat die Arbeitsausgestaltung, dass auf kurze einzelne Reinigungsverträge abgestellt und auf konkrete Weisungen und Vorgaben der Plattform verzichtet wird, aber auch tatsächliche Nachteile für die unternehmerisch tätige Plattformbetreiberin. So hat die Plattformbetreiberin anfangs noch gedacht, dass es sich mit Putzkräften ähnlich verhalte wie mit einer Pizza: Egal wer sie bringt, Hauptsache sie kommt pünktlich und man kann sie online buchen und bezahlen.[146]Schröder, Eine Putzfrau ist keine Pizza, Handelsblatt vom 02.2016, abrufbar unter http://www.handelsblatt.com/unternehmen/mittelstand/book-a-tiger-eine-putzfrau-ist-keine-pizza/12927064.html (10.10.2016).

Sie musste allerdings feststellen, dass sowohl die AuftraggeberInnen als auch die Tiger ein festes Arbeitsverhältnis bevorzugten. Es wird von einer Person, die in der eigenen Wohnung saubermacht – oft auch während man selbst nicht zu Hause ist – vor allem Qualität und Kontinuität erwartet. Das konnte die Plattform Book a Tiger mit der derzeitigen Ausgestaltung nicht gewährleisten. Aus diesem Grund wurden in Deutschland nunmehr bereits 500 Reinigungskräfte dauerhaft festangestellt.[147]Schröder, Eine Putzfrau ist keine Pizza, Handelsblatt vom 02.2016.

Man sagt, Testmärkte hätten bereits ergeben, dass die Profitabilität mit klassischen Festangestellten gegenüber „Selbständigen“ sogar steigt – weil insgesamt weniger Leute eingearbeitet werden müssten, die dafür kontinuierlich Schichten übernehmen. Zudem stieg die KundInnenzufriedenheit und damit die Wiederbuchungsrate.[148]Schröder, Eine Putzfrau ist keine Pizza, Handelsblatt vom 02.2016.

Dennoch forscht Book a Tiger an der Zukunft. So wird angedacht, Reinigungs-Roboter unter dem Label Book a Tiger zu bauen. Damit dürften die festangestellten ArbeitnehmerInnen dann wieder überflüssig werden.[149]Schröder, Eine Putzfrau ist eine Pizza, Handelsblatt vom 02.2016.

[1] Abrufbar unter https://www.bookatiger.com/at-de/ (29.09.2016).
[2] Vgl Pkt 5 lit d sublit iii der AGB von 99designs: „Der Markplatz funktioniert nur, wenn das Engagement der Designer der Aktivität der Kunden entspricht oder diese übersteigt.“, https://99designs.at/legal/terms-of-use (29.09.2016). [3] Neben Wien wird der Service auch für die Gemeinden Gerasdorf bei Wien, Korneuburg, Langenzersdorf, Maria Enzersdorf, Perchtoldsdorf, Schwechat, Seyring und Wiener Neudorf angeboten. Siehe https://www.bookatiger.com/at-de/ (29.09.2016).
[4] Firmenbuchauszug der Republik Österreich, Firmenbuchauszug FN 424565k, 20.09.2016.
[5] Handelsregisterauszug Amtsgericht Charlottenburg, HRB 156833 B, 09.2016. Siehe auch http://www.starting-up.de/news/gruender-der-woche/gruender-der-woche-book-a-tiger.html (29.09.2016).
[6] Heiling/Kuba, Arbeit für/durch die Plattform, Kurswechsel 2/2016, 13 (15).
[7] Vgl https://www.bookatiger.com/at-de/faq (29.09.2016); so auch Geschäftsführer Ritter im Interview mit starting-up, http://www.starting-up.de/news/gruender-der-woche/gruender-der-woche-book-a-tiger.html (29.09.2016).
[8] Eine diesbezügliche Anfrage wurde von der BOOK A TIGER Austria GmbH nicht beantwortet.
[9] Vgl Ritter im Interview mit starting-up, http://www.starting-up.de/news/gruender-der-woche/gruender-der-woche-book-a-html (29.09.2016).
[10] Ritter im Interview mit starting-up, http://www.starting-up.de/news/gruender-der-woche/gruender-der-woche-book-a-tiger.html (29.09.2016).
[11] Siehe https://www.bookatiger.com/at-de/professional/signup (29.09.2016).
[12] Heiling/Kuba, Kurswechsel2/2016, 15; https://www.bookatiger.com/at-de/professional/signup (20.09.2016).
[13] Trotz intensiver Internetrecherche, schriftlicher und mündlicher Anfragen sowie einer Anmeldung als Reinigungskraft, die allerdings nicht zu einer Freischaltung geführt hat, bleibt offen, ob Reinigungskräfte bei Annahme von Reinigungsangeboten eigenen AGB zustimmen müssen. Die rechtliche Beurteilung dieses Beitrags erfolgt unter der Annahme, dass keine eigenen AGB bestehen und angeklickt werden müssen.
[14] So wird dies beispielsweise auf der Plattform Amazon Mechanical Turk gehandhabt; siehe Warter, Crowdwork (2016)
[15] Siehe http://www.nebenjob.de/geld-verdienen/geld-verdienen-reinigungskraft-book-a-tiger.html (21.12.2016).
[16] AGB zur Nutzung von Book a Tiger: Abs 1; 2 Abs 1.
[17] AGB zur Nutzung von Book a Tiger: 3 Abs 1.
[18] AGB zur Nutzung von Book a Tiger: 3 Abs 2.
[19] Vgl Warter, Crowdwork
[20] https://www.bookatiger.com/at-de/professional/signup/?source=banner (30.09.2016).
[21] Vgl Warter, Crowdwork 108; Sonntag, Einführung in das Internetrecht2, 304; Wiebe in Kletečka/Schauer, ABGB-ON01 § 861 Rz 18 (Stand Juli 2013, rdb.at); Kletečka in Koziol – Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 (2014) Rz 402; Riedler in Schwimann, ABGB Praxiskommentar3 § 861 ABGB Rz 4 f; Rummel in Rummel, ABGB3 (2000) § 861 Rz 7.
[22] Kletečka in Koziol-Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 Rz 430 f.
[23] Kletečka in Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I13 (2006) 132.
[24] Trotz intensiver Internetrecherche, schriftlicher und mündlicher Anfragen sowie einer Anmeldung als Reinigungskraft, die allerdings nach wie vor nicht zu einer Freischaltung geführt hat, bleibt offen, ob Reinigungskräfte bei Annahme von Reinigungsangeboten eigenen AGB zustimmen müssen.
[25] Graf in Kletečka/Schauer, ABGB-ON01 § 864a Rz 11; Kletečka in Koziol-Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 Rz 431.
[26] StRsp OGH 17.06.1980, 4 Ob 562/79; zuletzt OGH 25.05.2016, 2 Ob 103/15h; siehe RIS-Justiz RS0014506.
[27] Siehe dazu näher in Abschnitt „Qualifikation der 1. Phase“.
[28] AGB zur Nutzung von Book a Tiger: Abs 1; 2 Abs 1.
[29] Kletečka in Koziol-Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 Rz 622; Flume, Das Rechtsgeschäft4 (1992) 7; vgl Warter, Crowdwork
[30] OGH 4 Ob 6/02i, SZ 2002/145 = ÖBA 2004, 111 (Popp); vgl Strasser in Rummel, ABGB3 1002 ABGB Rz 50, 53 ff; Rubin in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1002 ABGB (Stand 01.06.2015, rdb.at) Rz 43, 56 ff; Apathy in Schwimann/ Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 1002 ABGB Rz 5 ff, Kletečka in Koziol-Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 Rz 622, 695 ff.
[31] OGH 11.1995, 3 Ob 120/95; Kletečka in Koziol-Welser, Bürgerliches Recht I13 200; Apathy in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 1002 ABGB Rz 5.
[32] Kletečka in Koziol-Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 Rz 697; Flume, Das Rechtsgeschäft4 755 ff; Rubin in Kletečka/ Schauer, ABGB-ON02 § 1002 ABGB (Stand 01.06.2015, rdb.at) Rz 64; Apathy in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 1002 ABGB Rz 6; stRsp OGH 15.12.1980, 8 Ob 527/80; zuletzt OGH 28.09.2006, 4 Ob 127/06i = RIS-Justiz RS0019600.
[33] Warter, Crowdwork 109; Kletečka, in Koziol-Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 Rz 695 f; Flume, Das Rechtsgeschäft4 755 ff; Rubin in Kletečka/Schauer, ABGB-ON02 § 1002 ABGB (Stand 01.06.2015, rdb.at) Rz 56; Strasser in Rummel, ABGB3 § 1002 ABGB Rz 53; OGH 12.11.2009, 6 Ob 217/09v = RIS-Justiz RS0125520.
[34] StRsp OGH 16.01.2001 4 Ob 323/00d; zuletzt OGH 14.08.2008 2 Ob 105/08t = RIS-Justiz RS0114656.
[35] Vgl Kocher/Hensel, Herausforderungen des Arbeitsrechts durch digitale Plattformen – ein neuer Koordinationsmodus von Erwerbsarbeit, NZA 2016, 984 (985).
[36] Kocher/Hensel, NZA 2016, 984, 986.
[37] Warter, Crowdwork 101, 111 ff mwN.
[38] AGB zur Nutzung von Book a Tiger: Abs 1: „(…) Der Dienstleistungsvertrag kommt zwischen dem Kunden und dem Reinigungsdienstleister zustande“. Siehe auch 3 AGB: „Book a Tiger tritt im Einverständnis der jeweiligen Dienstleister als Vertreter mit Abschlussvollmacht auf und ist berechtigt, für den Dienstleister Buchungsfragen von Kunden entgegenzunehmen und nach Freigabe des Dienstleisters zu bestätigen. (…)“.
[39] Siehe zB OGH 30.05.2016, 6 Ob 87/16m.
[40] Kletečka in Koziol-Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 Rz 459; Gschnitzer in Klang (Hrsg), Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, Band IV, Halbband 1² (1968) 73,
[41] Vgl hierzu vor allem die Ausführungen zur Abgrenzung von Reiseveranstaltung und Apathy in Schwimann/ Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 31b KSchG Rz 10; Krejci in Rummel, ABGB3 § 31b KSchG Rz 7; OGH 29.1.2015, 6 Ob 22/14z; uvm. Siehe auch EuGH 09.11.2016, C-149, Wathelet. Zwar handelt es sich hier stets um VerbraucherInnengeschäfte, aber auch bei Plattformen wie Book a Tiger liegen oftmals VerbraucherInnengeschäfte vor. Darüber hinaus können diese Grundsätze auch auf andere Geschäfte übertragen werden, wenn auch der Maßstab sich ein wenig verschieben mag.
[42] Vgl zB OGH 1 Ob 80/11p, Zak 2011, 253 = RdW 2011, 595; OGH 7 Ob 524/93, SZ 66/69; OGH 29.01.2015, 6 Ob 22/14z.
[43] Vgl im Gegensatz dazu die Plattform fragfrida.at (20.10.2016), eine Vermittlungsplattform für BabysitterInnen, die bereits auf der Startseite ausdrücklich und klar an prominenter Stelle festhält, dass die Plattformbetreiberin lediglich eine Vermittlungstätigkeit ausübt.
[44] Die Provision wird dabei von der Plattform In früheren Versionen war hingegen noch eine Barzahlung möglich, sodass die Plattform in diesen Fällen keine Provision erhielt.
[45] Vgl Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I13 Vgl auch OGH 21.05.1992, 8 Ob 559/92 = RIS-Justiz RS0013965; OGH 15.11.1977, 5 Ob 649/77, zuletzt OGH 15.07.1981, 1 Ob 630/81 = RIS-Justiz RS0014006; ebenso RIS-Justiz RS0013981; OGH 4 Ob 343/72, SZ 45/102; Gschnitzer in Klang IV/12 53 ff.
[46] AGB zur Nutzung von Book a Tiger: 3 Abs 2: „Ein Dienstleistungsvertrag kommt zustande, in dem Book a Tiger nach Freigabe des Dienstleisters die Buchungsanfrage gegenüber dem Kunden bestätigt“.
[47] Vgl Pfeil in Schwimann, ABGB Praxiskommentar3 1151 ABGB Rz 1 ff.
[48] Vgl Warter, Crowdwork
[49] Schurr in Schwimann, ABGB Praxiskommentar3 (2006) § 1002 ABGB Rz 21.
[50] OGH 1 Ob 531/52, SZ 25/168.
[51] Welser, Bürgerliches Recht II13 (2007) 210; Strasser in Rummel, ABGB³ 1002 ABGB.
[52] Tomandl, Welchen Nutzen bringt ein neuer Dienstnehmerbegriff, ZAS 2008, 100 (101); Kietaibl, Arbeitsrecht I8 (2013) 23; Pfeil in Schwimann, ABGB Praxiskommentar3 1151 ABGB Rz 14.
[53] Tomandl, ZAS 2008, 101.
[54] StRsp OGH 7 Ob 288/74, HS 9514g; zuletzt OGH 22.12.2015, 1 Ob 146/15z; vgl ebenso OGH 8 ObA 48/11h, ZAS 2012/85 = ARD 6283/6/2012; 8 ObA 58/14h, ARD 6427/7/2014; Pfeil/Risak in Schwimann, ABGB Taschenkommentar3 1151 ABGB Rz 10.
[55] Rebhahn in ZellKomm2 (2006) § 1151 ABGB Rz 83.
[56] Tomandl, ZAS 2008, 101.
[57] Vgl Strasser, Abhängiger Arbeitsvertrag oder freier Dienstvertrag, RdA 1992, 93 (95).
[58] Siehe hierzu Prassl, Die schwierige Suche nach dem Arbeitgeber im Englischen Recht, EuZA 2013 472–492; Prassl, The concept of the employer (2015); Prassl/Risak, Uber, TaskRabbit, & Co: Platforms as Employers? Rethinking the legal analysis of Crowdwork, Comparative Labor Law & Policy Journal (CLLPJ) 2016, 619–651; Risak, Kurswechsel 2/2016, 32–41.
[59] Statt vieler RIS-Justiz RS0111914, zuletzt OGH 30.03.2016, 4 Ob 37/16v; ebenso zuletzt OGH 25.09.2014, 9 ObA 103/14h = RS0014509.
[60] Rebhahn in ZellKomm2 1151 ABGB Rz 61 ff, Pfeil/Risak in Schwimann, ABGB Taschenkommentar3 § 1151 ABGB Rz 16; Rebhahn in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1151 ABGB Rz 36 (Stand 01.06.2014, rdb.at); Tomandl, Wesensmerkmale des Arbeitsvertrags in rechtsvergleichender und rechtspolitischer Sicht (1971) 76 f; Krejci in Rummel, ABGB3 (2000) § 1151 Rz 6; Kietaibl, Arbeitsrecht I8 20 f.
[61] Vgl zB OGH 4 Ob 58/70, ZAS 1971, 138 (Krejci); 4 Ob 104/80, DRdA 1982, 191 (Strasser) = ZAS 1982,10 (Tomandl); zuletzt OGH 08.2002, 8 ObA 277/01w; Pfeil/Risak, in Schwimann, ABGB Taschenkommentar3 § 1151 ABGB Rz 16; Rebhahn in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1151 ABGB Rz 36 (Stand 01.06.2014, rdb.at); Rebhahn in ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz61 ff.
[62] AGB zur Nutzung von Book a Tiger: Abs Unabhängig davon werden AGB nicht Vertragsbestandteil. Siehe hierzu die Ausführungen unter Abschnitt „Erste Phase – Registrierung“.
[63] AGB zur Nutzung von Book a Tiger: § 2 Abs 2.
[64] Tomandl, ZAS 2008, 100 ff; Tomandl, Wesensmerkmale 20 ff.
[65] OGH 4 Ob 12/64, Arb 7935.
[66] Rebhahn in ZellKomm2 1151 ABGB Rz 77a.
[67] OGH 4 Ob 69/75, Arb
[68] Risak, ZAS 2015, 17; Warter, Crowdwork 160 f; zu Deutschland Däubler, Internet und Arbeitsrecht5 (2015) Rz 446w.
[69] Warter, Crowdwork 161 mwN.
[70] Rebhahn in ZellKomm2 1151 ABGB Rz 85 ff, 99 ff.
[71] Rebhahn in ZellKomm2 1151 ABGB Rz 85.
[72] Rebhahn in ZellKomm2 1151 ABGB Rz 97; Freudhofmeier, Dienstvertrag – freier Dienstvertrag – Werkvertrag3 (2013) 32; Warter, Crowdwork 170 ff.
[73] VwGH 20.04.2005, 2001/08/0074; 19.06.1990, 88/08/0097.
[74] Rebhahn in ZellKomm2 1151 ABGB Rz 99 ff.
[75] AGB zur Nutzung von Book a Tiger: § 7 Abs 2.
[76] Zuletzt VwGH 03.11.2015, 2013/08/0153.
[77] Siehe zur These der Vorprogrammierung: Warter, Crowdwork
[78] AGB zur Nutzung von Book a Tiger: Abs 1; 2 Abs 2.
[79] Wenn die AuftraggeberInnen der Reinigungskraft ausschließlich einen Staubsauger zur Verfügung stellen, wird die Reinigungskraft wohl vor allem staubsaugen
[80] Statt vieler RIS-Justiz RS0107423.
[81] Warter, Crowdwork 178.
[82] ZB OGH 01.1984, 4 Ob 164/83; zu weiteren Abgrenzungsentscheidungen siehe RIS-Justiz RS0021330.
[83] Risak, What’s law got to do with it? – (Arbeits-)Rechtliche Aspekte plattformbasierten Arbeitens, Kurswechsel 2/2016, 32 (38).
[84] Warter, Crowdwork 60
[85] Risak, Kurswechsel 2/2016,
[86] Siehe hierzu Prassl, Die schwierige Suche nach dem Arbeitgeber im Englischen Recht, EuZA 2013 472–492; Prassl, The concept of the employer (2015).
[87] Prassl/Risak, Uber, TaskRabbit, & Co: Platforms as Employers? Rethinking the legal analysis of Crowdwork, Comparative Labor Law & Policy Journal (CLLPJ) 2016, 619–651; Risak, Kurswechsel 2/2016, 32–41.
[88] Risak, Kurswechsel 2/2016,
[89] Risak, Kurswechsel 2/2016,
[90] Vgl Prassl/Risak, CLLPJ 2016, 636
[91] Vgl Prassl/Risak, CLLPJ 2016, 636
[92] Indem zB keine Arbeitsaufträge mehr angeboten
[93] Vgl Prassl/Risak, CLLPJ 2016,
[94] Vgl Prassl/Risak, CLLPJ 2016, 639.
[95] Vgl Prassl/Risak, CLLPJ 2016, 639.
[96] Risak, Kurswechsel 2/2016, 39.
[97] Wenn die AuftraggeberInnen der Reinigungskraft ausschließlich einen Staubsauger zur Verfügung stellen, wird die Reinigungskraft wohl vor allem staubsaugen.
[98] Siehe dazu Abschnitt „Eingliederung der Arbeitskräfte“.
[99] AGB zur Nutzung von Book a Tiger: 7 Abs 1. Unklar ist ob dabei die Qualität der Reinigungsleistung gemeint ist oder dass die Plattform eine Haftung ausschließen will, dass der Auftrag überhaupt durchgeführt wird.
[100] Kocher/Hensel, NZA 2016,
[101] Siehe https://www.bookatiger.com/at-de/faq (30.12.2016).
[102] Siehe hierzu die Ausführungen unter Abschnitt „Persönliche Leistungspflicht“.
[103] AGB zur Nutzung von Book a Tiger: 7 Abs 2.
[104] Vgl Prassl/Risak, CLLPJ 2016,
[105] Risak, Kurswechsel 2/2016,
[106] Vgl Prassl/Risak, CLLPJ 2016,
[107] Vgl Prassl/Risak, CLLPJ 2016,
[108] Vgl Prassl/Risak, CLLPJ 2016,
[109] ZB bei der Plattform TaskRabbit, vgl Vgl Prassl/Risak, CLLPJ 2016,
[110] Vgl Prassl/Risak, CLLPJ 2016,
[111] Reinigungskräfte von Book a Tiger müssen dementsprechend nach dem entsprechenden Kollektivvertrag entlohnt Dies gilt selbstverständlich auch dann, wenn die gewerbliche Tätigkeit ohne die hierfür erforderliche Gewerbeberechtigung unbefugt ausgeübt wird. Siehe auch Abschnitt „Rechtsfolgen“.
[112] Siehe hierzu ausführlich Warter, Crowdwork 193 ff
[113] Warter, Crowdwork 193 ff
[114] StRsp OGH 8 ObA 50/13f, DRdA 2014, 346/34 (Risak); zuletzt OGH 04.2014, 8 ObA 13/14s; RIS-Justiz RS0110312.
[115] OGH 27.02.2014, 8 ObA 8/14f.
[116] OGH 8 ObA 82/13m, ecolex 2014, 631.
[117] OGH 9 ObA 153/13k, ecolex 2014, 455 = Tomandl, ZAS 2015, 244; 8 ObA 50/13f, wbl 2014, 157/51.
[118] Rebhahn in ZellKomm2 1151 ABGB Rz 96a.
[119] ArbeitnehmerInnenähnliche Personen gemäß 3 Abs 4 AÜG; vgl zB Löschnigg, Arbeitsrecht12 (2015) 783.
[120] Vgl Warter, Crowdwork
[121] Siehe hierzu Abschnitt „Zustandekommen des Vertrages über die Reinigungsdienstleistung“.
[122] Schindler in ZellKomm2 3 AÜG Rz 1.
[123] Kallab, Zur Abgrenzung Werkvertrag – Arbeitskräfteüberlassung, DRdA-infas 2015, 219 (220).
[124] AGB zur Nutzung von Book a Tiger: Abs 1; 2 Abs 2.
[125] Schörghofer, Arbeitskräfteüberlassung und Werkvertragserfüllung durch Gehilfen, ecolex 2015, 588 (589),
[126] Den Schutz des Überlassers/der Überlasserin gegen Vertragsverletzungen des Beschäftigers/der Beschäftigerin auf dem Rücken der eingesetzten Arbeitskräfte zu gewährleisten, ist nicht mit dem Schutzgedanken des AÜG vereinbar. Siehe Schörghofer, ecolex 2015, 589,
[127] Kallab, DRdA-infas 2015,
[128] Treffend Mazal, Rechtsfragen des Anwendungsbereichs des AÜG, ZAS 2005, 244
[129] Mazal, ZAS 2005, 244
[130] Schörghofer, ecolex 2015,
[131] Im Übrigen werden die AGB nach der in diesem Beitrag vertretenen Meinung lediglich Teil des Vertrages zwischen den AuftraggeberInnen und der Plattformbetreiberin, siehe Abschnitt „Erste Phase – Registrierung“.
[132] Ein allgemeines Persönlichkeitsrecht wird in Deutschland aus den Art 2 Abs 1 GG iVm Art 1 Abs 1 GG Siehe hierzu zB BGH 25.05.1954, I ZR 211/53; BVerfG, 05.06.1973 – 1 BvR 536/72.
[133] Rebhahn in ZellKomm2 1151 ABGB Rz 234, mwN.
[134] Vgl Rebhahn in ZellKomm2 1151 ABGB Rz 234.
[135] Rebhahn in ZellKomm2 1151 ABGB Rz 235.
[136] Kletečka in KoziolWelser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 Rz
[137] Vgl auch Warter, Crowdwork 278
[138] Vgl Warter, Crowdwork 278 f; vgl auch Däubler, Internet und Arbeitsrecht5 Rz 448 u
[139] Siehe die AGB zur Nutzung von Book a Tiger: 11 Abs 1: „Es ist ausschließlich deutsches Recht anwendbar. Die Vorschriften des UN-Kaufrechts werden ausgeschlossen“.
[140] Siehe die AGB zur Nutzung von Book a Tiger: 11 Abs 2: „Sofern es sich bei dem Vertragspartner um einen Kaufmann, eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um ein öffentlich-rechtliches Sondervermögen handelt, ist Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus Vertragsverhältnissen zwischen dem Endkunden und Book a Tiger Berlin“.
[141] Deinert, Internationales Arbeitsrecht (2013)
[142] Verschraegen, Internationales Privatrecht (2012) Rz 400
[143] Art 3 Abs 3 Rom I-VO.
[144] Verschraegen, Internationales Privatrecht Rz 400
[145] Vgl Czernich in Czernich/Kodek/Mayr, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht4 Art 25 Rz 66
[146] Schröder, Eine Putzfrau ist keine Pizza, Handelsblatt vom 02.2016, abrufbar unter http://www.handelsblatt.com/unternehmen/mittelstand/book-a-tiger-eine-putzfrau-ist-keine-pizza/12927064.html (10.10.2016).
[147] Schröder, Eine Putzfrau ist keine Pizza, Handelsblatt vom 02.2016.
[148] Schröder, Eine Putzfrau ist keine Pizza, Handelsblatt vom 02.2016.
[149] Schröder, Eine Putzfrau ist eine Pizza, Handelsblatt vom 02.2016.